Im eigenen Land unerwünscht, verfolgt und auf der Flucht, so geht es vielen Asylbewerbern, die in unserem Land Schutz und Hilfe suchen. Oft sind sie traumatisiert, haben Haus und Hof verloren und auch ihre Familien. Dennoch wird von ihnen verlangt, dass sie nicht nur in der kurzen Zeit von zwei Tagen einen lückenlosen Ablauf der Ereignisse schildern, sondern alle möglichen Unterlagen beibringen, deren Beschaffung realistischerweise mehrere Monate in Anspruch nehmen würde. Da sie das Unmögliche zu leisten nicht imstande sind, wird ihnen die Durchführung des Asylverfahrens verweigert und somit jegliche Hoffnung auf Schutz und Hilfe genommen.
Zutreffend führen die Wohlfahrtsverbände in ihrer Pressemitteilung aus, es sei schlicht unmöglich, die Unterlagen beizubringen. Das Flughafenverfahren wird von Experten als hastig, unfair, mangelhaft und auch als rechtsstaatswidrig bezeichnet. Asylbewerberinnen und -bewerber brauchen Schutz, der Willy Brandt von Norwegen gewährt wurde. Warum wollen Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen, den Willy Brandts aus Afrika und dem Orient diesen Schutz in unserem schönen Land verweigern?
Fakt ist, dass Sie diesen Knast bauen wollen. Formalistisch ist, dass Sie sich dennoch für unzuständig erklären. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, so leicht kommen Sie uns nicht davon!
Sie haben Handlungsspielräume, und ich erwarte ebenso wie die Kirchen-, Wohlfahrts- und Flüchtlingsvertreterinnen und -vertreter, dass Sie diese auch nutzen.
Meine Damen und Herren vom Senat! In den jeweiligen Funktionen haben Sie die Möglichkeit, auf die Flughafengesellschaft Einfluss zu nehmen, damit dieser Knast nicht entsteht. Gleichzeitig fordern wir Sie auf, durch die Streichung des § 18a Asylverfahrensgesetz die Grundlage für das sogenannte Flughafenverfahren abzuschaffen.
Mittels einer Bundesratsinitiative können wir dazu beitragen, dass nicht nur in Berlin, sondern auch auf keinem anderen Flughafen unserer Republik Menschen ein Verfahren durchlaufen müssen, das wir uns nicht leisten sollten. Falls Sie die Kraft dazu nicht aufbringen können, sollten Sie, Herr SPD-Vorsitzender – er ist jetzt nicht da, aber vielleicht die Mitglieder aus dem SPDLandesvorstand –, Herr Vorsitzender der SPD-Fraktion, liebe Kolleginnen und Kollegen, überlegen, ob Sie das Willy-Brandt-Haus nicht in Thilo-Sarrazin-Haus
und den Flughafen in Thilo-Sarrazin-Flughafen umbenennen, denn das ist die Richtung, in die Sie sich gerade manövrieren – ins Aus.
Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Kollege Kleineidam das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bayram! Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen, wenn Sie von uns erwarten, dass wir gegen geltendes Bundesrecht verstoßen. Da werden wir Sie weiterhin enttäuschen.
Darf ich jetzt reden? Ich habe eben zugehört. Vielleicht fällt es Ihnen schwerer. Das ist Ihr Problem. – Aber wir haben eine klare bundesgesetzliche Regelung, die auch für das Land Berlin gilt. Und daran werden wir uns halten.
Der zweite Antrag von Ihnen, darüber nachzudenken, ob man die bundesgesetzliche Regelung ändern kann, trifft auf viel Sympathie bei vielen meiner Parteifreunde.
Aber die Mehrheitsverhältnisse sind auch relativ klar. Ich sehe nicht, dass wir für dieses Anliegen eine Mehrheit hier im Haus oder auch im Bundesrat bekommen werden. Insofern werden wir Ihren beiden Anträgen nicht folgen. – Vielen Dank!
Die CDU ist noch nicht dran, Herr Lux! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Fast 20 Flüchtlingsorganisationen, Kirchen- und Wohlfahrtsverbände sowie Einzelpersonen haben in einer gemeinsamen Erklärung die Bundesregierung aufgefordert, auf den Bau einer sogenannten Gewahrsamseinrichtung für Flüchtlinge am neuen Großflughafen Willy Brandt zu verzichten und § 18a Asylverfahrensgesetz, der die Grundlage hierfür bildet, abzuschaffen. Die Linke unterstützt diese Forderung.
Nachdem durch die Änderung des Grundgesetzes im Jahre 1993 das Asylrecht massiv eingeschränkt worden war – danach kann kein Flüchtling, der regulär auf dem Landweg einreist, mehr das Asylrecht erhalten –, ist die Flughafenregelung eingeführt worden. Nach dieser Regelung können Asylsuchende einschließlich Kinder und Minderjährige, zum Teil unbegleitete Asylsuchende, für die Dauer des Asylschnellverfahrens unter haftähnlichen Bedingungen am Flughafen festgesetzt werden. Abgesehen von den unerträglichen Zuständen in solchen Gewahrsamseinrichtungen gerade für Menschen, die um ihr Leben fürchten mussten und oft schwer traumatisiert sind, ist hier eine angemessene rechtliche, soziale und psychologische Betreuung nicht möglich. Wahrscheinlich ist sie auch gar nicht gewollt.
Wir schließen uns der Feststellung der Unterzeichner des gemeinsamen Aufrufs an. Der psychische und physische Druck auf die Flüchtlinge, die hermetisch weggesperrt werden, ohne eine Straftat begangen zu haben, ist menschenunwürdig.
Machen wir uns nichts vor! Ziel der Flughafenregelung war und ist, eine weitere Abschreckung für Flüchtlinge, richtiger gesagt, eine zusätzliche Flüchtlingsabwehr, zu etablieren und die Flüchtlinge nach einem Schnellverfahren möglichst klammheimlich zurückzuschicken.
Das Flughafenverfahren macht das, was vom Grundrecht auf Asyl noch übriggeblieben ist, zur Farce. Deshalb fordert Die Linke schon seit langem die Abschaffung des Flughafenverfahrens. Übrigens wird auf den meisten deutschen Flughäfen auf das Flughafenverfahren verzichtet. So auch in Berlin-Tegel, Stuttgart, Köln-Bonn und Hannover. In Berlin-Schönefeld werden aktuell jährlich zwei bis vier Flughafenverfahren durchgeführt. Die Zahlen der entsprechenden Verfahren in Hamburg, München und Düsseldorf sind ebenfalls marginal. Nun geht die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag – Bundestagsdrucksache 17/8095 vom 8. Dezember 2011 – am Standort Flughafen Willy Brandt von ca. 300 Flughafenasylverfahren jährlich aus. Warum eigentlich? Die Zahl ist völlig aus der Luft gegriffen und wird von Experten als viel zu hoch eingeschätzt. Trotzdem hat die Bundesregierung den Flughafengewahrsam durchgesetzt. Sie ist für das Vorhaben verantwortlich und kann nach § 65 Aufenthaltsgesetz jeden Flughafenbetreiber zum Bau eines entsprechenden Gewahrsams verpflichten.
Die Antwort der Bundesregierung macht noch einen anderen Aspekt deutlich. Die Bundesregierung besteht auf dem Bau der Einrichtung, um Fakten zu schaffen und ihre restriktive Verhandlungsposition auf EU-Ebene zu stärken. Dort steht das deutsche Flughafenverfahren nämlich gerade auf dem Prüfstand.
Wir fordern: Erstens: Das Land Berlin soll sich gemeinsam mit Brandenburg gegenüber der Bundesregierung für einen Verzicht auf das Flughafenverfahren am Flughafen Willy Brandt einsetzen. Zweitens: Das Land Berlin soll – eventuell gemeinsam mit Brandenburg – eine Bundesratsinitiative starten mit dem Ziel, § 18a Asylverfahrensgesetz ersatzlos zu streichen.
Genau das wird in den vorliegenden Anträgen gefordert, weshalb diese unsere grundsätzliche Unterstützung erhalten.
Der Antrag „Kein Flughafenknast auf dem Großflughafen BER Willy Brandt“ ist allerdings in einem Punkt man
gelhaft. Er ignoriert, dass der Bund das Recht hat, den Flughafengewahrsam zu erzwingen. Das Land Brandenburg, auf dessen Territorium der Flughafen steht, hat sich bereits dagegen eingesetzt – bislang leider vergeblich. Trotzdem sind wir der Ansicht, dass Berlin alles versuchen sollte, um das Flughafenverfahren am Flughafen Willy Brandt zu verhindern.
Ich komme gerne zum Ende. – Auch § 65 Aufenthaltsgesetz sollte ersatzlos gestrichen werden, damit kein Flughafenbetreiber mehr vom Bund zum Bau eines Gewahrsams für Flüchtlinge gezwungen werden kann. – Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.
Vielen Dank, Herr Kollege Taş! – Für die CDU hat jetzt der Kollege Dr. Juhnke das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Juhnke, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben mit dem Asylrecht die Lehre aus der Zeit der NS-Diktatur gezogen, in der viele Deutsche von Deutschen ermordet werden konnten, auch weil sie in keinem anderen Land Zuflucht aus ihrer Verfolgungssituation fanden.
Ich bin deshalb stolz darauf, dass mein Land, die Bundesrepublik Deutschland, ein solches Recht gewährt.
Der Genuss dieses Rechtes, Herr Zwischenrufer, ist aber auch an Voraussetzungen gebunden. So muss bei erfolgreich anerkannten Asylbewerbern auch eine tatsächliche Bedrohungssituation für das Leben oder die Freiheit aus rassischen, religiösen oder Staatsangehörigkeitsgründen oder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, einschließlich des Geschlechts oder wegen seiner politischen Überzeugung vorliegen. Willy Brandt, Frau Bayram, hätte diese Voraussetzungen erfüllt.