Carsten Schatz

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Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich möchte mit dem fortfahren, was Kollegin Pop heute früh in ihrer Rede begann, nämlich einem Zitatraten – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident!
Das bundesrechtliche Antidiskriminierungsgesetz deckt viele Bereiche nicht ab. Bestehende Schutzlücken des bundesrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes müssen durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz geschlossen werden, das sowohl die schützenden als auch die fördernden Maßnahmen umfassen soll. Es muss die Bereiche Bildung, Gesundheit, Vergaberecht und Soziales einbeziehen und den Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen sowie allgemeine Verwaltungsverfahren absichern.
Na, woher stammt es?
Lieber Kollege Lehmann! Warum reden Sie gegen das, was Ihre Partei schon als richtig beschlossen hat?
Wir machen weiter. Nun fand sich im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot – ich verrate jetzt also, woher das Zitat kommt – die Formulierung:
Wir werden eine gesetzliche Regelung herbeiführen, die von Diskriminierung betroffene Menschen wirksamer unterstützt, eine niedrigschwellige und alle Merkmale umfassende Beratungsinfrastruktur gewährleistet und die die Verwaltung nicht nur in ihrer Rolle als Arbeitgeberin, sondern auch als öffentliche Dienstleisterin in die Pflicht nimmt.
So steht es im Koalitionsvertrag, und man kann auch nach der Runde heute früh sagen, dass Sie an diesem Anspruch wohl gescheitert sind.
Das hatten Sie sich Ende 2011 vorgenommen. Der Gesetzentwurf, der hier vorgelegt worden ist, kam im Herbst letzten Jahres, und wenn das im Ausschuss für Arbeit nach sechs Monaten Untätigkeit des Ausschusses nicht gezogen worden wäre, würden wir wahrscheinlich auch
(Rainer-Michael Lehmann)
heute nicht darüber beraten. Das ist Ihr Politikmodus, so wollen Sie von Diskriminierung betroffene Menschen schützen. Ich glaube, da darf man nicht nur reden, sondern es muss gehandelt werden. Deshalb als letztes Zitat, und das stammt aus dem SPD-Wahlprogramm für die Wahl zum Abgeordnetenhaus:
Wir wollen außerdem die rechtlichen Grundlagen für einen nachhaltigen Diskriminierungsschutz verbessern, indem das landesrechtliche Potential zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Förderung positiver Ansätze gezielt ausgeschöpft und durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz gestärkt wird.
Wer bitte soll Ihnen das glauben?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat, auch angesichts des eben diskutierten Vorfalls: Welches Sicherheitskonzept hat der Senat für die Baustellen der temporären Unterkünfte oder MUF-Unterkünfte angesichts der Anschläge, die wir in Marzahn-Hellersdorf, aber gestern auch in Altglienicke gesehen haben?
Danke! – Ist dem Senat bekannt, dass auf der Veranstaltung, an der auch die Abgeordnete Katrin Vogel, CDUKreisvorsitzende von Treptow-Köpenick, teilgenommen hat, angekündigt wurde, dass zu weiteren Maßnahmen gegriffen wird, wenn die entsprechende Unterkunft dort tatsächlich errichtet werden soll? Ist dem Senat das bekannt, und wie bewertet er das?
Vielen Dank, Herr Senator! – Da Sie sich jeden Abend die Zahlen berichten lassen, wird es Ihnen jetzt sicherlich ein Leichtes sein, uns darüber zu informieren, wie viele Flüchtlinge betroffen sind. Durch die Presse geistern Zahlen von bis zu 10 000 Personen, die aus Ferienwohnungen bzw. improvisierten Hostels herausmüssen. Welche Alternativen gibt es, um die Flüchtlinge unterzubringen?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich frage den Senat: Wie will der Senat den Widerspruch zwischen der einerseits in der Presse wiedergegebenen Aussage der Senatssprecherin, dass die Senatskanzlei für den Abgeordneten Müller nicht zuständig sei, und andererseits der Tatsache der Bezahlung der Kosten eines Rechtsstreites zunutzen des Abgeordneten Müller aus dem Budget der Senatskanzlei auflösen?
Vielen Dank! – Teilt denn der Senat die Auffassung, dass der Abgeordnete Müller die Sache schnell aus der Welt hätte schaffen können, wenn er die Kosten des Rechtsbeistandes selbst getragen hätte?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wir reden heute mal wieder über die Freihandelsabkommen. Am Anfang meiner Rede möchte ich anknüpfen an meine erste Rederunde im September letzten Jahres und feststellen: Doch kein Eis für die SPD! Die EUKommissarin Malmström hatte ja damals angekündigt, dass sie allen Gegnerinnen und Gegnern von TTIP und CETA wenigstens ein Eis anbieten würde, damit sie ihre Meinung noch mal überdenken. Der SPD-Landesparteitag hatte sich damals aus meiner Sicht sehr wohlwollend geäußert und ganz klar eine Position bezogen und gesagt: CETA, das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU, muss abgelehnt werden. Verhandlungen zu TISA und TTIP müssen abgebrochen werden. Und wir brauchen den Einstieg in eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, in ein gerechtes Welthandelssystem unter dem Dach der WTO; inhaltliche Forderungen, die wir wesentlich unterstützen.
Wir haben in der ersten Lesung gehört, die SPD hatte sich damals sehr wohlwollend geäußert; die CDU hatte etwas verwirrt gefragt: Was ist denn hier passiert? Die Diskussion im Ausschuss etwa so: Nanu, aber es liegt doch gar nichts vor. Die CDU hat geschwiegen. Und das führte dann zur Ablehnung des Antrags.
Nun will ich die Frage, was passiert ist, beantworten: CETA – ich habe es mal mitgebracht – liegt vor, 1 600 Seiten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Die ganze Zeit ist in den Debatten gesagt worden, wir werden inhaltlich diskutieren, wenn es vorliegt. Nun haben Sie keinen Grund mehr, es liegt vor, wir können inhaltlich diskutieren. Ich will hören, warum die Koalition heute diesem Freihandelsabkommen zustimmen möchte.
Es ist drängender geworden, als es noch vor wenigen Tagen war. Gestern hat der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium im Wirtschaftsausschuss des Bundestags angekündigt, dass die Bundesregierung im Europäischen Rat der Kommission einen Freibrief geben wird, CETA zu ratifizieren und vorläufig in Kraft zu setzen. Das heißt, dass mit der vorläufigen Inkraftsetzung kaum noch die Möglichkeit besteht, in nationalen Parlamenten und über den Bundesrat Einfluss zu nehmen.
Schauen Sie mal rein! Kanada hat über 100 Seiten Ausnahmen in das Freihandelsabkommen hineingepackt. Viele Bundesstaaten Kanadas haben eigene gesetzliche Regelungen schützen lassen. Berlin hat das nicht. Wenn hier mal wieder jemand auf die Idee kommt, das Vergabegesetz beispielsweise zu verschärfen und zu sagen, wir wollen noch mehr soziale Kriterien reinnehmen, wir wollen dafür sorgen, dass die Beteiligung von Frauen in bestimmten Unternehmen, an die wir Aufträge vergeben, gewahrt ist, das können Sie sich dann aus dem Kopf schlagen. Das ist mit diesem Freihandelsabkommen vom Tisch. Sie stimmen heute, wenn Sie das ablehnen, Ihren eigenen Parteitagsbeschluss, dieser Entmachtung des Parlaments zu.
Ganz klar ist schon festgestellt worden: Das findet gegen den Widerstand von Millionen statt, auch in unserem Land. Fast zwei Millionen Menschen in Deutschland haben die europäische Bürgerinitiative gegen die Freihandelsabkommen unterschrieben. Ich erinnere an die Demonstration im letzten Oktober, überraschend eine der größten der letzten Jahre, wo sich die Menschen gegen die geplanten Freihandelsabkommen gewehrt haben. Selbst in den USA – das muss man auch mal feststellen – äußert sich keiner der noch im Rennen verbliebenen Präsidentschaftskandidatinnen und -kandidaten für die Frei
(Vizepräsident Andreas Gram)
handelsabkommen, nicht mal der verrückte Donald Trump.
Wir haben hier die ulkige Situation: Die CDU ist als einzige dafür, und die SPD kuscht. Deshalb finde ich: Nutzen Sie die Chance, die Sie heute noch mal haben! Ich will Ihnen noch einen inhaltlichen Grund sagen: Selbst Kanada hat nicht alle der acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Die ILO-Kernarbeitsnorm C 93 – das Recht auf gemeinschaftliche Verhandlungen – hat Kanada auch nicht ratifiziert, also Arbeitnehmerrechte sind bedroht.
Als letztes Wort von hier für die Menschen, die uns zuhören: Am 23. April besteht in Hannover die Möglichkeit, um 12 Uhr am Opernplatz gegen die Freihandelsabkommen zu demonstrieren. Ich rufe alle auf: Kommen Sie dorthin, machen Sie Ihre Stimme hörbar! – Das Parlament in Berlin wird es wahrscheinlich heute nicht machen. Schade eigentlich!
Vielen Dank, Herr Zimmermann, dass Sie mir die Gelegenheit geben, das Investorenschiedsverfahren noch mal zu erörtern! Schauen Sie in den CETA-Text! Es wird eine erste Instanz aus 15 Menschen gebildet, wobei von jeder Vertragsseite mindestens fünf benannt werden und noch mal fünf aus Drittstaaten. Es ist ausdrücklich festgelegt, dass diese Menschen, die dort in diese Gremien berufen werden, eine Qualifikation haben müssen, die der der Menschen entspricht, die jetzt an den privatrechtlichen Streitbeilegungsverfahren beteiligt sind. Genau die Gleichen! Es ist nichts anderes, wir haben nur ein größeres Gremium von fünfzehn. Wenn es zum Streit kommt, wird wieder eine Kammer von drei gebildet, die zuerst über dieses Streitverfahren redet, aber in keinem anderen Verfahren als bisher. Es hat einen anderen Namen, und Sie
haben recht, es wird eine Berufungsinstanz gebildet, aber aus denselben Personen heraus. Natürlich werden es in einem Verfahren nicht dieselben Personen sein, das wäre zu offensichtlich, aber aus dem gleichen Pool heraus.
Insofern ist das, was uns hier als neuer Streitbeilegungsmechanismus verkauft wird, nichts anderes als ISDS, wie wir es vorher hatten, und der Deutsche Richterbund kritisiert das zu Recht. Man kann nicht wirklich sagen, dass der Deutsche Richterbund ein Hort des Linksradikalismus ist, der alles ablehnt, was auf den Tisch kommt.
Herr Goiny! Das ist ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen. Die Freihandelsabkommen, über die Sie gesprochen haben, beispielsweise das Freihandelsabkommen mit Südkorea, haben zweifelsfrei – da werden Sie mir sicher zustimmen – nicht dieselbe Bedeutung wie die Freihandelsabkommen, über die wir hier reden, nämlich mit Kanada und den Vereinigten Staaten.
Da werden Wirtschaftsräume geschaffen, die in der Lage sind, allein durch ihre wirtschaftliche Macht Regeln aufzustellen, denen sich alle anderen zu unterwerfen haben. Genau deshalb lautet eines der wesentlichen Argumente dagegen, dass wir eine gerechte Weltwirtschaftsordnung im Rahmen der WTO brauchen, wo die Entwicklungsländer und vielleicht auch die Schwellenländer mit an den
(Anja Schillhaneck)
Tisch gehören und es gemeinsam Bedingungen zu verhandeln gilt. Denn die brauchen vielleicht Schutzzölle, um sich vor einer Überflutung ihrer Märkte durch billige Produkte aus den Industrieländern zu schützen. Deshalb muss das im Rahmen der WTO passieren. Und deshalb sind diese zweiseitigen Freihandelsabkommen, wie wir sie hier zwischen den USA und der EU und zwischen Kanada und der EU haben, der falsche Weg. Sie verfestigen nämlich die Armut im globalen Süden und tragen insofern dazu bei, dass weiter Fluchtursachen entstehen und nicht bekämpft werden, was eigentlich auch immer ein Ziel Ihrer Fraktion ist. – Das als erstes.
Und als Zweites: Da Sie diese fünf Gründe, die der Bundeswirtschaftsminister vorgetragen hat, aufgezählt haben, will ich fünf Gründe dagegen benennen: Die Freihandelsabkommen werden Arbeitnehmerrechte in der Europäischen Union beschneiden. Sie werden Verbraucherschutzmöglichkeiten in der Europäischen Union kaputtmachen. Sie werden dazu beitragen, dass Fluchtursachen verstärkt und nicht bekämpft werden. Sie werden dazu beitragen, dass Kulturgüter in der Europäischen Union und die Kulturpolitik, wie wir sie bisher kennen, in Gefahr kommen. Und sie werden auch durch die Hintertür der audiovisuellen Produkte – das finden Sie übrigens auch im CETA – dazu beitragen, dass eine Filmförderung, wie wir sie unter anderem auch hier in Berlin praktizieren, so nicht mehr möglich sein wird.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Im Bundesministerium für Wirtschaft wurde heute unter Blitzlichtgewitter der Leseraum für die TTIP-Dokumente eröffnet. Ich frage den Senat: Welche Berliner Bundesratsmitglieder werden
wann diesen Leseraum nutzen, die Dokumente lesen und das Parlament wie darüber informieren?
Herr Regierender Bürgermeister! Das ist insofern überraschend, als Ihr Staatssekretär gestern im Ausschuss ankündigte, dass Sie das in Ihrer Eigenschaft als Kultursenator sowieso machen werden.
Mich interessierte, welche anderen Senatoren – darauf verwies der Herr Staatssekretär nämlich auch – im Rahmen ihrer Ressortverantwortung die TTIP-Dokumente studieren werden. Ich stelle die Frage mal so: Ist es denn überhaupt geplant?
Herr Präsident! Ich frage den Senat: Wie sieht die aktuelle Zeitschiene für die Umsetzung der modularen Flüchtlingsunterkünfte aus?
Vielen Dank, Herr Senator, für die umfangreiche Beantwortung der Frage nach der Zeitschiene. Die Nachfrage: Können Sie definitiv ausschließen, dass es zu Verzögerungen durch Pannen im Ausschreibungsverfahren kommt?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Schreiber hat darauf hingewiesen und er hat es auch in der Debatte am 11. Juni schon gesagt: Ja, Berlin hat mit der Initiative sexuelle Vielfalt von 2009 Impulse gesetzt und Nachahmer gefunden weit über Berlin hinaus. Baden-Württemberg, Niedersachsen und selbst das schwarzgrün regierte Hessen kopieren diese Initiative und entwickeln sie weiter. Nur Berlin tut es nicht.
Frau Kofbinger hat darauf hingewiesen, 2012 kam die Expertise des Ethikrates. Ich habe eine Erklärung der Staatssekretärin Loth auf diese Stellungnahme des Ethikrates gefunden, und die sagt, ich zitiere:
Die Senatsverwaltung begrüßt die Stellungnahme des Ethikrates ausdrücklich und unterstützt insbesondere die Forderung danach, geschlechtszuweisende medizinische Maßnahmen wie Operationen und Hormonbehandlungen im Säuglings- und Kleinkindalter zu verhindern sowie das Personenstandswesen zu erweitern und eine Geschlechtskategorie „anderes“ aufzunehmen.
Das ist nichts anderes, als die Grünen hier beantragt haben: etwas umzusetzen, was Sie sich eigentlich vorgenommen haben. Nun fragt man sich: Was ist da eigentlich passiert? – Nun haben die Grünen Ihnen eine Vorlage geliefert, im März 2014 einen Antrag eingereicht, und seitdem warten wir und warten wir und warten wir, und es kommt eine Ankündigung nach der nächsten und noch einige Ankündigungen.
Herr Schreiber! Das ist jetzt, ich weiß es gar nicht, die dritte Ankündigung, dass wir im Laufe dieser Legislaturperiode noch irgendwelche Anträge zu erwarten haben. Am 11. Juni waren es noch 2 plus 4. Ich habe hier das Protokoll. Damals sagten Sie, Zitat:
Und mir wurde auch seitens der CDU-Fraktion gerade zum Thema Trans- und Intersexualität – Kollege Melzer hat sich dessen sehr angenommen – signalisiert, dass wir eine Lösung finden.
Also offensichtlich der Kollege Melzer!
(Tom Schreiber)
Vielleicht kann ja da noch eine Aufklärung erfolgen. Denn so billig, Kollege Schreiber – so nach dem Motto „Wir sind hier die Guten, die CDU sind die Schlimmen!“ –, kommt man, wenn man in einer Koalition ist, meistens nicht raus.
Also das ist auch leider Ihr Problem.
Zum Ergebnis der Politik muss man sagen: keine Meinung, keine Idee, keine Strategie! Die Strategie kann letztlich nicht sein: Wir geben Geld an die Träger – seit 2010 wird TrIQ durch das Land gefördert –, und dann schneiden wir, sage ich mal, noch nicht mal selbst gebackene Kuchen an. – Das ist keine Strategie, um sexuelle Vielfalt in der Stadt weiter durchzusetzen!
Wir brauchen vielmehr Ziele, die wir hier gemeinsam miteinander verabreden, wir brauchen klare Maßnahmen, und wir brauchen gemeinsam definierte Umsetzungsschritte, und zwar nicht nur hier im Parlament, sondern auch mit den Communities draußen in der Stadt. Davon hört man leider von Ihnen nichts. Insofern stimmt das Motto des diesjährigen CSD: Danke für nichts! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie stellt der Senat die gesundheitliche Versorgung der unregistrierten oder – wie ich jetzt lernte – anregistrierten oder angearbeiteten Flüchtlinge in den sogenannten Notunterkünften, die sich über die gesamte Stadt verteilen, sicher?
Herr Senator Czaja, vielen Dank! – Aber wie kann es dann sein, dass beispielsweise unregistrierte oder anregistrierte Geflüchtete in der Notunterkunft in der Köpenicker Peter-Hille-Straße bei Notfällen anstatt in das nächstgelegene DRK-Klinikum nach Köpenick gefahren zu werden ins Vivantes-Klinikum nach Neukölln gebracht werden und dann nach der Behandlung selber sehen müssen, wie sie von dort wieder zurück nach Friedrichshagen kommen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Behrendt! Ohne jetzt in einen Wettstreit eintreten zu wollen: „Wer hat’s erfunden?“
Bei der Vorbereitung fand ich schon erstaunlich, dass es 2011 einen Entwurf aus der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Frauen, oder wie sie damals hieß, gab, der ziemlich wortgleich mit dem Gesetzentwurf ist, der hier heute vorliegt. Das nur so als Fakt; alles Weitere können wir sicherlich noch diskutieren.
Herr Kollege Behrendt! Ich fand es auch erstaunlich. Auch ich habe in den Koalitionsvertrag von Rot-Schwarz geschaut. Ich habe ein anderes Zitat gefunden. Allerdings sagt es dasselbe. Lieber Kollege Lehmann! Vielleich können Sie mal zuhören.
Wir werden eine gesetzliche Regelung herbeiführen, die von Diskriminierung betroffene Menschen wirksamer unterstützt, eine niedrigschwellige und alle Merkmale umfassende Beratungsinfrastruktur gewährleistet und die die Verwaltung nicht nur in ihrer Rolle als Arbeitgeberin, sondern auch als öffentliche Dienstleisterin in die Pflicht nimmt.
Es geht weiter:
(Rainer-Michael Lehmann)
Diskriminierungsschutz und Diversity-Mainstreaming müssen als Querschnittsaufgaben verstanden werden. Wir werden daher die Kompetenzen der Landesantidiskriminierungsstelle und die Öffentlichkeitsarbeit weiter intensivieren.
Nun liegt hier dieser Gesetzentwurf vor. Die Notwendigkeiten – der Kollege Behrendt hat darauf hingewiesen – ergeben sich aus den Gesetzgebungslücken zum Allgemeinen Gleichstellungsgesetz, das in der Tat nur in den privaten Bereich geht. Ins öffentliche Recht, was Schulen angeht oder auch den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber, reicht es nicht. Und, wenn wir uns noch mal genau angucken: Deutschland war damals eins der letzten Länder, das die EU-Richtlinien zur Antidiskriminierung umgesetzt hat – und dann auch noch schlecht. So sind nämlich die Lücken geblieben. Insofern hat der hier vorliegende Gesetzentwurf nicht nur die Lücke gefüllt, die sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ergibt, sondern er sogar hat aus der Umsetzung des AGG gelernt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten! Ich empfehle Ihnen gern diese Publikation von der Friedrich-Ebert-Stiftung – sie dürfte Ihnen bekannt vorkommen –: „Diskriminierungsschutz weiterentwickeln!“. Erst unlängst wurde auf einer Fachtagung auf Dinge hingewiesen. Beispielsweise finden Sie erstaunlicherweise die Verlängerung der Klagefristen in diesem Entwurf für ein Landesantidiskriminierungsgesetz, die Frage des Verbandsklagerechts und die unabhängige Antidiskriminierungsstelle. Sie wollten selbst in Ihrer Koalitionsvereinbarung die Kompetenzen stärken, haben wir gerade gelernt. Auch das ist in diesem Gesetzentwurf umgesetzt.
Und natürlich – das finde ich an dieser Stelle erwähnenswert – ist auch eine weitere Forderung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in diesem Gesetzentwurf umgesetzt, nämlich die Aufnahme des Diskriminierungsmerkmals der chronischen Erkrankung. Dieses aufzunehmen, wird erfüllt. Im Übrigen: Wenn wir uns die Antidiskriminierungsgesetzgebung in den europäischen Ländern ansehen, dann muss Deutschland im Hinblick auf die chronische Erkrankung nachziehen, sie ist im AGG nicht enthalten. Ich finde, Berlin kann hier mit dem Antidiskriminierungsgesetz Vorreiter sein. Andere Länder haben uns da einiges voraus.
Insofern werbe ich auch für diesen Gesetzentwurf. Wir sollten eine ordentliche Diskussion in den Ausschüssen führen. Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, wenn Sie noch mal in sich gehen und Ihren Koalitionsvertrag angucken, vielleicht auch mal einen Blick in das Heftchen der Friedrich-EbertStiftung werfen – ich glaube, man kann es kostenfrei beziehen –, können Sie Ihre Meinung vielleicht noch mal ändern. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die EUHandelskommissarin Malmström hat unlängst auf einer Pressekonferenz zum Freihandelsabkommen TTIP gesagt, dass es Kritikerinnen und Kritiker am Freihandelsabkommen gebe, die durch keine Argumente zu überzeugen seien, dass TTIP gut sei, selbst wenn sie ihnen allen ein Eis spendieren würde. Insofern schlage ich vor, dass der Kollege Buchner – von mir aus rechts hinter mir – für die Berliner SPD ein Eis für jeden Genossen und jede Genossin anfordert, denn der vorgelegte Antrag, den wir Ihnen heute vorlegen, ist ein Beschluss des SPD-Landesparteitags vom 13. Juni dieses Jahres.
Er fordert ganz klar, CETA in den Ratifizierungsverhandlungen abzulehnen, die TTIP-Verhandlungen und auch die TISA-Verhandlungen abzubrechen, sich dafür einzusetzen, die europäische Bürgerinitiative „Stoppt TTIP!“ zuzulassen und letztlich – das ist ein entscheidender Punkt, wie ich finde – ein neues und transparentes Verhandlungsmandat zu erstellen, wo es um soziale und ökologische Mindeststandards für einen Handel innerhalb der WTO geht, also letztlich um eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Auf den Punkt komme ich gerne zurück.
Die Kritikpunkte an TTIP, aber auch an CETA und TISA sind klar. Es handelt sich hier um Geheimverhandlungen, nach wie vor, auch wenn das Mandat inzwischen offengelegt wurde, der Großteil der Verhandlungen findet hinter verschlossenen Türen statt und selbst die Vertreterinnen und Vertreter der NGOs sagen, dass das, was sie hinterher in den Beratungsrunden erfahren, auch alles in der Zeitung steht. Also sie haben keine wirklichen Informationen, während die Lobbyisten der Industrie den Verhandlern in den USA und auch leider der EU-Kommission auf dem Schoß sitzen. – Eins!
Zweiter Kritikpunkt: Das Investorstreitregelungsverfahren ISDS und selbst der letzte Vorschlag von Kommissarin Malmström, hier ein Handelsgerichtshof einzuführen, ist doch ein absurder Vorschlag. Diese Investorenschutzregelung wurde mal 1957 in einem Freihandelsabkommen der damaligen Bundesrepublik mit Pakistan eingeführt, weil es Sorgen gab, dass es in Pakistan kein ordentliches Rechtssystem gibt. Diese Sorge stellt sich doch nicht, wenn wir über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA reden, oder?
Da ist der ordentliche Gerichtsweg einzuschlagen und keine Sondergerichte.
Es geht um regulatorische Regelungen, Regelungen, die gewählte Parlamente entmachten, weil jede Regelung vorher vorzulegen ist, ob sie denn den Interessen der Investoren genügt, um die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen, ein Thema, mit dem wir hier in Berlin geschlagen sind – ich sage: Wasser und S-Bahn. Es geht darum, dass ACTA durch die Hintertür wiederkommt, weil es auch um Urheberrechtsregelungen geht. Es geht darum, dass Verbraucherschutz flötengeht. Es geht um Regulierung der Finanzmärkte, und – ja, das ist mal ein Punkt, wo die USA uns weit voraus sind, aber die amerikanischen Banken sind deshalb sehr für TTIP, weil sie diese Regelungen loswerden wollen – es geht um die ILO-Kernarbeitsnorm, also um den Kern des europäischen Tarifrechts, um das Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren und gemeinsam Tarifverträge abzu
(Simon Kowalewski)
schließen. Es geht um Kulturförderung, Buchpreisbindung, die in Gefahr sind.
Und: Bilaterale Freihandelsabkommen verstärken die Armut des globalen Südens. Wir hatten unlängst eine Debatte auch zu Flüchtlingen. Und der Kollege von der CDU hat aus meiner Sicht zu Recht darauf hingewiesen, dass es darum geht, Fluchtursachen zu bekämpfen. Wenn es darum geht, Fluchtursachen zu bekämpfen, dann müssen wir in der Tat diese bilateralen Freihandelsabkommen ablehnen und für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung sorgen, damit die Menschen dort, wo sie zu Hause sind, eine Perspektive haben.
Gegen TTIP gibt es Protest in ganz Europa. Bis heute haben 2 854 658 Menschen die selbstorganisierte Bürgerinitiative unterschrieben – viele in Berlin. Ich denke, diesen Protest müssen wir ernst nehmen. Es gibt übrigens am 10. Oktober in Berlin auch eine Demo gegen die geplanten Freihandelsabkommen. Ich habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass auch die Berliner SPD aufgerufen hat, an dieser Demo teilzunehmen.
Wir brauchen die Debatte zu den Freihandelsabkommen – auch hier im Parlament, und es geht nicht – wie gesagt – nur um TTIP, sondern auch um das bereits fertig verhandelt Freihandelsabkommen mit Kanada CETA und um TISA, aus dem Uruguay übrigens jetzt als eines der ersten Länder aus den Verhandlungen ausgeschieden ist.
Die Bundeskanzlerin macht Druck, die Verhandlungen so schnell wie möglich abzuschließen. Also, ich finde, es ist Zeit, dass sich auch das Berlin Parlament auf eine Position verständigt. Insofern war der Landesparteitagsbeschluss der SPD für uns eine gute Grundlage, hier im Parlament zu diskutieren. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Krüger! Ich verbessere Sie ungern, aber Sie sprachen die ganze Zeit von der Sexualität der Menschen. Darum geht es aber nicht. Es geht um sexuelle Orientierung oder sexuelle Identität. Wenn man von Sexualität spricht, klingt es immer nach etwas frei Gewähltem. Dann stelle ich mal die Frage: Wann haben Sie sich denn entschieden, heterosexuell zu sein?
Sie gestatten mir den kurzen Rekurs auf die Kollegin Seibeld: Sie sagte in ihrer Rede heute früh, der Kampf
(Thomas Birk)
gegen Diskriminierung sei mehr als die Änderung von Gesetzen. In der Tat! Deshalb hat der Berliner Senat und die Mehrheit hier im Abgeordnetenhaus 2009 die Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt auf den Weg gebracht. Wir waren der Überzeugung, dass der Kampf gegen Diskriminierung rechtliche Gleichstellung beinhaltet, aber er beinhaltet weitaus mehr. Deshalb haben wir damals ein Themenpaket vorgelegt, das europaweit einmalig war. Berlin war damals spitze. In einem Akteursnetzwerk aus Politik, Verwaltung, Gruppen, Vereinen und Verbänden ist ein Maßnahmenpaket entwickelt worden, das in Europa einmalig war. Es ist vielfach kopiert worden. Berlin hat dafür Preise und Anerkennung bekommen. In anderen Bundesländern – Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen – ist es aufgegriffen und variiert worden. Berlin hatte damals einen Trend gesetzt.
Dann kam die Wahl 2011, und in der Koalitionsvereinbarung von Rot-Schwarz stand der Satz:
Die Initiative „Berlin tritt für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ und das „Bündnis gegen Homophobie“ werden fortgeführt und weiterentwickelt.
Bei dieser Ankündigung ist es leider geblieben. Die Anträge, die von der Opposition, also von den Grünen, den Piraten und uns, 2012 vorgelegt wurden, lungerten in den Ausschüssen herum. Darüber wurde nicht diskutiert. Das geschah erst im letzten Mai. Stattdessen kamen Sie mit zwei Anträgen an, nämlich der Fortschreibung der ISV 1 und 2, wie Sie das nannten.
Ich will jetzt nur auf einen Antrag eingehen, nämlich den Geschichtsantrag. Der Kollege Schreiber hat gesagt, hier würden Zeitzeugeninterviews geführt. In der Ausschussberatung haben wir gesehen, dass drei Zeitzeugeninterviews pro Jahr geführt werden. Das soll die Bewahrung des Gedächtnisses unserer Community sein, wenn es um Verfolgungsgerichte geht. Da muss mehr gemacht werden. Das ist zu wenig.
Faktisch haben Sie die ISV stillschweigend abgewickelt. Im Doppelhaushalt 2014/2015 wurden die Aufwendungen, die immerhin im Doppelhaushalt 2010/2011 noch 2,1 Millionen Euro betragen haben, zusammengestrichen. Selbst die Schwusos haben 2014 festgestellt: Im aktuellen Haushalt ist es noch eine knappe halbe Million Euro. Das ist deutlich weniger als unter Rot-Rot.
Nun wurden – nach den Versprechungen im Koalitionsvertrag – neue Versprechungen gemacht. Es wurden uns im letzten Jahr acht Einzelanträge angekündigt. Zwei sind es geworden. Heute gab es neue Versprechungen. Nun ja, wir werden gucken, was kommt. Bei Herrn Krüger hört sich das dann ungefähr so an: Hört mal zu! Es ist alles in Butter. Macht euch mal keine Sorgen! – Frau Kolat hat
im Ausschuss die Schwerpunkte des Senats benannt, die mit den Anträgen, die Sie vorgelegt haben, nichts zu tun haben. Da geht es nämlich um Trans- und Intersexualität, um Geschichte, um Anti-Gewalt-Arbeit und die Stärkung des internationalen Engagements. Als fünften Punkt nannte sie noch die Flüchtlinge. Den haben aber, glaube ich, wir mit unserem Antrag auf die Agenda gesetzt. Sie können das gerne nachlesen. Die alte ISV hatte sieben Schwerpunkte. Bildung war ein wesentlicher. Darüber wurde noch gar nicht gesprochen.
Kurz zum Flüchtlingsantrag: Wir haben den Antrag vorgelegt. Ich bin sehr dankbar, dass Sie in Ihrem Antrag wenigstens drei Schwerpunkte aufgegriffen haben, nämlich die Sensibilisierung der Leute in den Unterkünften, die Frage, ob Menschen, die unter Gewalterfahrungen leiden, aus den Sammelunterkünften herausgeholt werden können und das Engagement auf Bundesebene. Aber die Beratungsangebote haben Sie herausgelassen. Da kommen Menschen nach Berlin, die eine Flucht hinter sich haben, die es vielleicht in ihrem Heimatland nicht gewohnt sind, sehr offen mit ihrer sexuellen Identität oder Orientierung umzugehen, und wir verlangen von ihnen, dass sie sich einfach in unsere Gesellschaft einfinden. Das, was eigentlich am Anfang stattfinden muss, nämlich Beratung für die Flüchtlinge in den Einrichtungen durch freie Träger, haben Sie einfach wegfallen lassen. Weil Sie diesen wichtigen Punkt vergessen haben, können wir dem Antrag leider nicht zustimmen. – Letztlich, lieber Kollege Schreiber, danke für die Ankündigung! Aber mit dem Versenken der Anträge zementieren Sie heute den Stillstand, den wir vorhin in der Debatte zur rechtlichen Gleichstellung von Lesben und Schwulen gesehen haben. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Zimmermann! Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, der gestern Nachmittag im EU-Parlament gesprochen hat, hat als einen seiner wesentlichen Redepunkte gesagt: Das Retten von Menschenleben muss absolute Priorität haben.
Wenn es nach Ihnen ginge, wäre er mit diesen Worten zu spät gekommen. Aber ich komme später noch dazu, weshalb ich das auch inhaltlich falsch finde. – Ban Ki Moon hat übrigens dazu gefügt, lieber Kollege von der CDU, das Schlepperunwesen zu bekämpfen, wie es jetzt vielfach in aller Munde ist, reiche nicht aus. Wenn, dann geht es um eine umfassende Migrationspolitik und natürlich – das füge ich jetzt hinzu, das haben Sie auch zu Recht gesagt – die Bekämpfung von Fluchtursachen. Gestatten Sie mir aber an dieser Stelle: Zu den Fluchtursachen gehört eben auch, dafür zu sorgen, dass es eine gerechte Weltwirtschaftsordnung gibt. Im Gegensatz zu Ihnen halte ich die Flucht vor Hunger und Not in der Tat für einen hinreichenden Fluchtgrund.
Und wenn wir hier unlängst über die zu beschließenden Freihandelsabkommen zwischen der EU, Kanada und den USA gesprochen haben, dann zementieren eben diese
Freihandelsabkommen auch diese ungerechte Weltwirtschaftsordnung, die Fluchtursachen begründen und sie nicht bekämpfen. Insofern ist das, was Sie hier vorgetragen haben, leider nicht glaubwürdig.
Nun hat uns der Kollege Zimmermann vorgetragen, dass das, was die Mission Frontex macht, weit an Mare Nostrum heranreicht. Falsch! Gestern hat der Chef von Frontex die neue Mission vorgestellt und deutlich gemacht: Für die neue Mission vor Italien – Triton – stehen, in diesem Jahr, wohlgemerkt, 38 Millionen Euro zur Verfügung. Rechne ich das wohlmeinend auf sechs verbleibende Monate um, komme ich lange nicht auf 9 Millionen Euro, lieber Kollege Zimmermann, sondern auf 6,3 Millionen Euro. Das ist dann genau diese Verdreifachung der 2,1 Millionen Euro, die es vorher gab, aber es sind nicht die 9 Millionen Euro von Mare Nostrum.
Schaue ich mir die Ziele an, dann wird deutlich, dass aus diesem Geld eine neue Frontex-Niederlassung in Sizilien aufgemacht wird – das kostet ja gar nichts –, und es werden neun Befragungsteams eingerichtet, die die ankommenden Flüchtlinge in Sizilien befragen sollen, mit wem sie gefahren sind, wer sie eingeladen hat, wo die Boote herkamen – als wäre es das ursächliche Ziel dieser Menschen, diese Erkenntnisse herauszukriegen und weiterzugeben. Die sind froh, dass sie lebend übers Mittelmeer gekommen sind, und dann sollen sie so befragt werden! Das ist unglaublich, und dass Sie das so stützen, macht mich wütend!
Ich will gerne noch einmal Willy Brandt zitieren, den ich auch in der ersten Rederunde zitiert habe: Wer Unrecht duldet, stärkt es. – Sie dulden durch Nichtstun und Zuwarten.
Insofern, denn es hat auch etwas mit den Grundwerten der Europäischen Union zu tun, das Recht auf Leben steht in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ist Heribert Prantl zuzustimmen, der gesagt hat:
Die EU ist Träger des Friedensnobelpreises. Einer EU, die dem Sterben zuschaut, sollte der Preis wieder weggenommen werden.
Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 70. Jahrestag der Befreiung markiert auch die Befreiung vieler Häftlinge, die mit rosa Winkel in den faschistischen Konzentrationslagern saßen, durch Soldaten der roten Armee.
Vielen Dank! – Dafür empfinden wir nicht nur Dankbarkeit, sondern das ist uns auch Verpflichtung und Auftrag. Denn Berlin hat gelernt, zerstörte Vielfalt kostet unsere Gesellschaft viel. Es ist total wichtig, dass wir uns als Stadt dafür einsetzen, dass sexuelle und geschlechtliche Vielfalt Teil unserer Stadt, aber auch Teil einer offenen Gesellschaft ist.
Am 30. Juni 2013 trat in der Russischen Föderation ein Gesetz in Kraft, das gemeinhin als Gesetz gegen Homopropaganda bezeichnet wird, der offizielle Name ist „Gesetz gegen die Propaganda von nichttraditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen“. Im Klartext heißt es: Lesben und Schwulen, Bi- und Transsexuellen und Intersexuellen, die sich in der Öffentlichkeit zu ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität bekennen, drohen Strafen. Und letztlich ist dieses Gesetz auch eine staatliche Ermutigung für Homo- und Transfeindlichkeit. Seit der Inkraftsetzung dieses Gesetzes, aber auch vorher schon, es galt nämlich vorher schon in einigen Orten in Russland, beispielsweise in Sankt Petersburg, hat die Anzahl von Übergriffen auf bis hin zu Morden an Lesben und Schwulen in Russland dramatische Zahlen erreicht. Man muss sagen, die russische Zivilgesellschaft kämpft engagiert gegen dieses Gesetz, aber sie braucht Unterstützung aus dem Ausland. Der Regierende Bürgermeister hat heute früh in seiner Rede in der Aktuellen Stunde gesagt, es sei wichtig, sich berühren zu lassen vom Schicksal von Menschen, die in Not sind. Darum geht es an dieser Stelle, sich berühren zu lassen vom Schicksal von Menschen, die in Not sind, nicht nur in unserer Partnerstadt Moskau, sondern in ganz Russland.
Als im Mai 2013 hier im Abgeordnetenhaus das erste Mal über dieses Thema diskutiert wurde – damals wurde unter Verweis darauf, dass man ja hier keine Außenpolitik mache, die Beschlussfassung abgelehnt –, kündigten die Sprecher der Koalition konkrete Ideen an, wie man jetzt tatsächlich in der Städtepartnerschaft, aber auch
anders gegen dieses Gesetz vorgehen könne. Nun, wo sind diese konkreten Ideen? Wir wollten Ihnen mit dem Antrag helfen und haben ganz einfach drei Dinge da reingeschrieben, nämlich der Senat sollte uns sagen: Was ist bisher getan worden in den Städtepartnerschaftsbeziehungen? Was ist geplant? Und wie werden Nichtregierungsorganisationen einbezogen? – Ich finde, drei Dinge, die konkret sind, die beantwortbar sind und die eigentlich nicht weiter geschadet hätten. Der Senat hätte antworten können, und Berlin hätte sich zu seiner Verantwortung, die auch aus der Geschichte erwächst, bekannt.
Stattdessen lag der Antrag ziemlich lange im Ausschuss. In der Zwischenzeit hat bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi im letzten Jahr Staatssekretär Statzkowski ganz tapfer einen Regenbogenschal getragen; nun ja, eine Sache. Aber wie wird die Position Berlins in den partnerschaftlichen Beziehungen zu Moskau einbezogen? Ich habe nach partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Berlin und Moskau in einer Kleinen Anfrage gefragt, und mir wurde geantwortet: Es gibt eine Reihe, im Jugendbereich, in Ausbildungsbereichen. In all diesen Bereichen könnte das eine Rolle spielen. Und es wäre eben nicht der erhobene Zeigefinger, sondern es wäre gelebte Normalität, die tatsächlich vielen Menschen in unserer Partnerstadt, in Moskau, helfen würde. Ich denke, das wäre eine kleine Geschichte gewesen, die tatsächlich Sinn macht.
Sie hätten Zeit gehabt, den Antrag zu ändern, zu ersetzen. Aber Sie neigen ja eher zum Neinsagen, oder njet, wie der Kollege Lehmann-Brauns das vorhin sagte. – Zum Abschluss mal wieder ein Zitat aus dem Buch der Bücher: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“ Nun, wenn es um die Taten geht, sind Sie nicht nur an diesem Thema leider nicht erkennbar. – Danke!
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Deutschland, die EU, wir wollen angesichts dieser Ereignisse nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen verhindern, dass weitere Menschen im Mittelmeer zu Tode kommen. Migration ist schwierig genug.... Migration darf keine Frage von Leben und Tod werden.
Es ist ganz erstaunlich, wie Beifall an dieser Stelle verteilt war. Ich habe eben den Bundesinnenminister aus der Bundestagsdebatte von gestern zitiert. Es kommt offensichtlich in diesem Haus auch darauf an, wer welche Position sagt, und nicht, welche Position er vertritt,
was ich angesichts der Katastrophen, über die wir heute reden, erstaunlich finde.
Wir wollten eigentlich einen Antrag aller Fraktionen. SPD und CDU offensichtlich nicht. Warum eigentlich nicht? Finden Sie, dass das nichts mit Berlin zu tun hat? – Dazu möchte ich einmal drei Gedanken vortragen. Erstens: Ohne Menschen, die auch auf der Flucht nach Berlin gekommen sind, wären wir immer noch das kleine Fischerdorf im Sumpf an der Spree.
Das sind wir aber nicht. Zweitens: Sie ignorieren die Fluchterfahrung vieler Berlinerinnen und Berliner. Ich
erinnere an einen Regierenden Bürgermeister dieser Stadt, der seine Heimat auch einmal über ein Meer verlassen musste. Ich erinnere aber auch an Käthe S., wenn Sie die Ausstellung draußen der Sozialstiftung Köpenick anschauen und Menschen, die Fluchterfahrung in unserer Stadt haben und denen vielleicht nahe geht, was auf dem Mittelmeer passiert. Drittens ignorieren Sie das Engagement vieler Berlinerinnen und Berliner heute für Flüchtlinge in unserer Stadt, die sich mit dem Leben und der Flucht der Flüchtlinge auseinandersetzen und die dazu auch eine Beziehung haben.
Wir haben uns zu Beginn der Sitzung erhoben, um der ertrunkenen Menschen zu gedenken. 800 Menschen, hat der Präsident gesagt, sind seit vergangenem Sonntag gestorben. Jeden Tag sterben aber Menschen im Mittelmeer. 400 waren es Anfang vergangener Woche, über 800 Ende letzter Woche, am Montag wieder 300 vor Rhodos. Das sind nur die Zahlen, die wir kennen.
Willy Brandt hat gesagt: „Wer Unrecht duldet, stärkt es.“ Deshalb wollen wir dieses Unrecht nicht dulden, sondern handeln. Mare Nostrum, die italienische Seenotrettungsmission muss wieder aufgelegt werden.
Wer sich auf der Seite des italienischen Verteidigungsministeriums über die Mission informiert, kann nachlesen, dass die italienische Marine und Luftwaffe insgesamt 421 Operationen in dem Jahr, in dem Mare Nostrum galt, durchgeführt und 150 810 Menschen gerettet hat. Das waren 150 810 Menschen, die nicht sterben mussten. Sie haben das übrigens zu einem Budget von 9 Millionen Euro pro Monat getan.
Auf Druck der EU und auch aus Deutschland, weil der Bundesinnenminister damals die Position vertrat, man darf die Leute nicht an Bord von Schiffen holen und nach Europa bringen, weil es andere ermutigen würde, musste dies beendet werden und wurde durch die FrontexMission Triton ersetzt, die über ein monatliches Budget von 2,3 Millionen Euro verfügt. Nun wird über eine Verdoppelung gesprochen. Verdoppelung heißt 4,6 Millionen Euro. Auch das wäre nur die Hälfte dessen, was Mare Nostrum hatte. Das ist nicht genug.
Nun gibt es eine Initiative aus dem Europaparlament, einen offenen Brief an den Parlamentspräsidenten, das Budget der Europäischen Union zu blockieren, unterstützt aus allen Parteien – zumindest den demokratischen, wie ich erfreut zur Kenntnis nehme –, wenn Mare Nostrum nicht wieder aufgenommen wird. Es gab am Montag eine Kolumne von Gerd Müller, dem Entwicklungsminister, immerhin CSU-Mitglied, der deutlich formulierte – das stand in der „B.Z.“:
Wir machen uns mitschuldig, wenn das Mittelmeer jetzt zum größten Friedhof Europas wird. Wir brauchen eine sofortige Wiederaufnahme der Rettungsaktion „Mare Nostrum“ durch die Europäische Union. Am Geld darf es nicht scheitern. Wenn nötig, können wir eine Vorfinanzierung leisten. Notwendig ist darüber hinaus, dass wir Länder wie Italien, Griechenland und Malta, an deren Küsten die Flüchtlinge stranden, unterstützen.
Wir sollten heute gemeinsam dem Senat den Auftrag erteilen, aktiv zu werden, ganz im Sinne von Harald Höppner, der am Sonntag bei „Günther Jauch“ zu mehr Taten aufgerufen hat und zu weniger Worten. Es geht auch um einen Lackmustest, ob die viel beschworenen europäischen Werte tatsächlich etwas wert sind, ganz im Sinne von Matthäus 25 – und gestatten Sie mir, dass ich das noch zitiere: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.“ – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frage, mit der wir uns heute befassen, ist eine elementare Frage von Gleichbehandlung – Herr Krüger hat darauf hingewiesen. Unser Grundgesetz formuliert – und Herr Spies hat diesen Satz in seiner Rede zitiert –: Niemand darf aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden.
(Marianne Burkert-Eulitz)
Die Situation, die wir hier aber haben – dass Menschen mit Behinderung, die als Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in psychiatrische Einrichtungen waren, explizit vom Heimkinderfonds ausgeschlossen waren –, ist eine Ungleichbehandlung. Diese muss beendet werden. Wir brauchen hier eine sehr schnelle Lösung.
Darauf hat übrigens der Bundestag schon im Juni 2011 hingewiesen und die Bundesregierung aufgefordert, im Einvernehmen mit den Ländern auch für diese Personengruppe eine Regelung zu schaffen. Geschehen ist bis heute nichts.
2013 haben die Arbeits- und Sozialminister sich zuerst für einen solchen Heimkinderfonds ausgesprochen, also auch für die Kinder und Jugendlichen, die in Heimen der Behindertenhilfe und in der Psychiatrie waren. Im November 2014 haben sie allerdings gesagt: Nein, wir wollen das in das Regelsystem überführen. – Dazu wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Jetzt soll es in weiteren Ministerkonferenzen – nämlich noch mit den Jugend- und Familienministern und den Gesundheitsministern – beraten werden. Also: Arbeitsgruppen, Arbeitsgruppen, Arbeitsgruppen!
Herr Spies hat darauf hingewiesen: Obwohl es die Bereitschaft der Bundesregierung, des Landes Bayern und der Kirchen gibt – die Länder blockieren. Das kann einfach nicht sein. Angesichts des zunehmenden Alters der Betroffenen gibt es hier eine Zeitnot. Wir brauchen eine schnelle Lösung. Selbst wenn man über eine Überführung in Regelsysteme nachdenkt: Eine Lösung muss jetzt gefunden werden, und die kann über den Fonds passieren. Deshalb ist es richtig, diesem Antrag zuzustimmen. Alles andere wäre schäbig. Der Senat hat in der Osterpause Zeit, seine Haltung zu überdenken.
Wenn wir dann wiederkommen
ich habe das ja gehört, auch die CDU ist dafür, dass es eine schnelle Lösung gibt –, dann sollten wir gemeinsam
darauf hinarbeiten, dass tatsächlich eine unbürokratische Lösung für die Betroffenen gefunden wird. – Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Grundgesetz – ich habe es Ihnen mal mitgebracht –
(Andreas Baum)
klein, aber oho! –
postuliert in Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Meine Würde ist antastbar, wie ich lernen musste, weil ich auf Grundlage meiner HIV-Infektion gesellschaftlich diskreditiert werde. Ich werde mit einem Etikett „Ansteckungsgefahr“ versehen, obwohl das nachweislich falsch ist. Nebenbei bemerkt: Wenn ich in Großbritannien Chirurg wäre, könnte ich als behandelter HIV-Positiver dort operieren. Hier erklären CDU und SPD allerdings, dass ich für einen Polizisten, eine Polizistin eine Gefahr bin,
auf die hingewiesen werden muss.
Ich weiß – und sicherlich werden Herr Zimmermann und Herr Juhnke uns darüber aufklären –: Nicht jeder HIVPositive kommt in diese Dateien. Wie man aber in die Dateien kommt, das, so der Berliner Datenschutzbeauftragte, ist für ihn selbst nicht erklärbar. Insofern müssen alle damit rechnen, dass sie in Situationen kommen, wo sie dort gespeichert werden.
Dieses Vorgehen – auf Grundlage eines Merkmals diskreditiert zu werden – nennt man Stigmatisierung. Was Sie hier tun, ist stigmatisierend. Diese Speicherung ist stigmatisierend!
Sie argumentieren mit Eigensicherung. Eigensicherung – wenn es um die Krankheiten geht, die hier angeführt worden sind, Hepatitis B, Hepatitis C und HIV – geht anders. Gegen Hepatitis B kann man sich impfen lassen. Wer eine berufliche Exposition hat, dem ist nach der Empfehlung der ständigen Impfkommission eine Impfung sogar empfohlen. Bei Hepatitis C gibt es mittlerweile wirksame Behandlungen, die ein Ausheilen innerhalb weniger Wochen zur Folge haben. Bei HIV gibt es mittlerweile eine erfolgreiche Postexpositionsprophylaxe, also die „Pille danach“. Mit dieser Speicherung gaukeln Sie den Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei eine falsche Sicherheit vor. Ich finde, Ihr Vorgehen ist verlogen!
Ausgrenzung und Diskriminierung töten, sagt die Deutsche Aidshilfe, und ich finde, sie hat recht. Wer Angst haben muss, aufgrund seines HIV-Status‘ ausgegrenzt zu werden, vermeidet einen HIV-Test wahrscheinlich, während derjenige, der sich Klarheit schafft und in Behand
lung begibt, sein Leben retten kann. Ihr Vorgehen, zum ersten Mal seit Ausbruch der Aidsepidemie eine namentliche Speicherung zu ermöglichen, bricht mit der liberalen Aidspolitik in Deutschland, die in den Achtzigerjahren entwickelt wurde. Also: Gauweiler reloaded. Damals haben Rita Süssmuth – eine CDU-Politikerin – und in Berlin Ulf Fink für eine liberale Aidspolitik gesorgt. Was hier nun passiert, ist das genau Gegenteil, wie gesagt: Gauweiler reloaded. Eine Politik, die sich gegen aktuelle Erkenntnisse richtet, verdient den Namen reaktionär. Das ist im Jahr 2014 ein veritabler Skandal!
In der Abstimmungsempfehlung, die Sie uns vorlegen, schlagen Sie vor, die Ausgrenzung mit einem neuen Namen zu versehen. Darum geht es aber nicht. Es geht nicht darum, einen neuen Namen zu finden, sondern diese diskriminierende und ausgrenzende Praxis zu beenden.
Gestatten Sie mir zum Schluss eine persönliche Bemerkung. Denen aus den Koalitionsfraktionen, die heute aus Anlass des Welt-Aids-Tages, der ja in wenigen Tagen stattfindet, die rote Schleife tragen, möchte ich sagen: Machen Sie das ab! Ihre Solidarität ist Heuchelei, und ich finde das unerträglich!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte um TTIP hat nicht erst im März begonnen, als der Antrag der Piraten hier gestellt wurde. Nein, bereits im Februar hat der Kulturausschuss dankenswerterweise die erste Anhörung zum Thema TTIP durchgeführt, und Herr Zimmermann vom Deutschen Kulturrat hat dort Rede und Antwort gestanden. Im März gab es die Plenardebatte, und es ist darauf verwiesen worden: Herr Zimmermann hat hier eindrucksvoll rote Linien bei ISDS und den Rechten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgestellt. Wir hatten dann im Juni die Anhörung im Europaausschuss und im Rechtsausschuss, der auch für Verbraucherschutz zuständig ist. Und die Anzuhörenden aus dem EP, vom DGB und vom Forum Umwelt und Entwicklung haben auf eine Reihe von Problemen und Fallstricken hingewiesen, die in der Debatte tatsächlich in den Ausschüssen auch hin- und hergewälzt worden sind.
Aber was passiert heute? – Die Koalition lehnt die vorgelegten Anträge ab, und – wie gesagt – in den Ausschussberatungen, sowohl in dem Wirtschaftsausschuss als auch im Europaausschuss, sind keine Änderungsanträge gestellt worden. Das heißt also, das Abgeordnetenhaus würde, wenn es heute nach der Mehrheit geht, nichts zu der Diskussion um die Freihandelsabkommen CETA und TTIP beschließen. Da muss man mal sagen: Moment mal! Das Berliner Abgeordnetenhaus äußert sich nicht, wenn die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Gefahr sind. Wir äußern uns nicht, wenn Verbraucherschutzstandards in Gefahr sind, und in der Tat, Frau Bentele, sie sind in Gefahr, weil USA und EU unterschiedliche Prinzipien beim Verbraucherschutz haben – auf der einen Seite das Vorsorgeprinzip, auf der anderen
(Hildegard Bentele)
Seite das Nachsorgeprinzip. Dass da Zweifel und Skepsis bestehen, muss doch eigentlich jedem klar sein.
Das Berliner Abgeordnetenhaus äußert sich nicht, wenn Unterentwicklung im globalen Süden fortgeschrieben und verschärft wird. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen aktuellen Bericht in der „Süddeutschen Zeitung“, der ein Sinken des Pro-Kopf-Einkommens – beispielsweise in Mexiko von über 7 Prozent – durch das Freihandelsabkommen voraussieht. Und wenn wir uns dieser Tage mit der Situation von Flüchtlingen in unserer Stadt beschäftigen, dann hat auch das damit zu tun, weil Unterentwicklung und fortgeschriebene Unterentwicklung führt dazu, dass Menschen ihre Heimat verlassen, weil sie zu Hause keine Perspektive mehr für sich sehen. Das heißt, wir bekämpfen an dieser Stelle keine Fluchtursachen, sondern wir verschärfen sie. Das muss an dieser Stelle auch mal gesagt werden, denn es hat mit unserer Stadt zu tun.
Wir äußern uns nicht zu ISDS, und – es ist in den Debatten oft beschönigend als Streitbeilegungsmechanismus benannt – wir äußern uns nicht dazu, wenn über ISDS gewählte Parlamente entmachtet werden. Und, Frau Bentele, wir äußern uns auch nicht, wenn sich sogar 85 Prozent des deutschen Mittelstandes skeptisch zu TTIP und CETA äußern. Wir als Linke fanden, dass es nicht richtig ist, und wollten an der Stelle auch dem Bundeswirtschaftsminister, der ja tapfer gegen ISDS kämpft, den Rücken stärken. Deshalb haben wir die Aufgabe der SPD übernommen und mit den anderen Oppositionsfraktionen einen Änderungsantrag vorgelegt, der die roten Linien aufnimmt, die Herr Zimmermann hier im März formuliert hat. Für Sie dürfte das wenig erstaunlich sein. Er kommt Ihnen bekannt vor, denn viele von Ihnen aus der SPD-Fraktion haben dazu am Samstag das Ärmchen gehoben. Es ist nämlich ein Beschluss Ihres Landesparteitags.
Frau Bentele und Herr Zimmermann! Wir im Abgeordnetenhaus haben doch damit zu tun. Wir wissen nicht erst seit dem Gutachten von Herrn Gabriel, dass TTIP und CETA mitbestimmungspflichtig sind. Durch die Länder im Bundesrat ist darüber zu entscheiden. Also haben wir damit zu tun.
Wir wollen Ihnen auf die Sprünge helfen. Der Senat soll beauftragt werden, nicht zuzustimmen, wenn die roten Linien überschritten werden. Also kein Investitionsschutz, kein Klagerecht gegen Staaten durch Unternehmen, Liberalisierung nur über eine Positivliste und nicht
über eine Negativliste, Einhaltung und Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen, die übrigens auch durch CETA gefährdet sind – Kanada hat nämlich auch nur sechs von acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert –, Erhöhung der Umwelt- und Verbraucherschutzstandards als Vertragsziele und das Letztentscheidungsrecht der Parlamente – klar, deutlich, transparent und konsequent!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Sie entscheiden jetzt, ob wir uns als Berliner Parlament dazu äußern, und zwar in dem Sinne, wie es auch Ihr Parteitag beschlossen hat. Ich denke, wir müssen als Berliner Landesparlament unsere Stimme erheben – für die Stadt in der Auseinandersetzung über TTIP und CETA –, damit die vielen Tausende, die die Europäische Bürgerinitiative bisher unterschrieben haben – es sind bis heute 884 431, davon viele aus unserer Stadt –, sagen können – oh, Herr Müller ist gar nicht da –: Geht doch! Wir können die Probleme lösen, und wir werden nach vorn arbeiten. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kreins hat schon darauf hingewiesen: Vor 14 Tagen haben wir hier eine Debatte geführt. Es ging dabei um Nachtfrachtflüge, im Fakt um zwei Postflüge, die jede Nacht nach Tegel kommen. Es war eine leidenschaftliche Debatten vonseiten der Koalition, wo immer wieder auf die 300 000 Menschen in Reinickendorf, Spandau und Pankow hingewiesen wurde, die unter dem zunehmenden Fluglärm in Tegel leiden, der im Übrigen auch tagsüber stattfindet. Ein Zitat aus der Debatte ist es mir wert, heute noch einmal wörtlich eingebracht zu werden. Gesagt hat es der Kollege Friederici, der nach mir noch Gelegenheit hat zu sprechen. Er sagte:
Ziel der Koalition in Berlin ist, den Luftverkehr und auch den Lärm gerecht zu verteilen. Das wird auch so bleiben.
Nun haben Sie über die Entgelte die Möglichkeit, tatsächlich den Luftverkehr und auch die Lärmverteilung zu steuern. Es ist gesagt worden, dass auffällt, dass es verkehrsfördernde Konditionen gibt, wenn man sich die Entgeltordnung für die Berliner Flughäfen anschaut. Da gibt es zuerst den Destinationsförderbetrag und dann einen Volumenförderbetrag. Herr Kreins hat Ihnen die Zahlen alle wunderbar vorgetragen. Bei dem Destinationsförderbetrag stellt sich schon die Frage: Man wird gefördert, wenn man eine neue Destination ab Berlin eröffnet, die zweimal die Woche bedient wird. Im ersten Jahr gibt es – die Konditionen wurden bereits vorgetragen – 80 Prozent, im zweiten Jahr 50 Prozent, im dritten Jahr noch 20 Prozent. Wenn ich jetzt also eine Verbindung nach Münster/Osnabrück – die gibt es nämlich nicht – eröffnen würde, würde ich gefördert werden. Das ist verkehrspolitisch völliger Unsinn. Nach Münster oder Osnabrück kann man besser mit dem Zug fahren. Das ist auch umweltpolitisch besser. Eine solche Destination zu fördern, ergibt verkehrspolitisch überhaupt keinen Sinn. Das ist tatsächlich zu hinterfragen.
Der zweite Punkt, der Volumenförderbetrag ist angesprochen worden. Ja, wir haben einen Unterschied zwischen Schönefeld und Tegel. Wenn wir aber tatsächlich dafür sorgen wollen, den Luftverkehr und den Lärm in Berlin gerecht zu verteilen, muss der Volumenförderbetrag für Tegel fallen. Auch wenn er geringer ist, müssen wir dafür sorgen, dass dort auch weniger Flugverkehr stattfindet. Dann muss man ihn für Tegel streichen.
Zum letzten Punkt meine Damen und Herren von der Koalition: Dieser Antrag und diese Debatte wären überflüssig, wenn BER endlich fertig wäre. Da es aber im Moment nur eine Kreativität bei der Sprache gibt und weniger bei Problemlösungen und wir im Moment nur über Fertigstellungsterminzonen reden und nicht mehr über einen Eröffnungstermin, empfehle ich Ihnen, die Chance zu nutzen, die durch den Antrag besteht, um Ihr Ziel – die gerechte Verteilung des Luftverkehrs und des Lärm – zu erreichen. Nutzen Sie die Chance durch Zustimmung zum Antrag! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Krüger! Ich habe mir das nicht ausgesucht, ich bin vermutlich so geboren worden. Insofern ist das keine selbstgewählte Lebensform. Ich glaube, da liegt schon ein Stück weit ein Denkfehler. Aber vielleicht können Sie sich noch mal damit befassen.
Ich finde, wir müssen am Anfang der Debatte durchaus noch mal zurückdenken. Berlin hat 2009 bis 2011 mit der ersten Initiative sexuelle Vielfalt einen Weg begonnen, der in der Tat revolutionär war, der vielfach wahrgenommen wurde. Dafür ist Berlin von der Europäischen Union mit einem Best-Practice-Preis bedacht worden. In der neuen Koalitionsvereinbarung fand sich dann eine Formulierung zur Fortführung dieser Initiative sexuelle Vielfalt, gut so; das war 2011. Dann verging das Jahr 2012. Der Kollege Birk hat darauf hingewiesen: Anträge der Grünen, der Linken und der Piraten wurden vorgelegt. Dann verging das Jahr 2013, jetzt ist das Jahr 2014 fast zu Ende, und heute wird der erste Antrag beschlossen – einer von acht, zehn, weiß ich nicht wie vielen. Die Idee, genau zu sagen, wir wollen einen fachübergreifenden Ansatz, einen Querschnittsansatz quer durch alle Senatsressorts, wird hier zerstört. Ich glaube, das ist einer
der Kritikpunkte, der an dieser Stelle genannt werden muss, weil er die ursprüngliche Idee der Initiative zur Akzeptanz sexueller Vielfalt kaputtmacht.
Ja, Herr Schreiber, wir waren überrascht, wie denn auch anders, wenn eine Minute vor Beginn der Ausschusssitzung ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgelegt wird, der in der Tat vier der sechs Punkte, die die Opposition in einem Änderungsantrag vorgeschlagen hat, übernimmt. Alles gut so, die Kooperationsfragen, die Fragen für den Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen, die Aufnahme der Liegenschaftspolitik in die sehr schwammige Formulierung ihres letzten Punktes und die Übernahme des Berichtsdatums. Das sind alles gute Punkte, daran gibt es nichts zu meckern. Aber klar ist: Wenn wir in diesem Feld agieren wollen wie in jedem anderen, ist es wichtig, Daten zu haben. Wir müssen wissen, worum es geht. Ich verweise wie bereits in der Ausschussberatung, die übrigens kürzer gedauert hat als die Aussprache hier heute, auf die Antwort auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Lederer, 17/13959, wo der Kollege Lederer den Senat fragt: Gibt es neue Erkenntnisse über die Lebenssituation, Bedürfnisse und Förderbedarfe von LSBTTI-Senioren im Alter? Und der Senat antwortet: Nö! – An der Stelle dann gerade zu sagen: Diese Evaluation, die eine Befragung von Trägern beinhaltet, wo es um eine Datenlage geht, damit wir besser agieren können – das kommt dann raus, und das wird dann auf den nächsten Doppelhaushalt verschoben. Wir warten weitere zwei Jahre. Ist das 100 Prozent? Na, aber hallo!
Also liebe Kolleginnen und Kollegen, und ich sage es mal zur SPD, weil ich von Muttis Bauchschmerztruppe an dieser Stelle nicht so viel erwarte, aber liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Sie haben den Lesben, Schwulen, Bi-, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen dieser Stadt 100 Prozent Gleichstellung versprochen. Wir sind jetzt auf halbem Wege, und die Opposition fordert einen Schritt mehr. Also wenn Sie diese 100 Prozent in der Tat versprechen und das auch einhalten wollen, dann gehen Sie diesen Schritt mit uns, denn wir wollen nicht länger darauf warten. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um wohlmeinend zu beginnen: Der Fortschritt ist eine Schnecke. Während die CDU 2009 immerhin noch den Saal verlassen hatte, als die erste ISV beschlossen wurde,
bringt sie jetzt zusammen mit der SPD schon den zweiten Antrag zur Fortschreibung der ISV ein, allerdings, und das ist schon in der Debatte zum ersten Antrag gesagt worden, hat der Wahnsinn kein Ende, nach dem peinlichen Antrag I jetzt die Nr. II, die dem in nichts nachsteht.
Man muss sich das mal vorstellen: In der Stadt Magnus Hirschfelds, in der Stadt Karl Heinrich Ulrichs’, in der 1897 das wissenschaftliche Komitee gegründet wurde, in der eine Frau wie Claire Waldoff sang, in der eine Zeitschrift wie „Die Freundin“ erschien, in der Anna Rüling die erste lesbenpolitische Rede der Welt gehalten hat, mithin dem Geburtsort der ersten Emanzipationsbewegung von Lesben, Schwulen, Bi- und Transmenschen, mit einem solchen Antrag zu kommen, treibt einem die Schamesröte ins Gesicht, finde ich.
Sich hier hinzustellen und sich selbst zu feiern, ist ziemlich peinlich. Das Wenige, was an inhaltlicher Substanz in diesen Anträgen vorhanden ist, ist aus den Anträgen der Opposition abgeschrieben, und dann auch noch schlecht.
(Dr. Klaus Lederer)
Wenn man sich den Antrag mal anschaut: Was erwarten die Koalitionsfraktionen eigentlich von ihrem Senat? – Zu prüfen, zu initiieren, darauf hinzuwirken, zu unterstützen, sich weiterhin einzusetzen etc. – das ist alles. Sie stellen keine konkreten Aufgaben mit einem Datum, bis wann abgerechnet werden muss. Wenn das alles ist, sollten Sie nicht erstaunt sein, wenn das die Berlinerinnen und Berliner ähnlich sehen, dass man von diesem Senat nicht mehr viel erwarten kann.
Das Erfolgsrezept der ISV aus dem Jahr 2009 war im Übrigen – und die Kollegin Kofbinger hat es angesprochen – der breite Dialog darüber, davor und währenddessen in den Communitys mit den Trägern, Gruppen und politisch Engagierten in dieser Stadt. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Partizipation, wie sie das immer so gerne sagen, aber es reicht leider nicht, es auf Wahlplakate zu schreiben, man muss es auch tun.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie den Prozess der ISV retten wollen, lassen Sie Ihre Anträge genauso wie die der Opposition in den Ausschüssen liegen, und laden Sie zur offenen Debatte ein! Dann – bin ich sicher – kommt dabei auch was Konkretes, Abrechenbares raus. Um mal ein Bild zu bemühen: Das Absurde an der Situation im Moment ist doch, dass Sie sich hier als Regierungsfraktionen nicht anders verhalten als der CSD e. V. Sie lehnen die offene Debatte mit den Communitys in der Stadt ab, sondern werfen den Leuten Dinge vor die Füße und ziehen dann Ihr Ding einfach durch, koste es, was es wolle.
Apropos Kosten: Lieber Kollege Evers! In dem Antrag – auch das ist schon gesagt worden – steht nichts darüber, wie beispielsweise die Studie, das Einzige, das hier konkret benannt ist, bezahlt werden soll. Damit mir hier nicht unterstellt wird, ich mache jetzt hier schlimme Propaganda, zitiere ich jetzt einfach mal aus einem Faltblatt, das mir am Wochenende auf dem Stadtfest von den Schwusos in die Hand gedrückt wurde:
Im Doppelhaushalt 2010/2011 war die ISV mit 2,1 Millionen Euro veranschlagt, wodurch eine Vielzahl von Projekten ins Leben gerufen werden konnte. Im aktuellen Haushalt sind es noch knapp eine halbe Million Euro. Dieser Betrag sichert den Fortbestand einiger weniger Projekte auf niedrigem Niveau. Er gewährleistet jedoch weder, dass neu geschaffene Strukturen genutzt und neue Richtlinien umgesetzt werden können, noch dass die ISV tatsächlich weiterentwickelt werden kann, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
Wie gesagt, das sagen die Schwusos.
Zusammenfassend: Inhaltlich ist Ihr Antrag ein Ausfall. Die Ziel- und Aufgabenstellung ist schwach,
Abfrage und Einbindung der Expertise aus den Communitys null. Sie haben also keine Ideen, wursteln vor sich hin, zerstören die Vorreiterrolle Berlins zur Akzeptanz sexueller Vielfalt und verweigern den Dialog mit der Stadtgesellschaft. Wenn Leute mich fragen, weshalb sie am Wochenende zum CSD auf die Straße gehen sollen, hier waren Gründe. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Sonntag entscheiden wir nicht nur über die Zukunft des Tempelhofer Feldes – also eigentlich über die Frage, wem die Stadt gehört, einem betonverliebten Senat oder den Berlinerinnen und Berlinern –, sondern wir wählen auch ein neues Europäisches Parlament. In der Debatte in unserer Stadt und leider auch hier im Haus ist es erstaunlich leer geworden. Nach der Aktuellen Stunde scheinen die Themen manchmal etwas unterzugehen.
Auch, wenn sich die Kollegin Schillhaneck bei den anderen europapolitischen Sprecherinnen und Sprechern für die gemeinsame Initiative bedankt hat, so fand ich das unwürdige Gezerre im Vorfeld doch etwas schwierig. Vielleicht schaffen wir es in fünf Jahren, gleich zu Beginn etwas Gemeinsamen hinzukriegen.
Aber ich glaube, das spiegelt auch ein Problem wider, dem wir uns alle gemeinsam stellen müssen.
Vielen Berlinerinnen und Berlinern – leider auch hier im Haus – scheinen die EU, Brüssel und Straßburg weit weg zu sein. Die Regelungen, die da gemacht werden – es sind die Gurken angesprochen worden, und die finden Sie erstaunlicherweise auch in den Reden vieler Kandidatinnen und Kandidaten –, sind selbst, wenn sie auf Deutsch im Internet verfügbar sind, für viele Menschen oft unverständlich. Das ist, so meine ich, gewollt von denen, die in Brüssel und Straßburg den Ton angeben, und das sind zuerst die nationalen Regierungen der 28 Mitgliedsstaaten. Wenig überraschend spielen die Regierungschefs der großen Länder eine gewichtige Rolle.
So plakatiert die Union – Mitglied der EVP – ehrlicherweise zwar in Deutschland Angela Merkel zur Europawahl, die Mitgliedspartei der EVP in Griechenland, die Nea Dimokratia, hätte wohl ein erhebliches Mobilisierungsproblem damit.
Eigentlich wählen wir auch kein Europäisches Parlament – das muss einmal gesagt werden –, sondern 28 Teilparlamente, die nach 28 Wahlrechten in 28 Mitgliedsländern gewählt werden und in Brüssel und Straßburg als ein Parlament zusammentreten.
Auf der anderen Seite erleben wir einen Wahlkampf, der eher Fragen hinterlässt als beantwortet. Die Union, also die CDU, gibt bekannt, dass alles schon werde. Die SPD kämpft für Mitbestimmung und Partizipation, aber wahrscheinlich nur auf europäischer Ebene. Die Grünen sind für Klimaschutz, und die Piraten können nicht, wenn jemand zuschaut. – Ah ja!
Dass es am Sonntag um eine wichtige Entscheidung geht, dass die Stimme der Bürgerinnen und Bürger Gewicht hat, dass es um nichts weniger als um den zukünftigen Weg der EU geht – – Wo finden die Bürgerinnen und Bürger diese Informationen? Das Parlament, das wir am Sonntag wählen, wird beispielsweise über die Frage entscheiden müssen, ob die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA weiterverhandelt werden bzw. in Kraft treten oder nicht. Ich würde mich da von wohlfeilem Wortgeklingel nicht beirren lassen. Während die SPD verkündet, sie lehne ISDS, den undemokratischen Investorenschutz, ab, stimmte sie am 16. April im Europaparlament einer Entschließung zu ISDS zu. Während die CDU uns mit Wohlstand und Arbeit bezirzt, zwingt ihre Politik im Süden Europas ganze Volkswirtschaften in die Knie und beraubt die Menschen, zum Beispiel in Griechenland, ihrer Zukunft. Glauben Sie denn im Ernst, eine Jugendarbeitslosigkeit von 60 Prozent sei eine Bagatelle? Jede Familie in Griechenland hat die Hoffnungslo
sigkeit und die Zukunftsangst im Haus. So etwas zerstört eine Gesellschaft nachhaltig, und dem gilt es, ein Zeichen der Solidarität entgegenzusetzen.
Und dass die Freihandelsabkommen sehr wohl mit Berlin, mit uns, den Berlinerinnen und Berlinern, zu tun haben, will ich an einem Beispiel deutlich machen. Wir reden hier in der Debatte in der Stadt über Flüchtlinge, die auf der Suche nach einem sicheren Leben, Wohlstand und einer Zukunft für sich und ihre Familien hier herkommen. Diese Flüchtlinge verlassen ihre Heimat nicht aus freien Stücken, sondern sie werden durch Kriege und Unterentwicklung gezwungen. Deshalb ist es notwendig, Fluchtursachen zu bekämpfen und zu den Freihandelsabkommen Nein zu sagen, die auf der einen Seite den Wohlstand in einigen Ländern erhöhen, während sie die Unterentwicklung und Armut in Subsahara-Afrika und Lateinamerika verstärken. Deshalb ist es wichtig, wählen zu gehen. Es hat eben auch Auswirkungen auf unsere Stadt.
Nicht nur in Griechenland, sondern auch hier wenden sich Menschen von der EU und ihren Institutionen ab, weil sie allzu oft als Vorwand gebraucht werden. Viele Menschen hören oft: Wir können da leider nicht helfen. Die EU verbietet das. – Das ist feige, meine ich. Diese Regelungen der EU sind ja nicht vom Himmel gefallen. Die Feiglinge selbst haben diese Regelungen in Nachtsitzungen verabredet. Auch diese Feigheit, dieses Zeigen mit dem Finger nach Brüssel ist antieuropäisch und nicht der Protest dagegen.
Wir treten als Linke für ein Parlament mit allen Rechten in der EU ein. Wir können wir das, wenn wir beim Beklagen der aktuellen Zustände bleiben? Wenn wir denen, die die EU und ihre Gründungsidee des Friedens und der Solidarität, der gemeinsamen Kultur, der Völkerverständigung und der Freiheit für ihre Zwecke missbrauchen, das Handwerk legen wollen, müssen wir zur Teilnahme an der Wahl ermutigen. Nur ein starkes und selbstbewusstes Europaparlament kann seine Stimme laut und deutlich erheben. Stärke und Selbstbewusstsein wachsen aber nicht auf einer niedrigen Wahlbeteiligung.
Sie, liebe Berlinerinnen und Berliner, haben es in der Hand. Ihre Stimme entscheidet. Sie entscheidet nach dem Wegfall der 3-Prozent-Hürde auch, wie viele Stimmen in Deutschland notwendig sind, um einen Sitz, aber auch zwei oder drei zu bekommen. Ich will, dass von unserem Berlin ein klares Signal ausgeht. Nazis und Rechtspopulisten haben in unserer Stadt keine Chance.
Ob sie eine Chance haben, entscheiden Sie, liebe Berlinerinnen und Berliner mit ihrer Stimme für demokratische Parteien. Wenn Sie zu Hause bleiben, haben die Stimmen anderer für Nazis und Rassisten mehr Gewicht, oder, anders gesagt: Schlechte Politiker werden von guten Menschen gewählt, die nicht zur Wahl gehen.
Wir in Berlin haben nichts zu verschenken, unsere Stimme erst recht nicht. Deshalb gilt am Sonntag: Geht wählen, Nachbarn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Warum hat Berlin in der gestrigen Gesellschafterversammlung des Flughafens den Vorschlag von Brandenburg und auch Kompromissangebote zum Thema Nachtflugverbot unter Inkaufnahme einer nachhaltigen Zerstörung unseres Verhältnisses zum Nachbarn abgelehnt?
Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben sich in der Zeitung auch mit Aussagen zur Frage der Wirtschaftlichkeit zitieren lassen. Dazu haben Sie jetzt leider nichts oder nur etwas in Ansätzen gesagt. Mich interessiert, auf welcher Grundlage wird denn dort argumentiert? Wenn es da Papiere gibt, können Sie die dem Abgeordnetenhaus zur Verfügung stellen?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Friederici! Ihr Landesverband in Brandenburg tritt im Übrigen für ein Nachtflugverbot von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr ein.
Dazu habe ich jetzt nichts gehört. Der letzte DDRMinisterpräsident gehörte, so glaube ich, auch der CDU an.
(Oliver Friederici)
Über 26 000 Berlinerinnen und Berliner unterschrieben den folgenden Text:
Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr – Verhandlungen mit Brandenburg. Jetzt! Das Abgeordnetenhaus möge den Senat bzw. die Vertreter des Landes Berlin in der FBB auffordern, unverzüglich Verhandlungen mit den Mitgesellschaftern in der FBB zur Einführung eines Nachtflugverbots von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr in Tegel, Schönefeld und am künftigen BER aufzunehmen.
Diese Unterschriften wurden dem Präsidenten im November übergeben. Am 14. Januar dieses Jahres wurde die Volksinitiative mit der Drucksache 17/1390 ein Vorgang des Hauses. Die Volksinitiative wurde in den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr überwiesen. Dort fand am 12. März die Anhörung statt. Es war eine beeindruckende Veranstaltung, wie ich finde. Die Argumente für eine erneute Beratung waren und sind gewichtig.
Wir haben alle Herrn Ebert von der Friedrichshagener Bürgerinitiative gehört. Für die, die nicht da waren, zitiere ich ihn gern: