Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

Und ich freue mich sehr, wenn wir beide gemeinsam zum Myfest gehen und dann ein Gespräch mit Frau Herrmann führen, und sie Ihnen dann erzählt, was sie in der Tat

geleistet hat. Ich sage Ihnen, Frau Herrmann sitzt seit Mai 2015 an der Vorbereitung dieses 1. Mais mit der MyfestCrew. Wer nicht dabei war, das war die Versammlungsbehörde, das war dieser Innensenator. Der hat das Problem erst geschaffen, indem er die politische Versammlung Myfest nicht genehmigen wollte. Jetzt vor Kurzem ist er aufgewacht. Dafür wollen Sie ihn feiern? Was ist denn das für eine perfide Logik!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Lachen von Bürgermeister Frank Henkel]

Ist doch so! Na klar! Natürlich!

[Bürgermeister Frank Henkel: So ein Quatsch!]

Ach Sie, Herr Henkel! Sie wollten diesen 1. Mai nicht! 2007 haben Sie noch gesagt: Verhältnisse wie in Beirut sind das in Kreuzberg! – Sie wollten nie, dass die Leute dort friedlich feiern! Sie wollten das Myfest nicht.

[Zuruf von der SPD: Schrei doch nicht so!]

Und auf einmal sagen Sie, Sie können sich einen friedlichen 1. Mai ohne Myfest gar nicht vorstellen. So wie Sie sich da verhalten, das ist: Waschen Sie mir den Pelz, aber machen Sie mich nicht nass! Das ist der Innensenator so wie wir ihn kennen!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir von der Opposition wollen das Myfest langfristig sichern.

[Lachen von Bürgermeister Frank Henkel]

Sie hangeln sich hier gerade im letzten Moment dazu, dass wir es für dieses Jahr sichern. Die Myfest-Crew, die Anwohnerinnen und Anwohner, die Gewerbetreibenden – der ganze Kiez arbeitet seit einem Jahr daran, dass das Myfest dieses Jahr gesichert ist. Und Sie kommen auf den letzten Metern und lassen sich hier abfeiern! Wie schäbig! Haben Sie nichts anderes, wofür Sie sich feiern lassen können?

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Nichts, nichts! – Eigentlich ist damit alles gesagt. Aber ich will noch mal sagen, wir als Opposition haben für heute als aktuelles Thema angemeldet: „Hass und Hetze entgegentreten – offene Gesellschaft verteidigen – Integration jetzt“ – das war unser Thema als Oppositionsfraktion. Ich sage Ihnen: Nach dem letzten Wahlsonntag hätten wir alle hier ein Interesse daran gehabt – vor allem nach Sachsen-Anhalt –, gemeinsam Lösungen zu diskutieren, wie es extrem rechten und vor allem ewig gestrigen Parteien, die ungefähr im Jahr 1950 stehen geblieben sind, erschwert wird, in die Parlamente zu kommen. Diese Parteien wie aus Sachsen-Anhalt passen nicht nach Berlin, und wir alle müssen den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern suchen, mit denen, die sich frustriert abgewandt haben von der vermeintlich etablierten Politik. Wir müssen diesen Dialog aufnehmen, zuhören, mit

(Stephan Lenz)

fühlen und fragen, aber auf der anderen Seite auch klarmachen: Leute, das Wahlrecht ist nicht dazu da, um den eigenen Henker zu wählen!

Und wir müssen auch Lösungen finden für die Integrationsfrage, wie ich es gerade gesagt habe – wie wir es als Opposition übrigens ständig anmahnen. Aber Sie, meine Damen und Herren aus dem Senat, Sie zeigen gerade, was für einen Bärendienst Sie uns erweisen: Sie hauen das Geld raus für Masterpläne, die eine Verwaltung erstellt hat.

Herr Kollege! Sie finden auch die Verbindung zum Thema, bitte!

Das Thema ist: Welche Alternative wäre möglich gewesen zu dieser Aktuellen Stunde?

Nein! Das Thema ist Myfest 2016.

Letzter Satz, Herr Präsident, zu dem Thema Alternative: Sie haben Geld ausgekehrt an verdiente Genossen über McKinsey, statt die Verwaltung zu ertüchtigen, und darüber wollen Sie heute nicht reden. Das ist schäbig!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Also gut, reden wir noch mal über das Myfest, Herr Präsident! – Ich sage Ihnen: Das Myfest ist eine Erfolgsgeschichte, fast schon eine Erfolgstradition, aus der man lernen kann für ganz Berlin. Die CDU steht da in einer gewissen anderen Tradition, aber wir sind für Resozialisierung immer zu haben – also herzlich willkommen, Herr Innensenator! Ihr Vorgänger hat 2001 alle Demonstrationen in Kreuzberg verboten, und da kam es zu den schwersten Mai-Krawallen seit 1987: marodierende Banden auf der einen Seite, eine hilflose Polizei auf der anderen Seite; am Ende waren 500 Menschen rechtswidrig eine Nacht am Mariannenplatz eingekesselt, die mit Straftätern gar nichts zu tun hatten. Rechtswidrig war das! Es war wirklich eine lange Nacht auch für mich damals, obwohl ich nur einen Parteistand abbauen wollte. Ich bin Herr Grottian wirklich dankbar, der 2002 die Initiative „Denk Mai neu!“ gegründet hat. Seit 2003 gibt es das Myfest. Innensenator Henkel hat, wie gesagt, 2007 noch von Zuständen wie in Beirut in Kreuzberg gesprochen; das war echt nicht hilfreich. Aber ich sage Ihnen: Das Myfest ist ein Superfest: tolle Musik von Hip-Hop, Folk, Elektro, Hardcore; Essen von Bratwurst bis zu den leckersten Köfte, die man sonst nicht kriegen kann; politische Diskussionen von Marx über Chomsky bis Negri; internationale Beiträge von Südamerika bis nach Fernost.

Das ist Multikulti – dazu haben Sie sich heute bekannt von der CDU, vielen Dank! – at its best. Eine Welt at its best: politische Diskussionen von Fluchtursachen weltweit über die Verdrängung und Repression im Hier und Jetzt, auch in Kirchen am Lausitzer und am Mariannenplatz. Das ist ein tolles, immer noch unkommerzielles und natürlich politisches Fest, das von der Myfest-Crew organisiert wird. Im Vordergrund steht nicht der Gewinn in Geld, sondern der Gewinn in Genuss, Diskussion und Erkenntnis, und dafür müssen wir Kreuzberg, der MyfestCrew und auch Frau Herrmann dankbar sein.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Natürlich ist das Fest politisch. Wenn Sie vor einem Jahr angefangen hätten, die Informationen und Meinungen dort zu sammeln, dann wären Sie heute nicht fertig gewesen damit, dass ein ganzer Kiez sagt: Wir wollen hier keine Gewalt, keine brennenden Barrikaden, keine Plünderungen! – Das sagt das Fest aus, das ist die politische Geburtsurkunde des Myfestes, und sie ist bis heute gültig.

Wir müssen auch erkennen, dass das Myfest nicht an Ihnen scheitern wird, Herr Henkel – so groß sind Sie auch nicht –, sondern an seinem eigenen Erfolg. Es waren nicht 40 000 Leute – es waren 250 000 Leute, die letztes Jahr in Kreuzberg in dichten Massen da durchgegangen sind. Familien mit Kindern hatten kaum Platz; Fluchtmöglichkeiten gab es nicht, und so ist es richtig, dass jedes Jahr das Sicherheitskonzept dort angepasst wird und das ja auch wieder politischer wird. Ja, das muss auch wieder politischer werden!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Sie beim Senat und Ihre Versammlungsbehörde muss das mal anerkennen. Sie haben sich da ja herausgestohlen; Sie können ja gleich noch mal sagen, was Sie so alles getan haben seit dem letzten 1. Mai 2015. Aber ich sage Ihnen nur: Schauen Sie mal auf die Website des Myfests, was dort an politischen Inhalten steht: Kreuzberger Werte – Toleranz, kulturelle und sexuelle Vielfalt und ein friedliches Miteinander als Basis für unsere Zukunft! Wir wollen die Straßen, in denen wir wohnen, von gewaltvollen Ausschreitungen zurückgewinnen. Aber auch: Nun müssen wir kämpfen, um nicht selbst gewaltvoll aus unserer Nachbarschaft von Investoren verdrängt zu werden, die unsere Stadt zur Beute für unendliche Geldvermehrung nehmen.

Kreuzberg war und ist immer für Fremde, Flüchtlinge und Zuwanderer offen. Neue Nachbarn, auch die aus Baden-Württemberg, sind in unserer Gemeinschaft herzlich willkommen. Diejenigen von uns, die aber bleiben wollen, dürfen nicht durch Mieterhöhungen vertrieben und zum Umzug gezwungen werden. Wenn nicht diese Botschaften – was ist denn sonst politisch? Natürlich ist das Myfest politisch, und wir hätten dieses Ergebnis, das Sie jetzt gerade herbeisehnen, schon vor einem halben oder dreiviertel Jahr haben können, wenn Sie sich mal

mit dem Myfest auseinandergesetzt hätten, liebe Damen und Herren von der Koalition!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ihre faule Haltung – wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! – ist das Problem, dass wir heute erst auf den letzten Moment das Myfest retten können! Ich sage Ihnen: Diese Ignoranz gegenüber engagierten Bürgerinnen und Bürgern aus einem ganzen Kiez, Ihre Ignoranz gegen Beteiligung von unten, wie wir es nicht anders von Ihnen kennen seit den Volksentscheiden Wasser, Energie, dem Volksentscheid Tempelhofer Feld oder jetzt beim Rad-Volksentscheid – immer sind es die vermeintlichen Volksparteien, die gegen die Bevölkerung agieren. Wo haben Sie denn etwas Ähnliches geschaffen wie die Kreuzbergerinnen und Kreuzberger? Wo? Wann? – Sagen Sie es mir! Wann haben Sie etwas Ähnliches geschaffen wie das Myfest? – Nichts!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir haben auch ein ernstes Problem seit dem LoveParade-Unglück in Duisburg und seit der gestiegenen abstrakten Terrorgefahr: Seitdem verweigern Sie jedes Konzept, wie in Zukunft Großveranstaltungen in Berlin sicher und möglich sein sollen. – Sie, Herr Henkel, sollten dazu heute auch mal was erzählen. – Die einzige Großveranstaltung, die in Berlin momentan sicher erscheint, ist die Fashion Week vor dem Brandenburger Tor. Nichts gegen die, aber zu Berlin gehört mehr als Hochglanz. Berlin ist Teil von vielen Festen, von vielen bunten Festen, Großveranstaltungen wie dem BerlinMarathon. Hier hat uns der Geschäftsführer im Innenausschuss erklärt, wie schlecht die Sicherheitskonzepte des Senats in Verbindung mit den Bezirken sind. Großveranstaltungen wie der Christopher Street Day, der Karneval der Kulturen, Silvestermeile, das Umweltfestival, das Nisan-Kinderfest, das dank Ihres Nichtstuns nicht stattfinden konnte, oder etliche Straßenfeste und andere Veranstaltungen – wir Grüne wollen eine lebendige Stadt, in der auch nichtkommerzielle Organisationen Straßenfeste, Umzüge und Veranstaltungen machen können, die vom Staat geschützt werden. Also tun Sie endlich was! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Eggert das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich meine Erleichterung darüber zum Ausdruck bringen, dass das Myfest 2016 nun doch statt

finden kann. Das ist in allererster Linie der Myfest-Crew zu verdanken und niemand anderem.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ohne das Engagement der Myfest-Crew und ihrer Bereitschaft, in der verfahrenen Situation Verantwortung zu übernehmen, wäre das Myfest gescheitert – mit unabsehbaren Folgen für Kreuzberg, für die Sicherheit und Ordnung und für ganz Berlin. Das strategische Ziel des Landes und des Bezirks Friedrichhain-Kreuzberg zum 1. Mai eines jeden Jahres in Berlin ist es, einen friedlichen 1. Mai zu organisieren. Das Myfest ist als politisches Instrument für die Befriedung des 1. Mais in den letzten Jahren ein voller Erfolg gewesen und wird es in Zukunft auch bleiben. Es besteht ein stadtpolitisches Interesse daran, dass das Myfest als Mittel zur politischen Deeskalation erhalten bleibt, und es wird dafür auch weiterhin gebraucht werden. Dies ist, glaube ich, allgemeiner Konsens in dieser Stadt.

Man fragt sich also: Warum nicht gleich so? Warum gibt es so lange Streit? Warum braucht man den Zeitraum vom 2. Mai 2015 bis heute, bis vor wenigen Tagen – aktuell läuft ja noch die eine Gerichtsverhandlung? Also warum braucht man diese Zeit?

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Behrendt?

Nein, danke! Klären wir nachher! – Offenbar verkommt der Konflikt zwischen einem CDU-Innensenator, einer grünen Bezirksbürgermeisterin und, wie Sie gerade eben mitbekommen haben, anscheinend auch der GrünenFraktion hier im Abgeordnetenhaus, zum reinen Selbstzweck. Rituale werden hier wiederholt; Verantwortungen werden in einem Hickhack hin- und hergeschoben, und die Protagonisten erledigen einfach nicht ihre Aufgabe, dieses Fest gemeinsam zu organisieren.

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kapek?

Nein, ich lasse auch von Frau Kapek keine Zwischenfrage zu!

Gut! Also gar keine?

(Benedikt Lux)

Genau: gar keine! Danke! – Insbesondere der immer wieder zutage tretende Widerstand anscheinend auch der Grünen gegen das Fest – – Ich habe ja ganz neu gehört, dass Herr Lux ein großer Fan ist. Als Bezirksverordneter in Friedrichshain-Kreuzberg kann ich mich noch gut daran erinnern, wie immer wieder der Widerwille von Funktionären der Grünen dazu beigetragen hat, dass das Myfest zumindest in seinen Anfangsjahren in Frage gestellt wurde. Es könnte daran liegen, dass es, obwohl es uns Herr Lux eben fast wieder dargestellt hat, kein Produkt der Grünen ist. Da ist mal etwas in Kreuzberg erfolgreich gelaufen

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]