Wir haben jetzt das Beispiel Neukölln betrachtet. In Reinickendorf zeichnet sich ein ähnliches Bild im Märkischen Viertel ab, und das bei steigenden Bedarfszahlen, die uns bekannt sind. Wir müssen an dieser Stelle eingreifen, Schluss mit dem ständigen Ausbessern der durchlöcherten Straße machen und stattdessen diese Straße einmal komplett sanieren und bedarfsgerecht planen, sodass das für Gesamtberlin eine gute Lösung wird.
Bisher sind keine wirklich langfristig geplanten regionalen Prioritäten und ist somit keine bedarfsgerechte Planung absehbar. Deutlich sichtbar ist stattdessen, dass es dem Senat nicht gelungen ist, in den genannten Regionen langfristig den Bedarf zu analysieren und vorherzusehen, um vorrangig dort Plätze zu schaffen. Gerade wenn wir
uns die Rede von Frau Möller betrachten, ist jetzt absehbar, wo in fünf Jahren Bedarfe sein werden. Man muss jetzt anfangen, zu planen und zu bauen, damit man dann nicht vor dem Problem steht, das wir momentan in Neukölln und Reinickendorf haben, indem wir zum Beispiel nur einen Versorgungsgrad von 64,8 Prozent in Neukölln oder 63,1 Prozent in Reinickendorf haben, wobei er in Gesamtberlin ansonsten immer bei über 70 Prozent liegt, bei den Null- bis Sechsjährigen wohlgemerkt, womit wir die unter Einjährigen, die für gewöhnlich sehr häufig zu Hause betreut werden, gar nicht so sehr berücksichtigen müssen.
Es ist an der Zeit, dass wir nun essenziellen Fragen und Problemen auf den Grund gehen: Wie entstehen eigentlich diese regionalen Engpässe bei der Versorgung? Wenn wir das wissen, können wir langfristig denken und so einmal vorhersagen, wo die Nachfrage sein wird, und entsprechend Plätze schaffen. Warum gelingt der Kitaausbau in einigen Bezirken schlechter als in anderen? Wo sind dort die Probleme, in den Bezirksämtern oder eventuell auch bei den Personalien? Wie können wir daran arbeiten, dass das besser vonstattengeht? Besitzt der Senat für 2015 eine finanzielle Sicherheitsreserve für den Ausbau der Kitaplätze für die unter dreijährigen und unter siebenjährigen Kinder von Familien auf der Flucht? Wenn ja, wie hoch ist diese, und wie können wir die finden? Wann werden eigentlich die mindestens 2 500 Plätze berücksichtigt, die sich aus der Änderung des Einschulungsstichtages ergeben? Auch damit können wir jetzt wieder mit essenziellen Problemen in den Bezirken rechnen, gerade wenn Eltern vor die Frage gestellt werden: Eigentlich möchte ich mein Kind noch in der Kita und noch nicht in der Schule haben, aber wie mache ich die Betreuungssituation in der Zeit klar?
Sicher wissen wir, dass beim Platzausbau noch einige Probleme auf uns zukommen. Die Kitaerweiterungen, wie sie in den vergangenen Jahren aktiv durchgeführt wurden, sind jetzt nur noch schwer umsetzbar und ausgereizt. Das heißt, es müssen Kitaneubauten her. Diese sind deutlich teurer als das, was wir bisher gewohnt sind auszugeben. Es wird auch immer nur sehr knapp kalkuliert, und das ohne Reserve. Ein Puffer von 4 Prozent, um eine Dynamik in der Stadt abzufangen, ist dabei Fehlanzeige. Herr Eggert! Hier sind wir an dem Punkt: Diese Dynamik besagt eben, dass ich nicht nur an meinem Wohnort, sondern auch auf der Strecke einen Platz suchen muss, und deswegen brauchen wir einen solchen Puffer.
In den Bezirken fehlen zudem Flächen, auf denen neue Kitas gebaut werden können. Wo sind die Mittel hierfür? Wo können wir diese Flächen erwerben? Das sind Fragen, vor denen wir stehen. Die Versorgung mit Kitaplätzen kann nicht weiter ungesteuert bleiben. Transparenz und Konzepte würden uns zumindest insofern weiterhelfen, dass wir gemeinsam an Lösungen arbeiten können, um Berlin an dieser Stelle weiterzuführen.
Vielen Dank, Frau Graf! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag auf Drucksache 17/2329 empfiehlt der Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und die Fraktion der CDU. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 3. Dezember 2015 Drucksache 17/2638
In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Kofbinger. – Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben heute ein interessantes Thema. Es geht um Intersexualität, und jetzt werden sich in der CDU-Bank, so ist meine Auskunft, doch viele fragen, was das wohl sein mag. Deshalb gebe ich einen kleinen Hinweis: Der Deutsche Ethikrat – den dürfen die meisten in der CDU ja noch kennen – hat ein Büchlein herausgegeben, die Ergebnisse der Beratungen 2011. Noch mal zur Erklärung für die CDU: Der Ethikrat, das sind die Guten.
Da kann man zustimmen. Wenn die etwas drucken, dann kann das meiner Meinung nach manchmal ein bisschen konservativ sein,
aber die CDU stimmt da immer zu. Dieses Buch, das hat fast 200 Seiten, ist die Basis unseres Antrages, den wir Ihnen vor knapp zwei Jahren vorgelegt haben.
Ich war sehr überrascht zu hören, dass die Beratung im Ausschuss für Gesundheit und Soziales – die sollte vor ungefähr einem halben Jahr stattfinden – vertagt wurde. Ich war nämlich extra hingekommen, um zu diesem Antrag zu reden. Der war nun also spruchreif, dann wurde es noch mal und noch mal vertagt. Mit anderen Worten: Es gab eine endlose Vertagung dieses Antrages, woraufhin ich mal gefragt habe, warum das so sei, und dann sagten mir die Vertreterinnen und Vertreter von SPD und CDU: Wir kommen da zu keinem Konsens. – Ich finde das sehr bedauerlich, das muss ich Ihnen sagen, aber die Vertreterinnen und Vertreter der Koalition haben gleich jeweils drei Minuten Zeit, uns hier zu erklären, was denn so grauenhaft und fürchterlich an diesem Antrag ist, dass man ihm nicht zustimmen kann. In der Szene jedenfalls und in der Landesantidiskriminierungsstelle stieß das wirklich auf große Verwunderung, als ich das kundtat.
Aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament stieß es auf Verwunderung, als ich das kundtat. Denn wir hatten schon eine Rederunde zur ISV allgemein, das war am 11. Juni. Und dort hörte sich das ganz anders an. Dort hat der Vertreter der SPD ganz klar gesagt: Intersexualität und Transsexualität, für uns ganz wichtige Themen, und selbstverständlich werden wir einen eigenen Antrag vorlegen – was ich übrigens immer sehr gut finde. Man muss ja nicht den Anträgen der Opposition zustimmen, man kann ja auch mal eigene Anträge vorlegen. Die sollten jetzt im Zuge der Haushaltsberatungen beraten werden. Das ist so leider nicht geschehen. Was aber geschehen ist, und das ist ja das Erfreuliche, es gab dann doch für die Beratungsstellen etwas Geld. Das heißt, wir sind jetzt bereits wieder, am Ende der Legislaturperiode, auf dem Stand, auf dem wir am Ende der letzten Legislaturperiode waren. Für viele mag das ein Erfolg sein. Ich finde, das sind, ehrlich gesagt, fünf vertrödelte Jahre, denn Sie haben sich weder finanziell noch inhaltlich weiterbewegt. Das wäre ein gutes Zeichen gewesen. Vielleicht reden wir auch das letzte Mal heute zur ISV als inhaltlichen Punkt. Das ist schade, dass wir das so abschließen. Aber nun ist es so.
Ich möchte trotzdem dafür werben. Was macht mich denn so optimistisch, dass ich vielleicht doch noch die eine oder andere Stimme bekomme für unseren, wie ich finde, sehr guten Antrag? – In der Beratung am 3. Dezember im federführenden Ausschuss für Arbeit, Integration und Frauen hat sich wenigstens ein Vertreter der SPD, nämlich Herr Lehmann, enthalten. Das fand ich übrigens sehr anständig von ihm, weil er wirklich nicht dagegen stimmen konnte. Das passiert ganz selten, dass das Gewissen einen packt, aber an dieser Stelle hat es ihn gepackt. Ich fand das sehr angenehm und wollte mich hier auch noch mal bei ihm bedanken – ich sehe ihn zwar gerade nicht, wahrscheinlich ist er rausgegangen, um meinen Dank nicht anzunehmen –, aber vielen Dank, Herr Lehmann, dass Sie sich da so ehrlich gemacht haben!
[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Thomas Birk (GRÜNE) – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]
Wo wir gerade dabei sind, auch Herrn Klaer möchte ich danken, dass er es am Ende der Haushaltsberatungen geschafft hat, in der ein oder anderen Ecke der ISV noch mal ein bisschen Geld lockerzumachen. Das Geld ist ja da gewesen, Geld war ja kein Thema bei diesen Haushaltsberatungen. Nur leider haben wir mit der ISV ein bisschen wenig davon abbekommen.
Nichtsdestotrotz möchte ich Sie darauf hinweisen, dass sich auch andere Menschen um Intersexualität als Thema kümmern, z. B. die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die Kommission „Gleiche Rechte – gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ unter dem Vorsitz von Frau Prof. Allmendinger und dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit hat unter Top 2 gefordert: „Diskriminierungsfreier Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt, insbesondere Trans- und Intersexualität“. Das ist ein Beschluss vom 10. Dezember, das ist jetzt ziemlich genau ein vier-, fünf Wochen alter Beschluss. Dort arbeitet Klaus Wowereit mit. Sie können sich das gerne auf der Seite der Antidiskriminierungsstelle des Bundes angucken. Da steht alles Wesentliche drin, was wir auch schon in unserem Antrag gefordert haben.
Bitte, machen Sie sich ehrlich! Stimmen Sie hier zu! Denn eins ist klar: Wir haben hier ein eklatantes Auseinanderklaffen der politischen Landesebene der SPD und der Fraktionsebene der SPD. Die Nichterfüllung der Erwartungen auf der Fraktionsebene ist riesig. Der derzeitige stellvertretende Vorsitzende der QueerSozis von Charlottenburg-Wilmersdorf hat seinem Frust über diese Diskrepanz Luft gemacht, indem er das Motto des diesjährigen CSD vorschlug, das da lautet: „Danke für nix!“ Das sollte Ihnen zu denken geben. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Kofbinger! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Schreiber. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Am 22. September 2015 hat die SPDFraktion alle sechs offenen ISV-Anträge beschlossen. Ich will es nur mal dokumentieren: „Bildung, Jugend Aufklärung“, „Gegen Gewalt und Diskriminierung“, „Öffentlicher Dienst im Land Berlin“, „Internationale Zusammenarbeit und Dialog“, „Trans- und Intergeschlechtlichkeit“ und die rechtliche Gleichstellung. Wir haben hier im
Parlament und im Plenum sehr deutlich gemacht, dass wir das vor den Haushaltsberatungen auch gerne eingebracht haben wollten. Und seit über vier Monaten liegen, wie Sie wissen, die Anträge beim Koalitionspartner. So viel zur Frage, wer Adressat und Absender sein sollte. Jedenfalls nicht die SPD-Fraktion! Wir haben uns dafür eingesetzt und gehen auch davon aus, dass der Koalitionsvertrag bis zum Ende der Wahlperiode in der Frage umgesetzt wird. Das will ich hier sehr deutlich sagen.
Ein wesentlicher Kernsatz beispielsweise in unserem Antrag, der hoffentlich dann von der anderen Regierungsfraktion getragen wird, sagt eindeutig, ich zitiere:
Im Mittelpunkt stehen hierbei der Schutz vor Verletzung von Grundrechten und die Stärkung der Selbstbestimmung.
Frau Kofbinger ist darauf eingegangen, auch das spielt bei uns eine Rolle, die Frage, was der deutsche Ethikrat vorgelegt hat, und dass wir uns dafür einsetzen im Land Berlin, dieses weiterzuentwickeln. Und auch bei der ganzen Frage bezogen auf medizinische Eingriffe bei Neugeborenen und Kleinkindern, dass man sich da einsetzt möglicherweise auch für ein sogenanntes Moratorium.
Es ist genauso wichtig, deutlich zu machen, dass wir in den Haushaltsberatungen 2016/17 35 000 Euro bereitgestellt haben für das Thema Trans- und Intergeschlechtlichkeit. Seit 2004 gibt es einen Runden Tisch zu dem Thema. Und die Senatsverwaltung hat unter der Federführung von Dilek Kolat als Senatorin beispielsweise das Projekt „Trans in Arbeit“ bundesweit angeschoben und bekannt gemacht, und das sucht auch seinesgleichen. Des Weiteren gab es eine rechtswissenschaftliche Expertise, und die bietet auch viel Know-how für das Berliner Abgeordnetenhaus, aber auch für uns insgesamt, etwas zu tun.
Ich will es ein Stück weit abkürzen, weil viele Dinge laufen, beispielsweise die Unterstützung von dem Träger TrIQ, oder dass Vereine aus dem Bereich Trans- und Intergeschlechtlichkeit an den Beratungen zu den neuen Rahmenlehrplänen in Berlin und Brandenburg teilgenommen haben. Und ich komme ganz einfach zu einem ganz klaren Fazit: Manchmal ist es so, dass die Senatsverwaltung, die Trägerlandschaft und die Gesellschaft weiter sind als manche Funktionsträger. Das ist ein Problem. Wir können uns auch nicht ausruhen als Land Berlin und sagen: Wir haben bei der Berliner Polizei Ansprechpartner für Gleichberechtigung bzw. für Gleichgeschlechtlichkeit. Es geht darum, dass wir auch Dinge weiterentwickeln. Und eine Anfrage hat ja beim Thema Polizei und Feuerwehr noch mal die Frage sehr deutlich gemacht: Wie gehen wir eigentlich im öffentlichen Dienst mit Menschen um, die trans- und intersexuell sind? Was kann man da eigentlich tun?
Wie Sie sehen, Ideen sind da. Es gibt klare Inhalte und Positionen. Aber Sie wissen auch, wenn man in einer Konstellation in einer Regierung ist, braucht man eine Mehrheit. Ich hoffe, dass wir noch bis zum 18. September die Möglichkeit haben, diese wichtigen Punkte – für uns jedenfalls – umzusetzen. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Schreiber! – Für die Linksfraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Schatz. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Schreiber hat darauf hingewiesen und er hat es auch in der Debatte am 11. Juni schon gesagt: Ja, Berlin hat mit der Initiative sexuelle Vielfalt von 2009 Impulse gesetzt und Nachahmer gefunden weit über Berlin hinaus. Baden-Württemberg, Niedersachsen und selbst das schwarzgrün regierte Hessen kopieren diese Initiative und entwickeln sie weiter. Nur Berlin tut es nicht.
Frau Kofbinger hat darauf hingewiesen, 2012 kam die Expertise des Ethikrates. Ich habe eine Erklärung der Staatssekretärin Loth auf diese Stellungnahme des Ethikrates gefunden, und die sagt, ich zitiere:
Die Senatsverwaltung begrüßt die Stellungnahme des Ethikrates ausdrücklich und unterstützt insbesondere die Forderung danach, geschlechtszuweisende medizinische Maßnahmen wie Operationen und Hormonbehandlungen im Säuglings- und Kleinkindalter zu verhindern sowie das Personenstandswesen zu erweitern und eine Geschlechtskategorie „anderes“ aufzunehmen.
Das ist nichts anderes, als die Grünen hier beantragt haben: etwas umzusetzen, was Sie sich eigentlich vorgenommen haben. Nun fragt man sich: Was ist da eigentlich passiert? – Nun haben die Grünen Ihnen eine Vorlage geliefert, im März 2014 einen Antrag eingereicht, und seitdem warten wir und warten wir und warten wir, und es kommt eine Ankündigung nach der nächsten und noch einige Ankündigungen.
Herr Schreiber! Das ist jetzt, ich weiß es gar nicht, die dritte Ankündigung, dass wir im Laufe dieser Legislaturperiode noch irgendwelche Anträge zu erwarten haben. Am 11. Juni waren es noch 2 plus 4. Ich habe hier das Protokoll. Damals sagten Sie, Zitat:
Und mir wurde auch seitens der CDU-Fraktion gerade zum Thema Trans- und Intersexualität – Kollege Melzer hat sich dessen sehr angenommen – signalisiert, dass wir eine Lösung finden.