Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

Ich würde aber von Ihnen, Frau Hiller, gerne noch eine zweite Auskunft haben wollen. Die beiden Standorte Mariendorf und Pankow sind auch gewählt worden, weil die Bäder-Betriebe dort große Gelände haben, auf denen ein neues Bad zu realisieren ist, auf eigenen Grundstücken, ohne neue Flächen dafür zu erwerben müssen. – Frau Hiller! Ist Ihre Erwartung denn, dass noch zusätzliche Millionen in die Hand genommen werden, um neue Flächen für die Bäder-Betriebe zu kaufen, oder ist es nicht vielleicht doch sinnvoller, sich die Standorte anzugucken und zu qualifizieren, auf denen die BäderBetriebe, auf denen das Land Berlin schon heute ausreichend Platz und auch ausreichend Publikum hat, das zu machen? Dazu hätte ich schon ganz gerne eine Antwort von Ihnen. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön! – Frau Dr. Hiller – bitte schön!

[Zuruf von der SPD: Jetzt wird Frau Hiller zur Grünen!]

Sehr geehrter Herr Buchner! Sie haben mich bewusst falsch verstanden.

[Lachen bei der CDU]

Ich habe das gesamte Konzept der Bäder-Betriebe, so wie es vorliegt – und es ist ja ein Konzept des Senats –, kritisiert. Und ein Teil – wenn Sie das richtig gehört haben – könnte lobenswert sein, wenn es denn fundiert wäre. Es könnte lobenswert sein, wenn man eine Analyse des Standes in der Region vorgenommen hätte und beweisen könnte, dass diese Regionen im Kontext der Entwicklung

wichtiger sind als andere. Wahrscheinlich wären wir uns einig, dass wir mehr Bäder bauen könnten. Warum gerade diese vorgezogen wurden, versucht man gerade beim Standort Marienfelde darzustellen. Ich werde allerdings besonders stutzig bei der Art und Weise, wie es dargestellt worden ist.

Die Kritik bezieht sich nicht darauf, dass gebaut wird, sondern wie der Entstehungsprozess dieser Entscheidung zustande gekommen ist.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Ich kritisiere die Kosten, die dort entstehen sollen, die in der Diskussion im Ausschuss nicht belegt worden sind. Wir haben nie diskutiert, dass wir Spaßbäder – um es mal so zu sagen – haben wollen. Wir wollen Bäder, die der Daseinsvorsorge entsprechen. Das, was Sie planen, geht weit über das hinaus und scheint in dem Sinne auch gar nicht notwendig zu sein.

[Zuruf von Michael Dietmann (CDU)]

Mir wäre es lieber gewesen, Sie sparen bei jedem Bad 5 oder 8 Millionen Euro und eröffnen einen weiteren Standort. Es gibt im Übrigen auch Standorte der BäderBetriebe, wo man bauen könnte, ohne dass man Grundstücke erwerben muss. Das werden wir im Ausschuss sicherlich besprechen.

[Tim-Christopher Zeelen (CDU): Reicht!]

Wir wollen auch ein Bad in Pankow, wir wollen auch ein Bad in Marienfelde.

[Roman Simon (CDU): Mariendorf!]

Was wir nicht wollen, ist, dass politische Entscheidungsträger einen so großen, persönlichen Einfluss auf Konzeptentwicklungen haben, wie das hier zum Ausdruck kommt.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Christopher Lauer (PIRATEN): Richtig so!]

Für die Piratenfraktion folgt der Kollege Baum. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Am Montag ging ein Antrag der Koalitionsfraktionen ein, eine Aktuelle Stunde zum Thema Berliner Bäderkonzepte 2025 durchzuführen. Das machte erst einmal Hoffnung – der Plural erweckte den Eindruck, es gebe tatsächlich, neben dem Papier, das uns im Hauptausschuss als Berliner Bäderkonzept verkauft werden soll, noch ein weiteres, alternatives Bäderkonzept,

[Alexander Spies (PIRATEN): Ein richtiges!]

möglicherweise ein vollständiges, solides, widerspruchsfreies für die Weiterentwicklung und die Zukunft der Berliner Bäder-Betriebe, das die offenen Fragen auch beantwortet. Allerdings war es offensichtlich nicht so. Hastig und eilig wurde der Titel im Laufe der Woche geändert. Aus Bäderkonzepte ist nun ein Bäderkonzept geworden. So müssen wir damit leben, was vor uns liegt.

[Martin Delius (PIRATEN): Ja!]

Aber auch ohne alternatives Konzept hätte der Plural ruhig bestehen bleiben können, denn bei genauerer Analyse lässt sich feststellen, dass es sich beim Bäderkonzept um tatsächlich zwei grundlegend verschiedene Konzepte in einem handelt: einerseits das sehr wirtschaftlich orientierte, auf Umsatz- und Einnahmesteigerung, Ausgabenreduzierung, Modernisierung, Abriss und Neubau von Bädern angelegte Konzept des Vorstandes der BäderBetriebe, andererseits das sportpolitisch orientierte, auf Daseinsvorsorge, Barrierefreiheit und auf Fortsetzung der Bädersanierung statt Neubau setzende Konzept des Senats und des Aufsichtsrats. Beides in Einklang zu bringen, wäre die Aufgabe von Sportsenator Henkel und Bäderchef Bested Hensing gewesen. In den letzten Monaten wurde sie offensichtlich nicht erfolgreich gelöst. Immer wieder wurde die Veröffentlichung mit der Begründung verschoben, es gebe noch Besprechungsbedarf. Herausgekommen ist nun eine Flickschusterei aus zwei unterschiedlichen Ansätzen, die sich widersprechen und im Gesamtzusammenhang keinen Sinn ergeben.

Ein Beispiel: Auf den Seiten 14, 18 und 19 wird sehr schlüssig dargelegt, dass regelmäßige Sanierungen, wie sie in den letzten Jahren durchgeführt wurden, ineffizient und kostenintensiv sind und Sanierungen dazu führen, dass Bäder jahrelang nicht zur Verfügung stehen. Ein Badneubau würde hingegen einen viel besseren Kostendeckungsgrad erreichen, würde zu einem verbesserten Energieverbrauch führen, Dämmung und Isolierung wären moderner. Ein Neubau wäre für alle Bäderarten immer wesentlich günstiger als jeder Versuch der Sanierung.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Im Gegensatz dazu heißt es auf Seite 23, dass die Bädersanierung trotz hoher Kosten, trotz Ineffizienz, trotz hohem Energieverbrauch fortgesetzt wird. Der Sanierungsstau der Bäder-Betriebe beträgt insgesamt ca. 93 Millionen Euro, mit dem Olympiaschwimmstadion sogar 122 Millionen Euro. Die Infrastruktur GmbH der Bäder-Betriebe erhält für Investitionen insgesamt 5 Millionen Euro. Auch mit weiteren Drittmitteln schaffen die Bäder-Betriebe es nicht, den Sanierungsstau bis 2025 zu beheben. Selbst wenn jetzt eine Menge Geld in die Hand genommen würde, um diesen in den nächsten Jahren abzubauen, wäre dies unwirtschaftlich und

(Dr. Gabriele Hiller)

ineffizient, wie uns der Vorstand vorrechnet. Warum also nicht gleich Neubau, Stück für Stück, Bad für Bad, Jahr für Jahr? Warum nicht alle Bäder modernisieren und langfristig Kosten sparen? Warum weiter teuer Bäder sanieren, um am Ende viel Geld herauszuwerfen?

Im Übrigen bleiben viele Fragen auch bei der Sanierung von Bädern offen. Im Jahr 2014 kam es insbesondere beim Kombibad Spandau Süd, beim Kombibad Gropiusstadt sowie bei der Schwimmhalle Finckensteinallee immer wieder zu unvorhersehbaren Verzögerungen und zu im Vorfeld nicht zu kalkulierenden Mehrkosten. Wie gedenken die Bäder-Betriebe und der Aufsichtsrat, diese Risiken bei der Bädersanierung in 2015 und in den folgenden Jahren auf Grundlage der Erfahrungen des Jahres 2014 zu verhindern? Wie schlecht kontrolliert eigentlich der Aufsichtsrat die Bäder-Betriebe, dass es ihm nicht auffällt, dass es zu Kostensteigerungen kommen wird? Wann wird mit der Sanierung der Thomas-MannSchwimmhalle konkret begonnen? – Auf Seite 8 steht nur: im Jahr 2015. Nach welchen Kriterien werden eigentlich welche Bäder saniert?

[Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Gibt es einen konkreten Kriterienkatalog, nach dem Prioritäten gesetzt wurden? – Das wurde vorhin ja schon von der Linken angesprochen. – Wie genau wird geprüft, ob die Sanierung eines Bades wirtschaftlich zu vertreten ist, und was heißt eigentlich wirtschaftlich zu vertreten? Was passiert, wenn es nicht wirtschaftlich zu vertreten ist? Wird ein Bad dann neu gebaut, alternativlos geschlossen, abgerissen? Oder bleibt es auf Jahre hinweg geschlossen und bleibt unsaniert stehen, wie z. B. das Strandbad Tegel? – Alles unbeantwortete Fragen.

Auf Seite 25 ist beschrieben, dass viele Bäder mit Schadstoffen belastet sind. Welche das sind, bleibt völlig offen. Gibt es welche, die nicht saniert werden, weil zu viele Schadstoffe vorhanden sind?

Damit komme ich zu den geplanten Neubauten, den 365Tage-Sport- und-Freizeitbädern. Hier wird tatsächlich an zwei Standorten auf Sanierungen verzichtet – im Sommerbad Pankow und im Sommerbad Mariendorf. Dort werden stattdessen zwei neue Spaßbäder, 365-TageSport- und-Freizeitbäder errichtet. Diese sollen als Modellprojekte laufen. Bei Erfolg sollen weitere gebaut werden. Keiner weiß allerdings, wo. Im Bäderkonzept gibt es breite Ausführungen, wie diese aussehen sollen. Aber auch hier bleiben wieder Fragen offen. Wie sollen bei dem Bau der Multifunktionsbäder Kostensteigerungen verhindert werden? – Kein Wort dazu. Wie wurden die 54 Monate Gesamtumsetzungszeit bzw. die 24 Monate Gesamtbauzeit für beide neuen Freizeitbäder rechnerisch hergeleitet? Wie sollen Zeitverzögerungen verhindert werden? Was ist eigentlich aus dem Multifunktionsbad im Tierpark geworden? – Das taucht gar nicht mehr auf.

Ein weiterer Widerspruch, der sich über die Seiten zieht, ist die Herstellung von Barrierefreiheit. So heißt es auf Seite 5, dass mindestens 50 Prozent der Wasserflächen unter Berücksichtigung der Belange mobilitätseingeschränkter Menschen vorgehalten werden sollen. Weiter heißt es:

Die Veränderung der Gesellschaft und der demografische Wandel erfordern auch barrierefreies Bauen und Planen.

Auf Seite 15 erwartet der Senat gar eine barrierefreie Gestaltung der Bäder. Das unterstützen wir. Auf Seite 13 des Jahresberichts im Bädersanierungsprogramm 2014 ist dagegen zu lesen, dass bei dem erwähnten Sanierungsstau in Höhe von 93 Millionen Euro Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit nicht berücksichtigt wurden. Sie werden auch zukünftig nicht berücksichtigt. Es gibt nirgendwo ein Inklusionskonzept der Bäder-Betriebe. Kurzum: Es gibt Planungen, aber keine Umsetzung zur Herstellung von Barrierefreiheit, trotz der Wünsche des Aufsichtsrats, trotz der Zielsetzung des Senats und trotz der Versprechungen der Bäder-Betriebe.

Sehr geehrter Herr Sportsenator Henkel! Deutlicher als an diesem Beispiel können Sie kaum dokumentieren, dass Sie Ihr eigenes Bäderkonzept 2025 nicht ernst nehmen und nicht zu Ende gedacht haben.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Anja Schillhaneck (GRÜNE)]

Grundsätzlich fraglich und widersprüchlich bleibt auch die Versorgung mit Wasserflächen in den Bezirken. Es ist von einer am Bedarf orientierten und kundengerechten Ausrichtung des Bäderangebots die Rede. Es gehe, so heißt es weiter, um eine Verbesserung und Sicherung der Bedingungen für das obligatorische Schulschwimmen der Schülerinnen und Schüler sowie für den Übungs-, Lehr- und Wettkampfbetrieb der Berliner Sportorganisationen. Für letztere ist allerdings gesorgt. Zehn Bäder werden zu reinen Kurs-, Schul- und Vereinsbädern. Dabei werden aber weitere Nutzerinnen und Nutzer im Bezirk ausgeschlossen, darunter Kinder-, Senioren- und Jugendfreizeiteinrichtungen, die auf eine wohnortnahe Versorgung angewiesen sind. Alternativen werden für diese nicht geschaffen.

Wie berücksichtigen die Bäder-Betriebe eigentlich die Auswirkung der wachsenden Stadt? Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, Kinder und Jugendlichen steigt. Davon ist keine Rede. Offenbar haben die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt kein Wörtchen mitgeredet. Entsprechende Bevölkerungsprognosen werden völlig ignoriert. Auf der Seite 2 des Bäderkonzepts steht zwar, dass die Anzahl älterer Menschen steigt, aber wie genau darauf reagiert wird, bleibt offen.

Alles in allem lässt sich sagen, das Bäderkonzept ist und bleibt eine Enttäuschung. Es ist ein verwirrendes, unfertiges und unvollständiges Papier, zusammengeschustert aus vielen sich teilweise widersprechenden Ansätzen, die weder zusammen- noch zu Ende gedacht würden. Kurzum: Das Bäderkonzept ist vielmehr eine Bäderkonzeptlosigkeit. Ich bin gespannt, wie auf die Fragen und Nachfragen im Hauptausschuss reagiert wird und ob vielleicht am Ende doch noch etwas Sinnvolles dabei herauskommt. Wünschenswert wäre es.

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für den Senat hat jetzt Senator Henkel das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eins hat die Debatte eben gezeigt, und das ist im Grunde für mich als zuständigen Senator etwas Erfreuliches: Es gibt offensichtlich hier in unserem Haus – bei allen Differenzen in einzelnen Sachfragen, die eben auch herausgearbeitet worden sind – ein klares und fraktionsübergreifendes Bekenntnis zur öffentlichen Bäderlandschaft in Berlin. Das ist für mich vor allem deshalb ein gutes Zeichen, weil es mich für die anstehenden Haushaltsberatungen zuversichtlich stimmt, besonders in der Frage, wie wir weitere Investitionen finanziell ermöglichen können.

Ich habe heute in der Debatte viele Fragen gehört. Ich freue mich auf die Diskussion in den entsprechenden Ausschüssen. Als Grundlage für die Diskussion über die Zukunft der Berliner Bäderlandschaft hat der Senat das Bäderkonzept 2025 beschlossen. Mit dem Konzept ist es uns gelungen, ganz unterschiedlichen Anforderungen und Rahmenbedingungen gerecht zu werden – und das nach einem intensiven Abstimmungsprozess mit den Berliner Bäder-Betrieben und zwischen vielen politischen und gesellschaftlichen Akteuren.

Auch ist in diesem Konzept eine klare Botschaft enthalten: Wir bekennen uns als Senat zu unseren Bädern.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir bekennen uns dazu, das gesamte Wasserflächenangebot der Berliner Bäder-Betriebe erhalten zu wollen. Wir schaffen dabei den Ausgleich zwischen dem Erhalt einer attraktiven Bäderlandschaft und strukturellen finanzpolitischen Vorgaben. Wir müssen auch hier sorgfältig haushalten. Das ist bereits von den Fraktionen gesagt worden. Deshalb gilt beides: Wir haben den Anspruch, die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit konsequent weiterzuverfolgen und dabei eine ortsnahe Versorgung der Berlinerinnen und Berliner sicherzustellen.

Wichtigstes Element des Konzepts ist der Erhalt aller Bäder. Das ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, denn Sie wissen, dass es öffentlich auch anderslautende Anregungen und Bemerkungen gab. Wir haben uns als Senat bewusst hierfür entschieden, denn die Berliner Bäder sind nicht nur Teil der Freizeitgestaltung der Berlinerinnen und Berliner, sondern sie sind insbesondere auch Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. In diesem Sinne gewährleisten wir auch weiterhin die unentgeltliche Nutzung der Bäder durch Schulen, Vereine und Kindertagesstätten. Auch das ist ein klares Signal, öffentliche Infrastruktur mit einem gesellschaftlichen Auftrag zu verbinden, der der ganzen Stadt nutzt.

Neben der Sicherung des Bestands planen wir aber auch strukturelle Veränderungen in der Bäderlandschaft. Dazu zählt zum Beispiel die Aufteilung nach Nutzergruppen. Nutzerorientierte Ausrichtung heißt: die Aufteilung in Bäder, die verstärkt von Vereinen und für das Schulschwimmen genutzt werden, in Mischbäder und Öffentlichkeitsbäder. Dieser stärker nutzerorientierte Ansatz, diese stärker nutzerorientierte Ausrichtung ist unserer Ansicht nach auch der Schlüssel zum Erhalt der Bäder. Durch die Aufteilung der Hallenbäder nach Nutzergruppen bzw. das Vorhalten bestimmter Zeiten für einzelne Gruppen können Synergien optimal genutzt werden. So kann beispielsweise das Personal der Berliner BäderBetriebe noch besser eingesetzt werden.