Protokoll der Sitzung vom 10.09.2015

Und jetzt kommen wir in die Gegenwart. Dazu haben Sie auch nichts gesagt. Herr Jahnke hat hier rumgeschwabbert, da kam man gar nicht richtig drauf, was er uns eigentlich sagen wollte. Er redete immer: Wirtschaftsförderung, Wirtschaftsförderung, Wirtschaftsförderung, – ansonsten blieb seiner Rede Sinn ja recht dunkel. Eines steht fest: Es ist Denkmalschutzrecht gebrochen worden. Und der von mir vorhin zitierte Paragraf aus dem Landesdenkmalschutzgesetz ist die Rechtsgrundlage dafür, wann baudenkmalschützerische Aspekte überwunden werden dürfen und wann nicht. Wenn Sie in diese Norm einmal reinschauen, werden Sie feststellen, dass Siemens‘ Bauwünsche nur dann Baurecht einfach beiseite fegen können, wenn man erklärt, dass die Wünsche von Siemens, und zwar sämtliche Wünsche von Siemens, immer gleichbedeutend mit dem dringenden öffentlichen Interesse des Landes Berlin sind.

Wenn Sie das wirklich so meinen und wenn Sie meinen, dass jeder Konzern, der hierher kommt, alles hinterhergeschmissen bekommt – ohne Rücksicht auf Verluste und mit der Schleifung des baukulturellen Erbes –, dann können Sie das vielleicht begründen. Ich sage Ihnen aber eines: Kein Gericht und vor allem keine Baudenkmalschutzbehörde des Landes Berlin hat das genauso gesehen wie Sie. Nun gehen Sie doch mal auf unsere Argumente ein, anstatt hier allgemeine Bekenntnisse zu Siemens abzugeben, zumal – unter uns – der Dank, den uns Siemens gerade für die freundliche Behandlung erweist, der ist nun ein bisschen dürftig! Aber Frau Yzer ist nicht

(Stefan Evers)

da und kann uns nicht erklären, wie das alles zuwege gekommen ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Lederer. Herr Evers möchte antworten – bitte!

Vielen Dank, lieber Kollege Lederer! Wenn Sie uns unterstellen, wir würden über Rechtsbruch hinwegsehen, setzt das zunächst einmal einen Rechtsbruch voraus.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Den habe ich Ihnen dargelegt!]

Fangen wir beim Thema Notifizierungspflicht an: Dass ein Gefälligkeitsgutachten für die Nachbarschaft hier zu einer Aussage kommt, mag das eine sein, das andere ist, dass wir nach wie vor noch nicht einmal im Ansatz in der Lage sind, die Haltung der EU-Kommission zu dieser Frage zu beurteilen. Ich habe eben schon gesagt, dass man zum Thema Verkehrswert auch zu durchaus unterschiedlichen Auffassungen kommen kann, und dies völlig zu Recht zum Zeitpunkt 2001.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Sie haben die Prüfung gar nicht zugelassen!]

Selbstverständlich muss nicht jedes Grundstücksgeschäft im Lande Berlin notifizieren. Das ist ja großer Blödsinn.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Aber eines unter Preis!]

Und dass das unter Wert ist, ist ein Umstand, den Sie zunächst einmal nachzuweisen haben. Noch einmal: Das nachbarschaftliche Gefälligkeitsgutachten überzeugt mich in der Frage nicht.

Nächster Punkt: Sie unterstellen, es sei aktuell Recht gebrochen worden, weil das Denkmalschutzgesetz verletzt worden sei.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ja, klar!]

Von wem denn? Erstens, bezogen auf den Garten haben wir es nicht mit Denkmalschutz zu tun, sondern wir haben es ausschließlich bei der Immobilie, bei dem Magnus-Haus selbst mit Denkmalschutz zu tun. Das heißt, wir sind hier bei der Frage, ob es in seinem Erscheinungsbild durch die Umgebungsbebauung beeinträchtigt ist oder nicht. Das ist ein absolut nicht feststehender, sondern ein auslegungsbedürftiger Tatbestand, und da kann man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Da ist selbstverständlich ein Baustadtrat selbstverständlich berufen, eine Entscheidung zu treffen. Warum denn nicht? Das stellt keinen Rechtsbruch dar, sondern es stellt eine Ausübung

seiner verdammten Pflicht als hierfür zuständiger Stadtrat dar.

Noch einmal: Der Denkmalschutz ist nicht außen vor, sondern wird selbstverständlich seine Stimme bekommen und seine Stimme erheben, wenn wir über die Architektur, die sicherlich anspruchsvolle Architektur reden, die in der Lage sein wird, dort zu vermitteln, wo es einer Vermittlung bedarf, nämlich zwischen diesem unsäglichen Centrum Hungaricum einerseits und dem MagnusHaus andererseits. Da wünsche ich mir und da freue ich mich über eine solche Sichtbarriere, wie es dieser Neubau sicher auch darstellen wird, und zwar zum Guten. Ein gedeihliches Miteinander zwischen denjenigen, die gerne auch im Magnus-Haus bleiben sollen – auch ich sage nicht, dass dort bitte Siemens 2024 einziehen soll, sondern ich wünsche mir selbstverständlich, dass man mit der Physikalischen Gesellschaft zu einer vernünftigen Übereinkunft kommt, dass Siemens hier signalisiert, dass das auch über 2024 hinaus Bestand hat, in welcher Art und Weise auch immer –, kann sowohl inhaltlich als auch baulich möglich sein. Da können Sie zuversichtlich sein und diesem Senat, dem Sie alsbald wieder angehören möchten, vielleicht auch einmal vertrauen.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Um Gottes willen!]

Ich kann Ihnen nur sagen: So wird das nichts!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Evers! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Prieß. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Jahnke! Lieber Herr Evers! Es ist ein Skandal – da reihe ich mich erst einmal in den Chor der Oppositionsfraktionen ein –, und der Skandal beginnt schon mit der Vorgeschichte, mit dem Verkauf des Grundstücks, den wir auch schon behandelt haben, und dem dahinter liegenden Garten im Jahr 2001.

Ganze 2,86 Millionen DM hat Siemens dafür bezahlt. Ich würde sagen, das ist eher ein Schnäppchen für ein innerstädtisches Grundstück an prominenter Stelle, gleich neben der Museumsinsel.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Begründet wurde der niedrige Kaufpreis damals mit der eingeschränkten Nutzbarkeit des Grundstücks durch das vom Denkmalschutz betroffene Gebäude. Außerdem war das Gebäude längerfristig an die Deutsche Physikalische Gesellschaft vermietet, die quasi in diesem Gebäude gegründet wurde. Im Rahmen dieser Gesellschaft trafen sich auch die Herren Siemens und Halske, die später dann

(Dr. Klaus Lederer)

zusammen eine recht erfolgreiche Firma gründeten, und haben ihren ersten Handschlag dort vorgenommen.

Zwei Gründungsmythen in einem Haus, das kann natürlich nicht gut gehen. Beide, sowohl Siemens als auch die Deutsche Physikalische Gesellschaft, wollten das Haus kaufen – ein Weltkonzern und ein gemeinnütziger wissenschaftlicher Verein. Wir haben schon festgestellt, wer damals den Zuschlag bekommen hat. Entschieden wurde das damals von einem Senat aus CDU und SPD, und deren Fraktionen haben ihren Standpunkt im Grund auch schon erneut bekräftigt. Da hat kein Umdenken eingesetzt.

[Martin Delius (PIRATEN): Seit 2001!]

Immerhin hatte Siemens schon acht Jahre vor dem Kauf die damals dringend notwendige Sanierung des Gebäudes mit einer großzügigen Spende unterstützt. Es waren zwar keine 10 Millionen Euro, es waren nur 10 Millionen DM – die Währung hat sich mittlerweile geändert –, sie wurden aber steuerbegünstigt, schließlich war es eine selbstlose Unterstützung für den Erhalt des historisch bedeutsamen Bauwerks. Oder war es vielleicht doch eher eine Investition in die Zukunft?

[Martin Delius (PIRATEN): Das hatte nichts miteinander zu tun!]

Nach einer Anstandsfrist von mehr als zehn Jahren plant Siemens nun doch, im Garten des Magnus-Hauses eine Konzernrepräsentanz zu bauen. Eine Firma wie Siemens hat einen langen Atem, da hatte Herr Evers schon ganz recht.

Bedenken des Denkmalschutzes werden beiseite gewischt. Ein vertrauensvolles Gespräch mit dem damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit wirkt Wunder, und schließlich geht es ja nur um den Garten, der an sich gar nicht unter Denkmalschutz steht, auch wenn es sich um den letzten erhaltenen Barockgarten dieser Form in Berlin handelt. Nun, nachdem auch Klaus Wowereit von seinem verantwortungsvollen Amt zurückgetreten ist, ergeht dann plötzlich ein Bauvorbescheid des zuständigen Bezirks Mitte, der vermutlich den Grundstückswert von der einstmals gezahlten Summe in schwindelerregende Höhen schießen lässt. Ein Schelm, der Arges dabei denkt! Und das wird uns dann hier im Parlament als Wirtschaftsförderung angepriesen.

Der hier vorliegende Antrag der Linksfraktion findet jedenfalls unsere Unterstützung. Über die Details, wie man die Sünden der Vergangenheit wieder einfängt und wie man die Probleme mit dem Denkmalschutz usw. behandelt, werden wir im Ausschuss zu diskutieren haben. Es wäre gut, wenn man die Pläne für das Bauvorhaben und auch die Verträge mal zu Gesicht bekommen würde, damit man sich ein fundiertes Bild machen kann.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schneider?

[Martin Delius (PIRATEN): Das ist immer lustig!]

Ja, gerne!

Bitte, Herr Schneider!

Ich bin mit diesem Einzelvorgang zwar nicht so vertraut und bin auch ein bisschen erstaunt, dass sich eine Parlamentsdebatte damit befasst, aber meine Frage: Sind Sie denn als Piratenfraktionen, so, wie die Linksfraktion und deren Landesvorsitzender gerade herausposaunt haben, der Auffassung, dass jeder Unter-Wert-Verkauf, also die gesamte neue Liegenschaftspolitik in Berlin Rechtsbruch ist und notifizierungs- und europarechtswidrig?

Ich kann das leider nicht beurteilen. Ich bin kein Fachanwalt für EU-Recht. Das kann ich nicht aus eigener Kraft beurteilen, ohne genaue Recherchen anzustellen. Aber bei einem international tätigen Unternehmen wie Siemens, das sicher auch die Mittel hätte, einen normalen Preis für das Grundstück zu bezahlen, sehe ich das auf jeden Fall sehr kritisch, wenn das Gelände unter Wert verkauft wird und hinterher mit einer Baugenehmigung auch noch aufgewertet wird. Das hat dann natürlich schon so ein Geschmäckle, dass vielleicht eine längere Planung dahintersteht.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ist eine Nebelbombe!]

Über eine weitere Frage, nämlich ob der gegenwärtig laufende Mietvertrag mit der Deutschen Physikalischen Gesellschaft im Magnus-Haus nach Ablauf des gegenwärtig laufenden Mietvertrages, also nach dem Jahr 2024, verlängert wird, kann man jetzt natürlich trefflich spekulieren, das wissen wir jetzt nicht. Man sieht aber an dem Verfahren: Siemens hat einen langen Atem. Und ich glaube, dass die schon mit den Zeiten nach 2024 rechnen. – Damit bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Ausschussdebatte!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Prieß! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des

(Wolfram Prieß)

Antrags an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und an den Hauptausschuss empfohlen. – Gibt es hierzu Widerspruch? Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 24