Ich will das mal an einem Beispiel deutlich machen. Der Kollege Geisel kennt wahrscheinlich den Vorgang. Es gibt einen Beschluss der BVV Lichtenberg, entlang der Treskowallee in den Seitenstraßen Tempo-30-Zonen einzuführen. Dann findet eine umfangreiche Kor
respondenz mit der Verkehrslenkung Berlin statt, und das ganze Ansinnen wird erst mal abschlägig beschieden, weil Busse durch diese Straßen fahren müssen, wobei ein Tempo von 15 Stundenkilometern in diesen Straßen auch bei Tempo 30 allemal erreicht wird. Und nun teilt Anfang dieses Jahres die Verkehrslenkung dem Bezirk mit: Wir geben jetzt die Zuständigkeit ab, setzt das doch selbst fest! – Ich sage: Was soll das? Das hätte man sich wirklich einfacher machen können. Man hätte diese Entscheidung früher treffen können.
Deshalb sollten wir ernsthaft und in Ruhe im Ausschuss über diese Fragen reden und vielleicht auch eine Anhörung zu den Vorschlägen der Grünen machen. Wir sollten das Aufgabenspektrum überprüfen und uns fragen, ob bestimmte Genehmigungen und bestimmte Anordnungen nicht auch auf die bezirkliche Zuständigkeit abgeschichtet werden können. Natürlich nicht so, dass dann an den Bezirksgrenzen – wie das der Kollege Kreins angesprochen hat – keine Koordinierung stattfindet! Aber bei kleinteiligen Maßnahmen, die innerhalb des Bereichs eines Bezirkes entschieden werden können, ohne übergeordnete Interessen zu beeinträchtigen, kann man sich wirklich mal die Frage stellen: Kann das nicht abgeschichtet werden, kann das nicht sinnvoll anders organisiert werden?
Letzter Punkt: Ich teile das, was im Antrag der Grünen formuliert worden ist. Auch für die Verkehrslenkung muss es die klare Vorgabe geben, dass sie sich bei der Abwägung der verkehrlichen Erfordernisse klar am Vorrang des Umweltverbundes aus öffentlichem Personennahverkehr, Fahrradverkehr und Fußgängerverkehr orientieren muss, sodass damit die Priorität für diesen Umweltverbund gelegt wird und nicht der Autoverkehr gleichrangig behandelt wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Kollege Wolf! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Friederici. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich besteht offensichtlich Einvernehmen zwischen allen Fraktionen, dass die Arbeitsweise der Verkehrslenkung Berlin – VLB – verbessert, optimiert, effizienter gestaltet und mit mehr Personal ausgestattet werden muss. Das wird heute deutlich. Die Verkehrslenkung ist u. a. die zuständige Behörde für die Erteilung von temporären Genehmigungen auf Hauptstraßen beispielsweise für Verkehrsregelungen aufgrund von Baustellen und Großveranstaltungen. Gerade Letzteres sagt ja auch viel über die erfreuliche und zunehmende Attraktivität
Berlins aus. Insbesondere die Tatsache, dass verstärkt Tiefbaumaßnahmen angemeldet wurden und diese manchmal nicht umfassend und fehlerfrei beantragt werden, führte u. a. auch zu einem großen Antragsstau bei der VLB. Selbstverständlich ist dieser Umstand langer Bearbeitungszeiten für die Unionsfraktion nicht hinnehmbar, weil dadurch für die Infrastruktur dringend erforderliche Investitionen unnötig verzögert und verteuert werden. Dies beeinträchtigt nicht nur negativ den Zustand der öffentlichen Infrastruktur, sondern schadet besonders den betroffenen Baubetrieben und verursacht dadurch einen volkswirtschaftlichen Schaden.
Der Senat muss und wird daher umgehend dafür Sorge tragen – und da sind inzwischen Maßnahmen eingeleitet worden –, dass dieser unbefriedigende Zustand der langwierigen Antragsbearbeitung bei der VLB aufgelöst wird. Dabei werden schnellstmöglich alle notwendigen organisatorischen und technischen Voraussetzungen und insbesondere eine entsprechende bessere personelle Ausstattung geschaffen. Und es ist dafür Sorge zu tragen, dass kurzfristig Fachpersonal aus der Hauptverwaltung möglicherweise per Abordnung zur Verfügung gestellt werden kann, um so zumindest kurzfristig die aktuelle Situation zu entspannen.
Darüber hinaus wird geraten, ein für die VLB dauerhaft tragfähiges Personalkonzept zu entwickeln, um kompetentes Fachpersonal zu rekrutieren und diese Kompetenz auch auf Dauer im Hause der VLB zu halten, denn eine befristete Besetzung von Planstellen muss immer das absolut erforderliche Minimum bleiben.
Des Weiteren muss zur dauerhaften Effektivitätssteigerung der Arbeit der VLB ein nachhaltiges Organisationskonzept erarbeitet werden. Dabei muss das Hauptaugenmerk insbesondere auf eine nachhaltige Planstellenschaffung und -besetzung gelegt werden. Diese Herausforderung werden wir in den nächsten Haushaltsberatungen 2016/2017 als Koalition von SPD und CDU auch in Angriff nehmen.
Zu den drei Anträgen: Zum ersten sei gesagt, dass eine weitere Dezentralisierung der straßenverkehrsbehördlichen Aufgaben nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Situation bedeuten würde, denn die Probleme sind auch mit Zusammenführung der damaligen INKO-Stellen mit der Straßenverkehrsbehörde entstanden. Weil man seinerzeit schon befürchtet hatte,
dass die VLB die Aufgaben so nicht leisten kann, hatte man zusätzliche Teile der Zuständigkeiten an die Bezirke weitergegeben. Es ist aber doch eine bekannte Tatsache, dass eine weitere Dezentralisierung mehr Personal erfordert und nicht zur Lösung von übergreifenden Problemen über Bezirksgrenzen hinaus führen würde.
Das von den Grünen geforderte Kataster existiert eigentlich schon in Form einer Koordinierungssoftware,
steht aber fast ausschließlich der VLB zur Verfügung. Um die Abstimmung der Prozesse zu optimieren, müsste diese Software auch Polizei, Straßenbaubehörden, den Bezirken und anderen Senatsstellen zur Verfügung stehen. Ein Modellversuch zur Koordinierung von Baumaßnahmen unter 24 Stunden ist noch nicht realisierbar. Eine Koordinierung erfordert aber mehr als nur die beschriebene Abstimmung. So sind z. B. entsprechende Kenntnisse des öffentlichen Nahverkehrs, über sonstige Sondernutzungen, Filmarbeiten oder Schwerlastverkehr auch notwendig.
Zum zweiten Antrag: Selbstverständlich soll es schon heute so sein, dass sich BVG und Deutsche Bahn abstimmen. Auch die gegenwärtige Situation z. B. in der Yorkstraße mit dem gegenwärtig notwendigen Schienenersatzverkehr hätte frühzeitiger erkannt werden können, und damit hätte auch frühzeitiger begonnen werden müssen. Leider ist eine sachgerechte Evaluation der Arbeit der VLB in den letzten Jahren nicht erfolgt. Dafür tragen aber auch die Linken eine gehörige Mitverantwortung. Die Verantwortlichen hätten schon vor Jahren merken müssen, dass die damalige Umstrukturierung mit dem alleinigen Ziel der Personaleinsparung falsch war.
Zum dritten Antrag: An dieser Stelle muss ich darauf hinweisen, dass der tägliche Verkehr, nämlich über 60 Prozent, in Berlin gewerblich – über Taxi, Bus, Ärzte, Vertreter, Gewerbetreibende, Entsorgung, sonstige Versorgung der Geschäfte, Apotheken – stattfindet. Hier eine Benachteiligung, so wie die Grünen das wollen, von Pkws zu verlangen, würde das Problem doch nur noch verschärfen, und das widerspricht jeglichem Ansatz, Baumaßnahmen zu beschleunigen.
Die Koalition aus SPD und CDU hat die vorhandenen Defizite der VLB erkannt, evaluiert und ist dabei, die Aufgabenwahrnehmung mit entsprechenden Handlungen lösungsorientiert zu verbessern.
Da brauchen Sie von den Linken gar nicht dazwischen rufen. Das wissen Sie ganz genau. Es sind neue Stellen geschaffen, die Sie vorher abgeschafft haben. Die werden jetzt sukzessive besetzt.
Da können Sie noch viel dazwischenrufen. Sie können die Wahrheit nicht beiseite rücken. Ich weiß, dass das immer ein Problem bei Ihnen ist. Aber es ist nun mal so – aus Ihrer Vergangenheit –, dass Sie damit nicht klarkommen.
Sie, die Oppositionsparteien, können gern den Weg der Koalition mitgehen. Warten wir ab, ob den vollmundigen Worten – heute der Grünen – dann in den Haushaltsberatungen Taten folgen werden. Die organisatorische und stellenwirtschaftliche Neuausrichtung der Verkehrslenkung Berlin ist bereits eingeleitet. Senat und Koalition befinden sich hier auf dem richtigen Weg. Den gehen wir weiter. Die Probleme sind lösbar.
[Beifall bei der CDU – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Wir haben die Anträge schon in der letzten Haushaltberatung gestellt!]
Vielen Dank, Kollege Friederici! – Für die Piratenfraktion spricht jetzt Kollege Baum. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen, Kolleginnen und werte Gäste! Die VLB befindet sich in einem schlechten Zustand. Dass das so ist, dafür kann ja nun wahrscheinlich auch nur die Opposition etwas, denn die ist ja an allem schuld, was nicht funktioniert. Herr Friederici! Ich frage mich aber letztendlich schon, warum seit Jahren darüber diskutiert wird und es auch in dieser Legislaturperiode – seit die große Koalition am Regieren ist – nur zu Verschlechterungen gekommen ist. Ich frage mich auch, warum die Opposition die Anträge stellen muss – mit der Hoffnung und dem Ziel, dass sich an der Situation überhaupt irgendwas verändert.
Im Hauptausschuss werden regelmäßig rote Nummern vorgelegt, und es wird berichtet, dass organisatorische Umstrukturierungen erfolgen und Personalstellen besetzt werden sollen. Aber zu einem Erfolg hat das bisher nicht geführt. Jedenfalls kann ich und können andere das in der Stadt nicht feststellen.
Der Senat hat es verschlafen, die Verkehrslenkung zu einer gut funktionierenden Institution auszubauen und die Idee, die eigentlich einmal hinter der Verkehrslenkung Berlin stand, als sie eingerichtet wurde, umzusetzen. Früher fanden viele Maßnahmen, gerade was Anordnungen angeht, in den Bezirken statt. Dann hat man gemerkt, dass das nicht so gut funktioniert, und wollte das von einer übergeordneten Behörde koordinieren lassen, gerade auf den Hauptstraßen. Inzwischen funktioniert das aber auch nicht mehr. Deswegen muss man sich die Fragen stellen, woran das liegt und welche Maßnahmen
getroffen werden müssen, damit eine Veränderung stattfindet. Wir unterstützen die Anträge, weil es sinnvoll ist, sich darüber Gedanken zu machen, welchen Weg man einschlagen möchte. Die Aufteilung in drei Anträge kann man kritisieren, aber es ist vielleicht auch sinnvoll, das getrennt zu diskutieren.
Zu den Aufgabengebieten muss ich noch sagen: Ein wichtiges Aufgabengebiet hat mir in der Betrachtung gefehlt, vielleicht auch in den Anträgen, und zwar das der Unfallkommission und das Verkehrssicherheitsprogramm in Berlin. Dafür ist nämlich die Verkehrslenkung Berlin auch geschäftsführend tätig, sitzt dort mit am Tisch und berät, wie die Verkehrssicherheit in Berlin gesteigert werden kann. Dafür wurden auch einmal große Ziele formuliert: „Minus 30 Prozent“. Im letzten Bericht zum Verkehrssicherheitsprogramm 2020 wurde dann konstatiert, dass dieses Ziel so nicht erreicht wurde. Ich zitiere:
Die im ersten Berliner Verkehrssicherheitsprogramm festgesetzte zentrale Zielgröße „Minus 30 Prozent“ bezogen auf „schwer Verunglückte“ wurde bis heute deutlich verfehlt. Gegenüber dem Ausgangjahr 2004 ergab sich 2013 vielmehr sogar eine leichte Zunahme um 2 Prozent.
Auch da, denke ich, hilft es nicht, einfach zu sagen, man wolle wieder neu das Ziel ausgeben, „Minus 30 Prozent“ soll in Zukunft erreicht werden, sondern es müssen auch Maßnahmen getroffen werden.
Wenn man sich ansieht, welche Maßnahmen gerade in der letzten Zeit, seit 2008, getroffen worden sind, stellt man fest, da gab es gerade im letzten Jahr eine große Plakataktion „Rücksicht nehmen“. Was ist deren Ergebnis? Bisher kann ich nicht feststellen, dass der Berliner Verkehr seit dieser Plakatkampagne wesentlich rücksichtvoller geworden wäre.
Nein! Ich bin aber auch gern bereit, wenn Sie irgendwelche Untersuchungen haben, mir das genauer anzugucken. Ich habe jedenfalls keine Informationen, dass diese Maßnahmen bisher etwas geholfen haben. Ganz im Gegenteil: Jugendverkehrsschulen, die ich für eine sehr sinnvolle Einrichtung halte, gerade in Moabit, wo es große Probleme gab, wo es keine ausreichende Unterstützung des Senats gab, haben Schwierigkeiten, ihre Arbeit fortzusetzen. Ich denke aber, dass gerade an dieser Stelle eine Unterstützung sinnvoll wäre.
Insofern hat die VLB auch eine zentrale Rolle in diesem Verkehrssicherheitskonzept und nicht nur als leitende Stelle der Unfallkommission, sondern auch für die Verwaltung der Fördermittel und die Verkehrserziehung. Ich würde mich freuen, wenn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Zukunft dafür sorgt, dass die VLB gemeinsam mit den Bezirken Konzepte erarbeitet und zügig umsetzt, die zum Teil seit langen Jahren bekannte Unfall
schwerpunkte wie den Herrmannplatz wirksam entschärfen, und dass der Verantwortungsbereich den Verkehrsträgern des Umweltverbundes eine klare Priorität einräumt und vom Prinzip der Trennung der Verkehrsarten abweicht zugunsten innovativer, am Prinzip der selbst erklärenden Verkehrsräume orientierten Ansätze, zum Beispiel Shared Space, die durch gleichberechtigte Nutzung aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer die gegenseitige Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme erhöhen. Erste Ansätze dazu gibt es auch. Ich bin gespannt, wie die konkreten Maßnahmen, die in Planung sind, aber offensichtlich noch nicht abschließend umgesetzt worden sind, dazu führen, dass die Verkehrslenkung in Berlin auch in Zukunft wieder dazu beiträgt, dass der Verkehr in Berlin fließt und nicht steht und die Fahrradfahrer an irgendwelchen Baustellen nicht in derartige Bedrängnis geraten, dass es zu lebensbedrohlichen Situationen kommt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Baum! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung der Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss vorgeschlagen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.