[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]
Vielen Dank! – Wollen Sie erwidern, Frau Kollegin Dr. West? – Nein! Dann hat das Wort der Kollege Birk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Wie sehr diese Koalition die Stadt heruntergewirtschaftet hat,
erkennt man daran, dass die ganze Republik nicht nur die Bilder vom LAGeSo kennt oder darum bangt, ob und wann der Flughafen je fertig wird,
sondern jetzt auch darüber rätselt, ob die Berlinwahl gefährdet sein könnte, weil die Bürgerinnen und Bürger sich nicht rechtzeitig bis drei Monate vor der Wahl anmelden oder bis 35 Tage vor der Wahl fristgerecht ummelden können. Welch ein Desaster für das Bild der angeblich smarten City – smart geht anders!
Es spricht aber für die Stadtgesellschaft Berlins, dass sich nicht nur Tausende Menschen täglich um geflüchtete Menschen kümmern, sondern sich nun auch Bürgerinnen und Bürger Gedanken zur Rettung der Bürgerämter und der Berliner Wahlen gemacht haben. Von mir im Namen meiner Fraktion geht der ausdrückliche Dank an die Initiative „AusserGewöhnlich“ für dieses Engagement und die Vorschläge.
Ich kann deswegen auch den Impuls der Piratenfraktion, einige dieser Vorschläge zum Antrag zu erheben, gut verstehen. Auch wir haben die Vorschläge geprüft. Leider fanden wir nur wenige davon kurzfristig praktikabel. Andere sind oder waren schon einmal umgesetzt und werden nur zu wenig oder gar nicht praktiziert – wie z. B. das elektronische Wartemanagement –, was die Bürgerinnen und Bürger, die die Vorschläge erarbeitet haben, natürlich nicht wissen können. Das gilt auch für den Vorschlag der mobilen Bürgerämter, der auch in den Antrag der Piraten eingeflossen ist. – Kollege Weiß! Sie müssten doch eigentlich wissen, dass seit Jahren die Geräte für die mobilen Bürgerämter in den Bezirken ausgeliefert sind,
und leider die Bezirke sie nur zu wenig einsetzen. Sie haben es ja auch eben beschrieben. Aber die Logik dahinter ist eben leider die Budgetierung auf Basis der Kosten- und Leistungsrechnung, die die Bezirke, die die mobilen Bürgerämter einsetzen, benachteiligt und ins Minus
bringt. Deswegen habe ich schon vor Jahren vorgeschlagen, extra Produkte für mobile Bürgerämter einzurichten. Das ist jetzt für die Außenstehenden vielleicht Fachchinesisch. Aber das würde dann diese Benachteiligung aufheben. Dieser Vorschlag wurde leider nicht umgesetzt, und ich kann nur noch mal an die Bezirke appellieren, die nämlich dafür dann zuständig wären, diesen Vorschlag anzunehmen.
Auch den Vorschlag, möglicherweise – ähnlich wie bei den Kfz-Angelegenheiten – An- und Ummeldungen über Wohnungsbaugesellschaften zu bündeln, finde ich erwägenswert. Es wurde eben beschrieben. Ob das kurzfristig klappt, kann ich im Moment nicht beurteilen. Es ist aber vielleicht ein guter Vorschlag.
Ausdrücklich kritisch stehe ich aber dem Vorschlag gegenüber, Meldeangelegenheiten an zentraler Stelle beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten zu bündeln. Was pragmatisch klingt, ist nur über eine Gesetzesänderung machbar, und das habt ihr leider in eurem Antrag nicht drin. Denn Meldeangelegenheiten sind nach dem allgemeinen Zuständigkeitsgesetz und dem Zuständigkeitskatalog des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Aufgabe der Bezirke. Wir werden uns nicht daran beteiligen, dass die personelle Notsituation der Bezirke, hier speziell der Bürgerämter, die sehenden Auges durch die Personaleinsparungen von der rot-schwarzen Koalition verursacht wurde, dazu instrumentalisiert wird, die Bezirke zu entmachten und Aufgaben aufzuschichten. Solche Pläne sind ja offensichtlich, gerade was die Bürgerämter betrifft, ganz konkret bei der Koalition in der Diskussion, und ich sage da deutlich: Nicht mit uns!
Wir mussten im Ausschuss am Montag verwundert zur Kenntnis nehmen, dass der Senat auch nach einem Treffen mit den Bezirken noch keinen Schritt vorangekommen ist, wo die zusätzlichen 50 Stellen eigentlich angesiedelt werden sollen und wie der 12-Punkte-Plan der Koalition umgesetzt werden soll. Ich wiederhole deswegen noch mal unsere Vorschläge, die im Rahmen einer Zielvereinbarung mit den Bezirken umgesetzt werden könnten:
Erstens: Meldeangelegenheiten müssen ab sofort bis 35 Tage vor der Wahl zu Notfällen erklärt werden, die vordringlich behandelt werden. Die angedachten Sondertresen dazu sind der richtige Weg.
Zweitens: Werben Sie ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ruhestand oder ordnen Sie notfalls Beamtinnen und Beamte für Meldeangelegenheiten, aber auch die Bearbeitung von Flüchtlingsangelegenheiten ab!
Drittens: Wenigstens teilweise muss auch wieder das Wartenummernsystem möglich sein unterstützt durch das vorhandene, aber leider ausgeschaltete elektronische Wartemanagement.
Viertens: Mittelfristig wollen wir, dass unser alter Vorschlag umgesetzt wird, nämlich automatisiert durch die Ämter den Berlin-Pass auszuhändigen, und zwar durch die Ämter, die für die Berechtigung eines Berlin-Passes zuständig sind, nämlich die Sozialämter, die Jobcenter. Da könnte man per Knopfdruck einfach den Berlin-Pass rausschicken, und schon wäre er bei den Bürgern.
Fünftens: Führen Sie bitte einen Ausbildungsgang oder Modul für zukünftige Bürgeramtsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ein, damit diejenigen, die neu in die Bürgerämter kommen, nicht extra sechs Monate in die Fortbildung müssen! Das haben wir auch schon vor Jahren vorgeschlagen.
Außerdem müssen wir endlich die elektronische Akte einführen, damit alle Meldevorgänge schneller gehen. Aber davon sind wir ja leider noch weit entfernt. – Ich bitte, das Problem ernst zu nehmen. Deswegen danke ich den Piraten für ihren Vorschlag, damit wir ihn in die Beratung einbeziehen können. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Birk! – Für die CDU-Fraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Dr. Juhnke. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich glaube, es ist völlig unstrittig, dass wir gemeinsam Interesse daran haben, dass die Wahlen in Berlin grundgesetz- und verfassungstreu durchgeführt werden können, und wir keinem sein Wahlrecht in irgendeiner Weise abschneiden. Von daher ist es richtig, wenn man darüber diskutiert, wie man sinnvoll dieses Ziel erreicht. Das ist auch schon in der Vergangenheit geschehen. Dazu bedarf es zumindest dieses Antrages nicht, da bin ich mit der Kollegin West einer Meinung.
Denn Sie haben bestimmte Dinge übersehen, die Herr Birk gerade trotz seines polemischen Einleitungssatzes völlig richtig dargestellt hat: dass wir hier eine Gesetzesänderung bräuchten. Wir haben hier das AZG, das für bestimmte Dinge vorsieht, dass die Bezirke dafür zuständig sind. Und die sind ja auch dafür gescholten worden, dass sie das mehr oder weniger ernst nehmen, dass sie die Bürgerämter als Sparbüchse benutzen, was auch immer – in dem einen Bezirk mehr, in dem anderen weniger. Jedenfalls ist die Hauptverwaltung nur in gewisser Weise in der Lage, dort eine Steuerung vorzunehmen. Die müssen wir aber in irgendeiner Weise einziehen, damit wir eben
die Dinge auch tatsächlich klarlegen können, ohne uns dann dem Vorwurf auszusetzen, den Herr Birk ja auch gebracht hat, dass man wieder in die Autonomie der Bezirke eingreifen möchte, was man ja auch nicht tun will. – Das ist so ein bisschen die Quadratur des Kreises, aber ich glaube, wir haben hier schon ein ganz großes Stück des Weges geschafft, was wir uns vorgenommen haben. Deswegen, wie gesagt, ist dieser Antrag aus meiner Sicht nicht besonders hilfreich.
Auch diese Frage der eingeschränkten Ausbildung – Sie haben ja noch mal ein bisschen erklärt, wie Sie das meinen, Herr Weiß – ist an der Stelle nicht besonders hilfreich. Auch die Rechtsfrage der Um- und Neuanmeldung usw. ist ein relativ umfangreiches Gebiet, wo man also mit einer Schmalspurausbildung sicherlich nicht zu Wege kommt.
Was getan wurde, und ich glaube, da können wir uns durchaus sehen lassen, ist, dass wir gerade 36 Stellen für die Bezirke zur Verfügung gestellt haben, also drei pro Bezirk, und zwar genau für dieses Thema, speziell zur Vorbereitung der Wahlen. Die Ausschreibungen sind erfolgt, die notwendigen Ressourcen sind zur Verfügung gestellt. Und es gibt jetzt den Vorschlag, auch jeweils in den Bezirken Expressschalter einzusetzen genau für diesen Zweck, dass also An- und Ummeldungen im Rahmen der Wahlen dort vorgenommen werden können. Das wäre ein sinnvoller Vorschlag, ich kann auch nur appellieren, dass man dem vonseiten der Bezirke dann auch beitritt, um das umzusetzen, sodass wir die Probleme, die Sie jetzt – berechtigt vielleicht – ansprechen, aber in der Drastik mit Sicherheit nicht sehen.
Ich kann meinen Eingangssatz nur unterstreichen: Ich glaube, wir sind hier durchaus auf einem ganz guten Wege, von daher bedarf es dieses Antrages nicht. Gleichwohl ist es sinnvoll, dass wir ihn noch mal im Ausschuss besprechen. Dann können Sie auch noch mal Ihre Darlegung insbesondere bezüglich des Punktes mit den Wohnungsbaugesellschaften erläutern. Ich glaube, da haben wir auch eine unterschiedliche Interpretation. Ich sehe das so rechtlich nicht umsetzbar. Es gibt zwar eine Mitwirkungspflicht des Vermieters, aber im Grundsatz hat der Meldepflichtige dann vorzusprechen. … Und ob sich das lohnt, sozusagen vor Ort zu gehen, das weiß ich nicht. Unabhängig von der personellen Ressource – ob da nun so viele Anmeldungen sind, wird man sehen. Auf jeden Fall darf man noch mal festhalten: Wir haben seit Dezember 2014 117 Stellen in diesem Bereich geschaffen, und die Bezirke sind aufgefordert, die natürlich dort auch einzusetzen, unabhängig von dem ergänzenden Bürgeramt, das, wie gesagt, auch keine Einrichtung des Landes bleibt, sondern eine Einrichtung der Bezirke.
Also es ist viel getan worden. Das Problem ist gesehen. Sie haben die richtige Frage gestellt. Sie haben nur eine falsche Antwort gegeben. Und ich glaube, die Antworten, die bisher dort auf dem Wege sind, sind die richtigen, und wir werden es auch schaffen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Juhnke! – Dr. Lederer wird jetzt das Wort ergreifen für die Linksfraktion und erhält es auch – bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Dr. West! Das Terminvergabesystem ist meines Erachtens nicht das Problem – blöd ist nur, dass keine Termine da sind. Da nützt mir das beste Terminvergabesystem nichts.
Die langen Wartezeiten in den Bürgerämtern haben einen Schwarzmarkt für Wartenummern entstehen lassen. Jetzt führt der Bezirk Mitte den Terminzwang ein. Lediglich montags kann man noch ohne Anmeldung ins Büro gehen.
Dieser Text stammt aus dem Jahr 2012, 14. Juni 2012, ein Zeitungsausschnitt aus der „Berliner Zeitung“. Also, um es noch einmal ganz deutlich zu betonen: Der Bericht ist bald vier Jahre alt. Es ist also hier, wie bei anderen Großbaustellen, kein plötzlich vom Himmel gefallenes Schicksal, sondern es handelt sich bei der unerträglichen Terminsituation in den Bürgerämtern um ein seit Jahren bekanntes und so oder so nicht ernst genommenes Problem.
Was wir seit vier Jahren hören, sind Ankündigungen, Versprechungen, Beteuerungen, Schuldzuweisungen. Nur die Situation wird nicht besser. Also, wer das einfach mal prüfen mag, kann sich im Internet über die Terminsituation täglich informieren oder sich das sogenannte Serviceportal auf „berlin.de“ anschauen, das eine Tageszeitung gestern nicht als Webseite, sondern als Witzblatt bezeichnet hat. Wer Bürgeramtsangelegenheiten zu erledigen hat, fühlt sich in Berlin an Asterix’ Kampf um den blauen Passierschein A 38 erinnert oder an Kafkas „Schloss“.
Und die Begründungen dafür sind so zahlreich wie offenbar unbewältigbar oder unzutreffend: Ferienzeit,
Krankenstände, die Software sei schuld, die dezentrale Ressourcenverantwortung – nur passiert ist unter dem Strich nichts. Es mag ja dem Senat egal sein, ob Erna Pachulke ihren Reisepass bekommt oder Fritze Krause seine Wohnungsummeldung; Ordnungswidrigkeiten nach dem Meldegesetz – pah!
Aber schwierig wird es in der Tat, wenn Wahlen anstehen, denn wer hierherzieht, hat das Recht, sich an der Abgeordnetenhaus- und an der BVV-Wahl zu beteiligen, wenn sie oder er am Tag der Wahl drei Monate hier lebt und gemeldet ist. Hier liegt das Problem: Wenn Berlin nicht in der Lage ist, Menschen in nennenswerter Zahl die rechtzeitige Anmeldung zu ermöglichen, dann kann das durchaus die Rechtmäßigkeit der Wahl in Frage stellen. Ich habe im September 2015 eine Anfrage zu genau dem Thema an den Senat gestellt, und da wurde mir geantwortet: