Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

[Beifall bei der LINKEN]

Und dass Sie dieses hier heute noch als Erfolg feiern wollen, ist schon der Gipfel der Desorientiertheit. Da kann ich mich gerne Lorenz Maroldt anschließen, der es ein „sogenanntes Bäderkonzept“ nennt und ihm eine Haltbarkeitsdauer bis zum Ende der Koalition gibt.

[Steffen Zillich (LINKE): Nicht mal!]

Unser Mantra – zuerst kommt die Pflicht, dann kommt die Kür – gilt auch hier. Sie haben zum wiederholten Male bewiesen, dass dieser Senat es eben nicht kann. Ein ausgereiftes Bäderkonzept hätte Vorrang vor all Ihren olympischen Träumen haben müssen.

[Beifall bei der LINKEN]

Zur Genesis des Konzeptes: Es wurden mehrere Studien angefertigt: 2013 vier, 2014 drei. Sie haben dann den Entwurf des Konzepts im Aufsichtsrat vor einem Dreivierteljahr erhalten, dort mehrfach vertagt, dann in den Senat eingebracht; dort diskutiert, abgeschmettert, vertagt; gewartet, bis Nußbaum geht. Und dann in der vergangenen Woche in einer Zwei-Tage-Aktion haben Sie den Bäderentwurf zerstückelt, entstellt und neu zusammengesetzt. Ein Billigpuzzle, bei dem auch noch Teile fehlen, ist entstanden.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Der Gipfel des Gezerres: Obwohl zunächst eigentlich nur der Neubau eines Bades erfolgen sollte, musste ein zweites her. Sie wissen, warum. CDU und SPD müssen paritätisch bedient werden. Das kennen wir ja. Aber der Gipfel der Machtbesessenheit ist es, dass nunmehr die Wahlkreise von zwei führenden Fraktionären aus Marienfelde und Pankow, von Herrn Graf und Herrn Schneider, bedacht werden.

[Björn Eggert (SPD): Nein!]

Das ist einfach nicht zu fassen, wie hier politische Interessen bedient werden. Haben Sie schon die Schilder malen lassen: Danke Thorsten! Danke Florian!?

[Zuruf von den PIRATEN: Skandal! – Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchner?

Nein! Nein, das kann ich jetzt nicht machen. – Hat eigentlich der Aufsichtsrat die vorliegende Endfassung schon gesehen? Hat er sie diskutiert? Das wäre schon interessant. – Vor uns liegen nunmehr Segmente eines Konzepts, die nicht zusammenpassen. Die Frage, wie wir

(Dennis Buchner)

die Berliner Bäderlandschaft im Jahr 2025 aussehen lassen, bleibt unbeantwortet. Kurz auf einen Nenner gebracht, stellt sich das Konzept so dar: Wir wissen nicht, wie wir die Berliner Bäderlandschaft am Laufen halten werden. Wir haben kein Sanierungs- und kein Personalkonzept. Wir wissen auch nicht, wie hoch unsere Zuschüsse sein müssten. Aber wir werden zwei Bäder bauen, ohne zu wissen, ob unser Personal dafür ausreicht, und die Region Lichtenberg-Marzahn-Hellersdorf wird auch in den kommenden zehn Jahren kein Freibad erhalten. Diese Region wird weiterhin im Trinkwassereinzugsgebiet baden müssen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN)]

Das Thema Inklusion ist kein Thema für Sie, im Senat und als Bestandteil des Konzepts. Die Arbeitsgruppe Menschen mit Behinderungen wurde nicht einbezogen. Eine Analyse des Istzustandes, ein Kassensturz wurde – jedenfalls nicht für uns wahrnehmbar – nicht vorgenommen. Die Bäder-Betriebe behaupten, auf Bäderschließungen verzichten zu wollen. Das klingt so wunderbar. Man fordert es von ihnen politisch, aber wie sie das realisieren sollen, das bleibt offen. Zitat aus dem Konzept.

Soweit dies haushaltsmäßig möglich sein wird, soll auch künftig in die vorhandene Bäderstruktur investiert werden, um das Wasserflächenangebot insgesamt erhalten zu können.

Was ist das denn? Soll das heißen: Wenn ihr uns kein Geld gebt, müssen wir eben schließen? Aber wissen Sie denn nicht, Herr Senator, dass man zusätzlich Geld aus dem Haushalt des Landes Berlin nur begründet bekommt? Eine solche Begründung fehlt in diesem Konzept.

[Beifall bei der LINKEN]

Wo bleibt die Darstellung dazu?

Wir sind ja hier im Parlament nicht blind, und wir haben sehr viele Papiere von den Bäder-Betrieben bekommen. Aber eine Auswertung dieser Papiere, die in einem Konzept mündet, fehlt. Worin liegt der Mehrbedarf der Bäder-Betriebe? Wir brauchen einen verlässlichen Weg, um die prekäre Situation der Bäder-Betriebe zu beenden. Das hier vorgelegte sogenannte Konzept ist dafür nicht hilfreich.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN) und Christopher Lauer (PIRATEN)]

Zu einigen Details: Zitat aus dem Konzept: Der „eingeleitete Weg zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der BBB“ soll „konsequent weiterverfolgt“ werden. – Wie bitte? Was meinen Sie damit? Meinen Sie vielleicht die Verdrängung der Stammkundschaft aus den Bädern durch mehrfache Erhöhung der Preise? Oder meinen Sie die Verteuerung der Sanierungsmaßnahmen, die wir über die Zeit regelmäßig zur Kenntnis nehmen mussten? Meinen

Sie die außerplanmäßigen, kurzfristigen Schließungen, die immer wieder in Ermangelung von Personal kurzzeitig stattfanden und die zu enormen Einnahmeeinbußen führten? Ist das der eingeleitete Weg der Konsolidierung? Es ist lächerlich!

[Beifall bei der LINKEN]

Die für den Wirtschaftsplan 2014 anvisierten deutlichen Einnahmesteigerungen wurden jedenfalls nicht erreicht. Von den geplanten Umsatzeinnahmen in Höhe von 22,4 Millionen Euro wurden nur circa 16,7 Millionen Euro erreicht, ein Umsatzeinbruch von circa einem Viertel des Erwarteten. Und das lässt sich nicht allein durch einen angeblich schlechten Sommer begründen. Es blieben einfach viele Nutzerinnen und Nutzer weg. Diese Nutzerinnen und Nutzer haben sich zum Teil an das Parlament gewendet. Die Antworten, die wir geben können, sind bescheiden, und sie bleiben bescheiden, wenn wir auf das Konzept der Bäder-Betriebe schauen. – Ja, viele aus dem Stammpublikum haben ihnen den Rücken zugekehrt. Dieser Weg der Wirtschaftlichkeit kann nicht der richtige sein!

Der Senat orientiert im vorliegenden Konzept einseitig darauf, die Wirtschaftlichkeit durch strukturelle Veränderungen der Bäderlandschaft verbessern zu wollen, also zum Beispiel durch Ausweisung von Kurs-, Schul- und Vereinsbädern. Man kann da Personal planen. Wissen die Vereine, mit denen Sie da verhandeln, eigentlich schon, was da auf sie zukommt? Sind versicherungsrechtliche Dinge geklärt? Machen Sie dort einfach den Schnitt so, dass Ehrenamtliche die Arbeit von bisher voll tariflich Bezahlten machen sollen? Das wird nicht der Weg sein! Ich glaube nicht, dass Sie die Bedingungen, wie sie die Spandauer Wasserfreunde im Olympiabad erhalten haben, allen Vereinen bieten können. Aus der Sicht ist das doch auch ein Teil des Konzepts mit vielen, vielen Fragezeichen.

Kommen wir zum Neubau zweier Multifunktionsbäder – ich habe schon ein bisschen dazu gesagt. Es könnte eine gute Nachricht sein: An zwei Standorten mit steigendem Bedarf werden neue Multifunktionsbäder gebaut. Aber auch hier belieben viele Fragen offen. Wie kommen Sie auf Kosten von 30 Millionen Euro? Anvisiert waren ursprünglich 38 Millionen Euro, jetzt also 30. Ich habe mir ein Bad in Sachsen angeschaut, das 8,6 Millionen Euro gekostet hat – ja, ein Sportbad, aber auch mit einem Lehrschwimmbecken und mit Whirlpool. Wie man in Berlin auf 21 Millionen Euro mehr kommt, wird darzustellen sein.

Die Menschen, die Sie mit den Wellnessbädern ansprechen wollen, könnten sich auch andere private Clubs in der Stadt leisten. Ich glaube nicht, dass es das Publikum ist, das wir im Rahmen der sozialen Daseinsvorsorge ansprechen wollen. Deshalb meine Aufforderung – auch wie die Kollegin Schillhaneck dies sagte –: Überprüfen

Sie die Preisstruktur, die Tarifstruktur für die Berliner Bäder noch einmal ernsthaft!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN) und Martin Delius (PIRATEN)]

Nehmen Sie Verringerungen in der Preisstruktur vor! Wir haben es beide erlebt, Herr Henkel, wie Menschen auf solche Themen auch empört reagieren.

Es gibt eine Abkehr von wohnortnaher Versorgung. Wenn es zum Beispiel in Köpenick, in diesem riesengroßen Flächenbezirk, nur noch ein öffentliches Bad geben soll, dann ist doch die Frage, wie Sie „wohnortnah“ definieren. – Herr Buchner! Ihre weite Auslegung von einer Stunde Fahrweg kann ich nicht teilen. Menschen, die lange Wege haben, die noch extra Fahrgeld bezahlen müssen, werden da nicht hingehen,

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Und auch Menschen mit einer Behinderung nicht.

Völlig stiefmütterlich behandelt wird in dem Konzept die Sanierung von Freibädern. Vom Wannsee ist nicht die Rede. Das Bad am Müggelsee wird außer Acht gelassen, und, wie gesagt, dass eine ganze Region für weitere zehn Jahre ohne Freibad bleiben soll, ist nicht hinnehmbar.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Diskussion wird weitergeführt. Wir nehmen Ihnen dieses Konzept so nicht ab. Ich hoffe, dass auch der Haushaltsausschuss konkrete Fragen stellen und Nachforderungen machen wird, damit das ein Konzept wird, das wenigstens annähernd hinzunehmen ist. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt der Kollege Buchner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kollegin Hiller! Das waren jetzt schon ganz interessante Auskünfte, die Sie am Anfang Ihrer Rede gegeben haben.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Wie immer!]

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, lehnt Die Linke also die Standorte in Pankow und in Mariendorf ab, weil dort zufällig bekannte, populäre, wichtige Politiker dieser Stadt arbeiten.

[Zurufe von der LINKEN]

Herr Zillich! Es ist mir ein Fest zu berichten, dass im Bezirk Pankow über 40 000 Unterschriften gesammelt wurden, am Standort Wolfshagener Straße wieder ein Hallenbad zu errichten.

[Steffen Zillich (LINKE): Da gibt es an vielen Stellen Unterschriftensammlungen!]

Und es ist mir vor allem ein Fest, dass zu den Erstunterzeichnern Ihr Fast-Sitznachbar Klaus Lederer gehört und dass sich Die Linke ganz wesentlich in einem breiten, überparteilichen Bündnis in Pankow für diesen Standort eingesetzt hat.

[Torsten Schneider (SPD): Das ist Dialektik! – Weitere Zurufe von der LINKEN – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Man muss doch wissen, wann man einfach mal die Klappe hält!]

Ich glaube, dass das am Ende einer der beiden Gründe ist, warum man sich für diesen Standort entschieden hat; eine gute Anbindung ist der andere.

Ich würde aber von Ihnen, Frau Hiller, gerne noch eine zweite Auskunft haben wollen. Die beiden Standorte Mariendorf und Pankow sind auch gewählt worden, weil die Bäder-Betriebe dort große Gelände haben, auf denen ein neues Bad zu realisieren ist, auf eigenen Grundstücken, ohne neue Flächen dafür zu erwerben müssen. – Frau Hiller! Ist Ihre Erwartung denn, dass noch zusätzliche Millionen in die Hand genommen werden, um neue Flächen für die Bäder-Betriebe zu kaufen, oder ist es nicht vielleicht doch sinnvoller, sich die Standorte anzugucken und zu qualifizieren, auf denen die BäderBetriebe, auf denen das Land Berlin schon heute ausreichend Platz und auch ausreichend Publikum hat, das zu machen? Dazu hätte ich schon ganz gerne eine Antwort von Ihnen. – Vielen Dank!