Protokoll der Sitzung vom 25.06.2015

Ich möchte aus diesem zweiten Gesetzgebungsverfahren zwei Erkenntnisse herausarbeiten. Die erste Erkenntnis ist, dass wir als Land Berlin und als dieses Parlament Feiertage einführen können. Ich bin der Meinung, dass wir davon viel häufiger Gebrauch machen sollten.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wir sollten uns vor Augen halten – Herr Brauer hatte es schon gesagt –, dass Tourismus, Einzelhandel profitieren. Leute, die an Feiertagen arbeiten müssen, erhalten einen hundertprozentigen Zuschlag zu ihrem Lohn. Das freut die Menschen in den Branchen, die eben arbeiten müssen.

Stellen wir uns beispielsweise vor, das Berliner Abgeordnetenhaus würde beschließen, jetzt im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahren den Mittwoch – und ich meine damit jeden Mittwoch – zu einem Feiertag zu machen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Oh yeah!]

(Wolfgang Brauer)

Genau, oh yeah! – Die Berlinerinnen und Berliner müssten in ihrem Vier-Tage- oder Fünf-Tage-nine-tofive-Job nicht mehr die Hälfte der Arbeitszeit so tun, als würden sie arbeiten. Nein, sie hätten den Montag und Dienstag, an dem sie arbeiten könnten, den Dienstag, an dem sie feiern können, den Mittwoch, an dem sie dann auch feiern und konsumieren und sich ausruhen können. Dann hätte man noch einmal zwei Tage. Danach ginge es schon wieder ins Wochenende.

Wenn wir uns überlegen, dass es in ungefähr zehn Jahren die Hälfte aller jetzt existierenden Berufsfelder ohnehin nicht mehr gibt, weil das alles automatisiert wurde, entweder von einer Software oder einem Roboter getan wird, werden wir ohnehin an der Zwei-Arbeitstage-Woche nicht mehr vorbeikommen.

Es gab interessanterweise vor unserer Zeit, in den Sechziger-/Siebzigerjahren in Deutschland einmal die Debatte darüber, was wir eigentlich machen, wenn wir durch die Produktivitätsgewinne immer mehr Zeit für das Leben und nicht für die Arbeit haben. Damals hieß es, es sei kein Problem, es würde einfach die 30-Stunden oder die 25-Stunden-Woche eingeführt. Das ist bekannterweise nicht geschehen. Wir malochen noch immer in der 40Stunden-Woche herum. Wir hier im Halbtagsparlament kennen das auch, man tut so ein bisschen, als würde man arbeiten.

Der Antrag ist schön. Wir hätten uns mehr gewünscht, nämlich jeden Mittwoch. Mal sehen, was die Beratung bringen wird. – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Es wird die Überweisung an der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 8:

Gesetz zur Änderung feuerwehr- und gebührenrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Katastrophenschutzgesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2341

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den gibt es nicht. Dann verfahren wir so.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 9:

Gesetz zur Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetzes – Berlin braucht ein wirksames Instrument gegen Geschäfte mit Immobilienverfall und Überbelegung

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2344

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Es ist keine Beratung vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 10 steht als vertagt auf der Konsensliste.

Ich rufe nunmehr auf die

lfd. Nr. 11:

Verfolgung von Homosexuellen in Deutschland seit 1945: Legislatives Unrecht beseitigen, erlittenes Unrecht entschädigen, Wissenschaft und Dokumentation voranbringen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 21. Mai 2015 Drucksache 17/2286

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0103

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag Drucksache 17/0103 empfiehlt der Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen mehrheitlich gegen Grüne, Linke und Piraten auch in geänderter Fassung die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Dann ist der Antrag abgelehnt.

Die Tagesordnungspunkte 12 a bis c stehen als vertagt auf der Konsensliste.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 13:

a) Berlin zur Forschungshauptstadt für Alternativmethoden zu Tierversuchen machen – Studiengänge mit Fokus auf Ersatzmethoden

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft vom 3. Juni 2015 Drucksache 17/2308

(Christopher Lauer)

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1906

b) Berlin zur Forschungshauptstadt für Alternativmethoden zu Tierversuchen machen – Bundesratsinitiative zur Aufwertung von Ersatzmethoden

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft vom 3. Juni 2015 Drucksache 17/2309

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1907

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hämmerling. – Bitte!

Schönen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren von der Koalition! Auf Seite 89 Ihres Koalitionsvertrages steht: Die Koalition wird sich für die Einschränkung von Tierversuchen einsetzen und verstärkt tierversuchsfreie Forschungsmethoden fördern. – Was Sie jetzt machen, ist genau das Gegenteil. Sie investieren 60 Millionen Euro in zwei neue Tierlabore. Wo sind denn Ihre Investitionen in die Ersatzmethoden? Wo sind die 60 Millionen Euro, damit Sie aus dem Tierversuch aussteigen können? Oder fördern Sie wenigstens mit 1 Millionen Euro? – Aber nein, Sie fördern gar nichts! Nicht einen Cent haben Sie übrig für die Forschung an Ersatzmethoden! Sie machen weiter wie bisher, und ich finde, es ist eine Frechheit, wie Sie die Tierschützerinnen und Tierschützer und die Stadtbevölkerung mit Ihrem Koalitionsvertrag für dumm verkaufen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wir möchten die tierversuchsfreie Forschung fördern. Deswegen soll der Senat eine Bundesratsinitiative zur Förderung der Ersatzmethoden ergreifen, weil Berlin bekanntermaßen wenig Geld hat, und – das kann Berlin – die Lehre an den Berliner Hochschulen auf Ersatzmethoden ausrichten. Das lehnen Sie aber ab. Ich möchte wissen, warum. Vielleicht bekomme ich darauf jetzt eine Antwort.

Ich will Ihnen erklären, warum wir den Tierversuch ersetzen müssen und wollen. Bevor ein Wirkstoff in die klinische Studie kommt, durchläuft er die sogenannte präklinische Phase. Dazu gehört auch der Tierversuch. Die Hälfte aller Wirkstoffe fällt in dieser Phase durch. Solch lebensrettende Medikamente wie Penicillin, Aspirin oder Insulin würden heute nach den jetzigen Tierversuchsstandards niemals auf den Markt kommen. Wir hätten diese Medikamente nicht, wenn es diese Standards damals schon gegeben hätte, als die Medikamente entwickelt worden sind. Das hat für uns eine immense Bedeu

tung. Überlegen Sie, welche möglicherweise lebensrettende Wirkstoffe es außer den genannten schon gab, die durchgefallen sind. Vielleicht könnten wir heute schon Alzheimer oder Krebs heilen, wenn wir die richtigen Modelle hätten, um Medikamente zu erforschen. Aber bis heute fließen die Forschungsmillionen in das schlechte Tiermodell, also in das falsche Modell. Und dafür tragen Sie die politische Mitverantwortung. Wir fordern Sie auf: Ändern Sie das endlich!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Obwohl der Bund nur sehr wenig Geld für Ersatzmethoden ausgibt, hat gerade diese Forschung weltweit Bedeutung. Wir haben in Berlin Spitzenforscher. Das Team um Uwe Marx in Berlin forscht erfolgreich an einem Multiorganchip. Das ist ein kleiner streichholzschachtelgroßer Chip, der mehrere menschliche Organe beinhaltet, die miteinander interagieren. Wenn es gelingt, sämtliche Organe auf diesem kleinen Chip zu integrieren, wird es möglich sein, komplexe Fragestellungen zu beantworten und vor allem individuelle Diagnosen zu stellen. In den USA wird genau diese Förderung jetzt mit 500 Millionen US-Dollar – vor kurzem waren es noch 140 Millionen – gefördert. Die USA haben begriffen, welche Potenziale in solch einer Forschung stecken, aber Sie geben das Geld nach wie vor für Tierversuchslabors aus. Das ist ein Armutszeugnis!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Die Tierversuchsforschung ist ethisch fragwürdig, sie ist teuer, sie ist ungenau, und sie liefert allenfalls Zufallsergebnisse. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Es gab das sogenannte TGN-Desaster. Es wurde ein Wirkstoff gegen multiple Sklerose und Rheuma entwickelt, am Tier erfolgreich getestet. Als dieser Wirkstoff in einer Konzentration, die nur ein Fünfhundertstel dessen betrug, die man in Tierversuchen gegeben hat, den Probanden verabreicht wurde, sind diese ins Koma gefallen. Diese Menschen haben lebenslange Schäden von einem Medikament, das bei Tieren offensichtlich kaum Nebenwirkungen hatte und erfolgversprechend schien.