Protokoll der Sitzung vom 08.10.2015

Ich weiß, das wollen Sie nicht hören. Frau Bayram hat es am Montag im Innenausschuss noch mal auf den Punkt gebracht. Sie hat ganz offen gesagt: Die Grünen wollen, dass möglichst alle ein Bleiberecht bekommen. – Aber das kann und wird nicht funktionieren. Sie werden die Menschen in unserem Land nur für eine Willkommenskultur gewinnen, wenn Sie gleichzeitig dafür sorgen, dass abgelehnte Asylbewerber wieder gehen. Dass nicht alle, die unsere Grenze überqueren, dauerhaft bleiben, das ist eine Wahrheit, die auch Sie akzeptieren müssen. Selbst Ihre Landesvorsitzende, Frau Bayram, Frau Jarasch fordert mittlerweile effizientere Abschiebungen.

[Beifall bei der CDU – Canan Bayram (GRÜNE): Quatsch! Unsinn! Das stimmt doch nicht!]

Da gebe ich Frau Jarasch recht. Das brauchen wir. Es gibt eine Menge Abschiebungshemmnisse, langwierige juristische Verfahren, ganz praktische Probleme beim Aufgreifen der Abzuschiebenden durch die Polizei. Sie wissen, Abschiebungshaft ist juristisch kaum noch durchzubekommen. Wenn Sie sagen, es stimmt nicht, Frau Bayram, ich weiß, Sie operieren ganz gerne im Ungefähren, Sie werfen eine Nebelkerze hier, Sie werfen eine Nebelkerze da, aber jedem, der uns heute zuschaut und zuhört,

(Bürgermeister Frank Henkel)

empfehle ich, das Interview noch mal nachzulesen. Da steht das ganz klar drin.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Es gibt auch – das wissen Sie, Frau Kollegin Bayram – immer wieder Debatten über Einzelfälle. Sie wissen genau, weil Sie viel Energie und Kraft hineingesteckt haben, wie lange wir hier im Parlament über die Abschiebung einer Schwerstkriminellen diskutiert haben. Anders als von Frau Jarasch behauptet, werfen sich – ich sage das jetzt bildlich gesprochen – immer noch der eine oder andere Grüne gerne vor ein Flugzeug, das voll ist mit Menschen, die hier unser Land verlassen müssen. Warten wir mal ab, wann aus Ihren Reihen wieder die erste Forderung nach einem Winterabschiebungsstopp kommt. Da bin ich sehr gespannt.

Wir müssen und werden bei der Zahl der Abschiebungen weiter zulegen, egal wie hart es hier im Haus kritisiert wird. Berlin liegt im Bundesvergleich jetzt schon in der Spitzengruppe. Wir haben die Zahl der Abschiebungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert.

[Udo Wolf (LINKE): Das ist ja widerlich!]

Wir liegen jetzt mit Stand Ende September über dem Wert des gesamten Jahres 2014.

[Udo Wolf (LINKE): Sie loben sich mit Abschiebungen, Sie sollten sich schämen!]

Aber die Masse der Abschiebungen kommt erst noch, weil die meisten Asylbewerber aus der Flüchtlingswelle vom Sommer im Herbst noch gar nicht durch sind und es beim BAMF einen gewaltigen Verfahrensstau im sechsstelligen Bereich gibt. Was die Abschiebungen betrifft, werden wir diese Herausforderung angehen und die Maßnahmen weiter hochfahren. Wir müssen deutliche Zeichen setzen und die Anreize minimieren.

[Beifall bei der CDU]

Das betrifft vor allem die Flüchtlinge aus dem Westbalkan, bei denen die Anerkennungsquote praktisch bei null ist.

[Udo Wolf (LINKE): Schmeißt ihn aus dem Senat! Ist doch nicht mehr zu ertragen!]

Da helfen den Ländern die Beschlüsse der Bundesregierung, etwa das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, das zum 1. November kommen soll. Da hilft uns, dass die sicheren Herkunftsstaaten ausgeweitet werden, dass wir in bestimmten Fällen von Barmitteln auf Sachleistungen umstellen können, dass für Menschen mit geringer Bleibeperspektive wieder eine strenge Residenzpflicht für das gesamte Verfahren gelten soll. Das sind gute Ergebnisse, gerade auch für Berlin.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

Wir müssen das umsetzen, und das tun wir auch. Wir haben ein Modell für beschleunigte Verfahren entwickelt, ein sogenanntes Berliner Modell, wie es der Leiter der Ausländerbehörde nennt, der das maßgeblich mitentwickelt hat. Das Modell werden wir in den kommenden Tagen in der Bundesallee testen. Dort sollen die Verfahren für Menschen mit geringer Bleiberechtsperspektive deutlich zügiger abgewickelt werden. Wenn alles gut läuft, dann kann Berlin hier Maßstäbe setzen, dann kann das auch Vorbild für das ganze Land werden.

Mit den Gesetzesverschärfungen der Bundesregierung ist die Debatte, wie wir Abschiebungshindernisse beseitigen, aber nicht beendet. Da gibt es Nachholbedarf bei den Verfahren im Justizbereich. Da hat mein Kollege Heilmann, wie ich finde, wichtige Punkte angesprochen. Dafür hat er meine volle Unterstützung.

[Beifall bei der CDU]

Wir werden diese Debatte weiterführen, auch innerhalb unserer Koalition. Dafür werden wir uns auch weiterhin eng mit Herrn Müller austauschen.

[Zuruf von Harald Wolf (LINKE)]

Wir tasten – damit das klar ist – nicht das Asylrecht an, aber über Asylverfahrensfragen werden wir zu reden haben. Da gibt es für uns in der aktuellen Lage jedenfalls keine Denkverbote.

[Beifall bei der CDU]

Neben all diesen Fragen ist mir noch ein weiterer Punkt ganz wichtig. Wir dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, die bei der Integration gemacht worden sind. Wir müssen Integration klar einfordern, und zwar nach unseren Regeln.

[Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Sofortmaßnahmen und Unterkünfte sind das eine, Abschiebung und schnelle Asylverfahren sind das andere. Aber eine Herausforderung für unser Zusammenleben sind vor allem die, die länger oder dauerhaft hier bleiben. Es gibt viele Menschen, die angesichts der Lage tief besorgt sind. Ich kann Ihnen nur raten, unterschätzen Sie das nicht, tun Sie dies nicht einfach ab! Das ist nicht der rechte Rand, und das ist auch nicht der Stammtisch. Diese besorgten Stimmen kommen mitten aus unserer Gesellschaft.

[Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

Deshalb ist Politik gut beraten, sie auch ernst zu nehmen.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von Oliver Höfinghoff (PIRATEN) und Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Ich höre bei meinen Gesprächen immer wieder dieselbe Botschaft, und die lautet: Die Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge gerade verändern, macht mir Angst.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Sie machen dieselben Fehler wie in den Achtzigerjahren!]

(Bürgermeister Frank Henkel)

Ich habe Angst, dass ich mein Land irgendwann nicht mehr wiedererkenne.

[Michael Schäfer (GRÜNE): Sie schüren diese Ängste!]

Ich jedenfalls kann das nachvollziehen. Nicht alle, die kommen, kommen aus Ländern oder Kulturen mit ausgeprägten demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen, ehrlich gesagt, sind es die wenigsten. Das mache ich diesen Menschen nicht zum Vorwurf,

[Wolfgang Brauer (LINKE): Das ist großzügig!]

aber das lasse ich auch nicht als Vorwurf gelten. Das Diskriminierungsverbot, Toleranz gegenüber allen Religionen, die Gleichbehandlung der Frau, das staatliche Gewaltmonopol, unser Rechtsstaat, das alles ist nicht verhandelbar.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Renate Harant (SPD)]

Nicht wir – das will ich dann an dieser Stelle schon noch sagen – müssen uns an die Menschen, die kommen, anpassen, sondern die Menschen an das, was sie hier bei uns vorfinden.

[Beifall bei der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das ist völliger Mist!]

Dazu zählt: Wir müssen selbstbewusst unsere Werte vertreten und deren Anerkennung einfordern.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Ihre Werte sind nicht meine!]

Es sind zwei einfache Grundsätze, um die es geht: Nicht jeder kann bleiben, und wer bleibt, der muss sich an unsere Regeln halten.

[Ülker Radziwill (SPD): Das ist zu kurz gedacht!]

Herr Senator! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Reinhardt?

Ich bleibe in der Tradition all meiner Vorredner. Sie hatten alle Ihre Chance, jetzt habe ich die meine, und die nutze ich.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ich hätte Zwischenfragen zugelassen!]

Ich habe eingangs den 3. Oktober 1990 angesprochen – einen der glücklichsten Tage der deutschen Geschichte –, und auch heute, ähnlich wie vor 25 Jahren, geht es um die Frage: Was können wir als Land leisten? Wie steht es um unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt? Wie steht es um unsere kulturelle Identität?

Ich kann verstehen, warum die Menschen Sorge haben. Unser Land leistet viel Hilfe, aber wir dürfen es auf Dauer auch nicht überfordern. Unsere Kapazitäten sind begrenzt.

[Beifall bei der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Zu viel Hilfe kann auch schaden! – Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]