Was gehört noch zu einer sinnvollen Ausstattung eines Fernbushaltepunkts? – Eine angemessene und barrierefreie Fahrgastinfrastruktur mit ausreichenden Sitzmöglichkeiten, guter Anbindung an den Nahverkehr, ausreichenden und sicheren Fahrradabstellanlagen. Auch die künftige Entwicklung sollte bedacht werden. So ist Berlin ja ein Schaufenster Elektromobilität und damit geradezu aufgerufen, intelligente Verkehrskonzepte zu entwickeln, besonders die Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel und auch die Förderung neuer Antriebe voranzutreiben.
Ich hatte natürlich erwartet, dass sich der Senat auf all das vorbereitet, denn schon 2009 hat die Koalition aus CDU/CSU und FDP auf Bundesebene die Aufhebung des Verbots von Fernbuslinien in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Wie sich aus meiner Anfrage Drucksache 17/15176 ergibt, ist dem aber leider nicht. So antwortet der Senat auf meine Frage, auf wie viele An- und Abfahrten der Bahnhof nach dem Ausbau ausgelegt ist:
Der Senat hält die nach den gegenwärtigen Ausbauplänen zu erreichende Kapazitätssteigerung für ausreichend und zukunftsfähig.
Ja, das ist die Zahl, Sie haben sie alle vernommen. – Er kann oder will also keine konkrete Zahl nennen. Wenn man sich dazu allerdings die letzte Zahl aus einer Vorlage an den Hauptausschuss ansieht, dann erkennt man auch warum. Dort ist von einer Kapazitätssteigerung von 23 000 auf 83 000 Nutzungen die Rede. Das sind 38 Prozent.
Ich halte noch mal fest: Der ZOB am Messedamm liegt schon jetzt 300 Prozent über seiner Kapazitätsgrenze. In den Jahren seines geplanten Umbaus werden sogar noch weniger Haltestellen zur Verfügung stehen als bisher. Trotzdem hält der Senat die aktuellen Erweiterungspläne für ausreichend und sogar zukunftsfähig. Selbst wenn sich das Wachstum des Fernbusverkehrs in den kommenden Jahren verringern sollte, ist diese Einschätzung kaum nachzuvollziehen.
Lieber Herr Senator Geisel! Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber es sieht für mich so aus, auch wenn Sie mir gerade nicht zuhören, als ob das mit der Zukunftsfähigkeit vielleicht noch einmal nachzurechnen ist.
Aber was ist mit dem Blick des Senats auf die gesamte Stadt? Gibt es ein Konzept für den Fernbusverkehr in Berlin? – Um es kurz zu machen: Nein! Das ist nichts, und da wird auch ohne unseren Antrag nichts kommen.
Eines möchte ich aber noch anfügen: Wenn wir es schon nicht schaffen, als Gesellschaft dafür zu sorgen, dass sich alle Individualreisenden den Zug leisten können, insbesondere im Fernverkehr, sondern sich viele vor allem auch aus Kostengründen für den Fernbus entscheiden, dann müssen wir zumindest dafür sorgen, dass diese stark wachsende Verkehrsart möglichst umweltverträglich und verkehrlich sinnvoll stattfindet – und kein Wildwuchs. Unsere Erwartung an den Senat haben wir formuliert. Auf die Änderungsanträge der anderen Fraktionen bin ich gespannt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Baum! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Kreins. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Kollege Baum! Was Sie eben nicht gesagt haben, und das ist auch ein öffentlicher Diskurs, ist, dass der Fernbusverkehr natürlich Regional- und Fernverkehre kannibalisiert. Er sucht sich die Strecken raus, die für ihn profitabler sind, und zahlt keine Nutzungsgebühren für Trassen. Diejenigen, die die Fläche, gerade mit dem Regionalverkehr, anbieten müssen, haben das Risiko, auch unwirtschaftliche Strecken betreiben zu müssen. Das ist unser öffentlicher Auftrag. Die einen picken die Rosinen, und die anderen bedienen das Gemeinwohl. Das muss man mal in dieser Debatte grundsätzlich gesagt haben.
Wenn man jetzt über den Sachstand diskutiert, muss man sich auch wieder mal die Marktgegebenheiten anschauen. Es gab eine große Dynamik in diesem Busverkehrssystem nach der Liberalisierung. Es gab eine Vielzahl von Marktteilnehmern, aber ein Teil der Marktteilnehmer ist schon verschwunden.
Das ist sehr interessant. Ich habe noch gar nicht ausgeführt. Wozu sollte denn eine Zwischenfrage gestellt werden?
Selbstverständlich! – Diese Marktentwicklung hat dazu geführt, dass Marktteilnehmer verschwunden sind, und manche haben fusioniert. Daraufhin sind auch Direktionen ausgefallen, also Verbindungen zusammengelegt nicht mehr stattfinden. Wir sind in einer Situation, in der es in der Tat einen Boom gab, aber wir sind auch in einer Situation, in der sich dort eine Marktbereinigung absehen lässt. Das ist das Zweite, was man dazu sagen muss, und das spielt auch eine Rolle bei der Frage der Verantwortung der öffentlichen Hand für z. B. neue Standorte.
Der dritte Aspekt, den man dazu benennen muss, ist die Frage: Wer kann festlegen, wo Fernbusse halten? – Da sagt diese bundesgesetzliche Regelung eigentlich, dass wir mit einem öffentlichen Konzept kaum Chancen haben. Wir können ihnen die Infrastruktur zur Verfügung stellen, haben aber nicht die Zwangsinstrumente, die Busunternehmen an die Haltestellen zu zwingen. Das ist der dritte Punkt, den Ihr Antrag vergisst. Wenn ich öffentliche Infrastruktur mit öffentlichen Geldern für Unternehmen mache, die keine Trassenpreise zahlen, dann muss das wohlüberlegt und besonnen abgewogen werden.
Abgewogen ist die Entwicklung am ZOB. Da wurden 3,2 Millionen investiert. Da wird von 27 auf 37 Stellplätze modernisiert. Das ist jetzt ein Prozess, in den wir gehen. Da wird jetzt versucht, durch organisatorische Kniffe mehr Kapazitäten anzubieten, aber es bleiben trotzdem die drei von mir genannten Punkte. Wenn wir uns das Thema Ostkreuz anschauen – Ostkreuz ist nur ein Standort, das Sinnbild für die Erweiterung der Stellplatzmöglichkeiten –, dann müssen wir uns ganz ehrlich die Frage stellen: Wenn es ganz konkret wird, welche Chancen haben die Busse denn, beispielsweise vom Ostbahnhof zur Autobahn zu kommen? Und an welcher Stelle am Ostkreuz gibt es denn noch öffentliche Flächen?
Und die einzigen öffentlichen Flächen, die wir meines Erachtens am Ostkreuz noch haben, sind die in der Rummelsburger Bucht. Und da soll Wohnungsbau mit öffentlichen Unternehmen stattfinden. – Also sagen Sie hier nicht, dass man das prüfen muss. Das ist geprüft und wird auch von der Senatsverwaltung geprüft, so, wie das im Ausschuss berichtet worden ist. Meines Erachtens kann dort der Fernbusverkehr nur dem Wohnungsbau unterliegen.
Es ist doch gar nicht so schwierig, dass man sich auch mal die Grundlagen dieser Entwicklung anschaut. Der Fernbusverkehr ist etwas – Sie haben es zu Recht ge- sagt –, mit dem sich Menschen preiswerter Mobilität leisten können. Das ist auch richtig. Aber ich sehe nicht die öffentliche Hand in der alleinigen Verantwortung, Risiken für einen Markt einzugehen, der sich sehr dynamisch entwickelt. All das können wir durchaus im Ausschuss diskutieren. Dort liegt meines Erachtens auch schon ein Antrag der Grünen vor, und wir haben die Behandlung dieses Antrags verschoben, weil wir auf Ihren Antrag, Ihre Ergänzung warten wollten. – Wenn Sie jetzt eine Zwischenfrage haben, wäre ich dazu bereit, ansonsten würde ich mich bedanken.
Vielen Dank, Herr Kreins! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Gelbhaar.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kreins! Richtig ist: Die Freigabe des Fernbusverkehrs hat sicherlich vielfältige Wirkungen mit sich gebracht. Wir haben damals – übrigens zusammen mit SPD und CDU – für diese Freigabe des Fernbusverkehrs im Bundestag gesorgt,
weil wir das Ziel hatten, dort mehr soziale Mobilität zu ermöglichen, und zwar die Zunahme von Mobilität zu günstigen Preisen. In dem Kontext sei auch gesagt: Ein vollbesetzter Bus ist ökologisch sinnvoll.
Allerdings – und das war jetzt sehr merkwürdig – haben Sie in Ihrer Rede diverse Nebelkerzen geworfen. Natürlich ist Berlin dafür verantwortlich, dafür zu sorgen, dass der Fernbusverkehr in der Stadt ordentlich organisiert wird.
Wenn Sie an dieser Stelle das Hohelied der Privatisierung singen, dann sollten Sie das näher ausführen. Das verstehe ich gerade angesichts der Debatte, die wir vor anderthalb Stunden hier geführt haben, nicht, wo andere Teile Ihrer Fraktion die Rekommunalisierung als das wesentliche Gut in dieser Stadt begriffen und auch so kommuniziert haben. Selbstverständlich sind wir als Land Berlin dafür verantwortlich, wie unsere Haltepunkte aussehen und wie insbesondere der zentrale Omnibusbahnhof aussieht. Denn der zentrale Omnibusbahnhof ist, wie der Hauptbahnhof auch, das Portal zur Stadt, quasi der erste Eindruck, den man von Berlin bekommt.
Der Kollege Baum hat es schon ausgeführt: Wir haben eine enorme Zunahme im Fernbusverkehr. 64 000 An- und Abfahrten im Jahr 2012, 175 000 An- und Abfahrten im Jahr 2014. Das heißt, da ist etwas passiert. Darauf muss man als Landesregierung reagieren. Deswegen ist die erste Forderung: Der Senat muss sich des Themas Fernbusverkehr endlich annehmen!
Dann kommen wir zur konkreten Situation am zentralen Omnibusbahnhof. Er ist überlastet – das ist schon ausgeführt worden –, und – ich empfehle, dort einmal hinzufahren – das Flair ist ein bisschen alt. Deswegen hat der Senat selbst 2008 schon mit der Idee gespielt, ihn insgesamt abzureißen und neu zu bauen. 2011 wurde gesagt: Wir wollen ihn sanieren. Jetzt haben wir 2015 – und was passiert? – Nichts!
Das ist natürlich ein klarer Punkt, bei dem man sieht: Reden und Handeln passen bei diesem Senat mal wieder nicht zusammen. Deswegen ist eine weitere zentrale Forderung, gemeinsam mit den Fernbusbetreibern endlich voranzukommen. Ansonsten passiert nur Folgendes, was man jetzt beobachten kann: Fernbusse fahren durch die Innenstadt, bedienen in der ganzen Stadt verteilt teilweise auch wilde Haltepunkte, und das hat wiederum die Folgen einer Senkung der Verkehrssicherheit, einer Umweltbelastung, insbesondere für die Anwohnerinnen und Anwohner und einer teilweise fatalen Situation für die Fahrerinnen und Fahrer der Fernbusse. Deswegen ist es ganz klar: Wir brauchen hier eine Haltepunktinfrastruktur, die diesen neuen Anforderungen gerecht wird. Am Südkreuz, das haben wir schon gehört, funktioniert es. Zum Glück ist die Senatsidee eines zentralen Omnibusbahnhofs auf dem Tempelhofer Feld Geschichte. Auch das muss man an der Stelle mal sagen.
Das Thema Ostkreuz und Ostbahnhof ist in der Tat schwierig. Da hat der Kollege Kreins recht. Das löst sich nicht von selbst auf, denn am Ostkreuz sind die Orte, wo man so etwas darstellen könnte, überschaubar. Ehrlich