Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir dürfen hier nicht in eine Diskussion nach dem Motto kommen, dass die hier ständig etwas falsch machen oder dass die Beschäftigten bei Sicherheitsunternehmen gar unter Generalverdacht stehen. Wir sind Politiker; wir gucken uns die Videos an, die es da gibt. Aber wir müssen auch respektvoll anerkennen, dass wir nicht in diesen Konfliktsituationen stecken, dass wir dort nicht deeskalieren müssen, wie es die vielen Mitarbeiter der privaten Sicherheitsdienste tagtäglich machen müssen. Also ganz klar von uns: kein Generalverdacht! Respekt vor der schwierigen Arbeit in eskalativen Situationen und übrigens auch im Rechtsrahmen, der diesen Sicherheitsmitarbeitern zur Verfügung steht: Das ist das Jedermannsrecht des Festnahmerechts nach der StPO oder auch das Notwehrrecht nach dem Strafgesetzbuch – alles keine einfachen Regeln. Dennoch muss klar sein: Wenn es Angriffe gibt, wenn es Gefahren gibt, müssen die verhältnismäßig beendet werden. Es darf keinen Exzess geben; man muss deeskalativ geübt und ausgebildet sein. Das sind die meisten, aber solche Situationen wie unlängst vor dem LAGeSo wollen auch wir nicht sehen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Deswegen ist der Antrag der Piratenfraktion grundsätzlich gut, auch im Sinne der Transparenz, der Offenheit, der Prävention, auch der allgemeinen Höflichkeit. Man gibt sich vorher zu erkennen, mit wem man es zu tun hat. Deswegen kann man auch über individuelle Nummern reden. Die Unternehmen hinter den Personen müssen klar erkennbar sein, und bei der Polizei hat sich das auch bewährt. Also könnte das auch bei der privaten Sicherheit ein guter Schritt sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und dann bis zur Ausschussberatung!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den Piraten]

Danke schön, Kollege Lux! – Für die Fraktion der CDU spricht jetzt der Kollege Dr. Juhnke, und ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat – die Anforderungen an Wachschützer haben sich erhöht. Deswegen wurden auch vor einigen Jahren die einschlägigen Rechtsgrundlagen verändert. Der 34a der Gewerbeordnung wurde ja hier schon strapaziert, und in dem wurde damals klargestellt, dass nach wie vor die Rechte, die diese Leute haben, beschränkt bleiben auf die Jedermannsrechte. Es wurde auch damals ein entsprechender Sachkundenachweis

erfordert, und dieser ist auch in bestimmten Tätigkeiten mit einem Namensschild verbunden, das die Leute zu tragen haben.

Die Piratenfraktion beantragt jetzt, das über bestimmte Wege auf Tätigkeiten auszudehnen, die vom Gesetzgeber explizit nicht dafür vorgesehen sind. Sie sind der Auffassung, dass man nach dem Sinn des Gesetzes das Problem ausweiten könne. Ich sehe das so nicht. Wenn man sich nämlich die Begründung der Bundesregierung damals zu Gemüte führt, sich das in Ruhe durchliest, dann sind gerade insbesondere auch Zugangskontrollen bei Großveranstaltungen damit nicht gemeint, sodass ich also diese problemlose Herleitung aus dem Gesetz nicht sehe.

Aber das ist gar nicht das Thema unbedingt, sondern die Frage ist ja: Ist das notwendig? – Wir müssen auch wissen, dass die Gewerbeordnung in Verbindung mit den anderen einschlägigen Regelungen der Bewachungsverordnung auch vorsieht, dass die Mitarbeiter grundsätzlich, egal bei welcher Tätigkeit, einen Ausweis mitzuführen haben, der vorgezeigt werden muss, wenn das verlangt wird, wo auch der Name drinsteht, wo die Bewachungsfirma drinsteht usw. Wie gesagt, die Frage ist: Braucht es diese Ausdehnung, die hier erwartet oder verlangt wird? – Das ist ja nur dann der Fall, wenn tatsächlich die Identifikation derjenigen, die dort Tätlichkeiten begangen haben, nicht möglich ist. Und das ist in keinem dieser Fälle bisher der Fall: Es konnten alle identifiziert werden, und sie wurden auch vom Dienst suspendiert.

Was tatsächlich gemacht werden muss – und da sehe ich einen sehr viel stärkeren Bedarf –, ist, die Leute, die dort stehen, entsprechend zu schulen, bei der Personalauswahl Sachverstand walten zu lassen, Deeskalationstrainings durchzuführen und vor allem – gerade in dem Fall, von dem wir hier reden – Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenz zu erwarten. Das sind die Themen, die man dort strapazieren muss, und die sind natürlich nicht für einen Null ouvert zu haben, sondern da muss man dann auch gucken, wie man entsprechende Ausschreibungen macht, wie man die auch richtig bezahlt. Von daher ist die BIM, die für die Auswahl der Firma verantwortlich ist, aufgefordert, entsprechend auch dort das richtige Personal auszuwählen und ggf. dann auch Anbieter, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, auszusondern.

Ansonsten glaube ich, dass die Hinweise, die hier gegeben werden, nicht viel helfen würden. Es ist ein Riesenbürokratiemonster, wenn man bei der Verwaltung irgendeine Art von Rolle führt, wo sich alle einzutragen haben. Sie haben hier eigentlich Antworten zu Fragen gegeben, die sich gar nicht gestellt haben. Von daher weiß ich nicht, ob man die so locker beantworten können wird mit einer Zustimmung. Ich sehe das eher skeptisch. Ich glaube, wir müssen uns eher mit diesen Dingen beschäftigen, dass wir die Zustände in Einzelfällen, wie sie dort in

(Benedikt Lux)

unerträglicher Weise vorgefallen sind, abmildern oder beenden, indem wir entsprechend die Leute schulen und auch die Träger vernünftig auswählen. Davon haben wir mehr als von dieser Debatte, die eine Phantomdebatte ist und eine scheinbare Lösung für ein Problem suggeriert, das aber in dieser Form keines ist, denn bisher konnte jeder identifiziert werden, der dort in irgendeiner Weise tätig war. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Kollege Dr. Juhnke! – Für die Linksfraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Hakan Taş. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im September vergangenen Jahres waren wir erschüttert über die Bilder aus Nordrhein-Westfalen: Ein gefesselter Flüchtling lag am Boden und hatte den Fuß eines Wachmanns in seinem Nacken. – Die Bilder stammten aus einer Notunterkunft für Geflüchtete in Nordrhein-Westfalen. Bereits zu diesem Zeitpunkt haben wir den Senat aufgefordert, Maßnahmen zum Schutz Geflüchteter vor derartigen Gewaltausbrüchen zu ergreifen. Die Menschen fliehen aus kriegerischen Auseinandersetzungen, vor Vertreibung, vor Hunger und Elend. Flüchtlinge gehören zu den schutzbedürftigsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Das Leben und die Sicherheit der Schutzbedürftigen muss höchste Priorität staatlichen Handelns haben.

Inzwischen haben wir leider auch vor unserer Haustür Gewaltausbrüche gegen Flüchtlinge verzeichnen müssen – ausgerechnet von denjenigen, die dazu engagiert wurden, Flüchtlinge vor Übergriffen zu schützen. Sie kennen sicherlich alle die Videos vom Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales. Die Videos zeigen deutlich, wie Sicherheitsmitarbeiter der dubiosen Firma Spysec auf brutalste Art und Weise Menschen verprügeln, die ohnehin auf dem Boden liegen. Das wäre in jedem Fall fatal, wenn es sich bei den Opfern jedoch um traumatisierte Menschen handelt, ist der Skandal um einiges größer.

Nun fragen sich einige: Wie konnte es so weit kommen. Warum haben wir das alles nicht mehr im Griff? – Ich erkläre es Ihnen: Im Rahmen öffentlicher Ausschreibungsverfahren bekommen große Firmen den Zuschlag für bestimmte Sicherheitsobjekte. Das ist die Quelle allen Übels. Die öffentliche Sicherheit ist nicht verhandelbar und sie darf nicht in die Hände intransparent handelnder privater Sicherheitsunternehmen vergeben werden. Nun nimmt eine große Firma den Auftrag an und gibt ihn an Subunternehmer weiter. Subunternehmer geben die Aufträge ebenfalls an weitere Subunternehmen weiter, und am Ende entsteht ein Geflecht beteiligter Unternehmen,

und niemand blickt mehr richtig durch. Wenn wir dieses Geflecht schon nicht unterbinden, sollten wir ein Mindestmaß an Standards einführen, die für alle gelten.

Die individuelle Kennzeichnungspflicht, wie sie von der Fraktion der Piraten eingefordert wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Diese Forderung haben wir damals für die Polizei gestellt und durchsetzen können. Die bisherigen Erfahrungen damit sind ausschließlich positiver Natur. Wenn wir die öffentliche Sicherheit schon in die Hände dubioser Firmen geben, sollten wir zumindest die Mindestauflagen für Beschwerden übernehmen, denen auch unsere Polizei unterliegt. Ein verprügelter Mensch muss doch wohl die Möglichkeit haben, sich darüber zu beschweren, dass er verprügelt wurde. Das ist ja wohl das Mindeste. Die vorbeugende Wirkung individueller Kennzeichen ist einleuchtend. Deshalb ist dieser Antrag aus unserer Sicht unterstützenswert.

Trotz unserer Zustimmung kann dies jedoch nur ein Anfang sein. Wir müssen sicherstellen, dass alle eingesetzten Sicherheitsmitarbeiter ein erweitertes Führungszeugnis einreichen und diese Zeugnisse seitens der Auftraggeber auch tatsächlich eingefordert und kontrolliert werden. Zudem reichen die Sicherheitsprüfungen nach § 34a GewO noch lange nicht, um Sicherheitsangestellte in sensiblen Zusammenhängen mit Flüchtlingen einzusetzen. Dies gilt insbesondere in Bereichen, in denen Spannungen, wie zum Beispiel auch auf dem Gelände des LAGeSo, vorhersehbar sind. Wenn uns traumatisierte Menschen erreichen, ist es – verdammt noch mal – unsere Pflicht, ihnen einfühlsam entgegenzutreten. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass zusätzlich zu der Sicherheitsprüfung auch interkulturelle Kompetenzen im Rahmen von Schulungen trainiert und diese beim Einsatz der entsprechenden Mitarbeiter vorausgesetzt werden.

Zusammengefasst: Die Weitergabe der öffentlichen Sicherheit an private Dienstleister befreit den Senat nicht von der Pflicht, die Erfüllung dieser Aufgaben zu kontrollieren. Die öffentliche Sicherheit ist nicht verhandelbar und sie muss ohne Wenn und Aber gewährleistet werden. In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir gesehen, dass dies nicht umfassend geschieht. Der richtige Weg wäre es nun, auf geschulte Polizeibeamte des Objektschutzes im Bereich der Flüchtlingseinrichtungen zu setzen. Wenn die Koalition schon nicht über genügend Sachverstand verfügt, um diese sinnvolle Maßnahme umzusetzen, dann sollte sie wenigstens den Anstand haben und Mindestauflagen für das Sicherheitspersonal formulieren, das insbesondere im Zusammenhang mit Geflüchteten zum Einsatz kommt. Hierzu gehört unter anderem eine individuelle Kennzeichnungspflicht. Wie bereits erläutert, kann dies jedoch nur ein Anfang sein. Eine Reihe von Auflagen, wie zum Beispiel das Vorhandensein interkultureller Kompetenzen und besondere Schulungen müssen dem selbstverständlich noch folgen. – Herzlichen Dank!

(Dr. Robbin Juhnke)

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Taş! – Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Jetzt rufe ich auf

lfd. Nr. 5.2:

Priorität der Fraktion der SPD

Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin (Berliner Wohnraumversorgungsgesetz – WoVG Bln)

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 4. November 2015 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 11. November 2015 Drucksache 17/2548

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2464

Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2464-1

Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2464-2

sowie

Mietsenkung im sozialen Wohnungsbau durch Zinssenkung ermöglichen

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke auf Annahme einer Entschließung Drucksache 17/2550

sowie

Nachhaltige Begrenzung der Sozialmieten und Sicherung von Belegungsbindungen

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU auf Annahme einer Entschließung Drucksache 17/2551

in Verbindung mit

lfd. Nr. 23:

Sozialen Wohnungsbau retten und alle Sozialmieter/-innen schützen: Überhöhte Kostenmieten korrigieren und soziale Richtsatzmiete einführen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2526

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die zweite Lesung der Drucksache 17/2464 und schlage vor, die Einzelberatung der sieben Artikel miteinander zu verbinden – und höre auch hierzu keinen Widerspruch.

Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel 1 bis 7 der Drucksache 17/2464. In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD in Gestalt der Kollegin Spranger, der ich jetzt das Wort erteile. – Bitte schön!

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hat das Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin heute zur Priorität erklärt, und das aus guten Gründen. Über mehrere Jahre hält das Wachstum in der Stadt nun schon an. Seit 2011 steigt die Einwohnerzahl Berlins jährlich um 40 000 bis 50 000 Menschen, aktuell noch mal mehr. Viele Unternehmen siedeln sich in unserer Metropole an. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen und brauchen ein neues Zuhause.

Berlin wächst, auch im Hinblick auf die Touristen, die in enormer Zahl unsere Stadt besuchen und neu entdecken. Diese Entwicklung ist wohltuend und chancenreich. Sie ist aber auch mit enormen Herausforderungen insbesondere im Hinblick auf den sozialen Zusammenhalt in der Stadt und eine ausreichende Daseinsvorsorge verbunden. In der aktuellen Situation – wir haben gerade in der Aussprache zur Regierungserklärung darüber diskutiert – wollen und müssen wir menschenwürdige Unterbringungsmöglichkeiten und Wohnverhältnisse für die große Anzahl von Flüchtlingen gewährleisten. Für immer mehr Menschen, die in unserer vielfältigen und reizvollen Stadt leben, aber auch gerade für unsere Berlinerinnen und Berliner, müssen wir verlässliche Rahmenbedingungen in der Grundversorgung schaffen. Genügend Wohnraum gehört dazu, aber auch zu bezahlbaren Mieten.

Der Reiz und das Interesse an unserer Stadt, die wir begrüßen, haben in der jüngeren Vergangenheit bereits zu signifikanten Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt, auch zu Spekulation und zu ersten Verdrängungen angestammter Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommen geführt. Das zeigen die vielen Briefe, die wir gerade in den letzten Wochen von Berlinerinnen und Berlinern bekommen haben. Deshalb halten wir die Entscheidung für richtig, alle landes- und bundesrechtlich möglichen mietenpolitischen Initiativen zu starten und umzusetzen.