Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Ajibola Olalowo (GRÜNE)]

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Der Senat ist angesichts der dramatischen Mietentwicklung in Berlin gut beraten, auf Bundesebene ernsthaft zu intervenieren. Selbst eine so verbesserte Mietpreisbremse bliebe immer noch an den Mietspiegel gekoppelt, der durch das Einfließen sehr hoher und überteuerter Mieten eigentlich ein Mieterhöhungsspiegel ist. Die Linke fordert deshalb: ohne Wohnwertverbesserung bei Wiedervermietung gar keinen Aufschlag, maximal einen Inflationsausgleich, denn an der Wohnung hat sich nichts geändert. Das wäre die richtige Antwort. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD erteile ich der Kollegin Spranger das Wort. – Bitte sehr!

Herzlichen Dank, verehrter Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Die Mietpreisbremse ist auf Druck von uns in Berlin nicht nur ins Gespräch im Bund gekommen, sondern am gleichen Tag von uns in Berlin eingeführt worden. Es war gut und richtig, sie einzuführen. Wir haben jetzt die Wirkung in Berlin getestet und werden auch wieder diejenigen sein, die sie noch mehr verstärken und der Realität anpassen. Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz haben wir ebenfalls eingeführt, getestet und verstärkt. So muss man mit Gesetzen umgehen.

Über 50 Prozent der Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland haben ihre Wohnungen angemietet. Die Ausgestaltung des Mietrechts hat daher eine zentrale Bedeutung zur Gewährleistung der sozialen Sicherheit eines großen Teils der Bürgerinnen und Bürger. Ausgewogene mietrechtliche Regelungen, die die Mieter- und Vermieterinteressen gleichermaßen angemessen berücksichtigen, sind die Grundvoraussetzungen für das Funktionieren des Wohnungsmarktes zum Wohle aller. Die fortschreitende Veränderung beim Angebot und bei der Nachfrage von Mietwohnungen erfordert eine Neujustierung beim sozialen Mietrecht, um den notwendigen Interessenausgleich zwischen den Mietvertragsparteien auch zukünftig zu wahren.

Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April des letzten Jahres wurde die Möglichkeit eröffnet, die Miethöhe für Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten bei Wiedervermietung von Wohnungen auf 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu beschränken, die sogenannte Mietpreisbremse. Außerdem wurde das Bestellerprinzip bei der Wohnungsvermittlung bei Einschaltung eines Immobilienmaklers durchgesetzt. Das sind wichtige Maßnahmen, um nicht erwünschten Erscheinungen und Entwicklungen auf den Immobilien

märkten entgegenzuwirken. Das vergessen Sie, Frau Lompscher, denn das ist auch Inhalt des Gesetzes.

Die Erfahrung seit April zeigt, dass die fehlenden Informationspflichten der Vermieterinnen und Vermieter bei Mietbeginn die Wirksamkeit der mit diesem Mietrechtsnovellierungsgesetz eingeführten Mietpreisbremse hemmen. Mieterinnen und Mieter können oftmals bei Abschluss des Mietvertrages nicht prüfen und erkennen, ob die Vorschriften zur Mietpreisbremse in den §§ 556 ff. BGB eingehalten wurden. Sie können erst im Mietverhältnis von den Vermieterinnen und Vermietern Auskunft über diejenigen Tatsachen verlangen, manchmal auch gerichtlich einklagen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete nach den Regelungen zur Mietpreisbremse maßgebend sind. Ehrlich gesagt – wir wissen natürlich auch: Wer macht das schon?

Deshalb: weitere Lösungen. Deshalb streben wir an, die Wirksamkeit der Mietpreisbremse durch eine Änderung des § 556 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verbessern, dass der Vermieter bereits bei Mietbeginn verpflichtet werden muss, alle Tatsachen mitzuteilen, die die Zulässigkeit der Miethöhe betreffen, die der Mieter aber nicht selbst in Erfahrung bringen kann, wie z. B. die Miethöhe des Vormieters durch Vorlage der letzten Mieterhöhung.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich?

Bitte, Herr Kollege!

Da haben wir zumindest eine Teileinigkeit, was den Antragstext betrifft, aber entscheidend ist die Frage: Haben Sie in der Koalition eine Verständigung darüber, dass der Senat auf Bundesebene initiativ wird, entsprechend dem, was Sie gerade angekündigt haben?

Wir als SPD möchten diese Bundesratsinitiative. Wir wollen als SPD diese Bundesratsinitiative einbringen, weil wir sie für richtig halten.

[Beifall bei der SPD – Steffen Zillich (LINKE): Also nein! – Zuruf von der LINKEN]

Das ist falsch. Das unterstellen Sie. Wir als SPD möchten diese Veränderung haben.

(Katrin Lompscher)

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Die Koalition wird gleich reden!]

Der Koalitionspartner wird gleich reden. Sie wollen es nicht hören.

[Zuruf von der LINKEN]

Sie wollen es nicht hören! Hören Sie doch zu! Wir haben gesagt, es ist richtig, dass dieses Gesetz verschärft wird. Das geht durch eine Bundesratsinitiative, und die SPD steht dazu, dass das gemacht wird. Was wollen Sie noch von mir hören? Es ist alles gesagt.

[Beifall bei der SPD – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Also wird es gemacht, ja?]

Die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen um 11 Prozent, auch das ist ein Thema, wo wir heute sagen müssen: Aufgrund der seit Jahren niedrigen Zinsen in der Bundesrepublik Deutschland gestaltet sich diese Finanzierung sehr viel günstiger als bei der ursprünglichen Konzeption des entsprechenden Paragrafen im BGB. Deshalb möchten wir, dass wir zukünftig diese 11 Prozent senken, damit diese Umlage nicht mehr auf die Mieterinnen und Mieter in Höhe von 11 Prozent umgelegt wird.

Es ist genauso ratsam, dass auch Härtefallregelungen eingeführt werden, z. B. wenn es um eine Mieterhöhung bei Vorliegen eines finanziellen Härtefalls in § 559 BGB geht – oder auch: Wir können uns vorstellen, dass bei einer Modernisierung, die zur Herstellung eines allgemein üblichen Zustandes führt, ein Härteeinwand wegen der höheren finanziellen Belastung möglich sein soll.

Es ist für die SPD wichtig, dass die Mietpreisbremse verschärft und der Realität noch weiter angepasst wird. Es war wichtig, dass wir die Initiative ergriffen haben, dass über den Bund diese Mietpreisbremse eingeführt wird. Deshalb ist es für uns in Berlin, für die Mieterinnen und Mieter wichtig. – Herzlichen Dank!

Danke, Kollegin Spranger! – Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Schmidberger als Rednerin benannt, und ich erteile ihr das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Spranger! Ja, Sie haben recht, Sie haben Druck ausgeübt. Deswegen gab es die Mietpreisbremse damals ganz schnell in Berlin. Ich muss Sie aber noch einmal daran erinnern: Ich hätte mir damals auch mehr Druck von der SPD gewünscht, als es darum ging, im Bundesrat die Mietpreisbremse überhaupt erst zu einer funktionierenden Bremse zu machen, denn dann würden wir uns heute diesen Tagesordnungspunkt sparen

können. Aber leider hat da Ihr Druck nicht ausgereicht bzw. Sie haben keinen ausgeübt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Seit mehr als zehn Jahren steigen die Mieten in Berlin, das wissen wir alle, und dabei ist der Anstieg der Mieten nach Neuvertragsabschluss exorbitant höher als die Bestandsmieten, und das klafft immer weiter auseinander. Diese Entwicklung liefert den Vermietern einen großen ökonomischen Anreiz, auf einen Wechsel des Mietverhältnisses hinzuwirken, sprich: die Mieterinnen und Mieter loszuwerden. Nicht dass das nicht schon schlimm genug wäre, nein, die teuren Neuvertragsmieten heizen auch die Bestandsmieten im Mietspiegel an. Deswegen ist es extrem wichtig, dass wir diese Mietpreisbremse endlich zu einem funktionierenden Instrument machen.

Die Entwicklung der Bestandsmieten ist auch vor dem Hintergrund besonders besorgniserregend, dass sich der Mangel an preiswerten Wohnungen, die wir in Berlin noch haben, immer weiter verschärft. Das liegt auch daran, dass immer noch mehr Sozialwohnungen jährlich aus der Bindung fallen, und zwar mehr, als neu gebaut oder angekauft werden. Das heißt, wir steuern in Berlin auf eine Wohnungsnot zu. Deswegen sagen wir Grünen: Wir brauchen jedes einzelne Instrument für den Mieterschutz, und vor allem muss es funktionieren.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]

Die Mietpreisbremse erleidet zwar kein komplettes Bremsversagen, aber eine extrem verminderte Bremswirkung, denn gerade einmal bei 40 Prozent der Mietverhältnisse greift sie in Berlin überhaupt. Ja, es gibt eine Wirkung, die aber weit hinter den Möglichkeiten zurückbleibt. Stichproben des Berliner Mietervereins haben sogar ergeben, dass bei privaten Vermietern die nach der Mietpreisbremse zulässige Höchstmiete um 3 Euro pro Quadratmeter überschritten wird. Die Mieten liegen im Durchschnitt immer noch mehr als 30 Prozent über der Mietpreisbremse. Das ist fast schon eine Vermieterpreisgarantie. Das war leider bereits damals bei der Einführung absehbar, die diversen Ausnahmen waren sogar politisches Kalkül der großen Koalition auf Bundesebene. – Das wussten Sie auch, liebe Berliner SPD! Sie haben vor einem Jahr abgelehnt, die Mietpreisbremse zu verbessern. Ich begrüße es jetzt, dass Sie nachbessern wollen, und Sie haben es schon breit angekündigt, aber wir müssen darüber reden, was Sie genau machen wollen.

Bisher liest man, dass der Senat nun plant, eine Bundesratsinitiative zu starten, um die Vermieter dazu zu verpflichten, die Neumieterinnen und Neumieter über die Vormiete zu informieren. Das ist positiv, denn dass die Mieter bisher die Beweislast tragen, sorgt gerade dafür, dass sich Mieterinnen und Mieter überhaupt nicht beschweren. Das ist eine total absurde Situation! Mit dieser Änderung werden aber nicht die eigentlichen Ursachen

(Iris Spranger)

für die verminderte Bremswirkung beseitigt, deshalb bringen wir heute gemeinsam mit der Linken diesen Antrag ein. Denn was bringt es mir als Mieterin oder Mieter, wenn ich zwar weiß, wie hoch die Vormiete war, aber meine überhöhte Miete Bestandsschutz genießt, sprich, ich nichts dagegen tun kann, dass die Miete zu hoch ist, nur weil ich Pech habe und mein Vermieter bereits vor Einführung der Mietpreisbremse überhöhte Mieten verlangt hat? Er wird jetzt für seine Wuchermiete sogar noch belohnt, das ist doch ein komplett falsches Anreizsystem. Gesetzlich subventionierte Abzocke nenne ich so etwas!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Der Bestandsschutz für überhöhte Mieten muss fallen, Frau Spranger, sonst bringt Ihre Bundesratsinitiative nichts.

Auch, dass die Mietpreisbremse bei umfassenden Modernisierungen nicht gilt, schadet dem Berliner Wohnungsmarkt. Gerade in Berlin gehören überteuerte Modernisierungen zum Geschäftsmodell Immobilienspekulation. Damit heizt diese Ausnahmeregelung die Spekulation mit Wohnraum sogar noch an. Deshalb muss auch diese Gerechtigkeitslücke geschlossen werden.

Beim Neubau ist es etwas differenzierter, da wollen wir keine generelle Befreiung von der Mietpreisbremse, sie soll erst ab der zweiten Vermietung gelten. Damit wird der Neubau nicht gedrosselt, wie immer behauptet wird – wobei wir alle wissen, dass es ausreichend Baugenehmigungen in der Stadt gibt, aber eben nicht gebaut wird, weil man mit den Grundstücken erst einmal spekulieren will.

Total unlogisch wird es beim Thema Sanktionen für den Vermieter. Im Moment ist die Mietpreisbremse so angelegt, dass der Vermieter sie risikofrei missachten kann, ohne dass ihm eine Geldstrafe oder irgendetwas droht. Wenn aber Mieterinnen und Mieter ihre Miete nicht ganz oder zu spät bezahlen, kann der Vermieter Sanktionen aussprechen, und zwar den Mieter abmahnen, irgendwann kündigen oder sogar zwangsräumen lassen. Es wäre doch fair, wenn das auch andersherum gilt und der Vermieter nicht komplett aus der Verantwortung entlassen wird. Das ist sonst ein Freifahrtschein für Mietwucher und Betrug, deshalb fordern wir, eine Missachtung als Ordnungswidrigkeit ahnden zu können.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Liebe Frau Spranger, es ist schön zu hören, was Sie als SPD wollen, aber die Leute da draußen wollen hören, was der Senat macht und nicht, wofür die SPD im Moment im Wahlkampf steht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Deswegen appelliere ich noch einmal an Sie: Kommen Sie in die Pötte!

[Heidi Kosche (GRÜNE): Wir kommen auch mit!]

Legen Sie los! Wir warten alle schon auf die Vorlage. Wir haben gehört, letzten Dienstag wurde es verschoben, jetzt bin ich gespannt, was nächsten Dienstag passieren wird. Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall viel Glück!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE) und Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Brauner das Wort. – Bitte sehr!