3 Prozent Ausgabensteigerung pro Jahr. Das war vernünftig und steht im Einklang mit der erwartbaren Einnahmeentwicklung. Auf den ersten Blick scheint es dabei auch fast geblieben zu sein. Auf den zweiten Blick sieht es jedoch ganz anders aus: In diesem Jahr zählt zu den Ausgaben die einmalige investive Zuführung an das SIWA in Höhe von knapp 500 Millionen Euro. Das führt logisch zu der Frage: Wo bleiben diese 500 Millionen Euro im nächsten Jahr? Und nun? – Der Finanzsenator hat sie in dauerhafte Aufgaben umgesetzt, vornehmlich in Personal- und Sachkosten. Herausgekommen ist dabei ein Anstieg der strukturellen Ausgaben von sage und schreibe 5,5 Prozent, der uns dauerhaft belasten wird. Dieser faule Wahlkampffriede löste den erwähnten Konsolidierungsbedarf von 350 Millionen Euro aus, der dann der nächsten Regierungsmehrheit, wie immer sie zusammengesetzt sein wird, auf die Füße fällt. Nachhaltige Politik sieht anders aus.
Es ist ja gut, Herr Goiny, dass Sie den von der SPD und den Linken gefassten Beschluss gekippt haben, von 105 000 Stellen auf 100 000 Stellen herunterzugehen, aber auch eine solch gute Absicht kann man versemmeln, wenn man das Kind mit dem Bade ausschüttet. Neueinstellungen mit Kosten von über 150 Millionen Euro, die uns die nächsten 40 Jahre begleiten werden, sind ja keine Kleinigkeit.
Da darf man dann schon genau hingucken. Ich nenne Ihnen gerne – Sie haben es gestern schon gehört – vier Beispiele. Um ganz klein anzufangen – nicht das Sofa, sondern Personal –: Muss die Opposition im Wahljahr dem Regierenden Bürgermeister einen weiteren Wahlkämpfer in Gestalt eines zusätzlichen Referenten seines Presse- und Informationsamts genehmigen? – Ich glaube, das müssen wir nicht. Braucht der Verfassungsschutz jetzt 45 neue Stellen – ein Aufwuchs von 25 Prozent? Der braucht doch nach all den Fehlleistungen der letzten Jahre zu allererst eine Reform an Haupt und Gliedern.
Danach kann man dann auch überlegen, welches Personal mit welcher Qualifikation er eventuell braucht. Herr Henkel aber zäumt das Pferd von hinten auf. Ich kann Ihnen versichern: Dabei machen wir nicht mit. Personaleinstellungen ersetzen keine Reformmaßnahmen, und im vorliegenden Fall können wichtige Aufgaben aus unserer Sicht besser vom LKA und vieles auch besser von zivilgesellschaftlichen Akteuren erledigt werden, die sich tagtäglich mit Rechtsextremismus und fundamentalistischem Islamismus auseinandersetzen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]
Macht es Sinn, dass die zusätzlichen Polizisten mehr oder weniger gleichmäßig über alle Polizeidirektionen verteilt werden, als gäbe es keine Kriminalitätsschwerpunkte in der Stadt? – Ich denke nicht! Mit der Bürokratenlogik: Wenn der eine etwas kriegt, kriegt der andere mindestens das gleiche, sonst gibt es Ärger im Apparat. – stärken wir die Schlagkraft der Polizei nicht optimal.
Sehr hübsch fand ich auch den Kommentar von Justizsenator Heilmann zu seinem Etat, es handele sich – so sagte er – um die größte Verstärkung der Strafverfolgung seit der deutschen Einheit. Dann guckt man in den Plan und findet 39 Stellen für die Intensivierung der Strafverfolgung, aber zusätzlich 58 neue Stellen für den Aufbau der IT-Struktur an den Gerichten. Wollen wir die dezentrale IT wieder personell aufblähen, derweil doch alle Senatsbeschlüsse auf das Gegenteil – auf shared services und das ITDZ als zentralen Dienstleister des Landes – setzen?
Worauf ich hinaus will: Nachdem zu lange mit dem Rasenmäher Personal abgebaut wurde, macht es wenig Sinn, den Personalaufbau ähnlich sinnfrei zu betreiben – nach dem Motto: viel hilft viel! –, ohne dass es zu Strukturveränderungen kommt. Auf die größtmögliche Wirkung kommt es an, nicht auf das Gesetz der größten Zahl.
Bei den Investitionen haben Sie es etwas besser gemacht. Wir begrüßen, dass der Senat unserer langjährigen Forderung nachkommt, die Investitionen deutlich zu erhöhen. In der letzten Haushaltsberatung wurden wir von SDP und CDU dafür noch beschimpft.
Der gute Eindruck ist allerdings gewaltig dadurch getrübt, dass der Senat in der Begründung zum Haushaltsgesetz selbst feststellen muss:
Berlin kann parallel nicht mehr als zwei Großprojekte bewältigen. Zurzeit sind es die Staatsoper und der BER.
Das sind keine Zukunftsinvestitionen, sondern Ausgaben, die auf politisches Versagen zurückzuführen sind, worauf die meisten Berlinerinnen und Berliner zu Recht gerne verzichten würden. Von zukunftsweisender Investition lässt sich schon lange nicht mehr reden auf der Großbaustelle in Schönefeld. Es handelt sich inzwischen schlicht um die Vergeudung von Steuergeldern, die sich aus der leider zutreffenden Aussage unseres Regierenden Bürgermeisters herleitet: Wir müssen die Katastrophe in Ordnung bringen.
Herr Schneider! Sie haben mich gestern gefragt und dabei Ihr Lieblingswort untergebracht: Was wollen die Grünen denn strategisch? – Ich will Ihnen heute die Antwort nicht
schuldig bleiben: Wir Grüne wollen – erstens – bezahlbaren Wohnraum, – zweitens – gute Kitas und Schulen und – drittens – einen modernen Mobilitätsmix – da streiten wir ja immer –, weg von dem Ottomotor aus dem 19. Jahrhundert, und – viertens – eine ökologisch effiziente und moderne Infrastruktur.
vom Mietenvolksentscheid über einen besseren Betreuungsschlüssel in den Kinderkrippen, von der Sanierung unserer Krankenhäuser über deutliche Verbesserungen bei S-Bahn, BVG und Radverkehr bis hin zu einer guten Kapitalausstattung unseres Stadtwerks.
Aber Sie wollten es noch zugespitzter. Da habe ich mir gesagt: Okay, warum nicht – auch wenn das unsere Fachabgeordneten vielleicht nicht so beglückt? Ich sage Ihnen: Berlin braucht vor allem Investitionen in die ökologische Modernisierung. Mit der Energiewende und dem Internet der Dinge stecken wir – wie die ganze Welt – mitten in einer industriellen Revolution, die sich rasend schnell vollzieht und bei der die Infrastruktur- und Verkehrspolitik mithalten, ja sogar eine aktive Rolle übernehmen muss. Das lässt sich durchaus vergleichen mit der Periode der Elektrifizierung Anfang des 20. Jahrhunderts, in der Berlin bekanntlich eine herausragende und weltweit führende Rolle gespielt hat. Davon sind wir heute weit entfernt, obwohl es nicht nur umweltpolitisch, sondern auch für Wirtschaft und Arbeitsplätze von enormer Bedeutung ist, das zu ändern.
Man reibt sich als Berliner die Augen, wenn im Kapitel „Kommunales Investitionsprogramm“ plötzlich der Titel auftaucht „Energetische Sanierung eines Verwaltungsgebäudes“. Energetische Sanierung? Das Wort in einem Haushaltsplan der Berliner SPD – früher mit Linken jetzt mit der CDU? Das ist wirklich von Seltenheitswert. Und tatsächlich: Der Grund für diese Ausnahme ist, dass es für das kommunale Investitionsprogramm Bundesauflagen gibt – vom Bundestag ins Gesetz gegossen und als Verwaltungsvereinbarung von allen Ministerpräsidenten unterschrieben. Da wimmelt es von Wörtern wie Lärmbekämpfung, Barrierefreiheit, energetische Sanierung, altersgerechter Umbau. Sogar von Wärmenetzen, die aus erneuerbaren Energieträgern gespeist werden, ist wörtlich die Rede. Sich darum zu kümmern, ist deutscher Normalstandard. Überall in Deutschland sind das Selbstverständlichkeiten. Nur unsere Stadt hinkt hinterher, statt vorweg zu gehen, wie es ihrer Bedeutung angemessen wäre. Wir haben in Berlin etwas nachzuholen.
Wenn Sie mich, Herr Schneider, so fragen, was die Berliner Grünen wollen, würde ich antworten: Wir wollen wenigstens den deutschen Normalstandard erreichen in
Sachen Ökologie und nachhaltiger Stadtentwicklung und am liebsten – wie nannte es der Finanzsenator so schön – Referenzmetropole für eine nachhaltige Energieversorgung werden. Das wäre doch etwas.
Ich gehöre bekanntlich nicht zu denen, die glauben, mit den Grünen würde alles total anders und besser. Das wäre vermessen. Von einem bin ich aber nach 20 Jahren Schwarz-Rot und zehn Jahren Rot-Rot felsenfest überzeugt: Zur Auflösung des umweltpolitischen Reformstaus in Berlin sind wir Grüne dringend nötig. Ohne uns wird das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nichts.
Im Haushalt 2016/2017 möchten wir diesen Stillstand nicht fortsetzen. In Ihrem Haushaltsplan ist im Augenblick alles überlagert, von den Verhandlungen mit Vattenfall und E.ON über die Netze. Wenn ich dieses Mehrwegsystem, das in dem entsprechenden Kapitel angelegt ist, lese, läuft es darauf hinaus, dass wir am Ende irgendetwas mit E.ON oder beiden Vertragsparteien machen wie weiland mit RWE und Veolia bei den Wasserbetrieben – ich hoffe, dann mit einem besseren Vertrag –. Es mag sein, dass auch das der Energiepolitik am Ende dienlich ist. Wir werden es sehen. Derweil steht aber die Energiewende weiter still. Sie sitzen da und warten auf ein Verhandlungsergebnis. Das kann nicht sein.
Gerade nach dem gestrigen Dissens mit Brandenburg in der Frage der Braunkohleverstromung sage ich, dass wir unbedingt das tun sollten, was im Augenblick eigenständig machbar ist, statt nur auf Verhandlungsergebnisse zu warten. Wir haben mit dem Klimastadtwerk ein Instrument, mit dem wir unabhängig von Erfolg oder Misserfolg von Netzverhandlungen tätig werden können. Es gibt keinen vernünftigen Grund, das Unternehmen haushaltspolitisch komplett zu ignorieren und in den Wasserbetrieben verhungern zu lassen.
Wir Grüne wollen im Haushalt 2016/2017 keinen Stillstand an der grünen Front. Wir schlagen Ihnen Investitionen in Windräder, in Blockheizkraftwerke und in die energetische Sanierung des öffentlichen Gebäudebestandes vor. Wir möchten Investitionen zum Erhalt des Baumbestandes in der Stadt, für grüne Dächer und Hinterhöfe. Wir wollen den Bau von Radrouten und geschützten Radstreifen und mehr Verkehrssicherheit und weniger Tote an gefährlichen Kreuzungen. Wir fragen Sie, Herr Schneider, aber auch alle anderen Fraktionen hier im Haus: Ist das mit Ihnen zu machen, oder können erst die Wählerinnen und Wähler substanzielle Änderungen herbeiführen? Wir werden es im Verlauf der Haushaltsberatungen sehen.
Vielen Dank, Herr Kollege Esser! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Kollege Schneider. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Jochen Esser! Ich beginne einmal mit einer persönlichen Note. Wenn Sie gesagt haben: Strategisch, haben Sie sich eindimensional fokussiert; für eine richtige Umweltpolitik braucht es also die Grünen in diesem Bundesland. Dann kann man nur hoffen, dass es Ihnen nicht so geht wie den Linken, die ihren Fraktionsvorsitzenden das Gleiche mit Blick auf die vernünftige Sozialmietpolitik in der „Abendschau“ sagen lässt und der zwei Tage später hören muss, dass wir das Ding wegverhandelt haben. Ich drücke Ihnen die Daumen, dass nicht noch ein Volksbegehren kommt.
Dem vorliegenden Haushaltsentwurf des Senats – das nimmt wohl kaum Wunder – haften zwei grundsätzliche Dinge an: Erstens halten wir ihn in der SPD-Fraktion für einen großen Wurf und den Aufgaben der wachsenden Stadt sowie den Aufgaben der Weltmetropole angemessen. Zweitens sind wir uns sehr sicher – das hat der Finanzsenator auch zutreffend betont –, dass es ein Ergebnis von über zehn Jahren verantwortungsbewusster SPDPolitik in diesem Bundesland ist.
Es ist kein Geheimnis und wird Ihnen auch die Kritikebene erschweren, dass dieser Haushalt etwas aufgreift, was hier durchaus auch schon immer eine zentrale Rolle gespielt hat. Er löst im Zinstitel und bei den Steuereinnahmen stille Reserven auf und adressiert diese Reserven. Als Sie das gefordert haben, war es die zentrale Kritik am letzten Haushalt. Jetzt nennen Sie es Wahlkampfhaushalt. Das ist aber insgesamt nicht stringent, Herr Kollege Esser.
Diese Reserven werden jetzt aufgabengerecht eingespeist. Die Haushaltsberatungen beginnen gerade, Herr Finanzsenator, deswegen ist heute nicht damit zu rechnen, dass Sie schon eine Zustimmung erfahren werden. Ich kann Ihnen zusagen, dass es im Dezember mit den politischen Gewichtungen erfolgen wird.
Drei wichtige Themen möchte ich herausgreifen, um das nicht in die Länge zu ziehen. Erstens: Ja, da hat Jochen Esser recht. Wir haben einen konsumtiven Aufwuchs, der ganz zentral vom Thema durchsetzt wird. Das sind Mehrausgaben im Personalbereich. Ja, die Finanzpolitiker sehen natürlich jeden konsumtiven Aufwuchs, vor allem einen so hochdimensionalen, kritisch. Das ist aber Ergebnis einer konsolidierten, einer einstimmigen Beschlusslage der SPD-Fraktion und des Koalitionspartners, dass wir die Schere solidarisch nach so vielen Jahres des Verzichts im Personal schließen wollen. Dass Sie das kritisieren und dann auf zwei Referentenstellen zurückkommen, ist überhaupt nicht überzeugend, Herr Kollege Esser.
Ich komme auf ein weiteres Thema zu sprechen, welches wir uns gerade ansehen. Das ist die Investitionsquote. Dieses Thema ist für uns von strategischer Bedeutung. Wir haben zwei Aspekte zu betrachten. Zum einen heben wir in absoluten Zahlen die investiven Ausgaben in diesem Haushalt um etwas über 250 Millionen Euro an. Es stimmt auch, dass wir – zweitens – anders als viele Bundesländer mit unseren über 50 Beteiligungsunternehmen, die uns fast ausschließlich allein gehören, weitere hochgradige Investitionen – aus volkswirtschaftlicher Sicht eine Draufgabe – vornehmen. Drittens wollen wir – das halten wir für volkswirtschaftlich sinnvoll – über alles gesehen eine Investitionsquote von nicht unter zehn Prozent. Das werden wir betrachten und werden entsprechend politisch reagieren. Noch ist die Betrachtung nicht beendet.