Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

[Beifall bei der LINKEN]

Die volle Summe investieren zu können, bedeutet dagegen, dass wir sofort in bessere Flüchtlingsunterkünfte, in Wohnungen und auch in die energetische Sanierung von Gebäuden investieren können. Und wir können mit einem Nachtragshaushalt noch etwas Kluges tun: Wir können die Rücklagen für den BER jetzt auffüllen. Was nicht heißt, dass wir die in Aussicht gestellten Darlehen per se freigeben wollen – im Gegenteil. An dem von uns geforderten transparenten Verfahren im Rahmen des Haushalts halten wir ausdrücklich weiter fest. Aber wir gewinnen Spielräume für den Doppelhaushalt, und die brauchen wir auch.

Wir könnten Berlin-Energie beispielsweise endlich bieterfähig machen. Sie erinnern sich an die Absichtserklärung der Koalition zur Rekommunalisierung von Strom und Gas in der Stadt? – Dann bitte schön, nutzen Sie doch die Jahresüberschüsse sofort, um Berlin Energie mit ausreichend Kapital und Personal auszustatten!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Diese sofortige Kapitalzuführung an die Berliner Stadtwerke würde die Chancen im Vergabeverfahren sprunghaft verbessern. Eine Investition in die Zukunft, jetzt machbar! Packen Sie es an!

Womit wir bei der Herausforderung wären, der sich zumindest die SPD mit aller Kraft stellen will: Dass der Senat aus dem Überschuss des Jahres 100 Millionen Euro für mobile Unterkünfte für Flüchtlinge bereitstellen will, unterstützen wir ausdrücklich. – Aber unsere Meinung zu SIWA ist bekannt, und die bisherigen Ergebnisse geben uns recht. Es steht zwar Geld für Investitionen zur Verfügung, aber es wird nicht ausgegeben. Wie viel von den 496 Millionen Euro haben Sie denn bisher investiert? – Ich sage es Ihnen: weniger als 10 Prozent, und das beinah ausschließlich für die Beschaffung von U-Bahn-Zügen! Nicht dass wir keine U-Bahn-Züge brauchen, im Gegenteil! Doch die Stadt wächst nicht nur beim öffentlichen Personennahverkehr, sie wächst überall – auch im Kita- und im Schulbereich.

Sicher, vieles liegt auch an den Bezirken. Kein Bezirk hat es bisher geschafft, mehr als 1 Million zu investieren, eher deutlich weniger. Ein Bezirk hat trotz großem Sanierungsstau sogar noch nicht einen Euro für die Schulen ausgegeben. Aber, Herr Schneider, glauben Sie jetzt nicht, dass ich in Ihre oft bemühte Bezirksschelte einstimme. Die Koalition wusste von Anbeginn – und das war auch Kalkül –, dass die schönen Millionen gar nicht investiert werden können, weil immer wieder auch das Personal fehlt, das dafür gebraucht wird.

[Torsten Schneider (SPD): Sie wollen doch gerade selber investieren! Das ist doch absurd!]

Und SIWA bleibt das falsche Instrument.

[Beifall bei der LINKEN]

Und die Berlinerinnen und Berliner sind doch nicht blöd. Die merken doch, wenn Sie erst im Wahljahr wieder anfangen, das Füllhorn auszuschütten. Das ist doch ein durchsichtiges Spiel.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es hilft der Stadt nicht weiter, und es ist eben auch keine seriöse Politik.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Es fehlt noch immer ein Plan des Senats, in welcher Zeit und mit welchen Maßnahmen er schrittweise den Sanierungsstau abbauen und gleichzeitig der wachsenden Stadt gerecht werden will. Mit einem zweiten Nachtragshaushalt 2015 könnten wir gleich zwei wichtige Dinge tun: Zum einen könnten wir sofort investieren und zum Zweiten die in den nächsten beiden Jahren geplanten Mittel für den BER freischaufeln und für andere notwendige Investitionen in die wachsende Stadt, in die technische und soziale Infrastruktur einsetzen. Das müsste doch im Interesse aller sein. Und es könnte der Einstieg in eine nachhaltige und kontinuierliche Investitionsstrategie sein.

Beweisen Sie, dass Sie mehr drauf haben als Wahlkampfgeschenke verteilen! Es liegt doch an Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU zu beweisen, dass Sie mehr können, als dringend notwendige Entscheidungen wieder nicht zu treffen. Fordern Sie mit uns den Senat auf, einen zweiten Nachtragshaushalt für dieses Jahr vorzulegen! Dafür braucht es auch keine Nachtsitzung, und es ist allemal planvoller als eine Gießkanne voller Gefälligkeiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Schneider das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einiges ist passiert, was wir erwartet haben, wenn ein so großer Wurf im Haushalt abgeliefert wird,

[Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN]

nämlich Nachtsitzung, Geschachere usw. Das haben wir erwartet, obwohl ich mir immer wieder wünschen würde, dass das Parlament ein bisschen mehr Souveränität hat und substanziell in der Sache streitet. Denn das ist ja keine substanzielle Kritik! Aber in einem Punkt haben wir uns entschlossen, heute Ihr Thema zur Aktuellen Stunde aufzurufen: dass der Fraktionsvorsitzende der Linken gesagt hatte, er würde in diesem Haushalt keine Linie erkennen. Ich muss ehrlich sagen – und das meine ich gar nicht persönlich –, ich habe bei Ihnen jetzt auch keine Linie erkannt.

[Zuruf von Harald Wolf (LINKE): Sie auch! – Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE): Auch, auch!]

Wer nämlich vorschlägt, SIWA abzuschaffen, Frau Kollegin Dr. Schmidt, und gleichzeitig beantragt, dem SIWA 100 Millionen zuzufügen, der muss natürlich seine Dialektik auch hier erklären – das ist schwierig.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

So ist das voll in der Linie Ihrer haltlosen Kritik geblieben. Denn was Sie vorschlagen, ist ja nur ein mathematischer Kunstgriff. Wenn Sie – ich unterstelle mal – von 1 Milliarde Überschuss ausgehen, dann macht es überhaupt keinen Unterschied

[Steffen Zillich (LINKE): Halbe Milliarde!]

Na ja, mit Zinsen, hat sie ja gerade gerechnet, das könne jeder, und das sei 1 Milliarde; so habe ich das erinnert, ich kenne Ihre Fabelzahl nicht –, aber wenn Sie davon ausgehen als Prämisse und uns dann vorschlagen, man soll einen Nachtrag machen über 500 und sofort investieren – wo ist denn dann der Unterschied, wenn es bei der Gesetzeslage bleibt und aus diesen 1 000 die Hälfte in

SIWA läuft und da auch übertragbar investiv gebunden sofort investiert werden kann? – Das habe ich nicht verstanden. Aber das ist eben auch Dialektik.

[Udo Wolf (LINKE): Gut zuhören!]

Das Zuhören fällt manchmal schwer! – Aber jetzt komme ich mal zu Ihren Linien, und das ist ja der Grund, warum wir uns heute dieser Debatte hier stellen wollen: Sie sagen „Stückwerk“ zur Kita und werden dann Ihrer Wählerschaft erklären müssen, warum Sie gegen die Kita-Gebührenfreiheit sind. Da will ich mich nicht mit Ihren Problemen befassen.

[Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Ich sage Ihnen: Die SPD-Fraktion hat auf ihrer Fraktionsklausur beschlossen, dass das ein Schwerpunkt ist für den nächsten Haushalt, ein strategischer Schwerpunkt für die familienfreundliche Stadt, für die familienfreundliche Metropole Deutschlands. Und da haben wir nicht gesagt, wir machen Kitafreiheit, sondern wir stellen uns der Herausforderung, dass wir Kitaplätze schaffen müssen zu den 18 000, die dieser Senat in der Verantwortung der Senatorin Scheeres bereits geschaffen hat. Dafür stehen insgesamt mit SIWA, mit Veranschlagungen, mit echtem Geld und Verpflichtungsermächtigungen mindestens 70 Millionen Euro zur Verfügung. Ich habe überhaupt noch keinen Antrag der Opposition gesehen, da draufzusatteln oder runterzugehen. Das ist zunächst, für sich genommen, eine riesige Aufgabe und ein sehr großer Erfolg dieser Koalition!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Zweitens: Kitaqualität. – Ich kenne Oppositionsanträge, die genau auf unserer Linie der Höhe nach liegen. Ich kenne Oppositionsanträge, die für das zweite Planjahr höhere Zahlungen fordern. Ich kenne Kostenschätzungen der Kitafachleute im Kitabündnis, die ungefähr bei 70 Millionen liegen. Ich kenne Kostenschätzungen von 116 Millionen; ich kenne auch welche von 127 Millionen. Diese Koalition ist bereit, für das Thema Kitaqualität in den nächsten Jahren 120 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Dahinter bleiben Sie doch im Nirwana zurück! Das ist ein weiterer, sehr großer Erfolg dieser Koalition.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Steffen Zillich (Linke)]

Ach, Herr Zillich, wir kennen doch das Geschäft! – Und jetzt höre ich ja: Na ja, wir bleiben aber doch nur in der Hälfte dessen, was andere wollen! – Und das ist auch eine Linie, auch eine strategische Linie: Wir bringen doch keine Verheißungen in die Stadt! – Wir haben ja gestern am Rande schon gesprochen; und Sie sehen das ja alle genauso. – Wir bringen doch keine Verheißungen in die Stadt, jetzt sofort 100 Millionen bereitzustellen, wenn wir doch alle wissen, dass es dieses erforderliche Personal so ad hoc gar nicht gibt! Eine solche Verheißung wäre unseriös wie Ihr Gequatsche!

(Dr. Manuela Schmidt)

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Dann müssen wir auch ein bisschen präziser sein: Das, was die Koalition beantragt hat und was Ihnen allen vorliegt, sagt nicht, wir wollen die Relation bei der Kitaqualität um ein Kind pro Erzieher im U-3-Bereich absenken. Wir sagen, wir wollen sie um mindestens ein Kind absenken, und das ist viel, viel mehr, als Sie sich überhaupt in Ihren kühnsten Träumen vorstellen! Dem muss man sich erst mal stellen.

Zweiter Punkt: Wir sagen, wir wollen das stufenweise tun; und stufenweise bedeutet eben, dass wir im Jahr ’16 damit beginnen. In diesem Gesamtkonzept reden wir eben über 120 Millionen, die ja 50 über der Schätzung des Kitabündnisses liegen, auch nicht von prekärer Beschäftigung: In unsere Zahlen sind bereits ordentliche Tarifabschlüsse eingepreist. Dazu haben Sie ja überhaupt keine Visionen entwickelt – das können Sie ja noch bis morgen reparieren.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und wenn man das jetzt mit der Kitagebührenfreiheit – zu der wir natürlich stehen und die wir für einen absoluten Erfolg für diese Stadtgesellschaft halten –, nämlich Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Universität – –

[Zurufe von der LINKEN]

Ich weiß, da haben Sie ordnungspolitisch andere Vorstellungen!

[Beifall bei der SPD]

Wenn wir diese bildungspolitische Vision der Chancengleichheit nun hier in Berlin das erste Mal verwirklichen, dann können Sie reden, was Sie wollen: Jeder Taxifahrer, jede Mutter, jeder Vater und jede Großmutter werden uns dafür feiern. Ich weiß, dass Ihnen das wehtut – aber das können wir Ihnen nun nicht auch noch abnehmen!

[Beifall bei der SPD]

Ich will Ihnen das mal in Zahlen sagen:

[Zurufe von den Grünen]

Ja, ja, diese Aufregung! – Wenn eine Mutter und ein Vater den Mindestlohn in Berlin verdienen, 8,50 Euro, dann bezahlen die für ein Kind über 100 Euro Kitagebühren. Und Sie sind dagegen, das abzuschaffen? – Das ist ja völlig irre, was Sie da machen mit Ihrer eigenen Logik!

[Beifall bei der SPD]