Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

Der Reiz und das Interesse an unserer Stadt, die wir begrüßen, haben in der jüngeren Vergangenheit bereits zu signifikanten Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt, auch zu Spekulation und zu ersten Verdrängungen angestammter Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommen geführt. Das zeigen die vielen Briefe, die wir gerade in den letzten Wochen von Berlinerinnen und Berlinern bekommen haben. Deshalb halten wir die Entscheidung für richtig, alle landes- und bundesrechtlich möglichen mietenpolitischen Initiativen zu starten und umzusetzen.

Die Initiative Mietenvolksentscheid hat zu einer breiten mietenpolitischen Diskussion in der Stadt beigetragen. Auf Grundlage der Ergebnisse der Gespräche zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der Initiative, des Senats und der Koalition ist das nun vorliegende Berliner Wohnraumversorgungsgesetz entstanden. Ich hoffe sehr

und werbe dafür, dass dieser Gesetzentwurf eine breite Zustimmung findet, auch wenn ich weiß, dass damit nicht alle Probleme sofort gelöst werden können. Daher wollen wir heute zeitgleich einen Entschließungsantrag verabschieden, in dem weitere Maßnahmen – unter anderem für eine nachhaltige Begrenzung der Sozialmieten einschließlich der Betriebskosten und eine Sicherung von Belegungsbindung – vorgesehen sind. Zur gründlichen Vorbereitung entsprechender Vorschläge wird eine fachlich ausgewiesene Expertengruppe eingesetzt. Sie soll unter anderem Möglichkeiten zur Begrenzung der Mieten im bisherigen sozialen Wohnungsbau prüfen und hinsichtlich ihrer rechtlichen, wirtschaftlichen und administrativen Machbarkeit bewerten. Hinzu gehören unter anderem die Themen Aufhebung des Einfrierungsgrundsatzes, Struktur der damaligen Bewilligungsbescheide, Verbleib im Kostenmietenrecht bis hin zur Richtsatzmiete sowie Möglichkeiten zur energetischen und baulichen Ertüchtigung.

Ich möchte hier zwei Botschaften senden. Eine richte ich an die Initiative Mietenvolksentscheid. Ich hoffe sehr, dass sie dem Gesetz zustimmen wird und ihre Vertreterinnen und Vertreter bereit sind, weiterhin konstruktiv mit uns gemeinsam an weiteren Lösungsansätzen für eine sozial gerechte Wohnungs- und Mietenpolitik mitzuwirken.

Die zweite Botschaft richtet sich an die Fraktion Die Linke. Ihrer bisherigen Verhaltensweise – auch bei Abstimmungen und Diskussionen im Fachausschuss – ist zu entnehmen, dass Sie dem Gesetz heute nicht zustimmen werden. Ich halte dieses Verhalten – gelinde ausgedrückt – für verantwortungslos.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Offenbar getrieben von der Angst einer Oppositionspartei, ein zentrales politisches Thema für die nächste Wahl zu verlieren, lehnen Sie wider besseres Wissen dieses Gesetz ab. Das zeigt Ihre offenbar nur von Taktik geprägte politische Kurzsichtigkeit. Deshalb noch einmal der Versuch: Überwinden Sie diese Kurzsichtigkeit, und stimmen Sie mit uns!

Ich begrüße ausdrücklich auch im Namen meiner Fraktion, dass die Grünenfraktion ein klares Zeichen setzt – nicht nur im Bauausschuss, nicht nur im Hauptausschuss, sondern auch hier heute im Parlament – und dem Gesetz zustimmt.

Über die Inhalte, die Kosten haben wir mehrmals hier schon gesprochen. Deshalb werde ich das nicht noch einmal explizit sagen. Meine Redezeit ist auch vorbei. Die aktuellen Herausforderungen sind gewaltig. Wir müssen und werden dafür sorgen, dass keine soziale Schieflage in der Stadt entsteht. Wir stehen für soziale Mischung und sozialen Ausgleich in allen Stadtgebieten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Kollegin Spranger! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt der Kollegin Schmidberger das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über das Wohnraumversorgungsgesetz. Dass wir in dieser Legislaturperiode überhaupt noch erleben dürfen, dass es dieses Gesetz gibt, ist schon mehr als erstaunlich, denn ohne den Druck der Stadtgesellschaft wäre hier gar nichts passiert.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Es ist in erster Linie den Berlinerinnen und Berlinern zu verdanken, dass es dieses Gesetz heute gibt. Dieses Gesetz ist tatsächlich ein erster Schritt in die richtige Richtung. Und weil wir den Erfolg der Berliner Mieterbewegung nicht schmälern wollen, werden wir diesem ersten Schritt heute auch zustimmen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Heidi Kosche (GRÜNE): Aber nicht, weil die SPD das will!]

Richtig! Nicht, weil die SPD das will! – Aber reicht ein erster Schritt für eine echte Lösung? – Leider nein! Der Senat hat nach wie vor in der Berliner Wohnungspolitik noch viel zu tun. Ich könnte Ihnen ganz viele Baustellen auflisten, aber das erspare ich Ihnen heute. Die zentrale Lehre aus dem Mietenvolksbegehren und den Gesprächen der vergangenen Monate ist deshalb nicht dieser Gesetzentwurf, sondern das Signal: Die Berlinerinnen und Berliner erwarten mehr. Sie fordern: Schluss mit dem Zögern und Zaudern! Der Senat muss vom Getriebenen auch zum Treiber einer sozialen und ökologisch nachhaltigen Wohnungspolitik werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Das Ziel, die Bezahlbarkeit Berlins zu sichern, ist mit dem heutigen Gesetzentwurf noch nicht erreicht. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Was mit dem vorliegenden Wohnraumversorgungsgesetz aber erzielt wurde, ist, dass der soziale Versorgungsauftrag der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nun endlich gesetzlich verankert wird. Mehr als die Hälfte der landeseigenen Wohnungen wird künftig nach sozialen Kriterien vergeben. Das ist ein Fortschritt. Und ebenso positiv am vorliegenden Gesetz ist, dass der Vorschlag eines revolvierenden Fonds für Neubau, Ankauf und Modernisierung – und damit auch energetische Modernisierung – vom Senat weitgehend übernommen wurde.

(Iris Spranger)

Das ist ein Novum in der Berliner Wohnungspolitik, denn mit dem Gesetz werden neben dem Neubau auch endlich die bereits bestehenden Mietwohnungen dieser Stadt in den Fokus gerückt. Das ist längst überfällig, denn es kommt auf diese 1,6 Millionen Mietwohnungen in Berlin an. Die dürfen wir nicht verlieren. Wenn wir die Berliner Bevölkerung aktiv vor Verdrängung schützen wollen, dann müssen wir diese Wohnungen bezahlbar halten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE) und Alexander Spies (PIRATEN)]

Auch wenn der Etat des Fonds noch recht klein ist, es steckt großes Potenzial darin. Stocken Sie ihn auf, und dann haben wir noch sehr viel mehr davon!

Das ist nicht das einzige, was an dem Gesetz halbherzig ist. Das Hauptproblem ist die Härtefallregelung für Mieterinnen und Mieter in landeseigenen Wohnungen und in Sozialwohnungen. Die Nettokaltmiete bei 30 Prozent des Nettoeinkommens zu kappen, reicht einfach nicht aus. Viele Familien werden trotzdem fast die Hälfte ihres Einkommens für Wohnen, Heizung und Strom ausgeben. Das haben auch der Berliner Mieterverein und der Republikanische Anwaltsverein in der Anhörung im Bauausschuss kritisiert. So ist es leider auch nicht verwunderlich, dass diese geplante Härtefallregelung nur 20 Prozent der Sozialmieterinnen und -mieter helfen wird. Wie lange das wirken wird, ist fraglich. Ich finde, eine echte Brückenlösung ist das nicht. Das Handeln des Senats ist also weniger ein Anfall von sozialer Verantwortung als vielmehr Augenwischerei. Leider! Nicht umsonst fordern Sozialverbände wie die AWO hier eine Nachbesserung. Und auch wir wollen nach wie vor eine Härtefallregelung, die die Mieter auch tatsächlich entlastet.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Was in dem Gesetz aber komplett fehlt, ist eine Lösung der Probleme im sozialen Wohnungsbau. 60 Prozent der Sozialwohnungen sind immer noch teurer als Wohnungen auf dem freien Markt. Das wird sich durch das Gesetz auch weiterhin nicht ändern. Das Problem der überhöhten Baukosten und der weiter steigenden Mieten bleibt bestehen. Da wird noch einiges auf uns zukommen. Wenn man heute das Wohnraumgesetz ändert, hätte es sich doch angeboten, das Problem dieser überhöhten Kosten beziehungsweise Mieten von damals und der fiktiven Kostenmieten anzugehen.

Dass es möglich ist, haben wir mit einem Rechtsgutachten gezeigt. Deshalb bringen wir heute auch einen Entschließungsantrag zu dieser Thematik ein, der konkrete Lösungswege aufzeigt. Seit über 30 Jahren ist bekannt, dass der soziale Wohnungsbau in Berlin zu teuer ist und übrigens noch nicht einmal funktioniert. Das Gesetz wäre die historische Chance der SPD, die alten Fehler im sozialen Wohnungsbau zu korrigieren. Es wäre die Chance, allen Sozialmieterinnen und Sozialmietern Unterstützung

zukommen zu lassen und gleichzeitig nicht wieder in die alte Förderung mit den alten Fehlern einzusteigen. Die jährlichen Mietsteigerungen und die hohen, teils fiktiven Kostenmieten könnten überprüft und insgesamt gesenkt werden.

Es ist ein Skandal, dass die Eigentümer nicht finanziell an den Mietsenkungen beteiligt werden. Sie können sich immer noch eine goldene Nase verdienen – und das, obwohl es seit dem Jahr 2006 möglich ist, diese Praxis zu verändern. Mit dem Gesetz hätten wir die Chance, eine absurde Renditegarantie für Neueigentümer von Sozialwohnungen abzuschaffen. Die Regelung, die es Eigentümern erlaubt, Kosten auf die Miete umzulegen, die ihnen nachweislich nie entstanden sind, könnten Sie hier und heute abschaffen. Sie haben es in der Hand, dass nicht noch mehr Sozialmieter Sorge haben müssen, entmietet zu werden.

Liebe Frau Spranger! Wer handelt heute hier verantwortungslos? Statt die Mieterinnen und Mieter zu unterstützen, schützt der Senat heute leider auch wieder die Eigentümer – und das auch noch zulasten des Landeshaushalts –, ohne davon auch nur einen wohnungspolitischen Vorteil zu haben. Das ist total absurd. Es kann doch nur in unserem gemeinsamen Interesse liegen, diesen Missstand im sozialen Wohnungsbau zu beseitigen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Um gesetzliche Möglichkeiten auszuloten, haben wir Grüne ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Dieses zeigt ganz klar: Es gibt einen rechtlichen, einen gesetzgeberischen Weg, um die Probleme im sozialen Wohnungsbau zu lösen. Es ist möglich, die überhöhten Baukosten zu überprüfen. Deshalb fordern wir mit unserem Entschließungsantrag:

Erstens: Dieses Unrecht der fiktiven Kostenmieten muss schnellstens beseitigt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]

Zweitens: Die überhöhten Baukosten, woraus sich dann die Kostenmieten speisen, müssen endlich überprüft und korrigiert werden.

Drittens: Wir brauchen eine soziale Richtsatzmiete, die allen Sozialmietern und -mieterinnen zugutekommt und auch endlich die Eigentümer finanziell mit in die Pflicht nimmt.

Dafür schlagen wir eine Expertenkommission mit externer Beteiligung vor, die schnellstmöglich eingesetzt wird und dann noch das Wohnraumgesetz entsprechend nachbessert.

[Daniel Buchholz (SPD): Wir auch!]

Es freut mich, dass die SPD jetzt auch mal auf die Idee gekommen ist. Sie hatten ja 20, 30 Jahre Zeit. An uns

wird es nicht scheitern, dass wir dieses Problem endlich mal in den Griff bekommen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Von daher nehme ich Ihr Signal heute positiv wahr.

[Daniel Buchholz (SPD): Ah!]

Aber ganz glauben kann ich es noch nicht. Wir müssen uns erst mal über die Details unterhalten, wie diese Expertenkommission überhaupt aussehen soll und welchen Auftrag sie genau bekommen soll.

Denn eins ist klar: Den Mieterinnen und Mietern läuft die Zeit davon. Es wird immer mehr Probleme geben, die in der Koloniestraße, die im Fanny-Hensel-Kiez, die in vielen anderen Bezirken und Gebieten auch. Deswegen kommt es jetzt darauf an, dass wir schnellstmöglich handeln und nicht erst wieder ab Herbst 2016.

Wir Grüne müssen heute eine gemischte Bilanz ziehen. Das Gesetz ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es ist zwar viel mehr, als die SPD je von selbst auf den Weg gebracht hätte,

[Oh Mann! von der SPD]

aber es ist auch deutlich weniger, als die Mieterbewegung und wir erreichen wollten. Am Ziel sind wir also leider noch lange nicht. Es gilt weiterhin, den Senat zu treiben. Schaffen Sie endlich ein Wohnraumversorgungsgesetz, das seinen Namen auch verdient. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmidberger! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt den Wortbeitrag der Kollege Brauner, und ich erteile ihm auch hierzu das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen! In der Tat, das Wohnraumgesetz steht heute sozusagen wieder zur Debatte, zur letzten Debatte, was die Abstimmung angeht. Wir haben intensiv an dem Gesetz gearbeitet. Die Anhörung hat deutlich gemacht: Es gibt Licht und Schatten, aber es gibt ein Verfahren, das jetzt geschlossen ist und auch zur Abstimmung gestellt werden kann und das für die Mieterinnen und Mieter im sozialen Wohnungsbau erhebliche Vorteile bringen wird.