Protokoll der Sitzung vom 26.05.2016

[Beifall bei der CDU]

Wenn ein Masterplan Integration erfolgreich sein will, dann ist es eine der vorrangigen Aufgaben, eine Überforderung zu verhindern. Jede ungeregelte Zuwanderung kann die noch so guten Integrationsanstrengungen konterkarieren. Daher war es Anfang dieses Jahres die vordringliche Aufgabe auf Bundesebene und Voraussetzung für den Masterplan Integration, diesen Zustrom verantwortungsvoll zu begrenzen und ihn dabei möglichst auf die Schutzbedürftigen zu beschränken.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Breitenbach und der Kollegin Schillhaneck?

Nein, danke! – Genau darüber haben wir mit Ihnen gestritten, und genau das haben wir erreicht. Während die Schutzquote der Asylantragsteller im Jahr 2014 noch bei 31,5 Prozent und im vergangenen Jahr bei 49,8 Prozent lag, liegt sie heute bei 62 Prozent. Das beweist, dass wir Schutzbedürftigen weiterhin Schutz gewähren und den Zuzug von nicht Schutzbedürftigen reduziert haben. Das haben wir zum einen dadurch erreicht, dass alle Westbalkanstaaten sowie die drei Maghrebstaaten Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten im Sinne von Artikel 16a, Abs. 3 GG qualifiziert werden. Dies ermöglicht die Beschleunigung der Asylverfahren und die schnellere Rückführung der nicht Schutzbedürftigen. Das ist wichtig, denn die Schutzquote in diesen Herkunftsstaaten liegt durchgehend bei unter 2 Prozent. Es gibt kaum Fluchtgründe.

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Die Zuwachszahlen aus den Westbalkanstaaten zeigen, dass diese Neuerung nicht nur die Asylverfahren und die Rückführung beschleunigt hat, sondern dass sie den Zuzug aus diesen Ländern reduziert hat. Während im Jahr 2014 noch 61 500 Asylanträge – über 30 Prozent – und im Jahr 2015 über 123 000 Asylanträge – über 25 Prozent – aus diesen sicheren Herkunftsstaaten kamen, waren es in den ersten vier Monaten dieses Jahres nur noch 8 500 – 3,5 Prozent. Das ist ein großer Erfolg der Bundesregierung.

[Beifall bei der CDU]

Zur Wahrheit gehört auch, dass wir, die CDU, diese Maßnahmen bereits vor Jahren vorgeschlagen haben, zuletzt in den Koalitionsverhandlungen auf der Bundesebene im Jahr 2013. Es ist zu begrüßen, dass sich angesichts des dramatischen Anstiegs der Asylbewerberzahlen im letzten Jahr sowohl die SPD als auch der nichtgrüne Ministerpräsident Kretschmann – wenn auch spät und nur auf unseren Druck hin – zu den notwendigen Entscheidungen bereit erklärt haben.

[Zuruf von den GRÜNEN]

Dazu sind Sie, meine Damen und Herren von der Berliner Opposition, offenbar heute noch nicht in der Lage.

Zweitens: Ohne Zweifel haben auch die Grenzschließungen einiger Staaten auf der sogenannten Balkanroute einen erheblichen Anteil an der Reduzierung des Zustroms. Doch das gilt in gleicher Weise für das in Rekordzeit verhandelte und in Kraft gesetzte EU-TürkeiAbkommen. Es gewährleistet den sicheren Zugang für schutzbedürftige Flüchtlinge und verschließt die EUAußengrenze wirksam für illegale Zuwanderung. Das ist zu begrüßen.

[Beifall bei der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Ekeln Sie sich eigentlich vor sich selbst?]

Mit der erfolgreichen Begrenzung des Zuzugs ist auch eine Voraussetzung geschaffen worden, um die Integration der wirklich Schutzbedürftigen in unser Land erfolgreich gestalten zu können. Dafür haben wir als Koalition mit dem Masterplan Integration und Sicherheit wichtige Entscheidungen getroffen. Dieser Masterplan listet eine Vielzahl von notwendigen Maßnahmen auf, um diese Herkulesaufgabe, so viele Neuankömmlinge zu integrieren, zu bewältigen. Allein aus dem Jahr 2015 sind es noch 55 000 in Berlin. Neben der Registrierung und Versorgung, die inzwischen dank der guten Arbeit von Senator Czaja und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hervorragend funktioniert,

[Beifall bei der CDU – Lachen bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

geht es um die temporäre und vor allem langfristige Unterbringung der Menschen.

[Martin Delius (PIRATEN): Was darf Satire?]

Dabei ist zu beachten, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge inzwischen 5 000 Asylanträge pro Monat in Berlin bescheidet. Das hat zur Folge, dass ein wachsender Teil der Betroffenen als sogenannte Statusgewandelte Wohnungen außerhalb von Not- und Gemeinschaftsunterkünften auf dem Wohnungsmarkt nachfragt. Daher muss jetzt mit Hochdruck an der Schaffung neuen und bezahlbaren Wohnraums gearbeitet werden. Wir werden das sehr gerne unterstützen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von den GRÜNEN: Jetzt auf einmal!]

Eine weitere ungeheure Herausforderung ist die Vermittlung der deutschen Sprache, die auch Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration ist. Hier haben die Willkommensklassen noch nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Ein Sprachstandsniveau von A1 nach einem Jahr, wie es leider nicht selten vorkommt, reicht nicht aus, um Kinder in den Regelunterricht zu integrieren und ihnen dort eine Chance auf Teilnahme zu geben. Hier erwarten wir die Entwicklung besserer Konzepte zur Alphabetisierung und zum Erwerb der deutschen Sprache. Wir werden die Bereitstellung der nötigen Ressourcen unterstützen.

[Beifall bei der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das hätten Sie längst machen können!]

Wir brauchen auch eine Schulbauoffensive.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! Ich freue mich über diese Übereinstimmung. Das ist Beschlusslage der CDU-Fraktion.

[Beifall bei der CDU]

Wir müssen hier investieren, denn wir müssen dafür sorgen, dass die vielen Kinder in unserer Stadt eine Chance haben.

Auch die Arbeitsmarktintegration steckt noch in den Anfängen. Es kommt darauf an, die Qualifikationen der Flüchtlinge festzustellen und sie entsprechend ihrer Kompetenzen weiterzubilden und fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Der Fall der Vorrangregelung zugunsten deutscher und europäischer Arbeitnehmer ist dank der exzellenten Lage der deutschen Wirtschaft und des deutschen Arbeitsmarktes vertretbar.

[Canan Bayram (GRÜNE): Das sieht die CDU anders!]

ARRIVO ist ein Projekt, das seine Praxistauglichkeit noch beweisen muss. Wir werden es aber unterstützen und hoffentlich zum Erfolg führen.

Wertevermittlung ist ein wichtiges Thema für uns, denn wir mussten feststellen, dass nicht jeder die Grundwerte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung mit seiner Muttermilch aufgenommen hat. Deswegen ist es ungeheuer wichtig – –

[Zurufe von den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um ein bisschen mehr Ruhe.

Ich glaube, es ist für den Zusammenhalt und für das Funktionieren eines demokratischen Landes von ungeheurerer Bedeutung, dass die Grundwerte und Grundregeln des Zusammenlebens kennengelernt werden können, damit sie auch übernommen und eingehalten werden können.

[Uwe Doering (LINKE): Sie müssen aber vorgelebt werden!]

Wenn wir sie den Menschen, die neu ankommen, vorenthalten, können sie sie nicht lernen, und dann haben sie auch keine Chance auf Teilhabe in diesem Land. Deswegen ist das eine unserer Kernforderungen und –verantwortungen.

[Beifall bei der CDU]

Zum Schluss: Wir haben keine Lustempfindungen bei der Aussprache von Sanktionen,

[Martin Delius (PIRATEN): Bei was haben Sie denn Lustempfindungen?]

aber es ist richtig, dass die Bundesregierung die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schafft, dass im Fall von Integrationsverweigerung auch ein Nachdruck erzeugt

werden kann. Das geschieht mit dem jetzt debattierten und bevorstehenden Integrationsgesetz auf Bundesebene.

Das gilt auch für die Wohnsitzzuweisung. Mit ihr sollen arbeitsuchende Flüchtlinge nicht drangsaliert werden, sondern ihre Anzahl soll gesteuert und die Arbeitsmarktintegration soll erleichtert werden. Ich glaube, ein demokratischer Staat muss auch die Handhabe haben, um seine Regeln durchzusetzen. Mir ist auch wichtig zu sagen: Ich kann nicht feststellen, dass die überwiegende Zahl der Flüchtlinge nicht integrationswillig wäre. Im Gegenteil: Die weit überwiegende Zahl der Flüchtlinge ist integrationswillig. Das kann ich bestätigen.

[Zuruf von Evrim Sommer (LINKE)]

Es gibt aber Einzelfälle, in denen sich der demokratische Staat auch das Mittel vorbehalten muss, seine Regeln durchzusetzen. Davor sollten wir nicht zurückschrecken. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Udo Wolf das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Dilek Kolat! Ihr Koalitionspartner hat gerade eben Ihren Masterplan als ein Dokument von Abschottung, Abschiebung und Stigmatisierung interpretiert.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wenn Sie genau zugehört haben, müssen Sie das zugeben. Und dann sagen Sie, dieser Masterplan sei ein Meilenstein, ein Papier, um das uns andere Bundesländer beneiden. Machen Sie sich mal nicht lächerlich! Nach dem, was dieser Senat seit 2012 in der Integrationspolitik versäumt hat, nach dem katastrophalen Missmanagement der letzten zwei Jahre, löst Ihr Papier nirgendwo Neid aus.

Mehr Zustimmung, Herr Regierender Bürgermeister, hatte dagegen Ihre Wutrede vom 12. November 2015 bekommen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Da haben Sie – völlig zu Recht – Ihren eigenen Senat, insbesondere die Senatoren Czaja und Henkel, wegen ihrer Abschieberhetorik und de facto Arbeitsverweigerung der Berliner CDU öffentlich zusammengefaltet. Aber nur 14 Tage später war klar, mit dieser Koalition geht bei diesem Thema gar nichts mehr. Da hat Henkel 14 Tage später, in der Aktuellen Stunde – auch für den Senat – wieder das komplette Gegenteil erzählt: Abschie

bung, Abschiebung, Abschiebung. – Da hätten Sie den CDU-Senatoren einfach mal die Entlassungspapiere übergeben müssen, aber das haben Sie nicht gemacht.