Unterm Strich bleibt es beschämend, wirklich beschämend, was Sie aus dem aktuell gewonnenen Spielraum machen. Dieser Gestaltungsspielraum, Herr Goiny, hat nun wahrlich nichts, aber auch gar nichts mit der CDU zu tun, das zumindest will ich Ihnen auf den Weg geben. Aber eine Gießkanne zum Verteilen des Geldes ist eben noch keine Idee für diese Stadt. Das ist genau das, was wir von Ihnen fordern: eine Idee für diese Stadt. Wir haben Ihnen in vielen Bereichen unsere Ideen vorgelegt. Das Flüchtlingskonzept ist heute genannt worden, das Personalentwicklungskonzept, auch die Idee zum sozialen Wohnen ist eine Idee, die Sie erst einmal umsetzen müssen. Bis jetzt machen Sie immer nur Ankündigungen. In den Haushaltsberatungen werden wir Sie fordern, über die Ankündigungen auch hinauszugehen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Dr. Schmidt! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Herberg. – Bitte schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Der fetteste Haushalt aller Zeiten! Größter Aufwuchs aller Zeiten! Eben wurde auch noch genannt: handwerklich bester Haushalt aller Zeiten.
Wahlkampfhaushalt! – Es sind schon eine ganze Menge Namen für den Haushalt 2016/2017 genannt worden und auch durch die Presse gegangen. Einen weiteren bringe ich jetzt nicht ins Spiel, sonst wird die Liste irgendwann zu lang. Aber was wir an diesen Worte sehen, ist: Wir haben mit 2016/2017 einen Haushalt vorliegen, in dem politischer Gestaltungsspielraum ist. Das heißt, darin kann man etwas ändern. Das hat man in den letzten Jahren bei den Haushalten von SPD und CDU, die vor allem unter dem Mantra der Schuldentilgung standen, nicht gesehen.
Ich mache dasselbe, was auch Frau Schmidt schon getan hat. Der Haushalt 2016/2017 ist endlich ein Haushalt, wo man im Großen und Ganzen sagen kann, dass die Einnahmen und Ausgaben jetzt ehrlicher sind – es gibt immer noch eine Besserung, die möglich wäre – als vorher.
Wir waren die halbe Haushaltsdebatte damit beschäftigt herauszufinden, in welchem Polster jetzt wieder irgendwas versteckt war. Das ist jetzt einfacher. Das macht es einfacher zu lesen. Das führt dann auch dazu, dass es mehr Spaß macht, einen solchen Haushalt zu lesen. Danke, dass Sie Ihr Versprechen eingehalten und das auch so umgesetzt haben. Der Gestaltungsspielraum, der nicht nur in dem Haushalt von Ihnen als Senat schon vorgebracht worden ist, sondern den wir als Parlament jetzt auch haben, ist nur möglich, weil das jetzt anders veranschlagt worden ist. Daher vielen Dank dafür!
Der große Vorteil ist, die Koalition, Herr Schneider, kann das nicht mehr negieren, sie ist immer ein großer Fan davon. Das, was jetzt schon drin steht, steht schon mal drin. Da kann man nicht mehr behaupten, wenn wir als Opposition in den letzten Jahren immer gesagt haben, das sind die wahren Einnahmen, das sind die wahren Ausgaben, das stimme doch alles nicht, und die Vorlagen, die der Herr Nußbaum gemacht hat, seien das Wahre hier. –
Dieser Gestaltungsspielraum führt aber auch dazu, dass wir jetzt auch Verantwortung im Parlament haben, und zwar Verantwortung, dass wir diese Mittel, die jetzt mehr zur Verfügung stehen, auch sinnvoll in dieser Stadt einsetzen. Dazu gehört es aber auch, dass wir als Parlament die jetzt schon begonnenen Haushaltsberatungen ernstnehmen und uns politisch um die sinnvolle Verwendung der Mittel auch streiten.
Wir haben die Aufgabe, das zu machen. Ich hoffe, dass wir das auch ordentlich machen, und komme nämlich gleich auf dich zu, Torsten Schneider. Du hast dich ja gerade schon angeboten. Du hast gestern im Hauptausschuss, als ich dort meine einführende Rede zum Haushalt gehalten habe, schon gesagt, dass du dieses Mal ganz genau darauf achtest, wo wir mehr oder weniger Geld einstellen werden.
Wenn wir uns z. B. die letzten beiden Haushaltsberatungen anschauen, war es in den zweiten Lesungen eher so, dass die Opposition ihre Änderungsanträge vorgestellt, miteinander diskutiert und gekämpft hat, welcher Antrag von welcher Oppositionsfraktion jetzt politisch sinnvoller wäre,
während die Koalition in einem Dämmerschlaf gefallen ist und ab und zu vom Ausschussvorsitzenden geweckt werden musste, wenn es mal wieder darauf ankam, einen SPD- oder CDU-Antrag abzustimmen und ihr den selbst dann manchmal verpennt habt und wir als Opposition euch sagen mussten, jetzt ihr, jetzt seid ihr dran.
Da nehme ich dich auch beim Wort. Ich werde dich jedes Mal im Hauptausschuss daran erinnern, dass du gesagt hast, dass du dich politisch mit jedem unserer Anträge beschäftigen wirst.
[Lars Oberg (SPD): Aber nicht wie, hat er gesagt, nur dass! – Martin Delius (PIRATEN): Das ist ja schon mal ein Fortschritt!]
Wenn er es überhaupt einmal machte, wäre das schon eine Steigerung und wäre schon einmal super für dieses Parlament.
Viele Punkte in diesem Haushalt brauchen auch eine anständige Beratung, denn wir alle wissen, dass die Zahlen, auf denen der Haushalt basiert, jetzt auch schon an einigen Stellen überholt worden sind. Wenn im November die neue Steuerschätzung und Ähnliches kommt, werden wir sowieso am Ende, wie wir es immer wissen, dann zum Dezember hin noch einmal eine große Änderung dieses Haushalts machen, also kein Haushalt, der hier reinkommt, geht so auch wieder raus. Das wissen wir auch alle, und das ist dann auch unsere Aufgabe, das im Hauptausschuss ordentlich zu machen.
Ein anderes Problem, das ich mit diesem Haushaltsplanentwurf und auch mit der Finanzplanung aber trotzdem habe, ist, dass es kaum ordentliche Priorisierungen gibt. Ein Problem gibt es z. B. bei den Investitionen. Der Finanzsenator hat gesagt, dass Berlin nur Möglichkeiten hat, zwei Projekte parallel zu machen, und diese zwei Projekte sind auch für die nächsten Jahre durch den Flughafen und die Staatsoper blockiert, und dementsprechend können wir auch nichts mehr machen. Das halte ich für eine schwierige Aussage und auch nicht der Stadt angemessen, denn wenn wir uns anschauen, wie die Investitionsplanung weitergeht, steht dann drin, dass rund 250 Millionen Euro für das ICC ab 2018 fließen sollen. Es glaubt doch niemand in der Runde, dass ab 2018 Geld für das ICC fließen wird.
Oder wir lesen, dass ab 2018 das Olympiabad saniert werden soll. Hier glaubt doch niemand, dass 2018 das Olympiabad saniert werden soll. Wenn wir uns die letzten Haushaltspläne anschauen, da stand exakt das Gleiche drin wie jetzt, einfach nur mit anderen Haushaltsjahren. Sonst hat sich daran nichts geändert.
Oder gucken wir uns Tegel und Tempelhof an. Das ist auch alles ab 2018. Aber das weiß doch hier jeder, dass diese Projekte, die Sie dort reingeschrieben haben, nur dem Koalitionsfrieden zuträglich sind, obwohl in Ihren eigenen Koalitionsvereinbarungen damals stand, dass Sie sich genau dieser Projekte in dieser Wahlperiode annehmen werden. Und wie sich zeigt, haben Sie in dieser Wahlperiode kein einziges Infrastrukturprojekt umgesetzt, geschweige denn, es auf den Weg gebracht, und daran werden Sie sich nach fünf Jahren Regierung auch messen lassen müssen. Da haben Sie komplett bisher versagt und auch mit diesem Haushalt komplett versagt.
Stattdessen wäre es ehrlicher gewesen und auch besser für diese Stadt, hätten wir die Mittel z. B. in zukünftige Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur oder in den Wohnungsneubau gesteckt, denn die BVG ist ohne Probleme in der Lage, z. B. wenn wir ihr Vorbereitungsmittel 2016/2017 geben, ab 2018 U-Bahnzüge, Busse oder Straßenbahnen anzuschaffen. Das bekommen die ohne Probleme hin. Genauso bekommen die Wohnungsbaugesell
schaften, wenn wir denen jetzt Vorbereitungsmittel für 2016/2017 geben, es hin, genügend Baupläne vorzuarbeiten, damit ab 2018 losgebaut werden kann. Das wären zukunftsweisende Priorisierungen für die wachsende Stadt gewesen, auf die Sie immer so gerne fokussieren.
Es wurde auch schon angesprochen, dass es im aktuellen Haushalt immer noch so ein bisschen aussieht, als ob man mit der Gießkanne einmal rübergegangen ist, nicht nur beim Personal, auch bei den Sachausgaben und Ähnlichem, statt sich auf bestimmte Projekte zu spezialisieren. Es wurde schon angesprochen, nehmen wir uns einmal das Beispiel Polizisten heraus: Statt über die Stadt verteilt in Polizeidirektionen hineinzugehen und dort überall ein bisschen aufzustocken, hätte man sich die Mühe machen und die Kriminalitätsschwerpunkte herausarbeiten können. Und genau an diesen Punkten hätte es zu einer Verbesserung kommen können. Das führt dann nicht nur dazu, dass vor Ort die Sicherheitslage besser wird, sondern da diese Schwerpunkte an diesen Orten auch eine erhöhte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit haben, führt es durch die Berichterstattung automatisch dazu, dass auch die gefühlte Sicherheit der Bevölkerung, die die Zeitung aufmacht und dann sieht: Aha, da ist ja mal was passiert, sich bessert, und das wäre richtig gewesen. Aber da hätte sich der Innensenator sich ja mal mit seiner Polizei beschäftigen müssen, und wir wissen alle, der reist lieber in der Walachei herum, als sich mit seinen eigenen Angestellten zu beschäftigen.
Ein anderes Beispiel ist die Gewaltschutzambulanz. Das ist eines der Lieblingsthemen unserer Fraktion. Da ist jetzt geplant, zusätzlich Kinderschutzambulanzen zu machen. Das ist per se erst einmal kein schlechter Vorschlag. Das Problem an der Stelle ist, dass dort an vier Stationen, über Berlin verteilt, ein Arzt oder eine Ärztin sein soll. Das führt aber nicht dazu, dass wir flächendeckend eine ordentliche Versorgung haben, sondern das führt eher dazu, dass wir den Mangel, den wir aktuell in der Gewaltschutzambulanz haben, über andere Standorte verteilen. Stattdessen könnten wir dieses Geld, das für diese vier Standorte eingeplant ist, zusammen auf eine Gewaltschutzambulanz packen und die dann auch ordentlich 24 Stunden, sieben Tage die Woche laufen lassen, denn die Wege in Berlin sind nicht so weit, dass man nicht von A nach B zentral zu diesem Ort hinfahren könnte. Das wäre viel besser für diese Stadt.
Auch im Kulturhaushalt haben wir noch die Möglichkeit, Änderungen vorzunehmen. Wenn wir uns angucken: Wir haben mit Herrn Müller einen neuen Kultursenator. Wir haben mit Herrn Renner einen neuen Staatssekretär für den Kulturbereich. Und trotzdem fließen riesige Mengen des Haushaltes wieder in die großen Häuser statt in die freie Szene oder in den Kinder- und Jugendtheater
bereich. Das ist unserer Meinung nach eine falsche, überholte Kulturpolitik, und das muss definitiv in den Haushaltsberatungen noch angepasst werden.
Dieses Jahr hatten wir im Sommer nicht nur viele Flüchtlinge, sondern wir auch einen der heißesten Sommer aller Zeiten in Berlin. Nicht nur wir Menschen haben darunter gelitten, sondern auch die Stadtbäume haben darunter gelitten.
Also den Umweltbereich nehmen wir jetzt noch mit rein. Die Prognosen sagen für die Zukunft, dass das jetzt auch häufiger der Fall sein und vermehrt vorkommen wird. Aber wenn wir uns den Umweltbereich im Haushaltsplan angucken, dann ist genau in diesen Bereichen diesen Prognosen nicht Rechnung getragen worden. Wenn wir uns z. B. die Stadtbäume angucken, dann wird weiterhin davon ausgegangen, dass die Spenden aus der Bevölkerung das im Prinzip komplett übernehmen müssen und dass die Pflege dieser Bäume aus Mangel an Geld und Personal von den Bezirken weiterhin vernachlässigt werden muss. Das Problem ist, das schädigt nicht nur kurzfristig die Natur, sondern langfristig auch den ökologischen Haushalt dieser Stadt und damit wiederum den Menschen. Dann haben wir hier mehr Kollabierte, das heißt dann wieder, Kosten bei den Krankenhäusern und Ähnliches. Das sind relativ kleine Investitionen, die aber sehr große Auswirkungen mit Kostennachwirkungen haben, und da muss definitiv noch etwas nachgestellt werden.
Dann kommen wir noch zu dem Bereich Integration von geflüchteten Menschen in die Gesellschaft. Das ist nicht nur durch die aktuelle Situation notwendiger denn je, sondern das war auch in den letzten Jahren schon notwendig. Wir können nicht alles immer nur darauf schieben, dass es jetzt durch Ungarn und Co. so richtig schlimm geworden ist und wir jetzt alles auflegen müssen und das immer als Ausrede benutzen, warum das jetzt passiert und nicht schon viel früher, denn das konnte man ja nicht ahnen, dass das so schlimm wird. Viele dieser Sachen hätte man einfach schon früher anpacken müssen, denn ob nun 1 000 Flüchtlinge, 10 000 Flüchtlinge oder 100 000 Flüchtlinge kommen, auch die 1 000 Flüchtlinge hätten damals integriert werden müssen, und damals hätte man die Programme schon anfangen und die Gelder bereitstellen müssen, und die hätte man jetzt quasi aufstocken können. Aber da man ja früher überhaupt keine Programme aufgesetzt hat, muss man diese jetzt erst entwickeln und muss diese vor allen Dingen entwickeln mit diesen riesigen Zahlen, die wir jetzt haben, was es natürlich viel schwieriger macht, vor allen Dingen auch das Personal dafür zu schulen, als wenn man schon mal früher angefangen hätte.
Da reden wir auch nicht nur darüber, dass die Flüchtlinge irgendwie untergebracht werden müssen, sondern wir reden bei den Flüchtlingen bzw. auch bei Migranten über Ausbildung, Weiterbildung und Jobangebote, weil das das Einzige ist, wie wir diese Menschen auch dauerhaft in diese Stadt integrieren können. Der große Teil dieser Menschen wird hier auch bleiben. Also diese Vorstellung, dass die in zwei, drei Jahren nach Syrien und Co. wieder zurückgehen – wer die Bilder aus diesen Staaten zurzeit sieht, der weiß, dass dort so gut wie nichts mehr übrig ist. Da gibt es für viele Menschen nichts mehr, um zurückzukehren. Oder diese Wunschvorstellung: Dann gibt es ein bisschen was beim Auswärtigen Amt und Co. und ein bisschen Entwicklungshilfe, und dann stellen wir denen wieder ein paar neue Blechhütten hin, und dann schicken wir alle wieder zurück, also diese Vorstellung muss aus jedem Kopf einer demokratischen Partei komplett raus. Man muss sich darauf vorbereiten, dass wir diese Menschen in Berlin integrieren, dass wir auch das Potenzial dieser Menschen komplett ausschöpfen und das Beste für Berlin dabei herausholen. Das ist eine Vision, die ich gerne bei allen in diesem Haus sehen würde.