Protokoll der Sitzung vom 15.01.2015

[Oliver Friederici (CDU): Jetzt auch mal ein freundliches Wort zu den Bauern! Immer diese Feindschaft!]

Also, ich habe überhaupt nichts gegen Biobauern. Das lasse ich mir auch nicht nachsagen! Aber ich habe etwas dagegen, wenn hier Unwahrheiten verbreitet werden.

Herr Dietmann! Sie haben gerade gesagt, es wurden überhaupt nicht 32 Kongresse abgesagt. Da haben Sie in gewisser Weise recht. Denn die Messe sagt auch: Nein, nein! Wir haben nichts abgesagt, denn absagen kann man ja nur Dinge, die man vorher zugesagt hat. – Es stimmt aber, dass sie 32 Anfragen nicht bedienen konnte. Und es stimmt auch, dass darunter 17 Kongresse mit über 5 000 Personen sind. Jetzt erklären Sie mir mal bitte, wo die in Berlin stattfinden sollen, wenn nicht im ICC oder im Cube, wenn er zur Verfügung stünde.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön! – Kollege Dietmann hat jetzt die Möglichkeit zu replizieren. – Bitte sehr!

[Oliver Friederici (CDU): Wieder kein freundliches Wort zu den Bauern! – Weitere Zurufe]

Also, es ist schon einmal gut, dass Sie nichts gegen Biobauern haben. Das wäre wahrscheinlich auch katastrophal in Ihrer Fraktion. – Aber mal im Ernst: Wir haben am Montag lange darüber diskutiert, wie diese Studie, Vorstudie, Abfrage, wie auch immer man sie bezeichnen möchte, zu betrachten ist. Und Frau Senatorin Yzer hat deutlich gemacht, dass das, was Sie hier als Wahrheit in den Raum zu stellen versuchen, dass hier Tausende von Menschen ihre Tagungen nicht in Berlin durchführen konnten, eben nicht den Tatsachen entspricht. Frau Senatorin Yzer hat weiter zugesagt, dass das Gutachten, das in Auftrag gegeben wurde, wenn man so will, durch visit

Berlin und die Messe Berlin GmbH, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, den Abgeordneten zugängig gemacht wird, sobald es vorliegt.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Wo ist denn jetzt Ihre Klarheit? Ja oder nein?]

Es ist nicht die Frage, ob ja oder nein, sondern es ist die Frage, ob Sie hier wieder irgendwelche Halbwahrheiten verbreiten und damit irgendein Horrorszenario an die Wand malen, das einfach nicht richtig ist.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Realitätsverweigerung!]

Hier ist Transparenz zugesagt worden, und Sie sollten vielleicht erst einmal Dinge in Ruhe durchlesen, bevor Sie Halbwahrheiten in den Raum stellen, und dann kann man darüber mal ganz in Ruhe reden. Und Sie sollten auch falsche Dinge – Frau Ludwig, Sie wissen, ich schätze Sie sehr – nicht einfach nur wiederholen. Davon werden sie nicht richtiger!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Michael Schäfer (GRÜNE): Und wenn man richtige Dinge wiederholt, werden sie davon nicht falsch!]

Vielen Dank! – Kollegin Matuschek hat jetzt das Wort für die Linksfraktion. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Piraten! Die Dringlichkeit Ihres Antrags erschließt sich mir, ehrlich gesagt, auch nicht, aber ich denke, es ist immer richtig, dass man über die jeweilige Unternehmensstrategie der landeseigenen Unternehmen reden sollte, um die Risiken, die es immer gibt, sobald man sich aufs Meer begibt, zu antizipieren und die politischen Entscheidungen zu treffen, die zu treffen sind.

Das Thema Messe Berlin ist nicht neu. Es steht regelmäßig auf der Tagesordnung. Die Messe hat einen Masterplan angekündigt, der uns vorgelegt werden muss. Er liegt noch nicht vor. Er sollte uns zugestellt werden, und ich denke, eine neuerliche Diskussion über eine generelle Unternehmensstrategie ohne diesen Masterplan ist eine verfrühte. Es ist allerdings tatsächlich ein neuer Baustein in dieser ganzen Diskussion aufgetaucht, und das ist die vorgelegte und versprochene Studie zu den Kongresspotenzialen. Ich sehe das übrigens gar nicht so aufgeregt, sondern ich halte diese Studie durchaus für eine Grundlage für eine weitere Diskussion. Dazu aber noch mal später.

Das übliche Rauschen im Blätterwald – Frau Ludwig, da muss ich Ihnen auch widersprechen –, das Beschreien von Absagen von Kongressen,

(Michael Dietmann)

[Nicole Ludwig (GRÜNE): Das stand doch schwarz auf weiß!]

die so gar nicht stattgefunden haben, ist für eine seriöse Diskussion nicht gerade hilfreich. Nicht gerade hilfreich sind auch unterschwellige Andeutungen verschiedener Akteure über nach wie vor ungeklärte Fragen zur Zukunft des ICC und insbesondere auch des Geländes in Tempelhof. Hier agieren nach meiner Meinung Senat und Koalitionsfraktionen wie kleine Kinder im Sandkasten, die sich um den Buddeleimer streiten.

Aber Fakt ist doch – erstens: Es ist bekannt, dass die Wirtschaftssenatorin ein Auge auf Tempelhof geworfen hat und am liebsten die Tempelhof GmbH – auch ein landeseigenes Unternehmen – abwickeln sowie das Gelände und dessen Bewirtschaftung der Messe Berlin übertragen möchte. Doch das ist keine Frage, die Frau Yzer und Herr Göke zusammen in Hinterstuben entscheiden sollten, sondern das ist eine Frage, die das Parlament zu beantworten hat. Das Parlament sollte über die Zukunft Tempelhofs entscheiden.

Der Senat ist bisher dieser Frage ausgewichen und schmollt weiter ob des verlorenen Volksentscheids. Tempelhof ist aber zu wichtig für Berlin und zu zentral in der Stadt, dass über dessen Zukunft aus rein wirtschaftspolitischen Blütenträumen und ohne finanzielle Untersetzung innerhalb der Verwaltung entschieden werden kann. Ob aus dem historischen Gebäude dauerhaft ein Messestandort à la „Bread and Butter“ oder ein Kreativcampus oder ein Bildungsort wird, das muss dieses Parlament entscheiden und ist von gesamtstädtischer Bedeutung.

Zweitens: Das Messegelände in Selchow hängt der Messe Berlin wie ein Klotz am Bein. Das war zu befürchten, doch diese Befürchtungen wurden zurückgestellt in der Hoffnung auf die Inbetriebnahme des BER und die positive Wirkung der ILA. Da gibt es Nachsteuerungsbedarf. Das ist ganz deutlich. Darüber ist dringend zu reden.

Drittens, ICC: Herr Jahnke! Wenn es Taktiererei in den letzten zehn, fünfzehn Jahren gegeben hat, wie Sie dies beschrieben haben, dann hat diese Taktiererei in erster Linie etwas mit zwei Senatsverwaltungen zu tun, die Bauverwaltung und die Finanzverwaltung. Es hat ein Konzept für eine Sanierung im Bestand gegeben. Das wurde von der damaligen Senatorin Junge-Reyer hintertrieben. Das war die Taktiererei. Ich glaube, da war die SPD ganz an vorderster Front.

Der Hauptausschuss hat gestern das Thema bis zum Sommer vertagt. Das ist bedauerlich. Herr Müller als neuer Regierender Bürgermeister lässt keine Gelegenheit aus, für das ICC zu werben. Doch Werbung, Herr Müller, hilft nicht, wenn der Misthaufen, um den es geht, stinkt. Sie haben heute früh in Ihrer Regierungserklärung erzählt – da unterstütze ich Sie –: Zeit- und Kostenpläne sind kein Wünsch-dir-was.

[Beifall von Steffen Zillich (LINKE)]

Das gilt übrigens auch für das ICC, Herr Müller. Auf der Senatsklausur gab es nichts Neues dazu, und der gesamte Senat schweigt zu Ihren Aufrufen, es offenbar nicht bei den 200 Millionen Euro zu belassen, sondern die schwache Investitionskraft Berlins, verstärkt offensichtlich aus dem neuen Fonds, gebündelt in den Betonklotz ICC zu stecken. Das hilft weder der Messe noch dem Kongressstandort Berlin und schon gar nicht der gesamten Stadt und der verschlissenen Infrastruktur der Stadt, die insgesamt die wachsenden Zahlen an Bevölkerung, an Touristen, an Geschäftsreisenden und auch an Wirtschaftsansiedlungen bewältigen muss.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und viertens möchte ich dann doch noch einen Satz zum Thema Kongressstadt verlieren: Die Studie liegt uns nicht vor. Wir sollten sie anfordern, und es ist uns zugesagt worden, dass wir sie bekommen. Doch was diese Studie zutage brachte, war eben nicht erschreckend – wie kolportiert –, sondern ermutigend. Berlin ist als Kongressstadt in den letzten Jahren etabliert. Das ist gut und so gewollt.

[Beifall von Nicole Ludwig (GRÜNE)]

Und Berlin hat als Kongressstadt weiteres Potenzial. Kongresse und nicht Messen, wie im Antrag der Piraten übrigens unterstellt, sind ein wachsendes Potenzial. Es gibt einen Nachfrageüberhang, und das ist gut. Und wie man mit diesem Nachfrageüberhang umgeht, das ist tatsächlich eine Frage, die auch politisch zu entscheiden ist, wenn es um das landeseigene Unternehmen Messe Berlin geht. Aber es geht auch um die Stadt als Ganzes.

In diesem Zusammenhang muss eben geklärt werden, wie weit das landeseigene Unternehmen Messe weiterhin den Kongressmarkt beackert und noch weiter einsteigt, auch angesichts der unterschiedlichen Ertragszahlen aus Messegeschehen und Kongressgeschehen. Dann kann man anhand weiterer Überlegungen diese Frage beantworten, wie der Kongressstandort Berlin weiterzuentwickeln ist. Ich habe noch eine ganze Reihe anderer Bemerkungen zu dem Antrag, zum Thema an sich, aber das können wir gern im Ausschuss noch ausführlicher beraten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf die

(Jutta Matuschek)

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 4

Gesetz über die Errichtung des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung und zur Umwandlung des Max-Delbrück-Centrums für molekulare Medizin in eine Körperschaft öffentlichen Rechts

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2026

Erste Lesung

In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Kollege Oberg, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Wir steigen heute ein in die Beratung des Gesetzes über die Errichtung des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung und zur Umwandlung des Max-DelbrückCentrums für molekulare Medizin in eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Ich gestehe, ich habe mir den Titel dieses Gesetzes notieren müssen, merken kann ich ihn mir nicht, denn er zeigt, dass es ein sperriges Gesetz ist, das nicht gerade dazu geeignet ist, die Massen zu bewegen. In meiner Sprechstunde war auch noch niemand, der mit mir über dieses Gesetz diskutieren wollte, und ich bin mir auch sicher, dass wir hier keine wilden und emotionalen Redeschlachten zu diesem Gesetz haben werden.

[Martin Delius (PIRATEN): Dennoch ist es wichtig!]

Dennoch ist es wichtig. Herr Delius! Ich stimme Ihnen vollständig zu. – Es ist wichtig, denn dieses Gesetz, die Errichtung des BIG, ist ein Meilenstein in der Berliner Wissenschaftspolitik. Ich freue mich – ich wusste das nicht, als ich mir das überlegte –, dass ich hiermit den neuen Regierenden Bürgermeister zitiere, der das heute Morgen genauso eingeschätzt hat.

Das BIG ist wichtig für Berlin und bedeutsam weit über die Grenzen des Landes hinaus. Mit dem BIG wird ein gemeinsamer Forschungsraum von Charité und MDC geschaffen, und das ist in dieser Form etwas völlig Neues und ein Ansatz, der auf viele Herausforderungen der Wissenschaftspolitik versucht, eine Antwort zu geben. Mit dem BIG wird die Kooperation von universitärer und außeruniversitärer Forschung in Berlin erstmals institutionalisiert. Endlich gelingt es, die Versäulung der deutschen Wissenschaftslandschaft aufzubrechen, ohne die spezifischen Stärken beider Welten, der außeruniversitären und der universitären, aufzugeben. Endlich gelingt es auch, für die Kooperation, die schon vielfach gelebt wird, einen institutionellen Rahmen zu schaffen.

Die zweite Herausforderung, auf die das BIG eine Antwort gibt, ist die dauerhafte und verlässliche Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Wissenschaft. Bis

lang beteiligt sich der Bund jenseits der außeruniversitären Forschung lediglich im Rahmen von Programmen und Wettbewerben wie etwa der Exzellenzinitiative oder aber auch dem Hochschulpakt. Das bringt zwar viel Geld ein, aber eben verdammt wenig Verlässlichkeit für das Wissenschaftssystem. Das BIG und wir hier in Berlin erproben einen Weg der Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit.

Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung weist drittens einen Weg, wie exzellente Wissenschaft von Bund und Land gemeinsam, auch nach Auslaufen der Exzellenzinitiative, gefördert werden kann. Berlin ist nicht nur in dieser Frage mit dem BIG ein Pionier, auf den dann auch wiederum das ganze Land schaut.

Die Konstruktion des BIG ist eine riesige Chance, aber auch keine ganz leichte Sache. Es geht um viel Geld, vor allem sind aber sehr viele Akteure beteiligt und viele Interessen unter einen Hut zu bringen. Land und Bund sind beteiligt, eine Universitätsmedizin, die zu zwei Universitäten gehört, und eines der renommiertesten Forschungsinstitute Deutschlands, nämlich das MDC. Das ist nicht nur hinsichtlich der Zahl der Partner, sondern auch hinsichtlich ihrer Bedeutung und der unterschiedlichen Interessen eine große Herausforderung. Ich bin der festen Überzeugung: Das BIG wird nur dann ein Erfolg, wenn es gelingt, ein Gleichgewicht der Interessen und Bedürfnisse zu erreichen, und das sicherzustellen, wird für uns ein wesentlicher Aspekt der Beratung in den kommenden Wochen sein.