Das bundesrechtliche Antidiskriminierungsgesetz deckt viele Bereiche nicht ab. Bestehende Schutzlücken des bundesrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes müssen durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz geschlossen werden, das sowohl die schützenden als auch die fördernden Maßnahmen umfassen soll. Es muss die Bereiche Bildung, Gesundheit, Vergaberecht und Soziales einbeziehen und den Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen sowie allgemeine Verwaltungsverfahren absichern.
[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Sinngemäß Rainer-Michael Lehmann! Ein SPD-Parteitagsbeschluss vom 13. Juni 2015. [Martin Delius (PIRATEN): Na, so was!]
Lieber Kollege Lehmann! Warum reden Sie gegen das, was Ihre Partei schon als richtig beschlossen hat?
[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Aus Traditionsgründen!]
Wir machen weiter. Nun fand sich im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot – ich verrate jetzt also, woher das Zitat kommt – die Formulierung:
Wir werden eine gesetzliche Regelung herbeiführen, die von Diskriminierung betroffene Menschen wirksamer unterstützt, eine niedrigschwellige und alle Merkmale umfassende Beratungsinfrastruktur gewährleistet und die die Verwaltung nicht nur in ihrer Rolle als Arbeitgeberin, sondern auch als öffentliche Dienstleisterin in die Pflicht nimmt.
So steht es im Koalitionsvertrag, und man kann auch nach der Runde heute früh sagen, dass Sie an diesem Anspruch wohl gescheitert sind.
Das hatten Sie sich Ende 2011 vorgenommen. Der Gesetzentwurf, der hier vorgelegt worden ist, kam im Herbst letzten Jahres, und wenn das im Ausschuss für Arbeit nach sechs Monaten Untätigkeit des Ausschusses nicht gezogen worden wäre, würden wir wahrscheinlich auch
heute nicht darüber beraten. Das ist Ihr Politikmodus, so wollen Sie von Diskriminierung betroffene Menschen schützen. Ich glaube, da darf man nicht nur reden, sondern es muss gehandelt werden. Deshalb als letztes Zitat, und das stammt aus dem SPD-Wahlprogramm für die Wahl zum Abgeordnetenhaus:
Wir wollen außerdem die rechtlichen Grundlagen für einen nachhaltigen Diskriminierungsschutz verbessern, indem das landesrechtliche Potential zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Förderung positiver Ansätze gezielt ausgeschöpft und durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz gestärkt wird.
Vielen Dank, Kollege Schatz! – Die CDU-Fraktion hat den Kollegen Dregger als Redner benannt, und, lieber Kollege Dregger, Sie erhalten das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind leider nach den bisherigen parlamentarischen Beratungen genauso schlau wie vorher. Der Handlungsbedarf ist nicht klar geworden. Das liegt daran, dass offenbar auch Sie es, die Sie es beantragt haben, nur mit relativer Unlust verfolgt haben.
Sie haben auch nicht dafür gesorgt, dass die mitberatenden Ausschüsse Bildung, Innen oder Recht hier überhaupt diskutiert hätten. Ich glaube, es wäre der Sache angemessen gewesen, auch hier die Beratung zu ermöglichen.
Nein, danke! – Wir hatten eine Ausschusssitzung in unserem Arbeits- und Integrationsausschuss mit einer außerordentlich dürftigen Beratung ohne Erkenntnisgewinn. Der Erkenntnisgewinn kam weder von Ihrer Seite, noch kam er – das muss man sagen – von der Senatsverwaltung. Die Senatorin war nicht anwesend. Die Auskünfte derjenigen, die da waren, waren außerordentlich dürftig.
Wenn wir uns jetzt vor Augen halten, dass Antidiskriminierungsschutz nicht neu erfunden, sondern möglicherweise zu ergänzen ist, müssen wir uns darüber unterhal
ten, ob und gegebenenfalls welche Regelungslücken überhaupt vorhanden sind. Kollege Lehmann hat völlig zu Recht vorhin darauf hingewiesen, welche gesetzlichen Regelungen es bereits gibt, und hat darauf hingewiesen, dass die vorliegende Evaluierung des Bundesgesetzes ausgewertet werden muss, nicht nur von uns,
sondern bitte auch von der zuständigen Senatsverwaltung, damit wir vernünftig feststellen können, ob es überhaupt einen Regelungsbedarf und an welcher Stelle exakt es einen solchen gibt. Das ist in den bisherigen parlamentarischen Beratungen nicht geschehen.
Wir sträuben uns überhaupt nicht – ich stimme Herrn Kollegen Lehmann auch hier völlig zu – gegen eine Ergänzung des Antidiskriminierungsschutzes. Das haben wir auch zu jedem Zeitpunkt in den parlamentarischen Beratungen klar erklärt. Es geht nicht an, dass wir Dinge nicht sorgfältig bearbeiten und verabschieden und Sie sich hinstellen und das bejammern. Sie hätten selbst einen gewissen Beitrag dazu leisten können, dass die Regelungslücken sichtbar werden.
Das ist nicht geschehen. Deswegen halte ich das derzeit nicht für entscheidungsreif. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Kollege Dregger! – Kollege Reinhardt! Ich erteile Ihnen das Wort für die Piratenfraktion. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Dregger! Sie können uns alles erzählen und vorwerfen. Arbeitsverweigerung können Sie uns in diesem Fall nicht vorwerfen.
Wir haben das Gesetz vorgelegt. Wir haben es gemeinsam nach intensiver und langer Beratung unter uns vorgelegt, weil Sie dazu nicht bereit waren. Dann haben wir es dem Parlament vorgelegt. Sie haben auch keine Änderungsideen oder -wünsche gehabt. Die hätten Sie im Ausschuss einbringen können. Insofern war die einzige Fraktion, die sich zumindest in diesem Fall überhaupt nicht beteiligt und gearbeitet hat, die Leistungen nicht erbracht und nicht geschaut hat, wo eigentlich der Handlungsbedarf ist, den Sie hier gerade noch am Rednerpult gesucht haben, die CDU-Fraktion. Sie haben es nicht
Die Rede zum Antidiskriminierungsgesetz gibt auch noch einmal die Gelegenheit, insgesamt etwas zum Stand der Debatte im Bereich Integration zu sagen, so wie ich es im Mai auch schon zum sogenannten Masterplan getan habe.
Das Verhalten im Ausschuss, das ich gerade schon angesprochen habe, war jetzt keine große Überraschung, natürlich nicht. Das hatten Sie ein stückweit schon im Plenum angekündigt. Es war natürlich trotzdem eine Enttäuschung. Sie waren in der Begründung Ihrer Ablehnung noch deutlich unkreativer, als Sie das sonst in aller Regelmäßigkeit sind. Sie sagten letztlich nur, man brauche das Antidiskriminierungsgesetz nicht.
Dazu kann ich Ihnen aber inhaltlich noch etwas sagen, falls Sie der Debatte nicht aufmerksam genug gelauscht haben. Mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz als Ergänzung zum Bundesgesetz würden das Verbot der Diskriminierung und das Gebot der Gleichbehandlung im Land Berlin vollständig umgesetzt. Das ist bisher nicht der Fall. Deutschland hat zwei der vier europäischen Richtlinien im Bereich Antidiskriminierung, deren Zweck es ist, Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Behinderung, Alter, sexueller Ausrichtung oder Geschlecht zu bekämpfen, nicht vollständig umgesetzt. Das ist eigentlich auch bekannt. Das können Sie auch überall nachlesen. Zudem gilt, dass diese Richtlinie gleichermaßen für Personen im öffentlichen wie im privaten Bereich gilt. Insofern wird dieses Landesantidiskriminierungsgesetz gebraucht, weil es die Lücke füllt. Das haben meine Vorrednerinnen/-redner zum Teil schon ausgeführt. Genau deswegen haben Sie es in Ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben, was auch richtig war. Zumindest vermute ich, dass Sie dabei waren.
Ich finde es passend zu diesem Thema, zum Landesantidiskriminierungsgesetz, auch noch einmal zu sprechen, nicht nur, weil wir viel Arbeit hineingesteckt haben – danke auch noch einmal an die Fraktion der Grünen, die dabei federführend war –, sondern auch, weil es eine meiner ersten Kleinen Anfragen war, die ich 2012 gestellt habe. Damals habe ich schon den Senat gefragt, ob noch Bedarf bei der Stärkung des Diskriminierungsschutzes gesehen wird. Darauf wurde mir geantwortet, dass das nach der Koalitionsvereinbarung umgesetzt werden soll, dass die verschiedenen Durchsetzungsinstrumente des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor allem hinsichtlich der Fristen, der Beweislast und der unzureichenden Möglichkeit für Antidiskriminierungsverbände, Betroffene bei der Geltendmachung ihrer Rechte zu unterstützen, noch ausgebaut werden müsste und, soweit Länderzuständigkeiten berührt seien, der Senat im Wege
einer eigenen Gesetzesinitiative dafür sorgen werde, dass von Diskriminierung betroffene Menschen wirksam unterstützt werden. Frau Kolat! Vielen Dank für die Beantwortung meiner Anfrage von 2012, in der Sie das angekündigt haben. Schade, dass in den folgenden vier Jahren nichts daraus geworden ist. Aber gut, das Ergebnis sehen wir heute in der Ablehnung dieses Gesetzes.
Die Ablehnung ist eine vertane Chance. Das sage ich ganz klar. Es ist aber nicht die einzige vertane Chance, die wir in den letzten Jahren erlebt haben. Integrationspolitisch ist das, was den Schutz von Rassismus und Diskriminierung angeht, in den letzten fünf Jahren bestenfalls als Stillstand zu bezeichnen. Wir hatten beispielsweise den offenen Koalitionsbruch bei der Ablehnung der Ehe für alle. Wir hatten den Stillstand bei der ISV. Wir haben im Bereich Schutz vor Rassismus einen Polizeipräsidenten erlebt, der bei seinem Amtsantritt nicht einmal wusste, dass es Racial Profiling gibt und dies in der Wissenschaft thematisiert wird. Wir haben einen Innensenator, der mit den anlassunabhängigen Polizeikontrollen an den sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten dieses Instrument des Racial Profiling noch unterstützt.
Wir haben auch das große Thema Wahlrecht. In einer Stadt, in der 620 000 Menschen von Wahlen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ausgeschlossen sind,
kann man einfach das Bekenntnis dazu haben, dass man diese Menschen stärker beteiligt und sich dafür auf Landes- und Bundesebene einsetzt, das Wahlrecht auszweiten, damit diese mehr als eine halbe Million Menschen irgendwann hier auch mitwählen kann.
Wir haben in den letzten Jahren immer wieder konkrete Vorschläge zur Verbesserung gemacht. Und immer wieder berufen Sie sich von der SPD darauf, dass die CDU nicht möchte. Nun, wir haben jetzt eine Wahl. Wir werden erleben, ob dieses Argument nach der Wahl nicht mehr zieht und andere Argumente vorgebracht werden. Ich kann nur sagen, dass ich fachlich gesehen allen Menschen in Berlin eine bessere, offenere und eine progressivere Integrationspolitik wünsche.
Persönlich verabschiede ich mich hier noch einmal ohne lange Rede. Die inhaltlichen Punkte, die man sich mit auf Weg gibt, sind von vielen meiner Vorredner schon genannt worden. Denen füge ich jetzt nichts hinzu. Bleiben Sie bürgernah oder werden Sie es, je nachdem. Geben Sie sich Mühe, dass dieses Haus und die Stellung der Abgeordneten gestärkt und für das Wohl der Menschen in Berlin benutzt werden. Vielen Dank für die gute Zeit, und viel Erfolg für die Wahl.