Es ist ein Ziel der Koalition, den Schutz jeder und jedes Einzelnen vor Benachteiligung zu verbessern und dem Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung zur tatsächlichen Durchsetzung zu verhelfen.
Wir werden konsequent die rechtliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bi- und Intersexuellen und transsexuellen Menschen vorantreiben und jegliche Form von Homo- und Transphobie aktiv bekämpfen.
Was, wenn nicht die Ehe für alle, könnte diesem Ziel Ihres Koalitionsvertrags mehr Nachdruck verleihen und deutlicher entsprechen?
Dann besteht darüber schon einmal kein Streit. Da Sie es aber beide offensichtlich vergessen haben, was Sie da unterschrieben haben, habe ich Ihnen das noch einmal mitgebracht und gebe es Ihnen zum Durchsehen.
[Redner überreicht dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller und dem Bürgermeister Frank Henkel je ein Schriftstück – Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]
Da Sie es aber offensichtlich vergessen haben, habe ich auch noch einmal die entsprechenden Stellen in neutralem Blau angestrichen, damit Sie es gleich finden.
Wie absurd vor diesem Hintergrund ist aber eigentlich die Drohung von Herrn Henkel, die Koalition platzen zu lassen, wenn im Bundesrat zugestimmt wird?
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das ist doch keine Drohung! – Martin Delius (PIRATEN): Ein Gedankenspiel!]
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Junior droht dem Senior mit dem Platzen der Koalition, wenn der sich an die Koalitionsvereinbarung hält.
Lieber Regierender Bürgermeister Müller! Nehmen Sie Ihre Richtlinienkompetenz nach Artikel 58 Abs. 2 VvB wahr! Eine breite Mehrheit im Abgeordnetenhaus wird Ihnen dafür sicher sein.
Falls Ihnen tatsächlich ein Koalitionspartner abhandenkommen sollte, so vergessen Sie nicht: Progressive, moderne Politik funktioniert mit der Mehrheit hier im Abgeordnetenhaus, aber nicht mit der CDU.
Herr Kollege! Ich frage Sie: Wie groß muss eigentlich der Leidensdruck bei den Piraten sein, dass sie der Union die Möglichkeit verweigern wollen, in einer für sie sehr wichtigen Frage eine Abstimmung durchzuführen?
Herr Lehmann-Brauns! Wie groß ist eigentlich der Leidensdruck in der CDU, wenn ihr zu diesem Zeitpunkt einfällt, wo die Diskussion seit Jahrzehnten läuft, eine Abstimmung in ihrem Landesverband durchzuführen?
Ich sage Ihnen: Ihr Leidensdruck ist nicht vorhanden. Sie wollen hier, wie schon erwähnt, eine Politik und ein Gefühl für eine Klientel vermitteln, die es in Berlin nicht mehr gibt.
Diese Abstimmung wird ein wichtiges Signal nicht nur für die Berliner Community sein. Nehmen Sie sich ernst, und stimmen Sie zu!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Für uns als SPD-Fraktion ist das heutige Thema eins, das unsere Grundwerte und die der Gesellschaft berührt. In der Geschichte der Sozialdemokratie ging es immer darum, Privilegien abzuschaffen: die Abschaffung der Privilegien für den Adel, die Verankerung von Arbeitsrechten und Sozialversicherungen, die Einführung des Frauenwahlrechts, die Schaffung von Bildungschancen für Arbeiterkinder – immer ging es um eins: gleiche Chancen und gleiche Rechte für alle.
Diskriminierung, egal welcher Art, hat für uns in dieser Gesellschaft keinen Platz. Das muss eine Selbstverständlichkeit sein, und genau deshalb brauchen wir endlich die Öffnung der Ehe für alle!
Ja, viele der einzelnen Elemente einer Ehe sind durch das rot-grüne Lebenspartnerschaftsgesetz und seine Folgen schon heute Wirklichkeit. Es wurde auf dieser Grundlage vieles für gleichgeschlechtliche Partnerschaften erreicht: Das Erb- und Unterhaltsrecht ist der Ehe weitestgehend gleichgestellt. Das Ehegattensplitting wurde durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf Lebenspartnerschaften ausgeweitet. Für Kinder und Paare in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wurden mit der Stiefkindadoption und der Zulassung der Sukzessivadoption schon jetzt wichtige Fortschritte erreicht.
Die Verfasser unseres Grundgesetzes haben 1949 eine Privilegierung der Ehe nach dem damaligen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung geschaffen. Doch die Entwicklung der letzten Jahre zeigt deutlich, dass unsere Verfassung lebendig ist. Deshalb haben wir das Ziel der Gleichstellung fast erreicht – bis auf wenige, ungerechte Ausnahmen, zum Beispiel im Sozialrecht. Jetzt geht es nur um einen juristisch überschaubaren Schritt, und es ist absolut irrational, dass einige Konservative über diese winzige Hürde nicht springen wollen.
Rechtlich ist schon viel erreicht. Doch auch politisch ist der letzte Schritt zur Gleichstellung überfällig. Die Lebenswirklichkeit und die Gesellschaft in unserem Land – gerade in Berlin, in unserer Stadt – sind wesentlich weiter. Die Unterscheidung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft ist kleinlich und schon lange überholt. Jetzt können wir einen jahrzehntelangen Kampf gegen Diskriminierung zu einem guten Ende bringen. Wer diesen Schritt nicht gehen will, der steht so altbacken da wie die CDU in den letzten Tagen.