Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

Dennoch ist nach Ihren Erfolgen ein kleiner, aber finanziell relevanter Gedanke geblieben: die Beitragsfreiheit, der Alleingang von Herrn Saleh. Sie sagen jetzt, es wird nicht daran scheitern; im Bildungsausschuss letzte Woche sah das allerdings ein bisschen anders aus. Ihr Koalitionspartner, die CDU, ist mit dieser Änderung wohl gar nicht zufrieden. Sie feiern sich hier nun selbst, doch ist das einzige Verdienst, das Sie sich hier zurechnen können, jenes, dass Sie auf die engagierten Bürger in Berlin gehört haben. Hätten Sie es tatsächlich gewollt, hätten wir keine sechs Monate über dieses Gesetz diskutieren müssen, sondern hätten in den Haushaltsberatungen bereits die entsprechenden Anträge einbringen können. Auch hier hätten wir heute Morgen keine 30 Minuten Verzögerung gehabt, um überhaupt arbeitsfähig zu sein.

[Beifall bei den PIRATEN]

Nun aber weiter zu der eigentlichen inhaltlichen Oppositionsarbeit: Berliner Kitas brauchen Qualität, darin sind wir uns alle einig. Der erste Punkt, den wir hier besprechen, ist die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung. Es gibt unterschiedliche Qualitätsstandards an den unterschiedlichen Fachschulen. Hierzu haben wir im Bildungsabschluss eine Anhörung gemacht, die das ebenfalls bestätigt hat. Der dabei angesprochene Wunsch waren die Schulinspektionen an privaten Fachschulen. Auch der Senat hat sich hierbei als kooperativ gezeigt und die Bereitschaft erklärt, dass diese Inspektionen dorthin ausgeweitet werden können.

Ein weiteres Thema, das die Erzieher angeht, ist die Bezahlung. Sie geben nun hier durch die Beitragsfreiheit einfach ziemlich viel Geld aus, das Sie nicht wiederbekommen können. Auch in zukünftigen Legislaturperioden können Sie sich das nicht wieder holen, das ist jetzt ein für alle Mal weg, wenn Sie das beschließen. – In den vergangenen Jahren hatten wir im Ausschuss häufiger darüber geredet, welche Prioritäten wir in der Kitabildung haben. Auch hier ist ein Punkt, bei dem ich mit Ihnen, liebe SPD, nicht ganz d’accord gehe und auch glaube, dass Ihr Koalitionspartner das anders sieht. Denn ich erinnere mich an Aussagen der CDU, dass erst die Er

(Katrin Möller)

zieher besser bezahlt werden müssen und danach die Kitabeitragsfreiheit kommt. Hat sich diese Prioritätensetzung wirklich geändert?

Der zweite Punkt – Kitaqualität auf Bundesebene: Es ist momentan schwierig, bundesweite Standards zu finden, denn der Personalschlüssel in den Bundesländern sowie seine Berechnung sind sehr unterschiedlich. Die Freistellung der Kitaleitung wird teilweise gar nicht berücksichtigt oder lässt sich nicht vergleichen. Auch die Finanzierungen unterscheiden sich sehr. Dennoch ist es sinnvoll, einheitliche Bundesstandards zu haben, um bundesweit ein Mindestmaß an Qualität sichern zu können. Der Senat hat hierbei die Sorge um die Absenkung des Standards artikuliert. Die eine maßgebliche Sorge, die angesprochen wurde, war die des höheren Betreuungsbedarfs bei Kindern mit Behinderungen von 0,25 oder 0,5 Stellen. Durch die Änderungen des Kitagesetzes, wie Sie es vorgeschlagen haben, wird es ein bisschen besser. Unter der aktuellen Situation hätte das bedeutet, in Baden-Württemberg haben wir 3,3 Kinder auf einen Erzieher im Krippenbereich; in Berlin sind es, wie Sie vorhin sagten, 5 : 1. Also hätten wir hier, selbst wenn wir ein Kind mit Behinderungen und damit den entsprechenden Ansatz von 0,25 bis 0,5 Stellen mehr hätten, immer noch 2,1 Stellen weniger pro Kind als in Baden-Württemberg. Damit haben wir hier so gesehen erst einmal bundesweit eine schlechtere Stellung.

Die weitere Sorge war jene um das Bildungsprogramm. Durch den aktuellen Personalmangel kann das Bildungsprogramm nicht umgesetzt werden. Die Kitas beschweren sich. Sie sagen, sie haben nicht die Zeit dafür und sie können diesen pädagogischen Arbeiten nicht nachkommen. Auch das Sprachlerntagebuch bleibt häufiger liegen, was wir auch im Ausschuss schon mehrfach gehört haben. Die Aufgabe der Kitaaufsicht, die eigentlich dafür da ist, um dieses Bildungsprogramm und das Sprachlerntagebuch umgesetzt zu sehen, ist aber gar nicht als Qualitätsmerkmal in der Anfrage mit aufgeführt worden. Das ist nicht unbedingt verwunderlich, wenn man bedenkt, dass 13 Sachbearbeiterinnen und -bearbeiter für alle Kitas in Berlin zuständig sind, um das zu kontrollieren. Können Sie sich denn vorstellen, dass Berlin durch bundesweite Standards auch profitieren kann? – Ich hatte das Gefühl, dass das momentan nicht der Fall ist. Wir sind von diesem Gedanken jedenfalls angetan, eben auch, da er die Intransparenz über die aktuellen Entwicklungen, die im Bund dazu besprochen werden, die dem Senat berichtet werden, dem Abgeordnetenhaus aber nicht, aufgehoben wird.

Der dritte große Punkt, den wir in der Stadt haben, ist der Mietwucher, der nicht nur für Wohnungen entscheidend ist und schon in der vergangenen Plenarsitzung für Debatten gesorgt hat, sondern auch für die Kita existenziell wichtig und entscheidend ist. Hierzu ist ein sinnvoller Antrag eingereicht worden, auch zur rechten Zeit. Ich

weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bekomme fast wöchentlich Anrufe oder Briefe von Kitas, die um Hilfe bitten, weil sie die Kitaräumlichkeiten gekündigt bekommen haben oder eine Erhöhung der Mietkosten haben, die sie sich nicht leisten können. Bei etwa 4 Euro pro Quadratmeter, die durch die vom Land finanzierten Mieten machbar sind, ist es auch kein Wunder, wenn die Miete sonst bei 15 Euro liegen würde. Hier müssen wir gegensteuern. Der Bezugsort muss für die Kita identisch bleiben. Es wird immer gesagt, man kann in andere Räumlichkeiten gehen, und der Senat bemüht sich auch, wie wir in der Antwort auf eine Anfrage lesen konnten, dies entsprechend zu fördern, allerdings ist es z. B. in Neukölln schwierig, wenn dort einer Kita gekündigt wird, in direktem Umfeld einen neuen Ort zu finden, weil alle Mietpreise so hoch sind. Hierfür müssen wir entsprechende Entscheidungen treffen.

Was ich nicht so ganz verstehe, ist, wenn Sie jetzt all diese Probleme plus die anderen Probleme betrachten, die wir im Ausschuss in Bezug auf Kitas besprochen haben, warum Sie die Kitagebührenfreiheit so unbedingt umsetzen wollen. Ich kann es einfach nicht verstehen.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Katrin Möller (LINKE)]

Vielen Dank! – Für den Senat spricht nun Frau Senatorin Scheeres. – Bitte schön, Frau Senatorin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Berlin ist eine familienfreundliche Metropole. Liebe Opposition! Das können Sie uns nicht madig reden.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Viele Menschen ziehen mit ihren Familien nach Berlin. Sie lassen sich mit ihren Familien nieder, sie gründen hier eine Familie. Berlin hat bundesweite und internationale Ausstrahlungskraft. Und Familienfreundlichkeit stellt einen Standortfaktor dar. Das ist auch an der Wirtschaft nicht vorbeigegangen. Viele Menschen entscheiden sich dafür, in Berlin zu arbeiten, da wir eine entsprechende Infrastruktur hier in Berlin haben und die Kinder versorgt sind und eine gute Bildung in Berlin erfahren.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Das ist Berlin: viele Kindertageseinrichtungen. Das können Sie in den Bezirken nicht übersehen. In allen Bezirken sind viele Kindertageseinrichtungen entstanden. Ja, in Zusammenarbeit mit den Trägern! Aber Berlin hat ein eigenes Landesprogramm. Wir haben im Land Berlin 160 Millionen Euro in die Hand genommen und fast 20 000 Kitaplätze geschaffen. 14 000 weitere Kitaplätze

(Susanne Graf)

werden wir schaffen. Wir haben lange und flexible Öffnungszeiten. So eine Infrastruktur werden Sie in anderen Bundesländern nicht antreffen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Der vorliegende Gesetzentwurf ist einmal mehr ein Ausrufezeichen für Familien. Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt ganz klar auf dem Thema Kita. Aber – das ist bereits angesprochen worden – auch andere Bereiche, die sich positiv auswirken, werden thematisiert. Das betrifft die Zuzahlungsregelungen bei Notfallsanitätern, die Anwärtersonderzuschläge oder auch die Verankerung der außerschulischen Lernorte im Schulgesetz.

Liebe Koalition! Ich freue mich sehr, dass Sie den Vorschlägen des Senats im Wesentlichen gefolgt sind. Liebe Frau Burkert-Eulitz! Es wird Ihnen nicht gelingen, im Senat einen Keil zwischen die Koalitionspartner zu treiben. Sie wissen ganz genau, was in den Empfehlungen des Senats stand und was die Koalition übernommen hat.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Liebe Opposition! Liebe Frau Burkert-Eulitz! Ich bin gegen die Beitragsfreiheit – so ein Quatsch! Ich habe immer gesagt, dass Beitragsfreiheit und Qualität im Einklang stehen sollen. Das wissen Sie ganz genau. Erzählen Sie nicht solch einen Quatsch! – Liebe Opposition! Ich finde es bemerkenswert, wie Sie sich mit Händen und Füßen gegen die Beitragsfreiheit wehren. Ich möchte es deutlich sagen: Es ist eine finanzielle Entlastung der Eltern.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Dass Sie gegen eine finanzielle Entlastung der Eltern sind, finde ich unglaublich.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Es geht darum, dass Eltern von weiteren 50 000 Kindern finanziell entlastet werden. Das ist soziale Gerechtigkeit.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Ein Wahl- geschenk ist das!]

Nein, das ist kein Wahlgeschenk. – Wir sind der Auffassung: Bildung von Anfang an, von der Kita bis zur Hochschule.

[Benedikt Lux (GRÜNE): So blöd sind die Eltern nicht!]

Liebe Grüne! Es ist nicht mein Problem, dass Sie die Kita scheinbar nicht als Bildungseinrichtung sehen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

In der Schule werden keine Beiträge gezahlt und in der Hochschule auch nicht. In Kitas soll das selbstverständlich auch so sein. Dass Sie eine andere Wertigkeit von Kitas haben, tut mir leid. Das ist nicht das Problem der Koalition. – Bildung von Anfang an! Ich habe es angesprochen.

Liebe Opposition! Immer zu behaupten, die Befreiung von Kitabeiträgen würde nur die Menschen entlasten, die mehr verdienen, ist Quatsch. Schauen Sie sich mal genau die Entlastung an!

Frau Senatorin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gleich! Ich möchte noch zu Ende ausführen. – Wir entlasten die Geringverdienenden. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann sehen Sie das. Es sind die Menschen, denen das Geld nicht so locker in der Tasche sitzt, die 50 Euro und Essensgeld zahlen müssen. Wir hatten gestern bei uns den Anruf eines Vaters von Zwillingen, der gefragt hat, ob die Kitabeitragsfreiheit jetzt kommt, denn dann würde er seine Jungs in der Kita anmelden. So ist die Situation.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Liebe Opposition! Zu Ihrer Argumentation, die wir uns seit neun Jahren anhören, mit der Beitragsfreiheit bliebe die Qualität auf der Strecke, haben wir eine ganz klare Linie. Michael Müller hat damals als Fraktionsvorsitzender mit mir gemeinsam einen Stufenplan entwickelt, in dem es um die Beitragsfreiheit bei den Drei- bis Sechsjährigen ging. Wir haben immense qualitative Verbesserungen auf den Weg gebracht. Ich freue mich, dass der Fraktionsvorsitzende, Raed Saleh, genau diesen Weg mit mir weitergeht. Wir lassen uns da nicht auseinanderdividieren. Das ist unsere gemeinsame Linie.

[Beifall bei der SPD]

Darf ich Sie noch einmal wegen der Zwischenfrage unterbrechen?

Ja, das können Sie gerne.

Bitte schön, Frau Kollegin Burkert-Eulitz!

Frau Senatorin! Sie sagten, in der Schule würden keine Beiträge anfallen. Bin ich an der falschen Schule, wenn ich für den Hort zahlen muss? Für relativ schlechte Qualität wird dort relativ viel Geld verlangt.

(Senatorin Sandra Scheeres)

Sehr geehrte Frau Burkert-Eulitz! Ich finde es unglaublich, dass Sie behaupten, die Erzieherinnen und Erzieher und Sozialpädagogen im Ganztag würden eine schlechte Arbeit machen. Das sehe ich nicht so.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ja, wir nehmen einen gestaffelten Beitrag im Hortbereich, aber mir ist nicht bekannt, dass ein normaler Schulplatz im Land Berlin Geld kostet. Das müsste Ihnen auch bekannt sein.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Steffen Zillich (LINKE): Ist der normale Schulplatz in Berlin kein Ganztagsplatz? – Das wäre dann logisch.]

Es ist angesprochen worden, dass wir eine Verbesserung im Personalschlüssel bei den unter Dreijährigen vornehmen. Ja, da haben wir Nachholbedarf, Frau BurkertEulitz. Wenn Sie hier über Erhebungen berichten, dann sollten Sie auch ehrlich sein. Das Bundesamt für Statistik hat keine vollständige Erfassung vorgenommen. Das wurde auch korrigiert. Sie sollten ehrlich sein und sagen, dass wir hier im Land Berlin auf Qualität setzen und nur mit Erzieherinnen und Erziehern arbeiten. Ich könnte es mir auch einfach machen und auch mit anderen Fachkräften arbeiten. Da wäre ich am Anfang der Legislaturperiode locker bei dem für unter Dreijährige empfohlenen Betreuungsschlüssel gewesen. Wir setzen aber auf Qualität. Wir arbeiten mit Erzieherinnen und Erziehern in unseren Kindertageseinrichtungen.