Ja, Sie bemerken die Zukunftsthemen der Stadt. Irgendetwas hat es wohl zu tun mit Smart City, Industrie 4.0, Internet der Dinge, Digitalisierung und Start-ups. Doch aus all den Schlagwörtern Absichtsbekundungen, Webseiten, Bewerbungen ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln, ist Ihnen bis heute nicht gelungen, und das ist fahrlässig.
Es gilt doch, hier den grünen Faden zu finden. Wir alle haben jetzt die große Chance, die rasant fortschreitende Digitalisierung auch für die ökologische Wende zu nutzen. Nicht nur im Enquete-Bericht „Neue Energien“ finden Sie es. Sogar die Berliner Wirtschaft fordert von Ihnen ganz direkt, den Green New Deal auszurufen, weil dieser nicht nur die ökologische Transformation beschleunigen würde, sondern allen klar ist, dass auch die Berliner Wirtschaft davon profitieren könnte. Allen ist es klar, nur Ihnen nicht.
Wenn Sie dieses große wirtschaftspolitische Ziel nicht klar definieren, wird sich in Berlin vielleicht die Digitalwirtschaft weiterentwickeln, aber die Dynamik eines solchen Green New Deals, der sämtliche Branchen erfassen würde, findet nicht statt. Das liegt einzig und allein daran, dass sie die Zukunftsszenen der Stadt zerreden und nicht in der Lage sind, einen geordneten Prozess zu gestalten. Da wird ein hektisch zusammengeschustertes Smart-City-Papier bei der EU abgegeben mit vielen Einzelmaßnahmen, aber ohne schlüssige Schnittmenge und ohne klar definierte Ziele. Gewundert habe ich mich nicht, dass Berlin den Zuschlag leider nicht erhalten hat. Sie werden natürlich auch geschaut haben, wie der Senat hier mit Innovationen umgeht und gemerkt haben, dass es viele angefangene Baustellen gibt, die nicht zu Ende gebracht werden.
Ich will ja aufgrund der knappen Zeit nur eine Baustelle nennen, weil diese natürlich in einem Smart-City-Kontext eine sehr wichtige Rolle spielt: das ist die Elektromobilität. Wir haben zahlreiche Unternehmen in der Stadt, die hierzu Innovationen hervorgebracht haben und weltweit Anerkennung erzielt haben und Anwendung finden, nur nicht in Berlin. Ein Grund: die Infrastruktur fehlt. Statt 1 600 geplanter Ladesäulen gibt es gerade einmal 500 in dieser bald 4-Millionen-Stadt mit dem Ergebnis, dass „Car2Go“ seine Elektromobile allesamt nach Stuttgart gebracht und Multicity die Erweiterung seiner Flotte abgesagt hat.
Es hilft auch nicht, dass sie die eMO in Smart Mobility umbenennen oder sich Herr Müller fahrerlos durch die Stadt kutschieren lässt, ohne ein klares Signal des Senats, und zwar des gesamten Senats. Bis wir die Voraussetzungen der Infrastruktur hier schaffen, werden wir anderen Städten noch lange hinterher laufen, die längst nicht mehr über Ladesäulen reden, sondern mit der intelligenten Laterne Straßenbeleuchtung, Parkraummanagement, WLAN und nebenbei die Stromtankstelle ganz smart miteinander verbinden. Die machen das wirklich. In Berlin kennt mal solcherlei leider nur aus den Showrooms. Es ist peinlich, wenn man sich das Know-how anschaut, das diese Stadt bietet.
Was die Berliner Wirtschaft braucht, sind nicht visitBerlin-Büros im Ausland, über die sich sogar Herr Kieker gewundert hat, dass Sie die beantragt haben oder un
verbindliche Zehn-Punkte-Pläne des Regierenden zur digitalen Wende oder den Ausbau der Kongresswerbung, zu der wir gerade gestern in der IBB-Studie gelesen haben, dass es einen Nachfrageüberhang gibt. Da frage ich mich, wozu wir noch extra Werbeausgaben brauchen, um noch mehr Kongresse zu holen, die wir dann absagen müssen. Das ist völliger Unsinn.
Die Berliner Wirtschaft benötigt eine umfassende digitale Agenda, für die alle Senatsverwaltungen Hand in Hand arbeiten, statt sich gegenseitig die Förmchen zu klauen. Hier braucht es eine eindeutige Federführung, klare Zielvorgaben und kein Klein-Klein und Zuständigkeitsgerangel, wie wir es in den letzten Monaten während der Haushaltsberatung erlebt haben. Berlins Wirtschaft braucht nachhaltige Investitionen in eine zukunftsfähige Infrastruktur und keine Haushaltsansätze, die aus Planungsträgheit nicht ausgeschöpft werden oder aufgrund fehlender Sachkenntnis in falsche Kanäle fließen.
Für einen Green New Deal mithilfe der Digitalisierung ist es noch nicht zu spät. Unsere dazu eingebrachte und auch von der Koalition mitgetragene Auflage, lässt wenig ein Konzept dazu erhoffen. Ihre in Zahlen gegossene Politik jedoch bringt die Stadt in dieser Frage nicht weiter.
Vielen Dank, Frau Ludwig! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Melzer. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Jahnke hat schon darauf hingewiesen, dass es beste Tradition bei einem nicht unwichtigen Einzelplan ist, einem Politikfeld, das auch Geld in die Stadt bringt, ihn fast ganz zum Ende der Haushaltsberatung zu behandeln. Einen zweiten Aspekt will ich nicht unerwähnt lassen. Es wird eine Rede ohne das Thema Flüchtlinge werden. Liebe Frau Ludwig! Einen dritten Aspekt möchte ich auch nennen: es hilft nicht wirklich weiter, mit den Parteitagsreden und dem Green-New-Deal-Parteitagsbeschlüssen zu glauben, damit die bessere Wirtschaftspolitik zu machen. Es geht nicht um Parteipolitik, sondern um Politik für die Stadt und nicht um die Floskeln mit Green New Deals.
Vielleicht wäre es angemessener, wenn auch die Opposition ganz im Sinne des Wirtschaftswunderkanzlers Ludwig Erhard anerkennt, dass 50 Prozent der Wirtschaft Psychologie ist, dass man darüber reden muss.
Psychologie ist scheint ein Thema für Sie zu sein, in der Wirtschaft eben auch. – 50 Prozent der Wirtschaft ist Psychologie, bedeutet auch, dass wir uns als Land Berlin überlegen müssen, ob wir grundsätzlich, liebe Oppositionsfraktionen, alles schlecht machen und alles zerreden, ob wir ein düsteres Bild der Stadt zeichnen oder ob wir gemeinsam herausgehen, gemeinsam für die Stadt werben und deutlich machen, dass wir das Erreichte auch würdigen können und für mehr Wachstum werben.
Die Zahlen sprechen für sich. Berlin befindet sich auf Wachstumskurs. Die Steuereinnahmen steigen. Der wirtschaftliche Aufschwung ist deutlich stärker als im gesamten Bund.
Das Bruttoinlandsprodukt entwickelt sich mit 2,2 Prozent deutlich dynamischer. Die Schere zum Bund schließt sich. Wir haben eine Verringerung der Arbeitslosigkeit, die so stark ist wie zuletzt 1991. Die 44 000 neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der Stadt sind dafür ebenfalls ein gutes Signal. Es ist ein guter Grund, sich über erfolgreiche Rahmenbedingungen, über erfolgreiche Unternehmen und auch über richtige politische Weichenstellungen, nicht zuletzt auch über diese, zu freuen.
Wir wollen dies unter drei Aspekten machen. Erstens: in der Politik geht es um Entbürokratisierung. Wir wollen schnelle Entscheidungswege und damit auch schnelle Hilfe. Deswegen haben wir den Einheitlichen Ansprechpartner mit wenigen 100 Fällen vor ein paar Jahren auf über 30 000 Fälle im Jahr ausgebaut. Wir haben als Koalitionsfraktionen dieses Instrument auch weiter und stärker in dem vorliegenden Haushalt finanziert. Es geht um die Unterstützung des Mittelstandes. Die Mittelstandsoffensive hat Herr Jahnke zu Recht dargestellt. Viele Förderprojekte des Landes, europäische Fördermittel und Weiteres mehr sind für den Berliner Mittelstand geöffnet worden. Wir haben das getan, weil dieser Mittelstand ganz entscheidend für die Arbeitsplätze ist. Wir reden nicht nur von kleinen und mittelständischen Unternehmen, sondern die KMU-Fonds die VC Fonds, sämtliche europäische Förderinstrumente sind jetzt darauf abgestellt worden. Auch das ist ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik der Stadt. Es ist die richtige Entscheidung, dass wir auch kleine und mittelständische Unternehmen fördern.
Natürlich freuen wir uns auch über Investitionsbekenntnisse großer Unternehmen. Heute Vormittag wurde Mercedes-Benz mit 500 Millionen Euro in Marienfelde genannt. Ich nenne weiter das BMW-Motorradwerk mit 100 Millionen Euro in Spandau und damit dem einzigen Standort in Europa, an dem produziert wird. Das ist ein ebenfalls gutes Signal für die Stadt. Wir freuen uns eben über diese privaten Investitionen, auch im Übrigen, wenn es um Wagniskapital geht. Auch das haben wir heute
Vormittag schon festgestellt. Berlin hat London bei den Zuflüssen an Wagniskapital überholt bei der Unterstützung für junge Unternehmen, für neue Ideen, die Berlin als Exportmittel auch so dringend braucht. Da stehen wir jetzt als Land Berlin ganz weit vorn. Auch das hat etwas mit Rahmenbedingungen zu tun, die wir gesetzt haben.
Die Kombination von Wirtschaft und Forschung, um noch einmal konkret auf den Haushalt einzugehen, haben wir über die Finanzierung des IFAF weiter gefördert. Das Schaufenster Elektromobilität, Frau Ludwig, läuft im Bund zwar aus, im Berliner Landeshaushalt haben die Koalitionsfraktionen aber gesagt, dass das Thema E-Mobility weiter finanziert werden soll. Deswegen sind die Änderungsanträge in diesen Bereichen gestellt worden.
Sie haben uns vorgehalten, wir würden uns zu wenig um junge Unternehmen und die digitale Agenda kümmern. Das Gegenteil ist der Fall. Ich darf daran erinnern, dass meine Fraktion schon sehr früh für IT-Professuren geworben hat. Dass wir die Förderangebote des Landes entsprechend umgebaut haben, habe ich erwähnt. Dass jetzt vor wenigen Tagen dazu ein ganzes Paket aus dem Senat kam, ist doch auch ein gutes Signal. Die IT-Professuren werden kommen und vieles andere mehr, das die Digitalisierung unterstützt.
Wir wollen dafür Sorge tragen, dass für diese Ideen auch Orte geschaffen werden. Der eine oder andere mag es nicht hören, es bleibt aber richtig, dass wir genau aus diesem Grund in den Zukunftsort Tegel investieren. Hier wollen wir Wirtschaft und Bildung, Hochschule, Forschung und Ideenschmiede an einem Standort mit urbaner Technologie vereinen. Das ist ein absolutes Zukunftsthema für Berlin und ist eine Möglichkeit, dass es zum Exportschlager für die gesamte Stadt wird.
Es gibt eine ganze Menge an Themen. Bei 50 Prozent ist es auch immer gut, über die Wirtschaft und über die eigene Stadt zu reden. Wir sollten uns deswegen als Parlament an zwei Dinge erinnern: Wir können Rahmenbedingungen setzen, abhängig ist die Politik aber letztlich auch vom mutigen Unternehmer und Unternehmen, die in unserer Stadt, in die Berlinerinnen und Berliner investieren. Das wollen wir gern unterstützen. Ohne privates Kapital geht es aber eben auch nicht.
Zweitens: Wir haben das Ziel, als Smart City Vorzeigemetropole zu werden. Wir haben diese Chance. Die digitale Revolution kann in Berlin nicht nur stattfinden, sondern Berlin kann Treiber sein. Dafür stellen wir uns auf in den Förderprojekten, mit den Potenzialen, die die Stadt hat, mit den Instituten, die die Stadt hat. In Summe bedeutet das dann auch, dass wir ein Leitbild für die Stadt haben, nämlich Smart City – das wurde auch heute Vormittag gesagt –, die intelligente Stadt von morgen mit
Zukunftstechnologien, die ein neuer Exportschlager für alle Metropolen werden können. Vielleicht ist es gar nicht so vermessen zu sagen, Berlin kann Vorzeigestadt werden, national und international,
wenn wir vernünftig und ohne dazwischenzubrüllen, einig sind und als Politik die Rahmenbedingungen setzen. Die große Koalition war in diesem Haushalt wenigstens dazu bereit. Deswegen bitten wir auch um ihre Unterstützung. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Melzer! Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordneter Matuschek. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Berliner Wirtschaft geht es gut. Es gibt ein günstiges Konjunkturklima. Niedrige Rohstoffpreise, lockeres Geld und ein günstiges Zinsniveau sind die ausschlaggebenden Ursachen dafür. Die Koalition rühmt sich dessen. Was hat sie denn dazu beigetragen?
Eine Wirtschaftspolitik kann ich kaum erkennen, stattdessen ein lustiges Ringelreihen bei der Besetzung von Senatoren- und Staatssekretärspositionen.
Deswegen ignoriert die Koalition offensichtlich auch Fakten, die sie nicht gerne hören will. Die nenne ich einmal.
Die Anzahl der Insolvenzen von Berliner Unternehmen liegt heute 10 Prozent über der Anzahl aus dem vergangenen Jahr. Der Umsatz in der Berliner pharmazeutischen Industrie, eine Erfolgsbranche nach dem Verständnis der Koalition, liegt um 20 Prozent unter dem des Vorjahres. Es gibt 7 Prozent weniger Gewerbeanmeldung im dritten Quartal 2015 als im Vorjahr. Für eine Präsenz ihres Unternehmens in Berlin entschieden sich 18 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Der Stern sinkt. Doch was tut der Senat angesichts dieser Fakten? Er macht Marketing. Toll! Der Kaiser und die Kaiserin lassen sich neue Kleider schneidern.
Was wäre aber die Aufgabe kluger Wirtschaftspolitik? Marketing? Schauen wir in den Haushalt! Ausgerechnet bei einer der Kernaufgaben der Wirtschaftsverwaltung, der Wirtschaftsförderung, setzen Sie von der Koalition völlig unnötigerweise den Rotstift an. Dieser Titel ist eine sinnvolle Hilfe bei Betriebsverlagerungen für Einzel
maßnahmen der Gewerbe- und Industrieansiedlungen sowie der Bestandspflege. Um die schmale Decke des produzierenden Gewerbes in Berlin wenigstens zu halten und wenn möglich zu unterstützen, bräuchte man diese Mittel. Sie verzichten darauf, und senden damit ein klares Signal, nämlich ein abweisendes.
Die Gewerbeflächen der Stadt werden rar. Ein Bericht der Senatswartung für Stadtentwicklung – ich denke mir die Zahlen nicht aus – sieht spätestens 2025 – das ist schon dichter als morgen – keinen Platz mehr für Ansiedlungen vor. Macht die Koalition an der Stelle irgendetwas? Das ist bitter für Berlins Wirtschaft. Sie hätte etwas Besseres verdient. Berlin hat die Chance, zu einer tatsächlichen Musterstadt des 21. Jahrhunderts zu werden, ressourcensparsam, sozial, energieeffizient, modern zu sein, den Herausforderungen der Digitalisierung genauso gewachsen wie den Chancen der Industrie 4.0. Diese Chancen werden gerade verspielt. Dazu gehört, dass über Smart City zwar trefflich gefaselt wird, aber nicht gehandelt. Ach, ich vergaß, es wird dilettiert. Bei Horizon hat Berlin einen glatten Bauchklatscher hingelegt. Berlin sieht mit großen Augen zu, wie internationale IT-Konzerne Digitalisierungsprozesse vorantreiben und dafür das in Berlin vorhandene Potenzial an kreativen Kräften abschöpfen. Die Wirtschaftssenatorin freut sich über das Wagniskapital für solche Unternehmungen. Berlin selbst ist aber nicht in der Lage, seine eigene Rolle als Akteur bei den Digitalisierungsprozessen der Verwaltung auch nur zu definieren.
Man kann nicht über Smart City reden, wenn man keine smarte Verwaltung hat und sie nicht mal anstrebt