Protokoll der Sitzung vom 25.06.2015

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir sind uns auch alle einig, dass wir, wenn wir der Polizei neue Zwangsmittel zur Verfügung stellen wie das Pfefferspray, das überprüfen müssen. Rot-Rot hat es vor 15 Jahren eingeführt, und die Piraten und die Linken fordern in ihrem Antrag, es nur noch als Ultima Ratio zu nutzen, Herr Kollege Karge. Da steht kein Wort von abschaffen drin, sondern da steht, es solle defensiv eingesetzt werden, nicht aggressiv, als Offensivwaffe, und nur bei Gefahr für Leib und Leben. Auch solle berücksichtigt werden, dass beim Einsatz von Pfefferspray – das hat der Kollege Lauer eindrucksvoll vorgemacht – immer unbeteiligte Dritte betroffen sind. Wer einmal in einer Sitzblockade saß – früher gab es auch Vertreter der Arbeiterpartei SPD, die an Sitzblockaden teilgenommen haben –, wird wissen, dass Pfefferspray auf unbeteiligte Dritte mit vielen gesundheitlichen Folgen trifft. Übrigens: Die Polizeidienstverordnung sieht vor, dass Reizstoffe nur eingesetzt werden, wenn mildere Mittel nicht zum Ziel führen oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen und damit der Gebrauch von Schusswaffen vermieden werden kann. Es soll also absolut Ultima ratio sein, im äußersten Fall. Und so, wie SPD und CDU gerade die Schießstände für Polizisten verrotten lassen, kann man froh sein, dass die Berliner Polizei wenigstens noch Pfefferspray einsetzen darf. Für die Entwaffnung der Berliner Polizei sorgen Sie

gerade selber dadurch, dass momentan nicht ein Schießstand in Berlin funktionstüchtig ist.

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN) und Heiko Herberg (PIRATEN)]

Nein, es ist wichtig, dass man begreift, dass das Pfefferspray eben nicht – wie auch teilweise in Berlin – wahllos in Sitzblockaden reingesprüht werden darf, so, wie Sie es anscheinend wollen oder kein Problem damit haben. Ich hätte jedenfalls schon ein Problem damit. Ich finde es richtig, dass die Berliner Polizei dazu übergegangen ist, bei Sitzblockaden die Personen anzusprechen, die Personen mit einfachem körperlichem Ziehen aus dieser Sitzblockade herauszuholen und eben nicht Pfefferspray einzusetzen. Aber das haben Sie gerade geheiligt, Herr Kollege Karge, indem Sie der Opposition vorgeworfen haben, die Polizei unter Generalverdacht zu stellen. – Das tun wir nicht!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ich finde, dass Sie in Ihrer Rede Ihren Kollegen von der CDU schon noch etwas hätten übriglassen sollen.

[Sven Rissmann (CDU): Da kommt schon noch mehr!]

Der fordert dann wahrscheinlich die Folter.

[Sven Rissmann (CDU): Natürlich! Und Lux als Proband!]

Ich bin mir aber relativ sicher, dass wir im Innenausschuss eine sachliche Debatte führen werden, wie man Pfefferspray-Einsätze besser dokumentiert. Grundrechtschutz durch Verfahren, das ist eine völlig klare rechtsstaatliche Haltung, die hier zu Recht eingefordert wird und sich eben auch mit den gesundheitlichen Folgen von Pfefferspray-Einsätzen auseinandersetzt.

Und, so steht es auch in den Polizeirichtlinien: Die Wirkung von Pfefferspray setzt schlagartig ein. Es hat einen starken Entzündungsauslöser und löst intensive Schmerzempfindung aus, heftige Entzündungsreaktionen an Augen, Atemwegen, bis hin dazu, dass man Atemverengung bekommt, teilweise intensive Hustenreize. Wer das alles selber miterlebt hat: Das ist kein Spaß! Wer zusätzlich noch Asthmatiker oder Allergiker ist – wofür man nichts kann – oder unter Bluthochdruck leidet, der muss auch Spätfolgen befürchten. Und das kann uns nicht egal sein, vor allen Dingen dann nicht, wenn es gegen unbeteiligte Dritte eingesetzt wird, und das wird es, wenn man es auf Demonstrationen einsetzt.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Udo Wolf (LINKE) und Steffen Zillich (LINKE)]

Deswegen ist es sinnvoll, dass wir zehn Jahr nach der Einführung, damals unter SPD und PDS bzw. Linke

(Thorsten Karge)

[Christopher Lauer (PIRATEN): Nein! Rot-Grün!]

oder unter Rot-Grün, meinetwegen, ich bin ja auch dafür, dass man Einsätze überprüft –, Pfefferspray nur als Ultima ratio einsetzt und dass man das ordentlich dokumentiert und nicht wahllos Anlässe dafür nimmt.

Es gab auch schon Todesfälle nach PfeffersprayEinsätzen, zum Glück nicht ganz so viele wie in den USA. Das macht es zu einer sehr ernsthaften Debatte. Die Polizei braucht unterschiedliche Waffen und auch Hilfsmittel. Über die Schusswaffe habe ich schon gesprochen, dass diese sich momentan selbst abschafft, weil SPD und CDU nicht in der Lage sind, Schießstände saniert zu halten.

[Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Insofern ist diese Debatte sinnvoll und notwendig, und das haben die Berliner Polizei, aber auch die Berlinerinnen und Berliner so verdient. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Steffen Zillich (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Lux! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Juhnke. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir erleben hier einen weiteren Versuch, der Polizei die Arbeit zu erschweren und sie ihrer Einsatzmittel zu berauben.

[Uwe Doering (LINKE): Genau! Das ist der einzige Grund!]

Ein Argument, wenn man bei der Rede von Herrn Lauer überhaupt davon reden kann, dass er Argumente vorgebracht hat, das noch fehlte, ist, dass Sie die Polizei vor sich selber schützen müssen und ihr deshalb auch die Einsatzmittel wegnehmen müssen. Das ist auch Ihre Argumentation bei anderen Punkten. Vielleicht können Sie das noch für die nächste Diskussion zu dem Thema aufnehmen.

Wenn man der Polizei die Möglichkeit, Reizstoffsprühgeräte zu benutzen, wegnimmt, was bleibt dann eigentlich noch übrig?

[Zuruf von den PIRATEN: Oh!]

Welches taktische Einsatzspektrum hat man dann noch? Dann gibt es entweder die Dienstwaffe oder den körperliche Zwang, und vielleicht wollen Sie auch die Polizisten gern als Prügelknaben sehen, um Ihre Vorurteile bestätigt zu sehen. Wir wollen das nicht. Deshalb sage ich, dass sich das Reizstoffsprühgerät als mildes Einsatzmittel

bewährt hat, wenn der unmittelbare Zwang anzuwenden ist. Darum kommt man auch bisweilen in einem Rechtstaat nicht herum.

Die Einsatzzahlen sind auch – das hat Kollege Karge schon erwähnt – in den letzten Jahren gesunken, obwohl – das muss man auch immer wieder betonen – die Bereitschaft, Gewalt gegenüber Polzisten anzuwenden, leider deutlich gestiegen ist. Dennoch war das Pfefferspray in der Anwendung sehr erfolgreich. 481 Einsätze hatten wir 2014, und laut der Statistik ist in gut 80 Prozent der Einsätze der gewünschte Einsatzerfolg erzielt worden. Darin sind sogar 76 Fälle enthalten, wo der Einsatz nur angedroht werden musste, das heißt also der Idealfall, dass kein Sprühstoß ausgelöst werden musste, sondern schon allein das Zeigen des Mittels dazu geführt hat, dass derjenige sein Verhalten verändert hat.

Natürlich – da brauchen wir nicht drumherum zu reden – ist die Einwirkung von Pfefferspray sehr unangenehmen, aber sonst würde es ja auch ohne Ergebnis sein.

[Uwe Doering (LINKE): Genau! Wer nicht hören will, muss fühlen!]

Trotzdem sind diese Sorgen, die hier artikuliert werden, übertrieben. Langfristige Schäden sind entgegen der Behauptungen, die immer wieder aufgestellt werden, nicht zu erwarten und auch nicht dokumentiert. Man kann natürlich auch besondere Fälle konstruieren, aber in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es keinen Fall gab, wo der Einsatz von Pfefferspray alleine zu diesen Folgen geführt hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Höfinghoff?

Nein! – Im Übrigen wird das Mittel auch gezielt auf einzelne Personen angewendet und nicht als Sprühwolke abgegeben. Genau das ist nicht der Fall, sondern man spricht dann von einem sogenannten taktischen Richtstrahl.

[Lachen von Steffen Zillich (LINKE)]

Und die Polizei gibt dieses Mittel dann auch gezielt ab. Natürlich muss man das auch üben – keine Frage!

Ich sage es auch ganz deutlich: Die Anwendung des Pfeffersprays ist auch kein Zufall. Vorher wurde schon ausreichend Gelegenheit gegeben, das Verhalten, das kritisiert wird und das sich gegen die Sicherheit und Ordnung richtet, zu ändern.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das ist völliger Quatsch! Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden!]

(Benedikt Lux)

Wer sich dann dennoch widersetzt, muss mit der Anwendung des Pfeffersprays auch rechnen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Bestimmt sind die alle selber schuld!]

Natürlich kennen wir alle die Bilder, wo dieses Mittel scheinbar grundlos eingesetzt wird, und natürlich gibt es auch Einzelfälle, wo der Einsatz missbräuchlich geschieht – keine Frage! Wir wissen, dass man das disziplinarrechtlich und auf anderem Rechtswege entsprechend verfolgen kann. Aber in den allermeisten Fällen sind die Sequenzen, die wir bei Youtube oder woanders sehen, aus dem Zusammenhang gerissen, weil die Vorgeschichte dessen fehlt, was dem Einsatz vorangegangen ist. Von daher sind diese wahllosen Einsätze durch die Polizei ein Märchen.

Aber die Vorurteile, die Sie haben, sollen Sie auch ruhig behalten. Das würde Ihnen sonst Ihr Weltbild rauben, Herr Höfinghoff. Bleiben Sie also lieber bei diesen Dingen. Das ist für Sie sonst, glaube ich, mit schweren traumatischen Folgen verbunden, wenn Sie darüber nachdenken würden, was Sie eventuell von anderen Leuten hören, oder auch mal Ihr eigenes Dazwischen-Blödeln reflektieren würden.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Da braucht es schon mehr als Sie, um mich zu traumatisieren!]

Wie gesagt: Das Pfefferspray dient den Polizeikräften als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und ist die unterste Schwelle bei der Verwendung von Zwangsmitteln.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Unterste Schwelle!]

Es hat vor allem die Zielrichtung, polizeiliche Maßnahmen durchzusetzen. Deswegen wäre eine Regelung, wie sie der Antrag fordert, dass die Verwendung nur noch dann möglich ist, wenn eine Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben besteht, eine massive Einschränkung dieser Einsatzmöglichkeit und wird von uns abgelehnt.

Im Übrigen werden – das hat auch der Kollege Karge schon gesagt, das muss ich nicht wiederholen – regelmäßig Schulungen durchgeführt. Wir haben das Einsatztraining. Wir haben die Erste-Hilfe-Beschulung, und auch die Auswirkungen beim Adressaten sind Bestandteil bei der Aus- und Fortbildung. Da weiß auch jeder, worum es geht und was dann passiert.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Wie denn, wenn Sie nicht dokumentiert werden?]

Deshalb ist mir auch völlig unklar, was Sie in Ihrem Antrag mit dem Absatz 2 möchten. Weshalb das Mitführen von Reizstoffsprühgeräten mit über 50 Milliliter einen anderen Sachverhalt darstellen soll, erschließt sich mir nicht wirklich. Deshalb sollte sich die Anwendung meiner Auffassung nach an den gesetzlichen Voraussetzungen und nicht an den Füllmengen orientieren, aber das am Rande. Ich glaube auch, dass die Dokumentation ausrei