Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir haben uns kürzlich im Hauptausschuss mit den Finanzen befasst. Wir haben über die zwei Milliarden Euro diskutiert, die man als Beihilfe bei der EU beantragt hat – also die Genehmigung, dass man eine solche Beihilfe als Gesellschafter geben darf. Dabei ist deutlich geworden, dass der Antrag geschrieben wurde – er liegt uns als Parlament nicht vor, was bedauerlich ist. Wir haben es verlangt, wir erwarten auch vom Senat, dass er uns vorgelegt wird –, aber gar nicht aufzeigt, was eigentlich mit dem Geld genau geschehen soll. Es gibt viele Lücken. Das konnte nicht beantwortet werden. Wir haben beispielsweise auch keinen Businessplan. Wir wissen nicht, wann die Flughafengesellschaft und ob überhaupt das ganze Geld, das wir da hinein gesteckt haben, und das, was an Krediten aufgenommen wurde, jemals refinanziert werden soll. Dieser Businessplan liegt bis heute nicht vor. Die Aufsichtsratssitzung, die sich damit befassen sollte, ist abgesagt und auf Juli verschoben worden. All das sind keine guten Zeichen. Deshalb müssen wir das heute hier besprechen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir haben in diesem Antrag, der hier schon ein paar Tage liegt – es ist interessant, dass er immer noch aktuell ist –, verschiedene Punkte aufgeführt: das Controlling, ein

Bericht an das Abgeordnetenhaus. Dann haben wir die Geschichte mit Transparency hineingeschrieben. Als dieser Antrag verfasst wurde, haben wir noch nicht gewusst, dass es immer schlimmer kommt. Wir haben noch nicht gewusst, dass Transparency International die Zusammenarbeit mit der Flughafengesellschaft aufkündigen wird, weil die Flughafengesellschaft quasi die renommierteste Organisation, die wir in Deutschland auf diesem Gebiet haben, bei Korruptionsfällen nicht informiert. Wir waren entsetzt, als wir erfahren haben, dass Transparency sagt, dass sie den Vertrag mit der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg kündigen und nicht mehr mit denen zusammenarbeiten wollen, weil der Kampf gegen Korruption dort nicht ehrlich ist. Das führen Sie sich bitte noch einmal zu Gemüte, meine Damen und Herren. Das ist ein Skandal an sich. Ich glaube, auch das muss hier noch einmal benannt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich will zum letzten Punkt kommen: Hier wird sicherlich gleich von den Kolleginnen und Kollegen gesagt werden, dass dies alles unnötig sei, die Fragen der Bündnisgrünen würden das Fertigstellen des Projekts aufhalten und was wir uns bei diesen Gelegenheiten immer alles von Herrn Friederici oder von Herrn Kreins anhören mussten. Ich erwarte das schon. Aber das ist nicht schlimm. Es ist auch nicht schlimm, wenn Sie diesen Antrag ablehnen. Man kann das noch mal rückblickend durchgehen: Das Allermeiste, was wir in dieser Angelegenheit im Parlament beantragt haben, hat sich über kurz oder lang eingestellt, hat der Senat über kurz oder lang gemacht. Ich erinnere Sie daran, dass wir beantragt haben, den Regierenden Bürgermeister Wowereit abzulösen. Das ist passiert.

[Lachen bei der SPD – Zurufe von der SPD]

Ich erinnere Sie daran, dass wir beantragt haben, dass die Flughafengesellschaft einen Finanzvorstand braucht. Das ist passiert.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Ich erinnere Sie daran, dass wir gesagt haben: Hört doch bitte mit dem Erweiterungsdebattieren auf! Der Flughafen muss so fertiggestellt werden, wie er genehmigt und wie er gerade im Bau ist. – Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass der neue Geschäftsführer, Herr Mühlenfeld, sich in der vergangenen Woche genau das zu eigen gemacht hat. Herr Mühlenfeld hat als erster der Geschäftsführer in der ganzen langen Reihe – der Mann hat was verstanden – erkannt,

[Zuruf von Dr. Manuel Heide (CDU)]

dass man erst fertigbauen muss, bevor man Luftschlösser baut, bevor man erweitert und davon träumt, dass dieser Flughafen noch mal doppelt so groß werden muss.

Sie sehen, vieles, was wir als Bündnis 90/Die Grünen hier auf den Tisch gelegt, beantragt, gefordert haben, stellt sich ein. Aber Sie könnten es dieses Mal beschleunigen, wenn Sie dem Antrag zustimmen. Ich vermute, das

spart uns viel Geld. – Danke schön für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Für die SPD-Fraktion der Kollege Kreins!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Otto! Ich fand die Zwischenfrage von Frau Matuschek, dass man sich als Parlament gemeinsam mit dem Bund und dem Land Brandenburg aufmacht und in einer gemeinsamen Ausschussberatung die Verantwortung wahrnimmt, trotz der immer wieder geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken sehr aromatisch. Ich will für meine Wahrnehmung sagen, dass das Land Berlin mit einem Untersuchungsausschuss, der nun fast ewig währt und in dem wir 1 600 Aktenordner gelesen und knapp 100 Zeugen beantragt haben, von denen wir in den letzten zweieinhalb Jahren knapp 40 hören konnten – dass wir uns doch auch im Bauausschuss regelmäßig damit befassen und dass ich für den Parlamentsbetrieb in Berlin jedenfalls nicht sagen kann, dass wir dort Nachholbedarf haben. Wir haben möglicherweise einen Koordinierungsbedarf mit anderen. Allerdings sind auch die anderen gefordert. Und wenn wir bei dem Thema Forderungen sind, kann man sich auch noch mal deutlich an den Bund und an das Land Brandenburg richten, dort die Verantwortung im Hinblick auf den Flughafen wahrzunehmen.

Ich habe wahrgenommen: Das, was Sie als Zitterpartie bezeichnet haben, war der Versuch von Michael Müller, sich in die Situation zu bringen, gemeinsam mit dem Bund, gemeinsam mit dem Land Brandenburg die Verantwortung wahrzunehmen. Dieser Versuch war notwendig. Stellen Sie sich vor, er hätte ihn nicht gemacht, dann hätten Sie gesagt, er sei gar nicht am Flughafen interessiert. Nun hat er ihn gemacht. Das Scheitern liegt sozusagen am Willen des Bundes, am Unwillen des Landes Brandenburg. Insofern war das richtig.

Eine Sache ist mir noch aufgefallen an Ihrer Rede, Herr Otto – und wir haben in den letzten Jahren sehr viele Reden von Ihnen gehört –, das ist Ihre Sprache. Man könnte fast Bullshit-Bingo spielen – um die Worte „bodenloses Fass“, „Skandal“, „scheitern“, „Debakel“, „Chaos“, „Stillstand“, „Geldverschwendung“, „Korruption“, „desolat“ zu erwähnen.

[Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN): Bingo! – Heiterkeit]

Der Kollege hat verstanden, wie es funktioniert. – Das ist Ihre Sprache gewesen. Das hat nichts zur Aufarbeitung und nichts zur Fertigstellung beigetragen, das muss man vielleicht noch mal dazu sagen. Das ist Ihre Seite.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Auf der anderen Seite gibt es seit Januar, seit Dezember sehr vernünftige Zeitpläne, die auch eingehalten werden. Wir erleben Baufortschritte, die sichtbar und messbar sind. Wir erleben seit Kurzem, dass die Startbahn Nord ertüchtigt wird und dass das nicht 150 Millionen Euro kostet und im laufenden Betrieb gemacht wird,

[Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

sondern 50 Millionen Euro. Das ist für einige immer noch zu viel, aber das sind Fortschritte, die man wahrnehmen kann. Wenn man jedoch eine Wahrnehmungsstörung hat wie Sie an der Stelle, kann man es nicht mehr sehen.

Auch die Erkenntnis, dass der Baufortschritt im Frühjahr 2016 abgeschlossen sein wird und dass daraufhin der Flugbetrieb vorbereitet wird und die Abnahmen stattfinden – all das ist ein Fortschritt, den Sie gar nicht zur Sprache gebracht haben.

Wenn Sprache und Realität so weit auseinanderklaffen, dann gerät Politik in die Frage der Glaubwürdigkeit, und das ist Ihr Problem. Je näher wir dem Zeitpunkt kommen, zu dem der Flughafen eröffnet wird, umso unglaubwürdiger und unzuverlässiger wird Ihre Politik, Herr Otto. In dem Sinne haben Sie nichts zur Problemlösung beigetragen, sondern nur zur Problemartikulation.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD) – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Ich will Ihnen auch noch was zu dem sagen, was Sie die Beteiligung von Experten genannt haben. Das ist immer schön, das hört sich immer gut an. Ich habe bis heute keinen einzigen Namen von einem Experten gehört, den Sie vorgeschlagen haben, der dort im Aufsichtsrat oder in anderen Gremien verstärken soll. Das ist eine Nullnummer, das ist eine Phantomdebatte über Experten. Ich sage Ihnen, was ich von dieser Experteritis – das ist eine ansteckende Krankheit – halte: nichts; denn die Leute, die politisch für diese Beträge, für diese großen Millionensummen, sowohl für die Steuergelder als auch für die Unternehmensgelder, Verantwortung tragen, müssen diejenigen sein, die sich auch dafür rechtfertigen müssen.

[Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Wofür rechtfertigt sich der Experte? – Vielleicht vor seinem eigenen Gewissen, vor dem lieben Gott, aber Politiker und Politikerinnen rechtfertigen sich vor den Wählern und Wählerinnen, alle fünf Jahre in diesem Fall, und eben auch vor dem Parlament. Das halte ich für dringender notwendig als ominöse Experten, von denen Sie noch keinen mit Namen benannt haben.

[Zuruf von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Sie haben die ominösen Kosten angesprochen und die fehlenden Kostenpläne. Ich finde es richtig, dass das Lärmschutzprogramm umgesetzt wird, und ich finde es

(Andreas Otto)

richtig, dass der Flughafen auf den neuesten Stand der Technik gebracht wird, auch in Bezug auf die Brandschutzanlage. Und ich halte es für notwendig, dass wir auch darüber diskutieren, ob und wann ein Flughafen Erweiterung finden muss. All das ist im üblichen Maße auch davon abhängig, wie Gelder zur Verfügung stehen. Darüber kann man diskutieren, und wir sind als Haushaltsgesetzgeber immer gefragt zu entscheiden, was notwendig ist und was nicht.

Aber eines werden Sie nicht wegdiskutieren: dass das Projekt sich entwickelt, dass sich in Berlin der Flugverkehr insgesamt entwickelt und die Dimensionen, über die wir im Hinblick auf den Flughafen reden, was die Flugkapazität, aber auch, was die Geschossflächen betrifft, exorbitant wachsen. Also nicht nur wegen des Lärmschutzprogramms und der Fertigstellung der Brandschutzanlage, sondern auch, weil wir eine Kapazitätserweiterung insgesamt bekommen haben, reden wir über einen wachsenden Flughafen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke jetzt der Kollege Wolf!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Otto hat in seiner Rede schon erklärt, dass alles, was in diesem Antrag steht, eigentlich schon passiert ist. Damit müsste sich der Antrag erledigt haben.

[Beifall von Ole Kreins (SPD)]

Das meiste hatte sich schon erledigt, als wir den Antrag in der Ausschussberatung hatten – bis auf den Punkt des gemeinsamen Controllingausschusses. Der war sehr unspezifiziert, es war nicht klar, was der sollte. Noch mal ein zusätzliches Gremium zu installieren, einen gemeinsamen Ausschuss von Brandenburg, Bund und dem Land Berlin, habe ich schon damals nicht für zielführend gehalten und finde es auch heute nicht zielführend. Deshalb haben wir diesem Antrag auch nicht zustimmt.

[Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Zu dem, was hier diskutiert worden ist: Ich finde es richtig, dass Michael Müller jetzt den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt. Ich fand die Diskussion immer falsch zu sagen: Er übernimmt nicht den Aufsichtsratsvorsitz, man stärkt auf eine obskure Weise die Gesellschafterversammlung. – Das scheint jetzt Gott sei Dank vom Tisch zu sein. Instrumente der Doppelherrschaft machen in bestimmten Situationen Sinn, aber nicht in Aufsichtsräten und in Gesellschaften. Insofern ist das eine richtige Entscheidung.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wenn ich mich richtig erinnere, haben die Grünen immer die Position vertreten, dass doch eigentlich viel mehr Experten in den Aufsichtsrat hineinmüssten

[Joachim Esser (GRÜNE): Nee, nee!]

und dass die Politik dort nichts zu suchen habe.

[Joachim Esser (GRÜNE): Nee, nee!]

Doch, doch! Vielleicht nicht Frau Kosche, aber andere haben formuliert, dass die Dominanz des Expertenwesens das Entscheidende ist.