Protokoll der Sitzung vom 08.10.2015

[Beifall bei der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Zu viel Hilfe kann auch schaden! – Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Es hat doch keinen Sinn! Nutzen Sie die Möglichkeit der Zwischenintervention. Ich bin doch viel lauter als Sie!

[Christopher Lauer (PIRATEN): Das geht beim Senat nicht!]

Wenn es alles so furchtbar ist – das Elendsbild hier in Deutschland, das Sie gezeichnet haben –,

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ich habe kein Elendsbild gezeichnet! Ich habe ein Elendsbild Ihrer Politik gezeichnet!]

dann frage ich mich, warum unser Land für viele, viele Menschen auf der Welt als Zufluchtsort so attraktiv ist. Es ist so attraktiv, weil es eben so ist, wie es ist: Ein wunderbares Land, in dem wir leben!

[Beifall bei der CDU – Weitere Zurufe von den PIRATEN]

Und dieses wunderbare Land darf Integration einfordern. Es muss sich nicht verändern. Es darf und soll so bleiben, wie es heute ist.

[Lautstarker Zuruf von Clara Herrmann (GRÜNE): Wir schaffen das! Wir schaffen das!]

Frau Kollegin Herrmann!

Frau Herrmann! Brauchen Sie einen Schluck Wasser?

[Zurufe]

Aber nicht nur Sie! Das erinnert mich alles ein bisschen an Studentenparlament,

[Beifall bei der CDU]

aber die Situation ist viel zu ernst!

Es muss sich nicht verändern, unser Land. Es darf so bleiben, wie es ist und wie es heute ist. Angesichts der Flüchtlingskrise, die wir heute erleben, wird dies schwer genug.

[Steffen Zillich (LINKE): 17!]

Es geht darum, wieder eine Ordnung in die Dinge zu bringen, wie es die Bundeskanzlerin gestern Abend gesagt hat. Die Regeln müssen überall gelten – in Europa genauso wie in unserem Land. Wenn der Zustrom in

(Bürgermeister Frank Henkel)

diesem Tempo weitergeht, dann können und werden wir das als Land nur schwer verkraften.

[Katrin Lompscher (LINKE): Das ist peinlich!]

Wir müssen Grenzen setzen, wenn wir am Ende unsere offenen Grenzen verteidigen wollen, unser Europa, unser weltoffenes Land und auch unsere Attraktivität.

[Udo Wolf (LINKE): Wie lange müssen wir uns diesen Unsinn noch anhören?]

Unser Land muss wiedererkennbar bleiben. Dabei ist Willkommenskultur nur ein Baustein. Klare Regeln sind mindestens ebenso wichtig, und die fordern wir auch ein. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Steffen Zillich (LINKE): Das waren knapp 18 Minuten!]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Die Wortmeldungen beginnen wie immer in zwei Runden nach der Stärke der Fraktion mit je einer Fragestellung an den Senat. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Die erste Frage steht der Fraktion der SPD zu. – Frau WildenheinLauterbach, bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat: Welche finanziellen Auswirkungen hat das am 24. September 2015 zwischen den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin verabredete Maßnahmenpaket zur Asyl- und Flüchtlingspolitik für das Land Berlin?

Herr Finanzsenator Kollatz-Ahnen – bitte schön!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Ich will versuchen, diesen komplexen Sachverhalt darzustellen, aber dazu muss ich zwei kurze Vorbemerkungen machen.

Erstens: Es gibt in dem Paket, das zwischen der Bundeskanzlerin bzw. der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten verabredet worden ist, eine Komponente, die nichts mit dem Thema Flüchtlinge zu tun hat. Diese umfasst Regionalisierungsmittel und GVFG-Mittel, also insbesondere den Bereich des öffentlichen Personenverkehrs.

Herr Senator, einen kleinen Moment bitte! – Frau Senatorin und Herr Lehmann-Brauns! Die Kollegen können keinen Sichtkontakt mit dem Finanzsenator aufnehmen! – Fahren Sie fort, bitte!

Danke! – Diese Komponente war in einem Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat anhängig, ist dabei mit gelöst worden. Das bedeutet für Berlin langfristig, dass die GVFG-Mittel erhalten bleiben. Und für den nächsten Haushalt bedeutet das, dass wir nach der Vereinbarung, wie sie dort getroffen worden ist, zwischen 15 und 18 Millionen Euro an Regionalisierungsmitteln etwa zusätzlich erwarten können. Diese würden dann im Bereich des ÖPNV eingesetzt werden.

Die zweite Vorbemerkung führt dann auch schon auf das Verfahren – wenn Sie nach den Auswirkungen fragen: Wir sind in Berlin in einem laufenden Haushaltsverfahren, das im Dezember abgeschlossen sein soll, und wir haben ein laufendes Haushaltsverfahren beim Bund – wenn Sie so wollen, ein doppeltes Verfahren, nämlich für einen Nachtragshaushalt und für einen neuen Haushalt. Deswegen ist der Weg, den wir gewählt haben, dass mein Ressort eine Unterrichtung des Senats über diese Auswirkungen vornimmt. Dazu haben wir diese Woche im Senat eine erste Diskussion gehabt. Eine zweite, abschließende Diskussion wird am kommenden Dienstag stattfinden.

Das Ziel ist, dass daraus mein Ressort einen Änderungsantrag zum Haushalt, der im Abgeordnetenhaus in Bearbeitung ist, in gemeinsamer Arbeit mit dem Hauptausschuss entwickelt und dass die Auswirkungen auch in die laufenden Haushaltsberatungen des Parlaments eingebracht werden können. Die Alternative wäre, den Haushaltsplanentwurf weiter zu diskutieren, wie er ist. Dann müsste im Januar unmittelbar ein Nachtragshaushalt gemacht werden. Das ist eine nicht zu favorisierende Alternative.

Zum Volumen: Das Volumen für Berlin macht 235,4 Millionen Euro im Jahr 2016 und 186,9 Millionen Euro im Jahr 2017 aus, die uns insgesamt zur Verfügung stehen. Wichtig ist jetzt: Wir hatten in dem Haushaltsplanentwurf nur jeweils 27,5 Millionen Euro an Bundesunterstützung eingestellt. Das führt dazu, dass wir – wie es auch eben schon in der Aktuellen Stunde anklang – als

(Bürgermeister Frank Henkel)

Konsolidierungsland Berlin, das vor großen finanziellen Herausforderungen steht, die Möglichkeit haben, die Anforderungen zu bewältigen, ohne eine Haushaltssperre für die normalen Programme oder als Alternative zur Haushaltssperre große globale Minderausgaben machen zu müssen.

Wichtig an der Verabredung, die zwischen Bund und Ländern getroffen worden ist, sind zwei Elemente: Das erste Element ist – das hat der Regierende Bürgermeister mehrmals eingefordert und habe ich auch versucht, in vielen Stellungnahmen unterstützend einzufordern –, dass wir eine dynamische Finanzierung durch den Bund haben, und zwar dynamisch im Hinblick auf zwei Gesichtspunkte: nach Köpfen und nach Zeit. Wenn mehr Köpfe kommen, gibt es mehr Geld, wenn weniger Köpfe kommen, gibt es weniger Geld. Wenn die Bearbeitungsverfahren länger dauern, gibt es mehr Geld, wenn die Bearbeitungsverfahren kürzer sind, gibt es weniger Geld. Das zweite Element – strukturell – bedeutet, dass sich dieses auch für die Jahre 2017 und 2018 fortsetzt. Das ist auch wichtig für die Haushaltsberatung, weil wir einen Doppelhaushalt haben.

Es sind dann folgende vier Komponenten zu berücksichtigen: Die erste Gruppe sind die laufenden Leistungen. Bei den laufenden Leistungen gibt es dann wiederum die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und das Integrationspaket. Da ist in der Unterrichtung an den Senat und dann auch für die Beratung im Abgeordnetenhaus vorgesehen, dass es bei dem Ansatz bleibt, der Berlin bisher auch ausgezeichnet hat, dass nicht nur die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geplant werden, sondern auch ein Integrationspaket geplant ist. Das Integrationspaket umfasst Leistungen wie Willkommensklassen für den Schulbereich, wie Unterbringung in Kindertagesstätten, wie Impfungen, wie Sprachkurse, wie Integrationshilfen für den Arbeitsmarkt und auch noch einige andere kleinere Maßnahmen. Aber es ist ein Basispaket und macht 20 Prozent der Kosten aus, die wir insgesamt für den Bereich der laufenden Leistungen ansetzen.

Dieser Bereich der laufenden Leistungen wird dann ergänzt um die Verstärkung des Personals, soweit es nicht bereits im Integrationspaket enthalten ist. Da sind z. B. bei den Willkommensklassen die Lehrerinnen und Lehrer bereits enthalten. Es wird verstärkt um ein Personalpaket in der Größenordnung von 25 Millionen Euro zur Stärkung der Kernverwaltung, die ja bei größeren Flüchtlingszahlen mehr zu tun hat. Und es betrifft auch die Bezirke. Insgesamt 25 Millionen Euro pro Jahr für mehr Personal. Das entspricht bei den Standardschlüsseln, die wir haben – mit etwa 50 000 Euro pro Stelle, das muss dann noch im Detail ausgerechnet werden –, immerhin 500 Stellen. Das ist eine große Leistung, dieses zusätzlich zur Verfügung zu stellen.

Die dritte Komponente ist die eines Investitionsprogramms. Dabei muss ich noch sagen, dass es wichtig ist, dass es auch dieses Investitionsprogramm gibt, gerade wenn wir von höheren Flüchtlingszahlen ausgehen. In der Unterrichtung für den Senat gehe ich nicht von den 800 000 Flüchtlingen aus, die die Bundesregierung offiziell bei den Verhandlungen zugrunde gelegt hat, sondern ich gehe von 1 Million Flüchtlingen aus, und mein Haus geht davon aus, dass das auch dazu führt, dass wir 50 000 Flüchtlinge dauerhaft in Berlin unterbringen müssen, wenn der Flüchtlingsstrom nicht nachlässt. Wenn dieses so ist, brauchen wir auch ein Investitionsprogramm für die Unterbringung von Flüchtlingen – die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen –, um einen Teil der Gebäude, die jetzt in der Diskussion auch angesprochen worden sind und die nur einen Notcharakter haben, wieder freizuziehen und um uns auch dem weiteren Zustrom zu stellen.

Wenn wir ein solches Investitionsprogramm machen, dann fließen da die Mittel für den Wohnungsbau hinein, die in dem Programm vorgesehen sind, und wir werden auch weitere Investitionsmittel mobilisieren, was insgesamt dann dazu führt, dass wir etwa 24 000 Unterbringungsplätze damit finanzieren können. Insofern ist es so: Die Auswirkungen auf den Landeshaushalt sind wesentlich, und ich habe versucht, Ihnen dazustellen, dass das Ziel der Unterrichtung des Senats und später auch der Unterrichtung des Hauptausschusses und der gemeinsamen Erarbeitung eines Antrags mit dem Hauptausschuss für das Haushaltsverfahren ist, für Berlin eine stabile Situation zu schaffen, in der die Grundziele umgesetzt werden. Wir schaffen eine Situation, in der Notunterkünfte wieder freigezogen werden können, und wir schaffen eine Situation, in der wir die Unterbringung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und das Integrationspaket aufrechterhalten und kontinuierlich absichern können.

Vielen Dank! – Frau Wildenhein-Lauterbach, möchten Sie eine Nachfrage stellen? – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Senator, für die ausführliche Beantwortung! – Jetzt möchte ich gern noch wissen: Haben die Ergebnisse einen Einfluss auf die Verhandlungen um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen?

Bitte schön, Herr Senator!

Da kann ich es jetzt ganz kurz machen: Nein!