Protokoll der Sitzung vom 28.04.2016

Genau vor diesem Hintergrund ist auch die Frage nach dem Interesse des einzelnen Bürgers an einer Information zu beurteilen. Natürlich ist dabei auch abzuwägen, inwiefern eine Information der Betroffenen, sei es per SMS oder per Veröffentlichung im Internet, möglich ist. Ein solches Informationssystem muss verschiedene Kriterien erfüllen. So muss zum einen verhindert werden, dass kriminelle Kreise darüber Informationen über die Ermittlungen ziehen können. Zweitens ist darauf zu achten, dass durch eine Veröffentlichung im Internet der Eingriff in Grundrechte für die Betroffenen nicht noch weiter verstärkt wird. Drittens ist zu klären, welche Anfechtungsmöglichkeiten für die Betroffenen bestehen und welche Anforderungen an die Form der Benachrichtigung zu stellen sind.

Was die Variante der Veröffentlichung im Internet angeht, so hat die Senatsverwaltung in ihrem Zwischenbericht aus dem Jahr 2013 meiner Meinung nach die Ungeeignetheit dieses Instruments bereits überzeugend dargelegt.

[Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

So wird mit der Veröffentlichung zu erwartender Rückfragen der Betroffenen bei Polizei und Staatsanwaltschaft

überhaupt erst ein individueller Bezug hergestellt und der Grundrechtseingriff damit verstärkt statt abgeschwächt.

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Auch die Information per SMS ist im Hinblick auf die rechtlichen und technischen Anforderungen nicht unproblematisch, auch wenn die Piratenfraktion hierzu anderer Auffassung ist.

Anders als hier suggeriert wird, wurde das Projekt von der zuständigen Senatsverwaltung sofort gestartet. Zur Umsetzung des Konzepts wurde Dr. Buermeyer, Richter am Landgericht und ausgewiesener Fachmann, der sich auch vertieft mit IT-Fragestellungen befasst hat, hinzugezogen. Es hat sich herausgestellt, dass das Projekt u. a. wegen der Einbindung verschiedener Ressorts, vom LKA bis zu den Gerichten, Strafverfolgungsbehörden und ITDZ, mit einem erheblichen Programmieraufwand technisch höchst anspruchsvoll ist. Kollege Lauer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es dieses Projekt weltweit in dieser Form noch nirgendwo gibt.

Daneben stellen sich verschiedene verfassungs- und datenschutzrechtliche Probleme. So ist neben der bundesgesetzlichen Sperrwirkung der Benachrichtigungspflicht in § 101 Abs. 4 StPO für Berliner Landesrecht auch zu prüfen, ob das Verfahren aus kompetenzrechtlicher Sicht mit der StPO vereinbar ist.

Dennoch arbeitet die Senatsverwaltung für Justiz mit Hochdruck an der Einführung eines SMS-Informationssystems und befindet sich darüber seit Monaten in intensiven und konstruktiven Abstimmungen mit dem jeweiligen Datenschutzbeauftragten. Schließlich ist aus datenschutzrechtlicher Sicht zu berücksichtigen, dass die Einführung eines SMS-Informationssystems auch die Schaffung von neuen Datenbanken nach sich zieht.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Sind Sie jetzt Senatssprecherin?]

Der Start des Pilotprojekts dauert länger als erwartet, das ist völlig unbestritten. Allerdings gilt auch in diesem Bereich und insbesondere beim Umgang mit sensiblen Daten: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit, schließlich geht es hier um ein weltweit bisher einzigartiges Projekt.

Der Antrag der Piraten zielt offensichtlich darauf ab, ein grundsätzlich sinnvolles Element der StPO, nämlich die in § 101 Abs. 4 StPO normierte Benachrichtigungspflicht auszuhebeln und die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden stattdessen erheblich zu erschweren.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das schafft Ihr Senator schon viel besser!]

Das Pilotprojekt ist bestehende Beschlusslage in diesem Haus, eines weiteren Beschlusses bedarf es deshalb zur Umsetzung nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Kollegin Seibeld! – Für die Linksfraktion spricht jetzt Kollege Lederer. – Bitte, Herr Dr. Lederer, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tja, was soll man dazu sagen? Ich hätte gar nicht gedacht, dass bei dem Antrag noch mal so richtig schön Schwung in die Bude kommt. Herr Kollege Kohlmeier hat ja im Grunde recht: Im Kern – und jetzt ganz schlicht übersetzt – lautet der Antrag, der Senat wird aufgefordert, endlich seine Arbeit zu machen. Man kann da eigentlich auch nicht anders, als dem zuzustimmen. Lieber Kollege Kohlmeier! Den Antrag kann man natürlich auch als eine Missbilligung interpretieren, und das wäre ein bisschen weniger als das, was Sie hier vorhin gemacht haben, nämlich letztlich eine Aufforderung an den Regierenden Bürgermeister zu richten, den Justizsenator sofort zu entlassen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das war Ihre Rede.

Die Debatte zur Funkzellenabfrage ist bald so alt wie die Legislaturperiode. Kollege Lauer hat vorhin mit dem Jahr 2014 angefangen. Im Antrag und in der Antragsbegründung wird auf den 7. März 2013 Bezug genommen.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Da steht es auch drin!]

Wenn man sich den Beschluss vom 7. März 2013 anschaut, sieht man, dass es da auch enthalten ist. Unter den Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern wurde wohl kaum ein Thema so intensiv behandelt wie dieses. Ich kann mich an Runden erinnern, wo wir mit der Staatsanwaltschaft zusammengesessen haben, wo lang und breit erörtert wurde, was technisch geht, was technisch nicht geht usw. Das ist alles schon so lange her, dass ich tatsächlich noch mal in die Gesprächsnotizen gucken musste. Teil der Gesprächsnotizen war aber: So etwas ist durchaus denkbar. Wir können ja mal ein Modellprojekt machen. – Insofern ist es richtig, dass bis zum heutigen Tag nicht nur nichts passiert ist, sondern wohl auch nichts mehr passieren wird vonseiten des Public-RelationSenators Heilmann, das müssen wir wohl festhalten. Der Habitus des Ganzen ist eher der: Na ja, nun habe ich vier Jahre nichts gemacht, da fange ich doch jetzt nicht mehr damit an. Das überlasse ich dann lieber den penetranten Leuten von SPD bis Linke. Ich bin hier sowieso bald weg.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN) – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Vielleicht verteilt er noch mal Pfannkuchen!]

Witzig ist, dass das alles in einem Kontext mit einer Aktuellen Stunde kommt, in der der Kollege Melzer heute

Morgen Märchen erzählt hat, ich zitiere noch mal: Im Gegensatz zur Opposition setzen wir auf schnelle Entscheidungen.

[Beifall und Lachen bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

In der Smart-City-Stadt, wo man sich mit Modellprojekten und E-Lösungen so gut auskennt! Ja, warum hat denn der Kollege Heilmann, der sich immer so darin sonnt, auf Du und Du mit jedem Chip zu sein, nicht einfach mal den Kontakt gesucht und versucht, kurzfristig die Start-ups mit einzubeziehen? Die große Kreativität, von der Sie hier immer tönen – wo ist die denn auf einmal?

Es ist ja auch nicht so, dass Senator Heilmann sich damit von anderen Mitgliedern des Senats – und da meine ich jetzt nicht nur die mit CDU-Parteibuch – abheben würde. Pikant ist, dass uns gerade frisch mit einer Mitteilung – zur Kenntnisnahme –, Datum 14. April 2016, mitgeteilt wurde – ohne Anhang, kann ja mal passieren, bzw. bei dem Thema sind die Fauxpas so häufig, dass man kaum noch an Zufälle glauben mag; da hat ja bisher eigentlich gar nichts reibungslos geklappt,

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

auch mit der Berichterstattung gegenüber dem Parlament nicht –, dass die Einrichtung eines SMS-Informationssystems sich anhaltend in der Entwicklungsphase befinde. Wann eine Umsetzung möglich ist, sei nicht absehbar.

Die rechtlichen und technischen Anforderungen müssen insbesondere auch unter Berücksichtigung datenschutz- und haushaltsrechtlicher Aspekte eingehend geprüft werden.

Ja, Kollege Lauer, da haben Sie völlig recht, das ist die Erklärung der Arbeitsverweigerung, das ist die Beerdigung erster Klasse eines Beschlusses, der über alle Fraktionen hinweg beschlossen worden ist.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Da muss man nun noch drei Aspekte mit in Rechnung stellen. Der eine ist: Warum wir heute überhaupt so ein Theater erleben, wie wir es gerade erleben, hat damit zu tun, dass es hier mal den Koalitionspartner erwischt hat. Wir als Opposition sind es gar nicht anders gewöhnt.

[Canan Bayram (GRÜNE): Ja!]

Wir kennen das, wir haben das regelmäßig auszustehen. Wir können uns dann aber nicht hier vorne hinstellen und unsere menschliche und politische Enttäuschung zum Ausdruck bringen und ein bisschen rumjammern. Das hilft uns auch nicht. Aber Sie wissen natürlich, Kollege Kohlmeier: Dadurch, dass Sie das hier mitgetragen haben – und die CDU es mit beschlossen hat –, ist es auch völlig egal, was Frau Seibeld die ganze Zeit noch erzählt, es sei denn, sie erzählt uns: Ich habe es eigentlich gar nicht so gemeint. Das war von Anfang an nur ein PRAntrag, und wir hatten sowieso nie vor, uns danach zu

richten. – Wenn das tatsächlich die Erklärung ist, ist das auch einmal mehr Ausweis der Tatsache, dass in dieser Koalition gar nichts mehr miteinander funktioniert.

[Canan Bayram (GRÜNE): Tja!]

Was Heilmann nicht hinkriegt, das ist die Organisation der Kontrolle von Ermittlungsmethoden, von denen er im Übrigen permanent neue fordert – breitere, ansatzlosere und heimlichere Ermittlungsmethoden. Es vergeht ja keine Woche, wo unser Justizsenator nicht neue Debatten darüber führt, was den Sicherheitsbehörden noch alles gegeben werden müsste. Was er auch nicht hinkriegt, ist die Auswertung von Bundesverfassungsgerichtsurteilen, die genau solche Befugnisse einschränken sollen. Und was er – drittens – nicht hinbekommt, ist, den Zusammenhang zwischen beiden Aspekten herzustellen und in seiner Verantwortung für Rechtstaatlichkeit, Grundrechtssicherung und die Möglichkeit der Kontrolle durch das Parlament entsprechend zu handeln.

Ich glaube auch kaum, dass der Antrag irgendetwas bewirkt. Die Wirkung wird gleich null sein, selbst wenn er heute beschlossen würde. Die Hoffnung stirbt ja aber bekanntlich zuletzt, und wir werden ihm deswegen natürlich zustimmen. Ich finde, liebe SPD, ihr müsstet das auch tun,

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

denn wenn man aufhört einzufordern, dass Parlamentsbeschlüsse eingehalten werden, indem man einfach sagt: Bringt ja sowieso nichts –, dann können Sie hier alle nach Hause gehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Dr. Lederer! – Jetzt hat Senator Heilmann um das Wort gebeten. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren etwas, was sachlich so nicht stattgefunden hat, wie es hier vorgetragen wurde.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ach!]

Deswegen sind auch die Vorwürfe unberechtigt.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Was hat denn stattgefunden?]

Das berichte ich jetzt. – Erstens: Ich habe unmittelbar nach dem Beschluss des Parlaments einen Auftrag ausgelöst und auch einen Projektleiter dafür bestimmt; Frau Seibeld hat ihn benannt, und das ist auch dem Parlament bekannt – Herrn Buermeyer. Herr Buermeyer ist ganz

sicher nicht verdächtig – die meisten, die sich in der Sache auskennen, kennen ihn, er ist da ja relativ bekannt –,