Protokoll der Sitzung vom 18.02.2016

Und ja, auch wir ziehen unsere Schlüsse daraus, wie mit dem Bauen in sensiblen Bereichen, wie mit diesen historischen Vorbildern umgegangen wird. Höhere Baumassen und Tiefgaragen hatten eben kein historisches Äquivalent

an die Zugeständnisse der modernen Nutzung. Es gab bei den ersten Schäden 2012den temporären unverzüglichen Baustopp, und es wurde ein sehr umfangreiches Messsystem installiert. Nun stehen wir aber an einer schwierigen Stelle, denn ein dauerhafter Baustopp, sozusagen ein Bauruinenmahnmal, ist eben auch keine Lösung. Die untere Denkmalschutzbehörde, das Bezirksamt Mitte und das Landesdenkmalamt begleiten die Baustelle sehr eng. Täglich werden mehrfach Messungen und Begehungen durchgeführt. Aber trotz alledem, da stimmt die Aussage der Senatsverwaltung, können weitere Risse bei der Aushebung der nächsten Baugrube nicht ausgeschlossen werden. Ich persönlich befürchte das auch. Aber Wahrscheinlichkeiten sind eben keine legitime Handlungsgrundlage. Die Risse sind da, manche werden vielleicht auch nie wieder geschlossen werden können. Und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass neue hinzukommen.

Interessant in der weiteren Begleitung ist für mich aber, wie lange und in welcher Höhe und für welche Schäden die Bauträger die Kosten übernehmen und das, was uns alle interessieren sollte, wann die Kirche wieder eröffnet werden kann. Ebenso finde ich die weitere Befassung mit der Thematik Um- und Anbauten an und um Denkmälern in Berlin weiterhin sehr zielführend, denn man darf nicht vergessen: Es gibt noch weitere herausragende Denkmäler in der Stadt, die von diversen Projekten umbaut werden. Egal, ob es die Altstadt Köpenick oder Spandau, egal, ob es Industriedenkmäler wie am Alten Schlachthof oder die Rathenauhallen sind, es stellen sich eben doch denkmalschutzrechtliche und bautechnische Fragen nach der Realisierung moderner Nutzung in, an und um Denkmälern. Diese Debatte würde ich aber sehr gern mit Ihnen führen. – Herzlichen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin Haußdörfer! – Kollegin Kapek bekommt jetzt das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Haußdörfer! Ich habe Ihre Rede, ehrlich gesagt, gerade nicht so ganz verstanden. Sie kommen in allem, was Sie sagen, eigentlich zu dem Schluss, dass die Nachrichten keine guten Nachrichten sind, dass Sie also Frau Lompscher und auch mir recht geben in der Analyse des Status quo. Sie ziehen dann aber keine Konsequenzen. Die einzig richtige Konsequenz kann nicht nur sein, dem Antrag zuzustimmen, sondern v. a. diesen Quatsch dort endlich zu beenden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Im letzten Plenum, als wir über die Friedrichwerdersche Kirche diskutiert haben, sprachen Sie noch von

Hoffnung. Was kann man dazu sagen? Ich glaube, dass Sie irgendwann den Punkt erreichen müssen, wo Sie feststellen, dass das permanente Auf-Sicht-Fahren, dominiert durch den Faktor Hoffnung, durch eine vorausschauende Planung abgelöst werden muss. Denn ansonsten hilft das Einzige, um den Einsturz der Kirche abzuwenden, nämlich nur noch, wenn es ein Wunder gibt. Deshalb bin ich mir nicht so sicher, auf was Sie am Ende Ihrer Rede hinaus wollten. Ich kann nur eins sagen: Die Friedrichswerdersche Kirche ist eines der bedeutendsten Baudenkmäler, das wir in Berlin haben. Für mich ist es deshalb zu schade, um als Versuchskaninchen für Messtechnik herzuhalten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Sie haben gerade selbst aus der Rede von Astrid Schneider aus dem Jahr 2011 zitiert. Das war für viele – unter anderem meinen Kollegen Herrn Birk – eine nicht unbedingt berauschende Rede, denn das halbe Plenum hat sie ausgelacht. Sie hat als einzige in diesem Plenarsaal darauf hingewiesen, dass der Bebauungsplan, dem Sie damals allesamt – bis auf die Piraten – zugestimmt haben, dazu führen wird, dass die Friedrichswerdersche Kirche irreparable Schäden davontragen wird. Genau das ist eingetreten. Dafür tragen Sie die Verantwortung.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Jetzt sind wir einen Schritt weiter. Jetzt haben wir nämlich nicht nur ein hübsches Bauprojekt fünf Meter neben der Kirche mit einer Tiefgarage, das zu bereits irreparablen Schäden geführt hat. Und jetzt wollen Sie auf der anderen Seite auch noch eine Tiefgarage bauen. Auf meine Anfrage, die schon zitiert wurde, ob Sie denn die Kirche vor weiteren Schäden schützen können, sagen Sie nicht nur: Nein, wie können sie nicht schützen. –, sondern Sie sagen: a) Sie wollen geforderte Messsysteme installieren, b) Melde- und Alarmketten einrichten, die dann die Sachverständigen und Behörden informieren, die die Baumaßnahmen unterbrechen sollen, um die möglicherweise eingetretenen Schäden zu begutachten. Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren! Das ist eine Überwachungstechnik, die der NSA Konkurrenz macht, aber keine überzeugende Maßnahme, um ein Baudenkmal in Berlin vor Schäden zu schützen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Deshalb – darauf haben Sie selbst schon richtigerweise hingewiesen – sind die ersten Risse durch die Baumaßnahme auf der anderen Seite jetzt schon wieder festgestellt worden. Die unrettbare Zerstörung dieses Denkmals geschieht nicht nur mit Ansage, sondern sie ist bereits eingetreten. Es ist vielleicht nur noch eine Minute vor zwölf. Ich kann Sie nur noch einmal auffordern: Hören Sie auf mit diesem Quatsch!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Wir haben eine große Schinkel-Fangemeinde in Berlin. Alle, die sich mit dem Thema befassen, kennen und lieben die Kirche. Ich bekomme von den Anhängern bereits E-Mails, die mich dazu auffordern, den Rücktritt von Bausenator Geisel zu fordern.

[Lars Oberg (SPD): Das machen Sie doch bestimmt gerne!]

Ich würde an der Stelle so weit noch nicht gehen, aber ich fordere ihn explizit auf, a) einen Baustopp und eine Rücknahme der Baugenehmigung aller nicht begonnenen Baumaßnahmen einzuleiten, b) die Kostenbeteiligung an den Schäden zu veranlassen und vor allem c) einen endgültigen Verzicht auf die Tiefgaragen zu vollziehen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Frau Haußdörfer! Sie wissen ganz genau, dass auch ich kein Fan der Rekonstruktion der historischen Mitte auf der Basis von 1850 bin. Da sind wir uns vollkommen einig. Aber hier geht es nicht um Rekonstruktion, sondern um ein bestehendes Gebäude. An der Stelle kann ich nur noch einmal sagen: Nur weil die Stadt wächst und Neues entsteht, heißt das nicht, dass man alles Alte zerstören darf.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Deshalb kann ich mich Frau Lompscher nur anschließen und sagen: Stoppen Sie den Blödsinn, solange wir nur von Rissen sprechen, es noch nicht zu spät ist und die Kirche noch nicht eingestürzt ist!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Danke schön, Frau Kollegin Kapek! – Für die CDUFraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Dr. Heide. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Stichwort war eben: Altes nicht zerstören, sondern wiederherstellen.

[Antje Kapek (GRÜNE): Nein, erhalten!]

Das ist insofern relativ richtig, Frau Kapek. Das Problem ist aber,

[Antje Kapek (GRÜNE): … dass Herr Leibfried Ihr Freund ist?]

dass in dieser Gegend leider sehr viel zerstört worden ist, dass nach dem Krieg sehr viel historische Bausubstanz abgeräumt worden ist, um Paradeplätze und anderes zu schaffen. Leider ist vieles, was leicht wiederherstellbar wäre – ich rede nicht vom Stadtschloss, sondern von der Schinkelschen Bauakademie –, den Aufmarschplätzen für

(Antje Kapek)

den 1. Mai geopfert worden. Insofern können wir dankbar sein, dass diese Kirche stehengeblieben ist.

Man muss aber sehen, dass sich in dieser Umgebung leider vieles verändert hat. Wenn man sich mal den historischen Stadtgrundriss auf alten Karten und Bildern anguckt, dann war die Gegend relativ eng bebaut.

[Zuruf von den GRÜNEN]

Lassen Sie mich doch mal ausreden! Sie brauchen nicht dazwischenzublöken. – Der historische Stadtgrundriss war sicher nicht prägend für diese Gegend. Nun kann man sich lange darüber streiten, ob das mit der Rekonstruktion dieses Grundrisses gelungen ist oder ob man die Straßen zwei Meter breiter hätte wählen sollen. Fest steht aber, dass man zu dieser Zeit – und auch heute noch – in vielen anderen Städten – ich erinnere an Dresden, Frankfurt und Potsdam – bemüht war, die alten Stadtgrundrisse wiederherzustellen, um dadurch eine gewisse Atmosphäre hinzukriegen. Ich darf mal daran erinnern, dass wir sowohl den Werderschen Markt als auch den Schinkelplatz jahrelang nur als einfache Straßenschilder hatten, aber kein Platz erkennbar war. Die räumliche Ordnung ermöglicht es, jetzt wieder Plätze zu haben. Insofern finde ich den Ansatz, der diesem Bebauungsplan einmal zugrunde lag, gar nicht so schlecht. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass dieser Bebauungsplan aus dem Jahr 2008 stammt und entsprechend festgesetzt worden ist. Ich glaube, da war Frau Lompscher noch in der Stadtentwicklungsverwaltung verantwortlich.

[Zurufe]

Zu diesem Zeitpunkt war es allgemeine Ansicht, dass das so gemacht werden sollte.

Uns haben damals alle Fachleute versichert, es komme nicht zu Schäden. Nun muss man leider Gottes sehen, dass die Überwachung des nun fertiggestellten Gebäudes leider nicht hundertprozentig war. Ich glaube aber – nach dem, was wir im Ausschuss gehört haben –, dass man daraus jetzt Konsequenzen gezogen hat. Man hat zwar nicht den Bebauungsplan geändert, aber man hat Vorkehrungen dafür getroffen, dass nicht erneut Schäden auftreten können. Wir haben gestern im Ausschuss in der Aktuellen Viertelstunde gehört, dass es dort eine sehr engmaschige Überwachung gibt. Der Prüfstatiker ist täglich vor Ort. Bislang sind alle Maßnahmen erfolgreich getroffen worden, um weitere Schäden zu verhindern. Insofern glaube ich, dass der Senat aus den Erfahrungen gelernt hat und wir die Baumaßnahme durchführen können, ohne dass es zu weiteren Schäden kommt. Das sagen zumindest sämtliche Bausachverständige, die vom Senat befragt wurden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Birk?

Nein! – Ich glaube auch nicht, liebe Frau Kapek, dass es für die Verhängung eines Baustopps eine Rechtsgrundlage gibt, denn es sind keine Schäden erkennbar.

[Zurufe]

Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, einen begünstigenden Verwaltungsakt wie diese Baugenehmigung zurückzunehmen, weil Baugenehmigungen nicht nach Gutsherrenart vergeben werden, sondern sie sind Rechtsakte.

[Thomas Birk (GRÜNE): Dafür tragen Sie auch Verantwortung! – Zurufe von Joachim Esser (GRÜNE) und Martin Delius (PIRATEN)]

Und diese Rechtsakte können auch nur rechtmäßig zurückgenommen werden. Dafür sehe ich keine Veranlassung. Insofern geht Ihr Antrag – so leid es mir tut –, was die Rücknahme der Baugenehmigung und den Baustopp angeht, ins Leere. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Kollege Dr. Heide! – Für die Piratenfraktion spricht jetzt Kollege Magalski. Er hat das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Über die herausragende Bedeutung der Friedrichswerderschen Kirche haben wir in der ersten Lesung bereits gesprochen. Ich habe dazu etwas ausgeführt, und die Kolleginnen und Kollegen haben das auch getan. Frau Kollegin Haußdörfer! Sie haben in der ersten Lesung angemahnt, dass, sollte es weitere Schäden am Gebäude geben, eine Evaluation der Baumaßnahmen im Sinne des Denkmalschutzes erfolgen müsse. Es gibt nun weitere Schäden. Und ist die Evaluation erfolgt? – Nein! Es wird sich weiterhin darauf verlassen, dass das sanfteste der sanftesten Baustellenkonzepte – das Baukonzept Kuschelweich – greift. Das tut es aber offensichtlich nicht; es gibt es letztlich auch gar nicht. Liebe Kollegin Haußdörfer! Machen Sie Ihre Ankündigung wahr, und stimmen Sie für diesen Antrag!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Was nützen alle feinfühligen Warnsysteme, wenn der Schaden im Moment der Warnung bereits eingetreten ist? Das ist ungefähr so, als wolle man mit Überwachungskameras Verbrechen verhindern – ineffektiv!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Der Senat ist nicht gewillt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen,