Die Fragen, die wir bisher aufgeworfen haben, bleiben im Raum: Wie groß ist das Ausmaß dieses Schaden? Gestern im Hauptausschuss haben Sie selbst gesagt, dass die Probleme nicht nur bei den 22 untersuchten Vergaben und Unterkünften bestehen, sondern wahrscheinlich bei allen Vergabeprozessen und bei allen Unterkünften im Land Berlin. Insofern fragt man sich: Wann werden eigentlich die ganzen anderen Vorgänge, die Sie selbst für problematisch halten, untersucht? Wann werden die anderen Bereiche der Behörde untersucht, und gibt es eigentlich noch andere Behörden, in denen es ähnlich aussieht? Das ist eine Frage, die man sich vielleicht auch mal stellen sollte.
Zu den Koalitionsfraktionen kann ich nur sagen: Dafür habe ich wirklich kein Verständnis mehr. Seit Langem reden wir über diese Thematik. Im November haben wir einen Antrag zu dieser Thematik eingebracht. Dazu haben Sie gesagt, Sie wollen erst mal auf die Berichte warten und dann möglicherweise dem Antrag zustimmen. Jetzt haben wir den Bericht vorliegen, und Sie haben den
Antrag direkt in der Woche, nachdem dieser vernichtende Bericht vorlag, abgelehnt. Da frage ich mich: Was hätte denn in dem Bericht stehen müssen, damit Sie zustimmen und mal ganz klare Kante zeigen und sagen: Mit diesen problematischen Betreibern arbeiten wir nicht mehr zusammen? – Ich verstehe es nicht. Dieser Bericht ist klar, klarer geht es nicht. Sie hätten auch mal klarmachen müssen, wofür Sie stehen, und nicht dieses ewige Warten und Hängenlassen und den Senator stützen, der in der Frage einfach keine Verantwortung zeigt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die antragstellende Fraktion hat die sofortige Abstimmung beantragt. Seitens der Koalition wird die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales vorgeschlagen. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Das sind die Oppositionsfraktionen Grüne, Linke und Piraten. Gibt es Enthaltungen? – Ersteres war die Mehrheit, deshalb ist der Antrag überwiesen worden.
Vielen lieben Dank! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2001 hat dieses Parlament in diesem schönen Bundesland eingeführt, dass die Polizei auch Pfefferspray als Mittel zur Ausübung von Gewalt einsetzen darf. Seit 2001 hat man sich aber nicht damit auseinandergesetzt, wie die Polizei in Berlin das Pfefferspray einsetzt, welche gesundheitlichen Konsequenzen das insbesondere hat, und da sehen die Piraten und die Linksfraktion Nachbesserungsbedarf; aus diesem Grund dieser Antrag.
Meine Damen und Herren! Es ist wieder eine Unruhe im Saal. Es wäre nett, wenn sich alle hinsetzen würden. Wer der Meinung ist, er muss sich dringend mit jemanden austauschen, der kann das draußen tun. – Danke schön!
Vielen lieben Dank! – Dieser Antrag möchte zum Beispiel, dass Pfefferspray nicht mehr gegen Menschen, die sich in Versammlungen, bei öffentlichen Veranstaltungen und in Ansammlungen befinden, eingesetzt wird, sofern nicht Gefahr für Leib und Leben der Polizeivollzugsbeamten oder Dritter besteht. Der Präsident hat jetzt freundlicherweise akustisch darum gebeten, ruhiger zu sein. Bei einer Demonstration könnte man sich das so vorstellen: Ich identifiziere jetzt Herrn Dietmann in der CDU, geschätzter Kollege, als Geräuschverursacher und denke mir jetzt: Super, nehme ich so eine Pulle Pfefferspray, halte da mal so rein und versuche, ihn zu treffen. Sieben Meter, das könnte sogar klappen – und: Mist, Sprühkegel. Ich treffe nicht nur Herrn Dietmann, sondern auch den netten Herrn von Plenardienst, der mit der Ruhestörung überhaupt nichts zu tun hat, und die beiden Kollegen von der SPD, die sich dort unterhalten, und noch die gesamte Führungsriege der Berliner CDU-Fraktion, was natürlich auch eine totale Katastrophe wäre,
und die hätten jetzt Atemnot, Verätzungen der Schleimhäute, würden medizinische Behandlung brauchen. Wenn sie Psychopharmaka, Medizin oder Drogen nehmen, was ja in der CDU eher nicht vorkommt –
Wer weiß, wer weiß? Wir wissen es nicht –, dann können noch andere medizinische Folgen dazukommen, die nicht so schön sind. Sie sehen, Pfefferspray ist kein Spielzeug, sondern sollte tatsächlich nur dann eingesetzt werden, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht. In einer so weltoffenen Stadt wie Berlin, wo wir uns immer rühmen und sagen: Na, der 1. Mai verläuft so gewaltlos, und das finden wir toll –, sollte die Polizei auch nicht auf das vermeintlich einfachere Mittel zurückgreifen können. Wir können uns alle an die Bilder vom 1. Mai erinnern, wenn zum Beispiel ein Polizist am Kottbusser Tor einfach mal aus so der Hüfte schießt und einen unbescholtenen Bürger mit Pfefferspray einseift; das sind unschöne Bilder. Das hatte zum Glück Konsequenzen für den Herrn, aber das wollen wir nicht. Das wäre also die zweite Forderung dieses Antrags – die Sprühmenge soll auf 50 Milliliter pro Polizist oder Polizistin begrenzt werden. Wir brauchen diese Riesencontainer nicht.
Um noch einmal den Irrsinn vor Augen zu führen: Die Berliner Polizei hält sich nicht an ihre eigene Geschäftsanweisung, wenn es darum geht, wie mit den Opfern eines solchen Sprühstoßes umzugehen ist. Sie müssen nämlich – nach der Dienstanweisung – bis zu 90 Minuten danach von einem Sanitäter betreut werden. Aber ich sage Ihnen: Bei dem Polizeieinsatz, den wir im Moment haben, passiert das mit Sicherheit nicht. Auch deswegen sollte dieses Mittel nicht mehr gegen Gruppen eingesetzt werden.
Wir fordern natürlich auch eine bessere Dokumentation der Einsätze – wir fordern eine sprühstoßgenaue Dokumentation der Einsätze. Das wird dem einen oder anderen hier kleinlich erscheinen.
Sehen Sie, Herr Dietmann! Jetzt brauchte ich wieder Pfefferspray – haben Sie ein Glück, dass ich kein Polizist bin! – Ich lese einfach mal vor, was für verschiedene Gründe es gibt, aus denen die Polizei nach aktueller Dokumentation Pfefferspray einsetzt: tote Person – kennt man –, Schwarzarbeit, Maßnahme am 1. Mai – es gab im Jahr 2014 einen Einsatz von Pfefferspray am 1. Mai, und der wird hier unter „Maßnahme am 1. Mai“ zusammengefasst –, Veranstaltungen politischer Parteien – kennt man auch –, sonstige Sportveranstaltungen – kennt man auch – , Streitigkeiten – ist eine sehr gute Begründung; ich kann mir als Bürger, als Parlamentarier sehr gut vorstellen, aus welchem Grund hier Pfefferspray eingesetzt wurde. Es gab noch Volks- und Straßenfeste, Feuer und Hilfeersuchen – aber es gab auch 33 Mal keine Angabe. Es geht natürlich nicht, dass die Polizei im Land Berlin Gewalt mit solchen gravierenden gesundheitlichen Folgen einsetzt, ohne dass für uns als Parlament und die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar ist, warum hier Gewalt eingesetzt wurde.
Es ist auch eine traurige Wahrheit, dass 52 Mal im Jahr 2014 bei sogenannten demonstrativen Aktionen und 28 Mal bei sogenannten Aufzügen oder Kundgebungen Pfefferspray eingesetzt wurde. Sogar nach eigener, schlechter Statistik der Polizei wird dieses Mittel am häufigsten bei Demonstrationen eingesetzt. Aber es kann nicht sein, dass die Polizei zur Kontrolle einer größeren Gruppe von Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Demonstrationsrechte einfach so in die Menge reinsprüht. – Das soll dieser Antrag beheben und verändern. Ich freue mich auf die Diskussion in den Fachausschüssen und auf die sich hier anschließende Debatte und bin auf Ihre Gegenargumente gespannt! – Vielen lieben Dank!
Vielen Dank, Kollege Lauer! – Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Karge das Wort. – Bitte sehr, Kollege Karge!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lauer! Es ist immer sehr erfrischend, wenn Sie hier reden. Das hat auch immer so einen leichten Kabarettcharakter. Ich werde das jetzt wieder auf die Sachebene herunterbrechen: Wir sprechen heute auf Wunsch Ihrer Fraktion zum Thema Pfefferspray. Grundsätzlich gilt natürlich, dass der Einsatz von Pfefferspray gesetzlich geregelt ist. Der Senator hat im übrigens 2013 im Rahmen einer Kleinen Anfrage zu dem Themenkomplex Stellung bezogen. Es wurden die rechtlichen Grundlagen erläutert, die Befugnisse des Einsatzes dargestellt und die Häufigkeit und Art der Einsätze offengelegt. Dargestellt wurde auch, dass ein verantwortungsvoller und streng regulierter Umgang als Teil der Führungs- und Einsatzmittel gewährleistet ist.
Das Pfefferspray dient den Polizeikräften als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und ist die unterste Schwelle in der Verwendung von Zwangsmitteln. Es gilt immer auch der Leitsatz der Verhältnismäßigkeit, um polizeiliche Maßnahmen durchzusetzen. Der Einsatz des Pfeffersprays wird auch vorab angekündigt. Diese Mittel kommen erst dann zum Einsatz, wenn andere Maßnahmen gegen Personen, die Straftaten begehen oder den öffentlichen Frieden stören, nicht zum Erfolg geführt haben. Ferner werden die Polizeikräfte in Bezug auf die rechtlichen Grundlagen des UZwG – das ist das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte – ausgebildet. Diese Unterweisungen werden jährlich aufgefrischt. Darüber hinaus gibt es alle zwei Jahre Erste-Hilfe-Schulungen, in denen ebenfalls über die Wirkungsweise von Pfefferspray aufgeklärt wird.
Was heißt Referat? Ich musste mir auch anhören, was Ihr Kollege Lauer sagte! Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, dass Pfefferspray völlig harmlos ist, und vielleicht lernen Sie auch noch was Neues, Kollege! – Gerade Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen wie Asthmatiker oder Allergiker werden deutlich stärker in Mitleidenschaft gezogen als gesunde Menschen. Unter Rot-Rot wurde das früher übliche CS-Gas wegen der möglichen Krebsgefahr gegen Pfefferspray ausgetauscht. Sollte es in absehbarer Zukunft eine bessere Substanz geben, gehe ich davon aus, dass sie dann eingeführt und gegen das Pfefferspray ausgetauscht wird.
Ich möchte nicht verhehlen, dass es im Eifer des Gefechts Polizisten gibt, die Anweisungen überschreiten. Aber
Verstöße werden nicht unter den Tisch gekehrt – durch die individuelle Kennzeichnung der Polizeibeamten muss jeder – Sie haben das auch gefordert –, der sich nicht an die Vorschriften hält, damit rechnen, dass er zur Verantwortung gezogen wird.
Ja, so ist das, Herr Lauer! – Auch wird der Senat sicher prüfen, ob bei der Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Verbesserungen vorzunehmen sind.
Die Frage der Füllmenge, die Sie angesprochen haben, ist nicht so zu bewerten, wie Sie das möchten: Beim Einsatz von Reizstoffsprühgeräten gilt die gesetzliche Grundlage, und diese orientiert sich nicht an Füllmengen. Ein Ausschluss von Reizstoffsprühgeräten über 50 Milliliter ist also nicht sinnhaft, und wir werden uns nicht an Ihrer Maßgabe orientieren können.
Die Anforderungen an die Polizei werden immer höher, und wir geben ihr immer weniger Mittel an die Hand. Wir alle wissen: Die Polizei soll das Versammlungsrecht gewährleisten. Sie soll gerade bei Demonstrationen von Rechtsradikalen die Strecke vorher bekanntgeben – wir kennen diese Diskussion ja aus dem Innenausschuss –, und die Gegendemonstrationen sollen zugelassen werden. Sie soll deeskalieren und Demonstrationen so lenken, dass alle ihre Meinung kundtun können und niemand zu Schaden kommt. – Dies gelingt der Berliner Polizei sehr gut; ich glaube, man kann das in diesem Haus einvernehmlich feststellen.
Die überwiegende Zahl von Demonstrationen in Berlin – das übrigens nicht nur deutsche Hauptstadt, sondern auch Hauptstadt der Demonstrationen ist – verläuft reibungslos und vonseiten der Polizei professionell und routiniert. Um dies jedoch zu gewährleisten, benötigt die Polizei die notwenigen Mittel. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass der früher öfter vorkommende Einsatz des Schlagstocks als alternative Möglichkeit ein deutlich höheres Verletzungsrisiko für die Betroffenen nach sich zieht.
Auch sollte erwähnt werden, dass Pfefferspray bisher keine längerfristigen Schäden verursacht hat. Außerdem ist der Einsatz von Pfefferspray in den Jahren 2011 bis 2014 – das sollten Sie auch wissen – leicht rückgängig. Wer jedoch meint, es könne auf Pfefferspray verzichtet werden, der muss dann auch erklären, wie Polizisten Übergriffe abwehren sollen, ohne den Angreifer schwer zu verletzen oder selbst verletzt zu werden.
Ihre Forderungen sind daher nicht realistisch. Vielmehr stellt der Antrag der Opposition die Polizei erneut unter den Generalverdacht, in vielen Fällen unverhältnismäßig zu reagieren.
Es ist mir klar, dass Sie das nicht hören möchten! – Ihr Antrag wird auch hier den Leistungen der Berliner Polizei nicht gerecht und muss zurückgewiesen werden. Die Sichtweise, dass Demonstranten immer recht haben und die Polizei unrecht, ist nicht akzeptabel. Daran wird sich auch der Einsatz von Zwangsmitteln nicht orientieren können.
[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Die Frage ist: Was wol- len Sie dagegen tun, Herr Karge? – Udo Wolf (LINKE): Ich möchte Körting zurückhaben!]
Vielen Dank, Kollege Karge! – Bündnis /Die Grünen haben den Kollegen Lux benannt, und ich erteile ihm das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle können froh sein, in einem Rechtsstaat zu leben, in dem sich die Polizei an Recht und Gesetz hält und notfalls – wenn es eben sein muss – auch handfest das staatliche Gewaltmonopol durchsetzt. Wir können froh sein, dass wir in einem Staat leben, der kein Faustrecht mehr und kein Recht des Stärkeren kennt, sondern die Stärke des Rechts, und dass das staatliche Gewaltmonopol von der Polizei in aller Regel rechtmäßig verteidigt wird.