Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/2707-1 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Linke, Grüne und alle Piraten, wenn ich das richtig sehe.
Ach, einer nicht. Gut, ich bitte um Entschuldigung. Das war eine Wackelmeldung, deshalb konnte ich das nicht orten. Also, bis auf einen Piraten auch die Piratenfraktion. Wer ist gegen den Antrag? – Das sind geschlossen die Koalitionsfraktionen.
Ich habe Sie jetzt nicht verstanden? – Sie haben dagegen gestimmt. Gut. Dann bitte so deutlich, dass ich es auch sehe.
Ich stelle ausdrücklich fest: Ein Kollege von der Piratenfraktion hat dagegen gestimmt. Es haben auch die Koalitionsfraktionen dagegen gestimmt. Gibt es Enthaltungen?
Das ist nicht der Fall. Dann waren die Nein-Stimmen die Mehrheit. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Nun lasse ich über die Ihnen vorliegenden gleichlautenden Beschlussempfehlungen des Innen- und des Hauptausschusses abstimmen, die jeweils einstimmig – bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen – beschlossen worden sind. Wer diesen Beschlussempfehlungen so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen geschlossen. Wer ist dagegen? – Eine Stimme bei den Piraten. Wer enthält sich? – Das sind bis auf eine Stimme bei den Piraten alle Oppositionsfraktionen. Ersteres war die Mehrheit, damit ist der Antrag angenommen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 2. Dezember 2015 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 9. Dezember 2015 Drucksache 17/2639
Es beginnt natürlich die Fraktion Die Linke, und die Kollegin Lompscher erhält das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Die Friedrichswerdersche Kirche ist einer der bedeutendsten Bauten und der letzte erhaltene von Karl Friedrich Schinkel gestaltete Innenraum in Berlin.
Meine Damen und Herren! Darf ich kurz bitten! Wenn Sie Gespräche führen wollen, machen Sie das bitte draußen, und gehen Sie geräuschlos raus. Jetzt hat die Rednerin das Wort. – Bitte schön, Frau Lompscher!
Vielleicht ist es von Interesse, denn ich muss mich korrigieren: Sie war der letzte erhaltene Innenraum. Das Betreten ist seit Jahren verboten, ein raumhohes Gerüst verstellt den Raum komplett. Ob und wann es jemals entfernt oder durch ein Stützkorsett ersetzt werden muss, kann derzeit niemand sagen. Selbst ein Totalverlust ist nicht ausgeschlossen. Die Schäden sind – und das ist sicher – bereits jetzt nicht mehr reparabel. Erst vor Kurzem sind neue Risse entstanden. Sie betreffen den Gewölbebereich des Langhauses und sie sind mehr als Haarrisse.
Gestern im Ausschuss versuchte der Senat zu beschwichtigen: Die Alarmwerte seien bei Weitem nicht erreicht. Aber wann schrillen die Alarmglocken überhaupt? Beim Einsturz?
Die zweite Baugrube, nun im östlichen Bereich, wird bald ausgehoben – wieder bis zu 15 Meter tief für mehrgeschossige Tiefgaragen. Es ist eigentlich unglaublich. Der Senat versichert, es werde alles unternommen, um das Bauwerk zu sichern, doch weder die alten und schon gar nicht die neuen Schäden hätten so überhaupt entstehen dürfen.
Der Umgang der Berliner Behörden und der privaten Bauherren mit diesem herausragenden Bauwerk ist schlicht skandalös. Es ist, wie es Pfarrer Stephan Frielinghaus nennt, eine Zerstörung mit Ansage. Und Nikolaus Bernau konstatiert in der „Berliner Zeitung“ resigniert, das Desaster überrasche uns so ganz und gar nicht. Man müsse fast auf den Einsturz hoffen, damit wie seinerzeit in Köln endlich umgedacht wird.
Darf ich Sie mal kurz unterbrechen? – Ich sehe, dass da Handys verwendet werden. Das Telefonieren ist im Saal untersagt, bitte. Seien Sie so freundlich und telefonieren Sie draußen! Wir sind hier ein Parlament und kein Callcenter.
In unserem Antrag forderten wir den Senat vor Monaten auf, unverzüglich gemeinsam mit dem Bezirksamt Mitte alles zu unternehmen, um eine weitere Schädigung der Kirche durch laufende bzw. geplante Baumaßnahmen in deren unmittelbarer Umgebung zu verhindern. Dem Bezirksamt Mitte soll der Senat jede Unterstützung gewäh
ren, die geeignet ist sicherzustellen, dass die Bauausführung nur zugelassen wird, wenn eine weitere Schädigung der Kirche ausgeschlossen ist. Und es ist sicherzustellen, dass die Verursacher der Schäden nicht nur für die Kosten der Beseitigung in vollem Umfang aufkommen, sondern die Schäden auch möglichst kurzfristig beseitigt werden. – Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt. Dem kann man doch zustimmen.
Zu behaupten, dafür gäbe es kein Erfordernis und keine rechtliche Handhabe, ist schlicht verantwortungslos. In der Beantwortung einer Schriftlichen Anfrage meiner Kollegin Antje Kapek vom Dezember heißt es:
Es kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass durch das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück der Kirche weitere Schäden an der Kirche entstehen können.
Und das ist ja nun so eingetreten. Es ist zwar richtig, das Abgeordnetenhaus hat den Bebauungsplan seinerzeit beschlossen, aber eben nicht um den Preis der Beschädigung eines herausragenden Baudenkmals.
Ein Baurecht berechtigt übrigens nicht zur Zerstörung der Nachbargebäude. Wir müssen feststellen: Der Bezirk ist der Beobachter des Geschehens und der Senat derjenige, der beschwichtigt. Niemand greift ein und stoppt die Baumaßnahmen, obwohl nicht nur gegen den Denkmalschutz, sondern auch gegen die Bauordnung grob verstoßen wird. Die beiden Gebäude hätten spätestens mit der Befürchtung der drohenden und dem Wissen um eingetretene Schäden umgeplant werden müssen, zum Beispiel durch Verzicht auf die Entwicklung der Gebäude in die Tiefe. Aus dem Bauprojekt, das westlich an die Kirche angrenzt, hätten Konsequenzen für den östlich angrenzenden Bau gezogen werden müssen. Es kann nicht sein, dass es nur noch darum gehen soll, die Schäden dem jeweiligen Investor links oder rechts der Kirche zuzuordnen, die in Euro zu messen und anteilig in Rechnung zu stellen.
Herr Regierender Bürgermeister! – Der ist zwar nicht da, aber der Bausenator ist da. – Sorgen Sie dafür, dass der Architekturkritiker Dankwart Guratzsch nicht recht behält, der die größte Baubehörde Deutschlands angesichts des Skandals um die Friedrichwerdersche Kirche als eine der unfähigsten bezeichnet hat. Ein Baustopp, ein Überdenken oder zumindest Überarbeiten des Projekts in der östlichen Nachbarschaft sind spätestens jetzt angebracht. Handeln Sie endlich! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Kollegin Lompscher! – Kollegin Haußdörfer spricht jetzt für die SPD-Fraktion und hat das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stelle fest, die Reden aus der ersten Lesung bleiben weiter aktuell, und leider – das muss man so konstatieren, das werden wir auch alle hier zusammen konstatieren – gibt es keine positiven Schlagzeilen, die dieses hochkarätige Baudenkmal betreffend gemacht werden. Weitere Risse sind aufgetreten. Und, ja, diese liegen nach Auskunft der Senatsverwaltung und der das Bauprojekt begleitenden Messstatikerin zwar unterhalb der Schwellengrenze, eine Grenze, die nun mal aus verschiedensten Bauvorschriften und -normen festgelegt wurde, aber trotzdem muss man festhalten: Jeder Riss ist ein Riss, und jeder einzelne ist einer zu viel. Im Gegensatz zu dem von mir sehr geschätzten Nikolaus Bernau und vielleicht auch Frau Lompscher hoffe ich nicht auf den Einsturz der Friedrichwerderschen Kirche, um über den Umgang von Bauprojekten und Denkmälern nachzudenken.
Ja, es gab im Vorfeld des 1. September 2011 einige Kritik. Frau Schneider von den Grünen beschwerte sich darüber, dass durch die höhere Wohnbebauung die Lichtwirkung im Innenraum durch Verschattung gestört wird und die Kirche ehemals das höchste Gebäude in Mitte war und jetzt nicht mehr realisiert wird; ebenso, dass der Ensembleeindruck durch die dichte Bebauung verschandelt werde. Die FDP hatte die Geh-, Fahr- und Leitungsrechte kritisiert. Die Möglichkeit schwerwiegender Bauschäden ist hier in der parlamentarischen Beratung damals nicht thematisiert worden. Zugegebenermaßen ist das etwas, wovon wir alle gelernt haben.
Und ja, deshalb ist es auch ein Verdienst dieses Antrags, auf die Problematik von Bauprojekten und die Verdichtung in der historischen Mitte hinzuweisen. Es ist ja nicht so, dass es nicht auch viele Stimmen gegeben hat, die von der historischen Bebauung von 1885 und früher geschwärmt und diese angedacht haben. Es gibt eben keine historische Altstadt in der Mitte mehr. Es hat viele zeitgeschichtliche Ver- und Überformungen gegeben. Und ja, es gibt eben auch bei einigen Berlinern die Sehnsucht nach einer solchen Altstadt, auch wenn ich sie persönlich nicht teile. Von daher war eben auch die Idee, ein Schlüsselprojekt der Entwicklung von Friedrichswerder zu initiieren und damit einen Anfang in der Wiedergewinnung der historisch kleinteiligen Blockstruktur zu realisieren.
Und ja, auch wir ziehen unsere Schlüsse daraus, wie mit dem Bauen in sensiblen Bereichen, wie mit diesen historischen Vorbildern umgegangen wird. Höhere Baumassen und Tiefgaragen hatten eben kein historisches Äquivalent