Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Sie hätten vielleicht mit einem bisschen mehr Sachlichkeit dazu beitragen können, dass wir uns über die Dinge ernsthaft unterhalten. Der Teufel steckt wie immer im Detail. Wir wissen, dass anders als die Bediensteten des LAGeSo die Polizeivollzugsbeamten dem Legalitätsprinzip in der Form unterliegen, dass sie Strafvollzugsbehörde sind. Da ergibt sich eine andere Situation.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Doch keine Strafvollzugsbehörde – Strafermittlungsbehörde!]

Aus diesem Grunde entspricht die derzeitige Praxis mit Fertigung von Strafanzeigen durch die Polizeibeamten der geltenden Rechtslage. Daran kann man nicht herumdrücken. Auch vor dem Hintergrund des von Ihnen zitierten Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention ist grundsätzlich ein Anfangsverdacht nach dem Aufenthaltsgesetz anzunehmen, weil die Polizei gar nicht in der Lage wäre, zweifelsfrei das Gegenteil festzustellen. Von daher hätte jeder Polizeibeamte, der anders handeln würde, dort eine Problematik, denn er würde sich dem Verdacht der Strafvereitelung im Amt aussetzen. Von daher muss so gehandelt werden. Daran kann auch eine Presseerklärung der GdP grundsätzlich erst mal nichts ändern, weil sie keine rechtssetzende Wirkung hat. Das ist leider das Problem.

[Benedikt Lux (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Keine Zwischenfragen! Ich möchte das zusammenhängend ausführen. – Daher müssen wir uns überlegen, wie wir das Problem lösen können.

Herr Dr. Juhnke! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Ich habe gerade gesagt: Keine Zwischenfragen.

Wir haben das Legalitätsprinzip, dem wir folgen müssen, und wir müssen sehen, wie wir ein sinnvolles Verfahren aufbauen. Das ist nicht einfach. Da gibt es einen interessanten Vorschlag, der schon genannt wurde: Vielleicht kann man dem bayerischen Vorschlag zu den Sammelverfahren folgen. Das muss man prüfen. An einer Lösung wird gearbeitet, und das wissen Sie auch. Sie waren im Rechtsausschuss, Sie haben den Senator gehört, und wenn Sie sich heute hier hinstellen und diesen Antrag stellen, dann ist das reine Schaufensterpolitik, weil Sie wissen, dass daran schon längst gearbeitet wird.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Das reicht nicht, dass wir das wissen!]

Sie wollen aber vermeiden, dass Sie hier eventuell zu spät auf den Zug kommen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Wo wird denn da gearbeitet?]

Wir wissen alle, dass die Polizei grundsätzlich in dieser Frage subsidiär tätig ist. Das heißt also, es ist nicht unbedingt Ziel, dass sich die Polizei mit dieser Bearbeitung befasst. Wir wissen auch, dass die Anzahl der Ankommenden eine außerordentliche Herausforderung darstellt.

[Hakan Taş (LINKE): Sie wollen die Berliner Polizei weiterhin unnötig belasten!]

(Benedikt Lux)

Wir haben nicht sehr viele Behörden, die rund um die Uhr arbeiten. – Herr Taş! Ich habe das Mikrofon. Ich bin lauter. Also lassen Sie es sein! – Das LAGeSo gehört bisher nicht dazu. Und im LAGeSo – das wissen Sie genau – gibt es auch eine Personalvertretung, die Anspruch darauf hat, angehört zu werden, und Beamte und Tarifbeschäftigte des Landes Berlin sind Gott sei Dank keine Leibeigenen. Hier gibt es also die Notwendigkeit, sich damit auseinanderzusetzen, wie man das auch personalvertretungsrechtlich umsetzt. Das wird auch gemacht, und das wissen Sie auch. Deswegen ist auch das ein Schaufensterantrag, den Sie hier mit dem Punkt 2 in Ihrem Antrag stellen. Man wird sich Gedanken machen müssen, wie man das auf andere Beine stellt und wie man das Personal auch zur Verfügung stellt. Keine Frage, diese Herausforderungen sind groß, aber daran wird gearbeitet, und Ihres Antrags hat es wirklich nicht bedurft. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt der Kollege Lux das Wort.

Herr Präsident! Vielen Dank! – Der Antrag hat sich jetzt schon gelohnt, denn Herrn Juhnke hier zu hören, der sagt, über die Entkriminalisierung von Flucht könne man nachdenken: Das ist für mich tatsächlich neu und eine Erkenntnis. – Herr Juhnke! Dafür bedanke ich mich jetzt schon, dass Sie darauf die CDU-Fraktion festlegen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Allerdings ist zu sagen – erstens –: Strafvollzugsbehörde ist die Polizei nicht, allenfalls eine Strafermittlungsbehörde. Ich glaube, es hat sich eben um einen Versprecher gehandelt.

Zweitens: Unser Antrag lag schon vor, lange bevor die sehr unverbindliche Ankündigung des Justizsenators im Rechtsausschuss, man rede darüber zwischen Generalstaatsanwaltschaft und Polizei, am letzten Freitag getätigt wurde. Unser Antrag war davor in der Abstimmung.

[Heiko Melzer (CDU): Der Antrag liegt seit gestern Abend vor!]

Nächster Punkt: Herr Heilmann sagt auch, er kann nicht entscheiden. Herr Heilmann macht sich vom Acker, obwohl er eigentlich die Staatsanwaltschaft beaufsichtigt, die sagen könnte, man müsste bei der ersten unerlaubten Einreise gar kein Strafverfahren eröffnen. Diese Kompetenz hätte Herr Heilmann. Und, lieber Kollege Juhnke, weil Sie hier die Strafvereitelung ins Spiel gebracht haben; ich frage mal andersherum: Wie ist es denn bei ei

nem Flüchtling, der offenkundig aus dem Kriegsgebiet stammt, –

[Sven Rissmann (CDU): Ist das Ihre zweite Rede oder was?]

Sie sind ja auch Jurist, Herr Rissmann. Vielleicht hören Sie mal kurz zu –, wie ist es denn für einen Polizisten, der einen Flüchtling aus dem Kriegsgebiet, der mit aller überwiegenden Wahrscheinlichkeit hier Asyl bekommt, erst mal mit einem Strafverfahren überzieht? Ist es dann nicht falsche Verdächtigung, Herr Kollege Rissmann, Herr Kollege Juhnke? Könnte sich nicht ein Polizist der falschen Verdächtigung strafbar machen, wenn er einen offenkundigen Kriegsflüchtling, der nach Berlin kommt aufgrund der Einladung der Bundeskanzlerin Merkel, man könnte auch Anstiftung sagen, würde dieser nicht auch andersrum strafbar sein? Also was soll der ganze Quatsch? Entlasten wir gemeinsam Polizei! Hören Sie erst mal wieder hin, am besten wieder mal mit ein paar Polizisten sprechen! Das würde ich Ihnen empfehlen in diesem Fall.

[Sven Rissmann (CDU): Lux, der Anwalt der Polizisten!]

Wir können eine ganze Menge tun, indem wir entbürokratisieren, indem wir erkennungsdienstliche Maßnahmen nicht des Nachts mit vielen Stunden Fahrtwege und Wartezeiten dort vornehmen, sondern indem wir die ein paar Tage später machen, entspannter, effektiver. Das wäre der erste Schritt, der sofort gehen würde. Daran wird meines Wissens nicht gearbeitet. Aber wenn Sie mich da eines Besseren belehren, freue ich mich darüber.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Juhnke! Zum Erwidern haben Sie das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Wissen Sie, Herr Lux, mit Schlagworten wie „Flucht entkriminalisieren“ und „Kein Mensch ist illegal“ und anderen Geschichten helfen Sie überhaupt nicht weiter. Das hilft uns in der Diskussion überhaupt nicht weiter.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Weil Sie nichts zu entgegnen haben!]

Sie wissen doch genau, dass dieses Strafverfahren sofort fallengelassen wird, sobald die Leute ihre Umstände der Flucht darlegen, und es gar nicht weiter verfolgt wird in den vielen Fällen, wo Sie recht haben, wo es in der Tat keinen Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz gibt. Aber es gibt diese Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz, und die muss man verfolgen können. Man muss auch Schleppertätigkeiten und andere Dinge nachverfolgen können. Ich sage auch ganz deutlich: Wir haben nach wie vor einen Großteil von Leuten, 40 Prozent etwa, die sich nicht nach

den Regularien des Asylrechts in diesem Land aufhalten. Wir werden dafür Sorge tragen müssen, dass wir diese Leute auch dann wieder aus Deutschland zurückschieben,

[Philipp Magalski (PIRATEN): Au!]

weil das für Deutschland nicht weiter zu ertragen ist. Auch für diese Dinge muss es ein vernünftiges Verfahren geben. Ich habe nicht gesagt, dass man das Verfahren vollständig aufheben wird, sondern ich habe gesagt, man wird es auf eine ressourcenschonende Art und Weise machen, wie es vielleicht in Bayern passiert. Natürlich muss der Rechtsstaat gewahrt bleiben. Das ist das oberste Prinzip. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion hat der Kollege Lauer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe noch zehn Minuten, das wird jetzt ganz lustig. Denn die ersten fünf Minuten kann ich darauf verwenden, noch mal darauf einzugehen, was für eine interessante Rede Herr Juhnke hier gehalten hat. Ich freue mich geradezu für Sie, dass Ihnen ein Referent oder eine Referentin in Ihrer Fraktion ein kleines Wörtchen auf den Zettel geschrieben hat: „Legalitätsprinzip“. Wow! Super! Sie kommen hierhin, sagen „Legalitätsprinzip“ und erklären aber überhaupt nicht, worum es geht, weil Sie wahrscheinlich auch keine Ahnung haben. Warum? Sie sind VWLer und täuschen mit Ihrem Doktortitel immer vor, dass Sie hier Ahnung von irgendwelchen Themen hätten.

Ich komme mal mit einem anderen Wort, das Ihnen Ihre Referentin oder Ihr Referent wahrscheinlich nicht aufgeschrieben hat: Pönalisierungsverbot. Was bedeutet denn Pönalisierungsverbot? Hmm. Das können Sie mir jetzt nicht sagen, weil es Ihre Referentin nicht aufgeschrieben hat. Gucken Sie mal: Herr Zimmermann hat vorhin nach einer Lösung dieses ganzen Problems gefragt. Die Lösung dieses ganzen Problems wäre, dass der Senat halt einfach eine andere Rechtsauffassung bekommt. Das tut er ständig. Er holt Rechtsgutachten ein. Herr Henkel hat erst in seiner Verwaltung ein Rechtsgutachten über dieses Abhörzentrum, das wir jetzt mit anderen deutschen Bundesländern errichten wollen, eingeholt. Da kam dann raus: Ja, das kann man machen. – Und genauso gibt es auch Rechtswissenschaftler, Professorinnen und Professoren in Deutschland, die sich mit der Frage auseinandersetzen: Wie ist es denn mit dem Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention?, nicht der Genfer Konvention, Herr Juhnke, das ist auch was anderes. Da haben Sie sich noch mal versprochen in Ihrer Rede. Kann passieren. Also, was bedeutet der Artikel 31 der Genfer Flüchtlings

konvention für diesen ganzen Sachverhalt? Und der bedeutet: Aufpassen, dass die Einreise nach Deutschland, wenn man hier einreist und Asyl beantragt, eben nicht illegal ist. Und dann muss sie auch nicht angezeigt bzw. dann muss sie in erster Linie auch überhaupt nicht entkriminalisiert werden, weil hier eben keine Straftat vorliegt.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, Universität Bremen, sagt dann hierzu in seinem schönen Aufsatz, ich lese mal vor:

Wer also unter Berufung auf den Flüchtlingsschutz unmittelbar nach Deutschland reist, ohne die allgemeinen Einreisevorschriften beachtet zu haben, reist daher nicht illegal ein, sondern unter Inanspruchnahme eines europäischen Flüchtlingsrechts, das es verbietet, die Einreise als illegal oder unerlaubt zu kategorisieren.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Ach! Also zu der Frage, was könnte der Senat machen, und zu dem Irrsinn: Der Irrsinn geht ja noch weiter. Die Leute werden erkennungsdienstlich erfasst. Da könnte man sagen, hat die Polizei schon die ganze Schreibarbeit gemacht, gibt man das einfach ans LAGeSo weiter, hat sich das LAGeSo die Schreibarbeit gespart. Nein! Es sind verschiedene Systeme. Man das nicht alles machen.

[Torsten Schneider (SPD): Das haben wir heute schon zweimal gehört!]

Die Polizei arbeitet tatsächlich für den Reißwolf, damit es das überlastete LAGeSo noch mal machen kann. Bei Leuten, wie gesagt, die aus Bürgerkriegen kommen, aus Syrien, wo die Polizei auch noch mit anderen Sachen assoziiert wird.

Und noch ein Kommentar zu dem Thema Schlepperinnen und Schlepper, es sind ja meistens Männer – man wolle denen das Handwerk legen. Herr Juhnke! Warum fliegen alle die Syrer, die Tausende Dollars haben, um sich so einen Schlepper zu leisten, eigentlich nicht einfach mit dem Flugzeug hierhin? Warum eigentlich nicht?

[Heiterkeit bei der LINKEN]

Ah, stimmt! Weil es nicht geht! Weil nach EU-Recht die Fluggesellschaften dazu verdammt, in die Verantwortung genommen werden, die Leute auch zurückzubringen und zu sagen: Hier, bitte wieder zurück nach Syrien! – Man könnte das ganze Schlepperbusiness in Europa, auf der Welt oder zumindest der Leute, die vor Bürgerkrieg und Verfolgung nach Europa flüchten, mit einer Änderung dieser Regelung zerschlagen. Man könnte allen diesen Schleppern die Existenzgrundlage wegnehmen, wenn man einfach den Flüchtlingen erlauben würde, ein Flugzeug zu besteigen und hierhin zu fliegen.