Entscheidend in dieser Diskussion ist meiner Meinung nach nicht, ob die Jugendlichen reif genug fürs Wählen sind, sondern entscheidend ist das Prinzip des Staatsbürgers. Wer wählt, muss auch anderweitig Verantwortung übernehmen,
denn der Eintritt ins Erwachsenenalter muss mit allen Rechten und Pflichten verbunden sein. Auffällig ist hier in meinen Augen, dass Befürworter einer Absenkung des Wahlalters nicht zugleich vorschlagen, dass an Alterseinschränkungen, z. B. für Vertragsabschlüsse, im Jugendstrafrecht oder bei Eheschließungen, etwas geändert wird.
Weder Grüne noch Linke oder Piraten plädieren in ihren Anträgen für eine Absenkung der Volljährigkeit. In dieser Logik ist die Wahlberechtigung für Minderjährige über die kommunale Mündigkeit hinaus ein Widerspruch in sich, weil dabei das Wahlrecht von der Lebens- und Rechtswirklichkeit abgekoppelt wird.
Das sollte in der Diskussion nicht vergessen werden, lieber Herr Wolf! Die Koalition – damit komme ich zum Schluss – macht in ihrer Vereinbarung keinen Hehl daraus, dass sie in dieser Sachfrage unterschiedliche Auffassungen vertritt. Das hat, liebe Frau Graf, nichts mit Moral zu tun. Lassen Sie uns also über das Thema in den zuständigen Ausschüssen seriös diskutieren! In diesem Sinne: Vielen Dank und Glück auf!
Vielen Dank, Herr Kollege Langenbrinck! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Kollegin Herrmann das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum geht in Berlin das nicht, was in Brandenburg oder in Bremen geht? Liebe SPD! Sind Ihre Kolleginnen und Kollegen da alle bescheuert? Halten die sich dort nicht an geltendes Recht?
Mit Blick auf die Fraktionen im Abgeordnetenhaus wäre die notwendige Zweidrittelmehrheit ganz theoretisch vorhanden. Die Opposition steht zum Wahlalter 16, und im SPD-Wahlprogramm steht das Wahlalter 16 immerhin auf Seite 38. So weit die Theorie, liebe SPD! Jetzt kommt die Praxis. Nehmen Sie unser Gesprächsangebot ernst! Wir würden uns freuen, wenn am Ende des Prozesses eine breite, gemeinsame Initiative für das Wahlalter 16 in Berlin steht und in Zukunft 16- und 17-Jährige das Berliner Abgeordnetenhaus mitwählen dürfen.
2011 und 2006 konnten 16- und 17-Jährige an den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen teilnehmen. Es ist nicht logisch, dass Sie das Entscheidungsrecht auf kommunaler Ebene 16- und 17-Jährigen zubilligen, auf Landesebene aber nicht, und es ist auch unlogisch, dass 16- bis 18-Jährige auf Landesebene an Volksinitiativen, nicht aber an Volksbegehren und Volksentscheiden teilnehmen können.
In der letzten Legislaturperiode hatten wir eine Anhörung im Bildungsausschuss. Alle Experten haben sich für das Wahlalter 16 ausgesprochen. Ja, das Hauptargument der Gegnerinnen und Gegner lautet, 16- und 17-Jährige seien nicht reif genug für eine Wahlentscheidung. Der von Ihnen angesprochene Leiter der Shell-Jugendstudie, Prof. Hurrelmann, ist überzeugt, dass 16- und 17-Jährige ohne Einschränkungen in der Lage sind, das einzuschätzen, was bei einer Wahl passiert. Zu Recht wird ihnen deshalb in Berlin auf kommunaler Ebene das Wahlrecht eingeräumt, aber zu Unrecht wird ihnen das auf Landesebene abgesprochen.
Der Trend in den anderen Bundesländern ist doch eindeutig. Wenn wir es in Berlin anscheinend gewohnt sein müssen, dass wir immer Schlusslicht sind, möchte ich das aber an dieser Stelle nicht auf mir sitzen lassen, sondern schnellstmöglich eine Abänderung haben und das Wahlalter 16 einführen.
Ein Wort zu der Piratenfraktion: Ja, Altersgrenzen vom Wahlalter bis zum Renteneintrittsalter sind immer gesetzt und damit in gewisser Weise Willkür. Auf individueller Ebene sind sie sogar häufig unfair. Aber auch Sie sind in Ihrem Vorgehen nicht konsequent.
Auch Sie schaffen nicht alle Altersgrenzen ab, sondern ziehen welche ein, und zwar ohne Begründung und klare Zielsetzung. Wir sind gespannt auf die Behandlung im Ausschuss. Wir halten es angesichts der gesellschaftlichen Realitäten und der Mehrheitsverhältnisse hier im Haus für sinnvoll, sich mit dem Wahlalter 16 zu befassen und nicht mit dem Wahlalter 14 oder 7. Im schlimmsten Fall wirft uns Ihre Debatte, Kindern ein Wahlrecht zu gewähren, sogar zurück, weil sie meistens dazu führt, dass wir über Elternwahlrecht reden. Das sind Systeme von Stellvertreterwahlrechten, und das ist mit dem Demokratieverständnis meiner Fraktion nicht vereinbar, und dagegen verwahren wir uns.
Uns geht es nämlich darum, dass 16- und 17-Jährige aktiv an den Wahlen in Berlin teilnehmen und hier mitbestimmen dürfen. Wir sind auch dafür, Kindern und Jugendlichen mehr Mitbestimmungsrechte einzuräumen, beispielsweise wenn es um Spielplatzplanungen oder Stadtentwicklungsfragen geht.
Wer das Zutrauen in die Jugend von heute hat, der muss den Jugendlichen das Wahlrecht ab 16 Jahren gewähren. Es gibt eine gesellschaftliche Akzeptanz für das Wahlalter 16 vom Bundesverfassungsgericht über die Wissenschaft bis hin zum Netzwerk Wahlalter 16 in Berlin. Eine deutliche politische Mehrheit dieses Hauses spricht sich für das Wahlalter 16 aus. Andere Bundesländer gehen diesen Weg oder sind ihn bereits gegangen. Deshalb mein Appell an alle hier im Haus und ganz besonders an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Wenn die Partei von Klaus dem Großen in der Frage Größe zeigen würde, auch gegenüber dem Koalitionspartner, dann wäre das ein Gewinn für die Demokratie in Berlin. In diesem Sinne: Machen Sie mit!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Herabsenkung des Wahlalters auf 16, 14, 7 oder gar auf null! Die Grünen zusammen mit der Linksfraktion haben mal wieder einen lieblosen Antrag aus der letzten Legislaturperiode aufgewärmt, und die Begründung für die Ablehnung ist immer noch die gleiche wie in der letzten Legislaturperiode.
Wenn ich einen Schriftsatz an das Gericht machen sollte, würde ich schreiben: Zur Meidung von Wiederholungen verweise ich vollausführlich auf meine Ausführungen aus der letzten Legislaturperiode.
[Lachen bei den GRÜNEN – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Dann setzen Sie sich doch einfach wieder hin! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN]
Nicht überraschend sind wir nach wie vor der Auffassung, dass auf Landesebene 18 das richtige Alter für das Wahlrecht ist. Die Grünen haben wie schon beim letzten Mal die Behauptung aufgestellt, dass sich das Wahlalter 16 auf Kommunalebene bewährt habe, und ich warte noch wie beim letzten Mal darauf, was „bewährt“ heißt. Eine Evaluation zu dem Thema ist mir nicht bekannt. Der Kollege von der SPD hat schon gesagt, dass die Wahlbeteiligung unter der der über 18-Jährigen liegt. Was hieße denn „bewährt“? „Bewährt“ hieße: Die 16-Jährigen, die vor fünf Jahren und im letzten Jahr gewählt haben, hätten sich politisch überdurchschnittlich eingebracht, hätten auch fünf Jahre später noch gewählt, hätten besonderes Interesse an politischen Zusammenhängen oder an gesellschaftlicher Teilhabe gezeigt.
All das mag sogar so sein, und vielleicht ist es tatsächlich so. Aber dazu hätte ich mir doch einmal Zahlen und neue Ergebnisse erwartet.
Ich glaube, nach 2006 – nun fast sechs Jahre später – hätte man sich, wenn einem das Thema derart am Herzen liegt, wie Grüne und Linke hier den Eindruck erwecken, auch bemühen können, die Begründung ein wenig zu erneuern und aufzuhübschen.
Das Wahlalter soll – so lautete stets die Argumentation von Grünen und Linken – an die Einsichtsfähigkeit geknüpft werden. Ich kann dazu nur sagen: Wenn man mit 16 unterdessen so einsichtsfähig ist, dann muss man die Volljährigkeit auf 16 herabsetzen, dann müssen wir die Möglichkeit, den Führerschein zu machen, Auto zu fahren und die Schöffentätigkeit auszuüben, die volle Geschäftsfähigkeit und übrigens auch die volle Beurteilung im Strafrecht als Erwachsener an das Alter 16 knüpfen.
Allerdings ist der Gesetzgeber bislang zu dem Ergebnis gekommen, dass 14- oder 16-Jährige eben noch nicht entsprechend einsichtsfähig sind und gerade deswegen des Schutzes der Gesellschaft bedürfen und gerade deswegen nicht eigenverantwortlich zivilrechtliche Verträge abschließen können und gerade deswegen noch nicht wie Erwachsene den Umfang ihrer Taten – im Zweifelsfall auch von Straftaten – beurteilen können.