Das ist ein Schwerpunkt des Regierenden Bürgermeisters. Sie wissen, dass der Regierende Bürgermeister die Sonderkommission Ausbildungsplatzsituation und Fachkräftebedarfsentwicklung ins Leben gerufen hat, in der Wirtschaft, Gewerkschaften und Bezirke, unterschiedliche Institutionen, an einem Tisch sitzen. Dort haben wir entschieden, dass wir in Berlin eine Jugendberufsagentur auf den Weg bringen.
Uns bewegt es, dass so viele junge Menschen in Berlin arbeitslos sind. Das wollen wir nicht akzeptieren, auch wenn sich in den letzten Jahren sehr viel getan hat. Sie wissen, dass die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren leicht gesunken ist – dank der Maßnahmen, die in den letzten Jahren auf den Weg gebracht worden sind.
Es muss in Zukunft darum gehen, dass wir jungen Menschen eine bessere Orientierung mit auf den Weg geben. Wir stellen fest, dass wir an der Stelle Übergang von der Schule in den Beruf etwas verändern müssen. Wenn Sie mit jungen Menschen sprechen und sie fragen: Habt ihr eine Vorstellung, welche Ausbildungsberufe es gibt? –, bekommen Sie von den meisten eine Antwort, in der sie drei bis vier Berufe aufzählen. Wenn Sie mit Abiturienten sprechen und sie fragen: Welche Studiengänge gibt es? –, werden Sie eine ähnliche Antwort erhalten. Hier haben wir eine Riesenkluft, und diese führt dazu, dass junge Menschen oftmals in eine Ausbildung gehen, die vielleicht nicht die ideale Wahl für sie selbst ist bzw. einen Studienplatz annehmen und anschließend feststellen, dass er doch nicht dem entspricht, was sie sich vorgestellt haben. Aus diesem Grund hat der Senat die Entscheidung getroffen, dass wir Standards der Berufs- und Studienorientierung auf den Weg bringen wollen. Aus diesem Grund haben wir entschieden, dass wir die Beratung junger Menschen im Land Berlin anders aufstellen und die Jugendberufsagentur auf den Weg bringen wollen.
Die Jugendberufsagentur ist eines der wichtigsten bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Projekte im Land Berlin.
Das haben die Akteure, die im Bereich des Arbeitsmarktes und auch der Jugendhilfe tätig sind, sowie die unterschiedlichen Senatsverwaltungen getan, und zwar in einem Konsens.
Darum geht es nämlich: Dass man nicht irgendwelche Konzepte von oben nach unten stülpt, sondern die Akteure mitnimmt, denn es geht um einen Mentalitätswechsel.
Es geht um einen neuen Geist, wie mit jungen Menschen, die auf Arbeitssuche sind, umgegangen wird. Das beinhaltet das Konzept der Jugendberufsagentur.
Was zeichnet die Jugendberufsagentur aus? – Hilfen unter einem Dach, also, dass junge Menschen nicht mehr von Haus zu Haus laufen müssen, Stunden im Bezirk unterwegs sind, um unterschiedliche Anlaufstellen zu erreichen. So ist es nämlich im Moment. Das wollen wir verändern. Ich finde, dass Jugendliche in der Lage sind, von Tür zu Tür zu gehen, und Sie wissen auch, dass Mit
arbeiter, wenn Sie in einem Haus sitzen viel engere Absprachen treffen und sich abstimmen können. Sie wissen genau, dass es darum geht, Ressourcen zu konzentrieren und sich in der Beratung besser abzustimmen im Sinne der Jugendlichen.
Es muss Schluss sein mit den vielen unterschiedlichen Ansprechpartnern, und es muss Schluss sein mit dem Hin-und-Herschieben von Verantwortung. Wenn man in einem Haus sitzt, funktioniert das nämlich auch nicht mehr so einfach. Wenn man in unterschiedlichen Gebäuden sitzt, kann man ganz einfach sagen: Geht mal in den Nachbarbezirk – oder geht zum Jugendhilfeträger, die werden das machen! Ich habe damit nichts zu tun. – Dies wird nicht mehr möglich sein. Das Besondere der Jugendberufsagentur ist es, dass die wesentlichen Akteure unter einem Dach sitzen: die Teams der Berufsberatung, also der Agentur für Arbeit, die U25-Teams des Jobcenters und – was ganz neu ist und wo wir zusätzliche Ressourcen hineingeben – Beraterinnen und Berater der Jugendhilfe, die von Anfang an mit einbezogen waren. Das war mir sehr wichtig, dass nicht nur die Arbeitsmarktakteure, sondern auch die Jugendhilfe vertreten ist und auch die beruflichen Schulen. Das eine sind Ausbildungsstellen, das andere – wir haben sehr viele Angebote in den beruflichen Schulen, in den OSZ, wo die unterschiedlichen Schulabschlüsse abgelegt, aber auch Ausbildungen angetreten werden können.
In diesem Jahr starten wir mit vier Bezirken. Sehr geehrter Herr Spies! Es ist nicht so, dass wir nach Gutsherrenart einfach vier Bezirke ausgewählt haben. Nein, wir sind hingegangen und haben einen Kriterienkatalog erarbeitet,
weil es sinnvoll ist, dass man bestimmte Kriterien aufstellt, damit dann entschieden werden kann, welcher Bezirk sich auf den Weg machen kann. Es ist teilweise so, Sie sprachen es an, Marzahn-Hellersdorf hat Erfahrungen, Friedrichshain-Kreuzberg, Tempelhof-Schöneberg und Spandau. Diese Bezirke haben die Kriterien erfüllt. Der Rat der Bürgermeister hat dann entschieden, dass dieses die vier Bezirke sein sollen, die mit der Jugendberufsagentur starten. Im nächsten Jahr soll es dann flächendeckend weitergehen.
Die Jugendberufsagentur wird sich künftig um die jungen Menschen kümmern, die verstärkt Orientierungsunterstützung benötigen. Ich möchte an dieser Stelle zwei Beispiele nennen. Es geht zum Beispiel um den Jugendlichen, der unversorgt von der Schule kommt, der keinen Ausbildungsplatz hat oder nicht weiß, ob er in ein Oberstufenzentrum oder eine andere Maßnahme geht. Es ist der Jugendliche, der einen Ausbildungsplatz hat, aber diesen nach der 10. Klasse nicht antritt. Wie ist es jetzt? Die Jugendlichen treten den Ausbildungsplatz nicht an und dann sind sie verschwunden. Darum geht es doch, dass wir alle Jugendlichen im Blick haben und verfolgen können, was mit dem einzelnen Jugendlichen passiert,
dass wir ansetzen, ihn nicht aus der Verantwortung entlassen, ihn an die Hand nehmen. Ich finde es okay, wenn wir Jugendliche haben, denen es nicht so leicht fällt, sich zu orientieren oder den Alltag zu bewältigen, dass wir als Staat und mit unseren sozialen Einrichtungen junge Menschen an die Hand nehmen, um diese zu unterstützen und ihnen eine Perspektive zu bieten. Das ist für mich keine Belastung, das bedeutet für mich, Verantwortung zu übernehmen.
Uns war es zweitens wichtig, dass die sozialintegrativen Leistungen mit einbezogen werden. Die Jugendlichen, über die wir sprechen, sind solche, die oftmals vielfältige Problemlagen haben. Ein Thema war für uns beispielsweise, die Suchtberatung mit einzubeziehen. Ich kann Ihnen sagen, dass Frau Kolat und ich, auch die Bezirke, stark gekämpft haben, dass wir alle Jugendlichen in der Jugendberufsagentur ansprechen und die sozial-integrativen Leistungen mit in die Beratungen einbezogen werden.
Ich habe es angesprochen: Wir kümmern uns um alle Jugendlichen, haben aber maßgeblich die Jugendlichen im Blick, die besondere Sorgen haben. Aber, das ist in Ihren Reden auch schon angesprochen worden, und das ist etwas Besonderes im Land Berlin: Wir haben auch die Gymnasien im Blick.
Nein, im Moment nicht! – Wir haben auch die Gymnasien im Blick, wir binden Sie in das Netzwerk ein. Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass 700 Jugendliche überhaupt nicht in die Oberstufe gelangen, sondern mit einem MSA von der Schule gehen. Was passiert denn mit diesen Jugendlichen? Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass 1 200 Jugendliche in der Oberstufe sind, aber nicht zum Abitur kommen. Das sind fitte, junge Menschen, wo wir es uns nicht erlauben können, dass sie dem Arbeitsmarkt verlorengehen.
Deshalb müssen wir sie frühzeitig ansprechen und sie beraten. Dass wir die Gymnasien miteinbeziehen, ist ein Alleinstellungsmerkmal. Ja, Hamburg hat eine Jugendberufsagentur. Sie sind als erste diesen Weg gegangen. Aber Sie wissen auch, dass wir in Berlin konzeptionell einen anderen Weg gehen, weil wir andere Strukturen haben. Wir haben hier unsere vielen Bezirke, und unser
Punkt war, dass wir in jedem Bezirk eine Anlaufstelle haben wollen, weil wir dies für die Jugendlichen und die Institutionen für den besseren Weg halten. Wir haben aber auch Strukturen geschaffen, damit es einen Austausch unter den einzelnen Jugendberufsagenturen und den Akteuren geben kann.
Vielen Dank! – Frau Scheeres! Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund der Ziele, die Sie hier verkünden, und die wir natürlich unterstützen,
dass in den Bezirken die Träger die Umsetzung von Projektinhalten des Netzwerkes Berufspraxis „Berufspraktische Erprobungen für Schülerinnen und Schüler“ gefährdet sehen? In dem sind 27 Berliner Sekundarschulen und 16 Berliner Innungen vereinigt. Und die sagen, sie würden durch den Senat nicht mehr weiterfinanziert.
Sehr geehrte Frau Kittler! Es geht natürlich darum, bestimmte Ressourcen zu konzentrieren. Und insgesamt geht es eben darum, die unterschiedlichen Angebote dafür zu nutzen. Hier stellen wir uns neu auf. Mir ist jetzt nicht bekannt, dass es hier eine Problematik gibt. Das werde ich mir anschauen. Aber es geht nicht darum, Maßnahmen abzubauen, sondern eben auch zu konzentrieren, damit alle voneinander wissen. Natürlich wollen wir auch weiterhin Projekte in den Schulen haben. Das werden wir auch haben. Aber es geht darum, eine einheitliche Anlaufstelle zu haben, einheitliche Ansprechpartner in den Schulen, damit die Angebote konzentriert allen Jugendlichen zugutekommen.
Die Jugendberufsagentur ist Anlaufstelle für alle Schulformen, für Jugendliche der Sekundarschule mit und ohne Abschluss und auch, sehr geehrte Frau Remlinger, für die Gemeinschaftsschulen, die wir im Übrigen ausgebaut
haben, was auch unser politisches Ziel ist, das wir nicht verändern werden. Anscheinend ist es an Ihnen vorbeigegangen.
Wir beziehen die Gymnasien ein und natürlich auch Jugendliche, die behindert sind. Die Jugendberufsagentur ist erste Anlaufstelle für Jugendliche mit Behinderung, und das ist auch sinnvoll, weil wir gerade in unseren Regelschulen sehr viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben. Es wäre Quatsch, hier eine Trennung vorzunehmen. Aus diesem Grund war es Frau Kolat und mir wichtig, dass die Anlaufstelle für alle da ist und dass dann vor Ort ein Konzept entwickelt wird, was im Detail mit dem einzelnen Jugendlichen passiert und welche Maßnahmen bzw. Unterstützungsangebote der einzelne Jugendliche erhält.
Welchen Part hat die Schule? – Die Schule hat hier eine zentrale Rolle, weil alle Kinder und Jugendlichen in den Schulen sind. Unser Ansatzpunkt muss es sein und ist es auch, formuliert in den Standards der Berufs- und Studienorientierung, dass wir frühzeitig jungen Menschen vermitteln, welche Möglichkeiten sie im Bereich der Ausbildung oder im Studium haben und welche Unterstützungsangebote sie haben.
Dieses Konzept haben wir auch nicht allein erarbeitet, weil der Kritikpunkt doch immer war, dass die Schulen die Berufs- oder Studienorientierung sehr unterschiedlich praktizieren, in den Gymnasien teilweise überhaupt nicht. Das war ein Kritikpunkt, der auch berechtigt war und wo ich als Bildungssenatorin immer gesagt habe, dass die Berufs- und Studienorientierung an allen Schulen ankommen muss und wir hier eine Aufgabe haben. Aus diesem Grund möchten wir, dass dieses einheitlich passiert, in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften. Die Wirtschaft ist mit ihren Unternehmen in den Schulen. Wir haben ja im Schulgesetz z. B. auch formuliert, dass die integrierte Sekundarschule mit Unternehmen kooperieren muss. Viele Unternehmen haben Kontakte mit den integrierten Sekundarschulen. Hier haben wir natürlich noch Weiterentwicklungsbedarf, aber es ist so: Wirklich jedes Jahr kommen mehr und mehr Unternehmen dazu und bieten Gespräche bzw. Praktikumsstellen für die Schulen an.
Im kommenden Jahr wird es in den Schulen so sein, weil wir die Schulen ja auch nicht allein lassen wollen: Es wird dreiköpfige Teams geben, die beraten. Zum einen wird jede Schule eine Koordinatorin, einen Koordinator der Berufs- oder Studienorientierung benennen, eine Beraterin oder einen Berater der Agentur für Arbeit und eine Lehrkraft der beruflichen Schulen. Diese Teams nehmen Kontakt zu allen Schülerinnen und Schülern auf. Es wird natürlich dann im Ergebnis so sein: Es gibt ja auch viele junge Menschen, die klare Vorstellungen haben, was sie wollen, aber es gibt eben auch einen großen Teil junger Menschen, der Unterstützung benötigt, dass
hier gemeinsam Entwicklungspläne erarbeitet werden, weil es unser Ziel ist, dass jeder Jugendliche, der die Schule verlässt, eine Anschlussperspektive erhält, und dass wir wissen, was der junge Mensch vorhat, und dass wir dann von Zeit zu Zeit überprüfen können: Ist der Jugendliche in der Ausbildung angekommen? Hat er sie abgeschlossen? Und wenn er sie nicht abgeschlossen hat, dass wir direkt Kontakt aufnehmen können, um weiter den jungen Menschen zu motivieren und ihn mit Maßnahmen zu unterstützen. Kein Jugendlicher soll durch den Rost fallen. Das ist das Besondere der Jugendberufsagentur, weil wir es uns nicht erlauben können, dass wir von 3 000 Jugendlichen nicht wissen, wie ihr weiterer Werdegang ist.