Protokoll der Sitzung vom 14.01.2016

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion, und ich erteile dem Kollegen Dr. Weiß das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Es ist heutzutage kaum noch zu bestreiten, dass der Zugang zum Internet Teil der Daseinsvorsorge in der modernen Gesellschaft ist. Die Bedeutung für die soziale, die kulturelle und auch die wirtschaftliche Teilhabe für die Menschen lässt sich an der Stelle nicht wegdiskutieren, ebenso wenig wie die Bedeutung, die das Internet allgemein für die Wirtschaft hat, aber auch insbesondere die Bedeutung, die es für die Wirtschaft der Stadt Berlin hat, die sich ja – na ja, ein bisschen optimistisch – selbst als „digitale Hauptstadt“ bezeichnet, bzw. der Senat tut das. Aber die Zielrichtung ist doch ganz wichtig, und die Bedeutung der Digitalisierung für die Stadt Berlin und für ihre Wirtschaft kann man da nicht hoch genug hängen.

Wie ist es nun also um diese bedeutende Infrastruktur bestellt, allgemein in Deutschland oder auch spezifisch in Berlin? – Nun, da gibt es gewisse Probleme. Eines davon ist das Quantitative, also das Abdeckungsproblem, die Versorgung mit Breitbandanschlüssen. Da ist Deutschland im Vergleich mit anderen Industrieländern relativ weit hinten, und auch Berlin hat da seine Probleme, wenn es keine besseren Voraussetzungen hat als die, die auf dem flachen Land irgendwo gegeben sind.

Ein anderes Problem ist eher ein politisches bzw. ein regulatorisches Problem, das ja auch in den letzten Jahren heftig diskutiert wurde: Das ist die Netzneutralität. Nun will ich zur Bedeutung der Netzneutralität unter dem Aspekt der Daseinsvorsorge – Stichwort „Zweiklassennetz“ – und unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – Stichwort „Innovationsfähigkeit“ – gar nicht so viele Worte verlieren, weil wir das hier im Haus schon gehabt haben. Darüber haben wir schon ge

sprochen, darüber sind wir uns auch alle einig. Wie sieht es jetzt aber an der Stelle aus? – Die Diskussion wurde auf die europäische Ebene gehoben, und da haben wir mit dem Beschluss des Europaparlaments im letzten Jahr leider einen Punkt, wo man sagen muss, dass der regulatorische Ansatz da jetzt erst mal seinen Schlusspunkt gefunden hat, denn das ist eher faktisch die Abschaffung der Netzneutralität, mit der wir uns da konfrontiert sehen. Da gibt es noch Bemühungen, im Nachhinein zu retten, was zu retten ist – aber faktisch muss man sagen, dass der regulatorische Ansatz an der Stelle erst einmal leider gescheitert ist.

Was kann man an der Stelle machen? Was kann insbesondere das Land Berlin machen? – Was an der Stelle geboten ist, ist, dass wir über dieses Thema als Teil der Daseinsvorsorge, als Infrastrukturfrage die Diskussion mit neuen Dynamiken führen, wie wir sie auch bei anderen Themen führen, insbesondere in dieser Legislaturperiode über Themen wie die Wasserversorgung und die Energieversorgung in ganz großem Umfang. Auf dieser Ebene müssen wir reden, und die Frage ist: Was kann man da machen? – Was man da nicht machen kann, sage ich gleich vorweg: Man kann nicht kommunalisieren, denn das geht schon aufgrund der rechtlichen Bedingungen nicht. Aber wenn das Land Berlin diese Infrastruktur nicht selbst in die Hand nehmen kann, kann es doch zumindest eines tun, und das ist, überhaupt Akteur zu werden, und das ist es, was unser Antrag vorsieht.

Was bedeutet das konkret? – Das bedeutet, dass die öffentliche Hand – und das ist auch gar nicht ungewöhnlich; es gibt einige kommunale Stadtwerke, die das tun – selbst als Internetanbieter auftritt, also ein eigenes Angebot für Privat- und Geschäftskunden macht. Sie wäre dann in der Lage, Rahmenbedingungen zu setzen wie z. B. insbesondere Netzneutralität. Aber sie könnte nicht nur als Internetanbieter auftreten, sondern sich auch selbst um Netzinfrastruktur kümmern bzw. in Netzinfrastruktur investieren. Auch das ist nicht ohne Präzedenz; z. B. die Stadt Stockholm macht das und betreibt ein eigenes Glasfasernetz und vermarktet das auch als Instrument der Wirtschaftsförderung usw. Auch das kann man tun, natürlich nicht von heute auf morgen – es ist klar, über welche potenziellen Investitionen man da redet – und natürlich auch nicht flächendeckend. Aber Investitionen, die man in diesem Bereich macht, lohnen sich auf lange Sicht auf jeden Fall, und wenn sie von der öffentlichen Hand getätigt werden, hat man auch die Möglichkeit, auf lange Sicht unabhängig und gestaltungsfähig zu bleiben. Es gäbe durchaus auch einiges an potenziellen Synergieeffekten für jeden bei diesem Thema.

Ich kann es jetzt aufgrund der Zeit nur ein bisschen an einigen Punkten anreißen, aber es gibt ja bestehende Infrastruktur wie z. B. das Landesnetz. Man hat, wenn man da Kooperationen mit verschiedenen öffentlichen Stellen ins Auge fasst, natürlich auch den Aspekt des

Zugangs zur Infrastruktur. Da haben das Land Berlin und die öffentliche Hand einige Vorteile, übrigens auch, was künftige Bauvorhaben angeht. Wir wissen ja alle, dass in Berlin in den nächsten Jahren ziemlich viel und auch ziemlich viel von der öffentlichen Hand gebaut werden muss. Natürlich sind das oft Investitionen, an denen dann öffentliche Einrichtungen auch selbst, zumindest langfristig, ein ganz eigenes Interesse haben. Auch da kann man wiederum nur Beispiele nennen: Verkehrsbetriebe, Messegesellschaft usw.

Weil das Ganze ein relativ komplexes und auch langfristiges Unterfangen ist, sieht unser Antrag erst einmal nur die Erstellung eines Konzepts vor, über das dann im Detail diskutiert werden müsste. Insofern hoffe ich, dass er hier positiv aufgenommen wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Weiß! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Kohlmeier. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Zunächst einmal darf ich mit Freude feststellen, dass sich die Kollegen der Piratenfraktion in der heutigen Sitzung mit ihren eigenen Anträgen zu 100 Prozent auf ihre Kernkompetenz beschränkt haben, nämlich indem sie nur Anträge zu netzpolitischen Themen einreichen. Herzlichen Glückwunsch dazu! – Lassen Sie uns beginnen, über den Antrag „Netzneutralität in Berlin sicherstellen – Konzept für eine öffentliche Netzgesellschaft vorlegen“ zu reden: Bevor ich mich dem Inhalt des Antrags zuwende, möchte ich Ihren Blick auf die sehr ausführliche Begründung lenken. Die Begründung beginnt gleich am Anfang mit einer zutreffenden Feststellung – ich zitiere aus der Begründung –:

Der Berliner Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU enthält ein klares Bekenntnis zu Netzneutralität und digitaler Daseinsvorsorge.

Und weiter wird dann in der Begründung aus dem Koalitionsvertrag zitiert, Seite 94:

Die Netzneutralität ist die Grundlage der digitalen Daseinsvorsorge. Die Koalition wird das Prinzip der Netzneutralität zur Förderung der digitalen Vielfalt sichern.

Ich stelle fest, liebe Kollegen der Piratenfraktion: Sie haben zutreffend aus unserem Koalitionsvertrag zitiert,

[Daniel Buchholz (SPD): Bravo!]

und ich freue mich, dass Sie die netzpolitische Kompetenz der Koalition nutzen, um damit Ihren Antrag hier zu begründen. Ja, die Koalitionsfraktionen haben sich zum Prinzip der Netzneutralität im Koalitionsvertrag vereinbart, und wir stehen auch dazu! Ich bin der festen Über

zeugung, dass der Zugang zu den Digitalnetzen so ein Teil der Daseinsvorsorge ist – Kollege Weiß hat es genannt – wie halt auch Wasser und Strom.

Ich bin auch der festen Überzeugung, dass es keine Zweiklassengesellschaft bei dem Zugang zu den Netzen und zum Internet geben kann: schnelles Internet für die reichen und großen Konzerne, ein langsames für die anderen. Der Zugang zum Internet ist schon heute eine Voraussetzung für das Leben, für die Teilnahme am Leben, für Bildung, Fortbildung und geistigen Reichtum. Dies muss für alle gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden – ich will einen diskriminierungsfreien Zugang zum Internet. Dafür sehe ich mit dem Chef der Senatskanzlei Björn Böhning einen Garanten im Senat. Herr Böhning hat sich in der Vergangenheit sehr deutlich für die Netzneutralität ausgesprochen und bereits frühzeitig den EU-Verordnungsentwurf kritisiert. Deshalb bin ich froh, dass das Land Berlin unter Federführung der Senatskanzlei und der Wirtschaftsverwaltung die BundLänder-Arbeitsgruppe leitet, die die Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Parlaments zur Netzneutralität in nationales Recht vorsieht. Ich bin mir sicher, dass die Arbeitsgruppe und der Senat genau das absichern, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben: das Prinzip der Netzneutralität sichern.

Nach diesen vielen guten Aussichten in die Zukunft möchte ich mich natürlich auch mit dem Antragsinhalt auseinandersetzen: Der Senat soll ein Konzept für eine unabhängige Versorgung Berlins mit Breitbandinfrastruktur durch ein landeseigenes Unternehmen erstellen, und dazu legen Sie dann sieben Stichpunkte vor, die als Bedingungen skizziert werden. – Ja, liebe Kollegen der Piratenfraktion, ich finde die Idee eines landeseigenen Telekommunikationsunternehmens charmant, und unter Netzpolitikern der SPD wird dieses Modell auch diskutiert. Nur heben wir damit natürlich nicht die europäische Rechtsprechung oder die Entscheidung des Europaparlaments auf, und natürlich kann sich ein landeseigenes Unternehmen zur Netzneutralität verpflichten; wir können das landeseigene Unternehmen vielleicht auch dazu zwingen oder nötigen. Aber es wird neben dem landeseigenen Telekommunikationsunternehmen eben trotzdem noch weitere Telekommunikationsunternehmen auf dem Markt geben, und die Berliner können wählen und aussuchen, ob sie das landeseigene Unternehmen mit Netzneutralität haben wollen und wählen oder doch die MagentaFirma, weil diese ein Entertainpaket in brillanter HDQualität anbietet.

Damit ein landeseigenes Unternehmen erfolgreich ist, reichen die von Ihnen genannten sieben Punkte meines Erachtens nicht aus. Berlin hatte ja bereits einen Anlauf mit einem landeseigenen Unternehmen – es nannte sich BerliKomm Telekommunikationsgesellschaft mbH. Diese wurde 2004 an Versatel verkauft, und nun können Sie sagen: Die Berlinwasser AG hätte BerliKomm nicht

(Dr. Simon Weiß)

verkaufen dürfen; wir hätten es in Landeshand behalten müssen, und es wäre alles besser gewesen. Hier hilft nur, Steinbrück zu zitieren: Hätte, hätte, Fahrradkette! – Was bleibt für die heutige Beratung und die Beratung in drei Ausschüssen? – Die Piraten greifen ein richtiges Anliegen auf, aber über den Weg werden wir hier in diesem Haus streiten müssen: Was ist der richtige Weg? Wie könnte ein konkurrenzfähiges landeseigenes Unternehmen aussehen? Wie kann dieses Unternehmen finanziert werden? Brauchen wir überhaupt dieses landeseigene Unternehmen, oder können wir nicht doch vielleicht die Möglichkeiten des IT-Dienstleistungszentrums nutzen?

Ja, lassen Sie uns darüber reden, ob das Land Berlin ein eigenes Telekommunikationsunternehmen braucht! Lassen Sie uns darüber reden, ob wir damit die Netzneutralität sichern können, ob wir ein Angebot schaffen können, das von den Berlinern dankbar angenommen wird! Da der Blick in die Zukunft das Ende der Legislaturperiode ja zumindest anzeigt, werden wir Ihren Antrag nicht in dieser Legislaturperiode umsetzen. Vielleicht finden Sie ja die Ergebnisse im nächsten Koalitionsvertrag wieder – dann wohl hoffentlich von SPD und wem auch immer. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Gelbhaar. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Auch wir finden den Antrag der Piratenfraktion spannend und beredenswert und freuen uns auf die Beratung in dem Ausschuss – ich mache zum Schluss noch einen Vorschlag, wie wir da vielleicht vorgehen sollten. Das Thema Breitband wird deutschlandweit diskutiert, europaweit und wahrscheinlich noch darüber hinaus, und es ist natürlich den Grünen wie wahrscheinlich allen Fraktionen hier im Haus ein Anliegen, dass wir uns da für die Zukunft gut aufstellen, dass wir eine Breitbandinfrastruktur haben, die sowohl den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger, aber eben auch der Unternehmen gerecht wird.

Durch die Entscheidung des Europäischen Parlaments wurde nicht nur den Ausbau der Infrastruktur berührt, sondern auch die Frage der Netzneutralität. Die Entscheidung lässt massiv befürchten, dass diese in Zukunft nicht mehr gewährleistet sein wird. Deswegen muss der erste Punkt, auf den wir achten, sein, diese Entscheidung, die nicht irreversibel ist, zurückzudrehen und europaweit zur Forderung der Netzneutralität zurückzukehren – und zwar nicht nur bei Piraten, Grüne und Linke, sondern auch bei SPD und CDU, die das mit ihren europäischen Schwes

ter- oder Mutterparteien anders entschieden haben. Ich glaube, das ist der erste Kampf, der zu führen ist, und darauf sollten wir sehr viel Energie legen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Denn, das muss man auch sagen, wenn wir hier in Berlin versuchen, das zu heilen, was auf Bundes- und Europaebene kaputt gemacht wurde, wird das immer im ehrenwerten Versuch steckenbleiben. Wir werden es nicht ganz richten können, was Netzneutralität angeht, wenn wir in Berlin das heile Land generieren, das aber europaweit nicht funktioniert. Gleichwohl finde ich, dass es absolut richtig ist, sich ein Konzept für eine solche Netzgesellschaft – darum geht es in dem Antrag – zu überlegen. Ich finde, die sieben Punkte, die da genannt sind, sind die richtigen, es sich in Stockholm und in Bayern abzuschauen, nicht alles neu zu denken, sondern die Erfahrungen auszuwerten. Ob das alle Punkte sind, ob das abschließend ist, sollten wir in den Ausschussberatungen feststellen.

Ich habe einen Punkt, bei dem ich ein bisschen zweifle, das will ich auch ganz klar sagen, und das ist der Berliner Senat. Ich nenne nur das Beispiel freies WLAN. Wir haben acht Jahre gewartet und haben es immer noch nicht. Eine landeseigene Gesellschaft aufzubauen, die dann hier die Netzneutralität sichert, ist sehr optimistisch gedacht, zumindest angesichts der Senate, die ich hier in meinem Leben in Berlin erleben konnte – deshalb meine Skepsis. Vielleicht müssen wir uns das Unternehmen aus Stockholm und das aus Bayern anschauen, wie die das mit den dortigen Landesregierungen oder Regierungen geschafft haben, das auf den Weg zu bringen und zwar so, dass es in der Tat schon existiert und funktioniert.

Ich finde es auch gut, dass in dem Antrag bereits ein Vorschlag unterbreitet wird, wie das finanziert werden kann. Es ist natürlich optimistisch, realistisch und ein bisschen negativ zugleich, weil davon ausgegangen wird, dass der Haushalt nicht erfüllt wird, dass die Frequenzmittel, die im Haushalt für ganz bestimmte Zwecke zu Recht eingestellt worden sind, nicht ausgegeben werden, dass der Senat das nicht schafft. Das ist der realistische Anteil und auch der optimistische. Es hat aber auch einen negativen Anteil, weil wir dieses Geld ja nicht umsonst für die vorgesehenen Zwecke ausgeben wollen.

Letzter Punkt – damit komme ich auch zu dem Vorschlag: Ich schlage vor, dass wir im Ausschuss eine Anhörung durchführen, zu der wir die Leute aus Stockholm und Bayern einladen, um uns das vorstellen zu lassen. Welcher Weg dann für Berlin dabei herauskommt, werden wir im Anschluss beraten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Uwe Doering (LINKE)]

(Sven Kohlmeier)

Vielen Dank, Herr Gelbhaar! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Dregger – bitte!

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einen Antrag der Piratenfraktion, der die Gründung eines landeseigenen Unternehmens zur Versorgung Berlins mit Breitbandinfrastruktur zum Ziel hat. Sie begründen diese Initiative mit der digitalen Daseinsvorsorge und mit einer angeblichen wirtschaftspolitischen Notwendigkeit – insbesondere aus Sicht der Start-up-Unternehmen. Ich möchte diese Begründungen etwas kritisch untersuchen.

Erstens: Wir wollen, ebenso wie Sie, den gleichberechtigten Zugang zum Netz für alle Verbraucher, denn ohne Zugang zum Netz – das ist heute schon verschiedentlich angesprochen worden – ist heute keine Teilnahme am öffentlichen Leben möglich. Deshalb ist dieser gleichberechtigte Zugang aller Verbraucher zum Netz ein Teil der Daseinsvorsorge. Berlin hat heute mit Abstand den höchsten Stand des Breitbandausbaus in Deutschland. Über 90 Prozent der Haushalte können 50 Mbit/s oder mehr abrufen, das heißt, der Breitbandausbau in Berlin deckt derzeit – jedenfalls weit überwiegend – den Bedarf der Verbraucher. Damit das so bleibt, wird es darauf ankommen, den wachsenden Verbraucherbedarf angesichts des wachsenden Datenvolumens zutreffend zu prognostizieren und auf einen entsprechenden Ausbau rechtzeitig hinzuwirken.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Baum?

Nein, danke!

Keine Zwischenfragen, ich verstehe.

Keine Zwischenfragen! – Nichts spricht dafür, dass dies in Berlin nicht funktioniert. Mit anderen Worten: Die Sicherstellung der digitalen Daseinsvorsorge bedarf nicht der Gründung eines landeseigenen Unternehmens zum Breitbandausbau.

Zweitens: Interessanter ist Ihr wirtschaftspolitischer Argumentationsversuch. Sie sagen, dass differenzierte Tarifstrukturen der Provider für das über die Daseinsvorsorge hinausgehende Übertragungsvolumen und die Übertragungsgeschwindigkeiten die Start-up-Szene schwä

chen. Ich stimme Ihnen zu, die Interessen der Gründerszene in Berlin in unsere Erwägungen einzubeziehen. Berlin liegt bei der Anzahl der Start-ups vor Hamburg, Köln und München. Viele Arbeitsplätze entstehen. Bereits heute hat sich die Stadt zum Top-Standort für Gründer in Deutschland entwickelt. 2012 investierten deutsche und ausländische Wagniskapitalgeber in Berlin 133 Millionen Euro in Start-ups, in Baden-Württemberg 24 Millionen Euro, in Bayern 19 Millionen und in Hamburg 14 Millionen Euro. Um diese gute Ausgangslage auszubauen, muss das innovative Umfeld des Start-upStandortes Berlin ausgebaut werden. Während heute Start-ups beispielsweise mit geringen Verkehrsmengen ihre qualitätssensiblen Dienste nur über das Best-EffortNetz verbreiten können, haben etablierte Anbieter wie Google die Möglichkeit, die Verbreitung ihrer Dienste durch eigene Netze oder sogenannte Content-DeliveryNetworks zu optimieren. Durch diese eigenen Strukturen ist es ihnen möglich, ihre Produkte qualitativ abzusichern. Kleine Start-ups können sich diese großen Investitionen in Infrastruktur nicht leisten. Gerade dies birgt die konkrete Gefahr der Wettbewerbsverzerrung oder erheblicher Marktzugangsbarrieren für Marktjungunternehmen.

Wenn man also wie Sie wirtschaftspolitisch argumentiert, so muss es das Ziel sein, dass die Qualität im Internet auch für kleine und innovative Unternehmen sicher und finanzierbar verfügbar ist. Dann aber müsste es – wenn man Ihrer Argumentation folgt – Jungunternehmen ermöglicht werden, gleich gute Qualität für ihre Produkte anbieten zu können, und dies ließe sich mit einem mit immer mehr Datenverkehr belasteten Netz nur durch Managed Services erreichen, das heißt, gekaufte. Das bedeutet, ich glaube, dass das wirtschaftspolitische Argument nicht durchschlägt.

Durch die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes und die Einfügung von § 41a wurden bereits die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen, um einem Unternehmen, das Telekommunikationsnetze betreibt, Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und diskriminierungsfreie Datenzugang oder Zugang zu Inhalten stellen zu können. Dieser dynamische und sich an konkreten Gefährdungen orientierende Ansatz eines Diskriminierungsverbots ist aus meiner Sicht am ehesten geeignet, einer möglicherweise drohenden Gefahr der Verdrängung des offenen Internets entgegenzutreten. Innovationen und die Entwicklung neuer Anwendungen als wahre Garanten eines offenen und lebendigen Internets werden durch eine solche Regelung ausdrücklich nicht ausgebremst.

Ich habe mich in meinen bisherigen Äußerungen noch gar nicht der Frage zugewandt, ob ein Berliner Landesunternehmen ein probates Mittel wäre, um die Entscheidung des Europaparlaments zur Netzneutralität auf der Berliner Ebene zu korrigieren. Es ist auch von Herrn Gelbhaar völlig zutreffenderweise diese Frage gestellt worden. Ich

bin gern bereit, im zuständigen Ausschuss genau diese Frage intensiv zu erörtern und zu prüfen, ob Sie durchschlagende Argumente für Ihre Netzagentur vorbringen können. – Vielen Dank!