Protokoll der Sitzung vom 18.02.2016

Die Berliner Krankenkassen haben diesem Krankenhausplan ihre Zustimmung verweigert, nicht zuletzt wegen dieses Deals. Darüber wird noch zu reden sein. Sie können jetzt nicht mehr sagen, Sie hätten davon nichts gewusst. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Isenberg das Wort. – Bitte schön!

[Senator Mario Czaja: Das möchte ich sehen auf der Brust! – Lars Oberg (SPD): Zeig mal her, Wolfgang! – Martin Delius (PIRATEN): Ohne Bild ist es nicht wahr! – Allgemeine Heiterkeit und weitere Zurufe: Zeigen! Das wollen wir sehen!]

(Dr. Wolfgang Albers)

Wer das sehen will, bitte außerhalb des Plenarsaals! – Kollege Isenberg hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! – Werter Kollege Albers! Das war ja mal wieder dialektisch Eins A!

[Beifall bei der SPD – Zurufe]

Ich sehe, wir beschließen, der demokratische Sozialismus ist da, und er wird umgesetzt. Aber ganz so einfach ist die Welt nicht.

Sie haben hier mit einigen Punkten recht: Wir haben Qualitätsherausforderungen beim deutschen Gesundheitswesen und auch bei den Berliner Krankenhäusern. Aber trotzdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns nicht die Welt schlechtreden!

[Unruhe]

Es gehört zur Wahrheit dazu, zu sagen – Herr Albers, das wissen Sie –, wer in Berlin in Krankenhäusern behandelt werden muss, und das sind über eine Million Fälle, der kann sich zunächst einmal darauf verlassen, auf einem hohen Niveau versorgt zu werden. Und da danke ich auch allen 40 000 Beschäftigten und den Trägern von über 50 Krankenhäusern in Berlin!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Die Gesundheitspolitiker hier im Hause danken dem gesamten Parlament dafür, dass wir in der Tat erkannt haben, wir reden hier über eine öffentliche Daseinsvorsorge. Es geht nicht darum, Herr Albers, Klientelinteressen zu bedienen, wie beispielsweise einen Konsens mit den Krankenkassen herzustellen. Es geht primär darum, auch anzuerkennen, dass es eine Daseinsvorsorgeverpflichtung des Landes gibt. Und das hat dieses Haus getan, obwohl wir nicht so wie vor 20 Jahren 300 Millionen Euro für die Krankenhausinvestitionen ausgeben. Ja, wir bräuchten mehr und es hat in den letzten 20 Jahren ein massiver Abbau stattgefunden. Aber Fakt ist auch, wir haben uns dem bundesdurchschnittlichen Niveau wieder angenähert. Damit möchte ich nicht sagen, dass das reicht. Wir brauchen aus meiner fachlichen Sicht in der Tat langfristig ein Sonderinvestitionsprogramm kommunale Daseinsvorsorge im Bereich Krankenhäuser. Fakt ist aber dennoch, dass ich dem Finanzsenator danke, dass wir 110 Millionen Euro zusätzlich für die Gesundheit und Krankenhauseinrichtung aus dem Sonderinvestitionsmittelprogramm heraus bekommen haben für zusätzliche Investitionen bei Charité und Vivantes. Herr Albers! Da kann man natürlich die Rahmenbedingungen kritisieren, ob das alles im Detail fair ist. Aber das Geld jetzt zusätzlich auszugeben, ist besser als gar nichts. Und insofern gilt es auch anzuerkennen, dass wir in der Tat hier

eine Trendwende bei der Verpflichtung zur kommunalen Daseinsvorsorge erreicht haben.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Schaue ich mir den Krankenhausplan an, dann sehe ich verschiedene Ziele – Ziele der kommunalen Daseinsvorsorge durch das Instrument der Krankenhausplanung, das wir heute hier besprechen. Ein Ziel ist die qualitätsgerechte Sicherung der Unfall- und Notfallversorgung, das zweite die Wohnortnähe der Versorgung, drittens Konzentrationsprozesse da, wo sie medizinisch notwendig sind, einzuleiten. Nichts anderes ist vorgelegt worden mit dem Krankenhausplan. Wenn es darum geht, beispielsweise die Herzchirurgie an der Charité zu stärken, statt sie auszudiffundieren in möglichst viele Einrichtungen in Berlin hinein – ist das eine Festlegung, die wir getroffen haben. Wir wollen ein Kompetenzzentrum im Bereich Herzchirurgie, Herzversorgung aufbauen, und das ist eingeleitet mit diesem Krankenhausplan. Und wir haben gesagt: Wir wollen die regionale Sicherstellung weiter vorantreiben. Auch das ist umgesetzt, und erstmalig – das möchte ich hier hervorheben – das Versorgungsziel „Verbesserung der Versorgungsqualität und der Patientensicherheit“.

Jetzt können wir uns ja gemeinsam überlegen, wie solche Ziele am besten umgesetzt werden. Fakt ist aber auch, dass wir nicht nur irgendetwas hineinschreiben können in die Krankenhauspläne, sofern sie nicht nur unsere eigenen Einrichtungen wie Charité und Vivantes betreffen, weil die Einrichtungen Möglichkeiten haben, gegen Krankenhauspläne zu klagen. Wenn wir Qualitätsvorgaben machen, dann sind diese so konkret zu schreiben, dass sie auch klagefähig sind, dass sie wissenschaftlich belegbar und verbindlich sind. Und ja, Herr Albers, ich stimme Ihnen zu: Es ist schade, dass wir hier teilweise nur von Soll-Vorschriften reden. Es ist aber auch schade, dass seitens der Fachgesellschaften und der Wissenschaft teilweise noch keine kausalen Bedingungen benannt werden können, wie möglichst gute Ergebnisse in der Qualität der Patientenversorgung erzielt werden. Natürlich wollen wir mehr Personal bei den Intensiveinrichtungen haben. Das können die Tarifpartner klären; das kann man in den Landeskrankenhausplan schreiben, sofern es objektivierbare Sachverhalte hier gibt, die dies notwendigerweise deutlich machen, dass das Qualitätsziel nicht anders zu erfüllen ist. Und ich sehe hier: Erstmalig gehen wir diesen Weg bei einer solchen Art von Qualitätszielen. Das haben wir, wie Sie ausgeführt haben, bei der Intensivpflege gemacht. Wir haben es bei der Notfallversorgung, bei anderen Handlungsfeldern hier aufgegriffen.

Lassen Sie mich mal zum Thema Hygiene kommen – auch ein ganz wichtiges Handlungsfeld, das der Gesundheitsausschuss bei seiner ersten Beratung der Eckpunkte des Krankenhausplans vor zwei Jahren besonders eingefordert hat! Natürlich gibt es hier die Notwendigkeit eines umfassenden Programms. Aber es ist doch gut, wenn überall verpflichtend Hygienekommissionen einzurichten

sind, und es ist doch insbesondere gut, wenn mindestens bei den Krankenhäusern über 400 Betten demnächst auch Hygienefachkräfte vorzuhalten sind, die sich um die Umsetzung der Hygiene kümmern! Das ist kein lapidares Thema: Nach Schätzungen der zuständigen Professoren an der Charité haben wir bundesweit 800 000 Krankenhausinfektionen. Ein großer Teil davon führt dann zu unnötigen Todesfällen aufgrund von unnötiger, vermeidbarer Krankenhausinfektion.

Es gab ja mal gute Zeiten, noch bessere Zeiten in Berlin. Das waren Zeiten, wo der Patienten- und Verbraucherschutz einen noch höheren Stellenwert im Gesundheitswesen hatte.

[Zuruf von Oliver Schruoffeneger (GRÜNE)]

Aber es ist doch gut, dass sich dieser Senator hier hinsetzt und sagt, er führt diese Hygienefachkräfte ein. Ich vermisse allerdings die Flankierung vom Verbrauchersenator. – Ja, Herr Heilmann! Nicht nur Hunde an der Leine Gassi führen mit einem Bello-Dialog! Man könnte durchaus auch mal Verbraucher- und Patientenschutz von anderen Ressorts hier flankierend diskutieren und zu einem öffentlichen Benchmarking kommen, wie gut und schlecht die einzelnen Krankenhäuser auch bei Infektionen sind.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Gesundheitlicher Verbraucherschutz ist mehr, als momentan im Ressort von Herrn Czaja abgebildet ist, und Herr Senator Heilmann, ich weiß nicht, ob Sie wissen, was das überhaupt ist.

Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen: Wir haben im Gesundheitsausschuss gesagt, wir wollen zu einem Benchmarking der Einrichtungen kommen; wir wollen wissen, wie viel Personal wo vorgehalten wird. – Ich glaube, dass das der richtige Ansatz ist. Damit unterstützen wir auch die Tarifpartner, zum einen mit der Einführung von Vorgaben, erstmalig in Soll-Vorschriften, und im zweiten Schritt, um dann auch transparent zu machen, wo diese Vorgaben möglichst gut umgesetzt werden. Damit haben wir gemeinsam ein Instrument der Revitalisierung der kommunalen Daseinsvorsorge.

Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt eingehen: Wir haben mit diesem Haushalt eine Planungssicherheit geschaffen, die immerhin garantiert, dass in den Jahren 2016 bis 2019 425 Millionen Euro ausgegeben werden für kommunale Daseinsvorsorge in Krankenhausinvestitionen. Vivantes behält davon 133 Millionen Euro. Das ist eine Sicherheit, die es so auch im Vorfeld nicht gab. Und ergänzend müssen wir in den nächsten Jahren dann schauen: Wo haben wir einen weiteren Einzelförderbedarf? – Natürlich brauchen wir beispielsweise eine neue Notaufnahme, die auch das Einzugsgebiet Neukölln/Flughafen mit bedient. Das kostet dann 150 Millionen Euro weitere Gelder. Und natürlich werden wir uns bei der Fortschreibung des Krankenhausplans und bei zukünfti

gen Haushaltsgesetzen auch überlegen müssen, wie wir zu dem Trägermix von Einrichtungen stehen. Müssen wir vielleicht nicht noch mehr als bisher erst mal an Vivantes und Charité denken, bevor wir auch die freigemeinnützigen Einrichtungen mit den ihnen zustehenden – ich betone: ihnen zustehenden – Investitionen bedienen? – Aber vielleicht müssen wir den Sonderbedarf bei den kommunalen Einrichtungen auch noch mehr bedienen.

Denn klar ist – und da hat Herr Albers recht: Krankenhäuser können keine Gewinne machen. Gewinne, die als Gewinne ausgewiesen werden, sind abgezweigte Mittel aus den Erlösen, die diese von den Krankenkassen für die Behandlung von Patienten erzielen. Wir haben in Deutschland die duale Krankenhausfinanzierung: Investitionsverpflichtung bei den Ländern, die Krankenkassen für Personal, Arzneimittel, Medizingeräte etc. Und hier haben wir in der Tat das Dilemma, das im Prinzip nur bundespolitisch zu lösen ist: Wir müssen erreichen, dass der erhöhte Aufwand von Personalkosten und anderen in den Fallpauschalen auf Bundesebene abgebildet wird. Das haben wir zumindest hier mit diesem Gesundheitssenator erreicht, dass er sich auf Bundesebene dafür einsetzt.

Es war auch der Koalitionspartner, der gemeinsam mit uns im Gesundheitsausschuss eine Vereinbarung verabschiedet hat, dass das Land Berlin als eines der wenigen Länder mit Unionsbeteiligung sich auf Bundesebene dafür einsetzt, verpflichtende Personalstandards im gemeinsamen Bundesausschuss einzuführen. Ich sage: Danke, Herr Czaja, dass Sie hier vertragskonform vorgegangen sind! Schade, dass die Bundesregierung sich nicht groß bewegt hat! Schade, dass die Bundesregierung sich im Übrigen bei vielen anderen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen, die wir dringend brauchten, nicht bewegt, und leider auch, dass wir zu viele Bundesländer haben, die nicht noch massiver Druck im Bundesrat ausüben können, weil sie eben von einer Koalition geführt werden, wo sie sich lieber enthalten, statt eindeutig notwendigen bundesrechtlichen Regelungen zuzustimmen, die es auch uns als Berlin erleichtern würden, hier zur Sache zu kommen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön! – Für Bündnis 90/Die Grünen jetzt der Kollege Schruoffeneger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Isenberg! Die Karnevalswoche war letzte Woche – Sie sind ein bisschen aus der Zeit gefallen. Aber Sie haben einen bemerkenswerten Satz gesagt. Nach vier Jahren rotschwarzer Koalition formuliert der gesundheitspolitische

(Thomas Isenberg)

Sprecher der SPD: Es gab mal Zeiten, da war es besser in Berlin. – Okay, einverstanden!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Der Kollege Albers hat vieles gesagt, was richtig ist. Das muss ich hier nicht wiederholen. Ich kann mich deswegen ein paar anderen Themen zuwenden: Das, was wir heute diskutieren, ist ein Plan der verpassten Chancen. Eine neue Qualität sollte der Krankenhausplan bekommen. - Ja, diese Ankündigung war vielversprechend, und sie hätte einen wirklich positiven Schub für die gesundheitspolitische Debatte in der Stadt bringen können. Es gab sogar Hoffnung, dass dies gelingen könnte, denn der neue Senator hatte ein Politikfeld, bei dem ihm der Ruf vorauseilte, er würde etwas davon verstehen, und das war die Krankenhauspolitik. – Mittlerweile ist sie ihm so peinlich, dass er sich jetzt während dieser Debatte eher um andere Fragen kümmern muss. Herr Czaja, sind Sie geistig anwesend? – Gut, wenigstens das!

Wenn man nun diesen Schwerpunkt sieht, dann konnte man die Hoffnung haben, dass der neue Krankenhausplan –

Ein kleinen Moment mal, Herr Schruoffeneger! – Kollege Melzer! – Danke schön!

vielleicht im Kontext einer modernen Gesundheitspolitik definiert würde, in dem das Krankenhaus einen Baustein der Versorgungskette darstellt, dessen Rolle in der medizinischen und therapeutischen Landschaft Berlins im Zusammenspiel mit niedergelassenen Ärzten, Selbsthilfegruppen, Projekten, Trägern und Patienten definiert wird. Doch statt eines solchen integrativen Konzepts liegt wieder nur ein vom stationären Sektor gedachtes Zahlenwerk vor, an das seltsam rangeklatscht viele Sätze zu angeblichen Qualitäten und sehr wenige Sätze zu sonstigen Akteuren und Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens stehen. Doch Lyrik ist die eine Sache – Umsetzungsstrategien gibt es in diesem Plan gar nicht.

Selbst wenn man das alles ernst nehmen würde, was dort steht, gibt es keine Rechtsgrundlage, es auch durchzusetzen. Die eigentlich notwendige Umsetzung der entsprechenden Qualitätsanforderungen durch eine Aufnahme in das Landeskrankenhausgesetz ist nicht einmal angedacht. Damit wird klar: Das ist alles nur Lyrik, das ist alles nur Schein und wird keine Realität.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Das ist für den Senator vielleicht auch besser. Denn wenn er versuchen würde, seine angeblichen Qualitätsstandards in einen Gesetzestext zu fassen, würde es peinlich werden.

Ich will dies anhand des Beispiels verdeutlichen, das der Kollege Isenberg als besonders positiv hervorgehoben hat: die Notaufnahmen, die Notfallversorgung. Da gibt es fast eine ganze Seite Text zu den Qualitätsstandards. Hoffnungsvoll wendet man sich dieser Seite zu und liest:

Infrastrukturelle Voraussetzungen für eine mit Rettungsdienstfahrzeugen einfach und schnell zugängliche Notaufnahme, insbesondere Beschilderung, ausreichendes Platzangebot, Zufahrt/Entladestelle mit Wetterschutz.

Okay, wir sind noch im technischen Vorgeplänkel. Vielleicht kommt noch etwas. Es geht dann weiter – ich zitiere nicht alles:

Notfallzentren halten Hubschraubersonderlandeplätze für die Luftrettung vor.

Adäquate technische Voraussetzungen für eine ständige und redundante Kommunikationsverbindung zur Leitstelle der Berliner Feuerwehr und ggf. weiteren Einrichtungen, insbesondere Einsatzleitungen und Krisenstäben (z.B. Rotes Telefon, Alarmfax und IT-Verbindungen).

Die Qualitätsstandards schreiben jetzt fest, dass eine Notaufnahme über ein Telefon und einen IT-Anschluss verfügen muss. Ich bin beeindruckt, Herr Czaja!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN) – Steffen Zillich (LINKE): Und eine Zufahrt!]