Deswegen habe ich Angst davor. Aber wenn Bürgerrechtler, Parteien eine Angst vor so etwas formulieren, dann heißt es: Ach nein, das kann nicht passieren. Wir haben doch einen Richtervorbehalt. – Wir hatten es heute bei Thema stille SMS. Wir hatten es in dieser Legislaturperiode bei anderen Themen. Die Angst davor, in einem unkontrollierten Überwachungsstaat zu leben, ist nicht so gering, wie sie vielleicht erscheinen mag, wenn man sich das alles hier anschaut. Vor dem Hintergrund finde ich es zynisch, dass sich die CDU in diesem Parlament in den letzten fünf Jahren und in diesem Wahlkampf hingestellt
und behauptet hat, mit Videoüberwachung würde sich irgendein Problem lösen lassen. Es löst sich kein Problem.
Wir sind nicht das erste Land, das auf die Idee gekommen ist, überall Videokameras hinzuhängen, um damit die Kriminalität zu bekämpfen. Es gibt noch immer weltweit keine Studie, die zeigt, dass die Videoüberwachung nennenswert Kriminalität senkt. Das einzige, was man nachweisen kann, ist: Wenn Sie in einem Parkhaus überall Videokameras aufhängen, dann wird in den Autos dort nicht mehr eingebrochen. Dort wird nicht mehr das Autoradio oder das Navy geklaut, sondern in den Autos, die um das Parkhaus stehen, weil die Täter natürlich nicht doof sind.
Dann müssen überall Videokameras hin und überall noch Drohnen und oben kreist noch eine Viper-Drohne. Dann haben wir Kameras mit Gesichtserkennung, und wenn du dich danebenbenimmst: Zack! – Die Behauptung, dass dieser Antrag irgendwie gut sei oder sich damit ein Problem lösen ließe, ist falsch.
Es ist auch Aufgabe der anderen Parteien in diesem Haus, in den nächsten Jahren daran zu arbeiten, dass den Berlinerinnen und Berlinern, aber auch den Menschen in Deutschland klar wird, dass es nicht stimmt, wenn die CDU behauptet, sie hätte Ahnung von Sicherheitspolitik. Frank Henkel hat in den letzten fünf Jahren unter Beweis gestellt, dass er es nicht kann. Er kann nicht Innensenator, und er wird auch nicht Regierender Bürgermeister können. Er kommt natürlich nicht in die Verlegenheit, es unter Beweis stellen zu müssen. Ich finde es ehrlich gesagt ein bisschen schäbig von der CDU, ihren Landesvorsitzenden so ins Messer laufen zu lassen, denn wir wissen ja alle, was nach der Wahl passiert. Da hätte man ja auch eine Lösung finden können, wie man den Übergang ein bisschen schöner gestaltet, als ihn die Wahl verlieren zu lassen und danach abzusägen. Aber gut! Sie haben das so gewollt.
Es ist gut, dass dieser Antrag nicht stattgefunden hat. Ich muss da Herrn Juhnke noch einmal widersprechen: Sie haben das zu spät ins Parlament eingereicht. Man muss dazu noch sagen, dass Herr Henkel schon im November des letzten Jahres – zwei Tage nachdem er sagte, die Grünen sollten den Tod von Mohamed nicht instrumentalisieren – den Tod von Mohamed, der am LAGeSo entführt wurde, instrumentalisiert hat, um zu sagen: Wir müssen mal darüber reden, ob wir überall Überwachungskameras aufbauen sollen. – Sie hätten jetzt jahrelang die Möglichkeit gehabt, dieses Gesetz ordentlich einzureichen. Aber, Herr Henkel, wenn man ein fachlich und sachlich schlechtes Gesetz zu spät einreicht... Das passiert halt, wenn man die ganzen Planstellen in der Verwaltung mit Mitgliedern der Jungen Union besetzt, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben.
für diese Legislaturperiode. Ich bin erst 32 und habe noch etwas vor. Ich habe eine Bitte: Im nächsten Parlament wird vermutlich eine etwas schwierige Fraktion sitzen. Gehen Sie bitte nicht auf sie ein! Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen und solchen Menschen keine Bühne geben. Das wünsche ich mir und sicher noch viele andere. Egal, wie weit man in der Sache auseinander ist und ob man sich persönlich blöd findet – ich mag die Grünen auch nicht, aber man arbeitet halt mit denen zusammen –: Geben Sie diesen Leuten keinen Raum, und gehen Sie nicht auf deren Forderungen ein! Wir können uns das nicht leisten. Obwohl ich auch kein Kind von Traurigkeit war und mich dem Niveau hier relativ schnell angepasst habe, würde ich mich sehr freuen, wenn sich der Umgang in diesem Haus miteinander, unter den Kolleginnen und Kollegen im Plenum und in den Ausschüssen – auch im Innenausschuss – verbessern würde. Sie können das schlechte Benehmen der AfD nicht kritisieren, wenn wir uns alle selbst schlecht benehmen.
Das gebe ich Ihnen mit. Wir sehen uns in einem anderen Zusammenhang wieder. – Vielen lieben Dank! Es hat mich sehr gefreut.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 16. Juni 2016 Drucksache 17/3038
zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion Drucksache 17/2574
Ich eröffne die zweite Lesung des Gesetzesantrags und schlage vor, die Einzelberatung der 18 Paragrafen miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Wi
derspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 18, Drucksache 17/2574. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Dr. Kahlefeld, bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manche Artikel unserer Landesverfassung kann man gar nicht oft genug zitieren. Dazu gehört Artikel 10 Absatz 2:
Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden.
Dieses Diskriminierungsverbot richtet sich – genauso wie der Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes, in dem aufgrund des Widerstands der Union immer noch die sexuelle Identität fehlt – in erster Linie gegen den Staat. In zweiter Linie und auch nur mittelbar sind auch Bürgerinnen und Bürger an diese Grundrechte gebunden.
Doch wie steht es um den Schutz vor Diskriminierung? – Die CDU wird nicht müde zu behaupten, es gäbe schon genügend Gesetze. Das ist auf Bundesebene das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – kurz AGG –, das vor Diskriminierungen durch andere Bürgerinnen und Bürger schützt, auf der Arbeit, beim Einkaufen, in der Diskothek oder bei der Suche nach einer Wohnung. In diesen Fällen haben die Betroffenen klare Ansprüche auf Schadenersatz und Entschädigung, können sich von Verbänden unterstützen lassen und werden bei der Beweisführung entlastet. Doch was gilt bei Diskriminierungen in der Schule, auf dem Amt oder durch die Polizei? – Hier fehlt es nach wie vor an einer dem AGG vergleichbaren gesetzlichen Regelung. Das führt zu der absurden Situation, dass es heute einfacher ist, sich gegen eine Diskriminierung durch einen Vermieter oder eine Arbeitgeberin zu wehren als gegen die eines Lehrers oder einer Polizistin. Damit wird das Diskriminierungsverbot der Verfassung auf den Kopf gestellt, und deshalb brauchen wir ein Landesantidiskriminierungsgesetz, das genau für diese Fälle gilt.
Was wir zu Recht von Privaten verlangen, muss auch für die Polizei, die Schule und die Verwaltung allgemein gelten.
Die CDU hat im Fachausschuss gefordert, den Evaluationsbericht des AGG abzuwarten. Dieser liegt seit Mitte August vor und fordert genau das, was bereits unser Gesetzentwurf enthält: ein Verbandsklagerecht, längere Fristen und die Schließung von Schutzlücken. Sie können also Ihren Widerstand aufgeben, nachdem sogar die zu
ständige Senatsverwaltung im Fachausschuss erklärt hat, dass sie einem Landesantidiskriminierungsgesetz offen gegenübersteht.
Nicht erst seit dem vergangenen Sonntag diskutieren wir darüber, was wir den Rechtspopulisten entgegensetzen können. Werfen wir, so schwer es fällt, einen Blick in ihr Grundsatzprogramm, dann finden wir dort das genaue Gegenteil von Gleichbehandlung und Vielfalt, nämlich Diskriminierung und Ausgrenzung. Gesetze haben auch Symbolkraft, und der Beschluss eines Landesantidiskriminierungsgesetzes heute durch das Berliner Abgeordnetenhaus wäre ein klares Symbol, dass diese Stadt frei, weltoffen, tolerant bleiben und dort, wo sie es noch nicht ist, werden will. Es wäre eine klare Absage an Rassismus und Chauvinismus.
Aber wir wissen nach den Ausschussberatungen, dass es heute nicht zu einem Gesetzesbeschluss kommen wird. Auch wenn die SPD ein Landesantidiskriminierungsgesetz in ihrem Wahlprogramm fordert, wird sie gegen dieses Gesetz stimmen. Wir wissen, dass das vielen von Ihnen nicht leichtfallen wird, da Sie zugleich im Wahlkampf für das Gesetz streiten und es fordern. Wir wissen aber auch, dass Sie sich 2011 anders hätten entscheiden können, und wir hoffen, dass Sie sich nach dem 18. September an den heutigen Tag erinnern und auch daran, wie schwer es Ihnen hoffentlich gefallen ist, gegen das Gesetz zu stimmen, und dass Sie nach dem 18. September eine andere Koalitionsentscheidung treffen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Kahlefeld. – Die SPDFraktion hat den Kollegen Lehmann als Redner benannt, und da sehe ich ihn auch schon. – Ich erteile Ihnen das Wort, Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wir beraten heute in zweiter Lesung den Antrag der Oppositionsfraktionen zum Landesantidiskriminierungsgesetz. Das Anliegen einer Weiterentwicklung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes ist grundsätzlich zu unterstützen. Der Senat tut dies durch sein Handeln bereits in verschiedene Richtungen. Allerdings bedarf der vorliegende Entwurf eines Berliner Landesantidiskriminierungsgesetzes in verschiedenen Punkten weiterhin der Prüfung und auch der Diskussion des landesrechtlichen Potenzials zur
Verbesserung des Diskriminierungsschutzes. Wir alle hier wissen aber um die Notwendigkeit einer genauen Prüfung, bevor wir ein Gesetz beschließen. Insbesondere sind Fragen der Gesetzeskonkurrenz zum Landesgleichstellungsgesetz, zum Landesgleichberechtigungsgesetz sowie zum Partizipations- und Integrationsgesetz und zum AGG des Bundes weiterhin noch in Prüfung.
Die Bundesantidiskriminierungsstelle hat die Evaluation des AGG auf Bundesebene gestartet, mit der Schutzlücken ausfindig gemacht werden sollen. Festgestellt worden sind verschiedene Gesetzeslücken im Bildungsbereich, bei der Verwaltung und bei Klagefristen. Die Ergebnisse der Evaluation gilt es nun auszuwerten und zu diskutieren. Es muss daher zunächst abgewartet werden, welche Neuregelungen der Bund in dieser Richtung vornehmen wird.
Erst danach kann Berlin als Land prüfen, wo es dann noch Schutzlücken gibt, die durch landesrechtliche Regelungen zu schließen sind. Sobald sich hieraus ein Handlungsbedarf ergibt, wird Berlin Regelungen schaffen.
Zuletzt möchte ich noch mal in den Fokus bringen, dass das Land Berlin bereits in der aktiven Antidiskriminierungspolitik bundesweit Vorreiter ist. Berlin lädt nicht nur die Antidiskriminierungsstellen der Länder zum Länderantidiskriminierungstreffen ein, sondern Berlin hat auch eine gute Beratungsinfrastruktur aufgebaut. Da verfügen wir beispielsweise über die Beratungsstelle für Diskriminierung wegen des Alters, die Anlaufstelle für intergeschlechtliche Menschen und die Beratungsstelle für Diskriminierte im Bildungsbereich. Zeitgleich ist an der schrittweisen Sensibilisierung der Öffentlichkeit gearbeitet worden – z. B. mit der Kampagne „Diskriminierung hat viele Gesichter“. Wissenschaftliche Studien sind in Auftrag gegeben worden, woraus die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen Projekte wie „Trans* in Arbeit“ entwickelt und gestartet hat. Die Senatsverwaltung hat die Finanzierung der Landesantidiskriminierungsstelle zudem verstärkt, indem sie das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus mit Personal in die LADS verlagerte. Es ist also bereits einiges geschehen und umgesetzt worden.
Die SPD-Fraktion wird sich einem Landesantidiskriminierungsgesetz nicht verschließen, doch erst muss die Bestandsaufnahme und Auswertung aller Antidiskriminierungsschutzmaßnahmen vorliegen. Sicherlich wird dies dann in der kommenden Legislaturperiode auch der Fall sein. Somit als letzter Satz meinerseits: Wir bleiben als Land Berlin in der Antidiskriminierungsarbeit Vorreiter und Vorzeigeverwaltung. – Vielen Dank!
Danke schön, Kollege Lehmann! – Die Linksfraktion hat den Kollegen Schatz als Redner benannt, und ich erteile ihm das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich möchte mit dem fortfahren, was Kollegin Pop heute früh in ihrer Rede begann, nämlich einem Zitatraten – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident!
Das bundesrechtliche Antidiskriminierungsgesetz deckt viele Bereiche nicht ab. Bestehende Schutzlücken des bundesrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes müssen durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz geschlossen werden, das sowohl die schützenden als auch die fördernden Maßnahmen umfassen soll. Es muss die Bereiche Bildung, Gesundheit, Vergaberecht und Soziales einbeziehen und den Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen sowie allgemeine Verwaltungsverfahren absichern.