Protokoll der Sitzung vom 08.09.2016

Ich habe damit kein Problem.

Ich denke, das sind Scherzerklärungen. – Bitte schön!

[Martin Delius (PIRATEN): Nein! Nehmen Sie mich doch mal ernst, Herr Präsident!]

Ich denke nicht. – Die Stadt hat also mit der Gemeinschaftsschule schon lange ihren Frieden gemacht. Und deshalb ist es natürlich ein Teil des Schulfriedens, die Gemeinschaftsschule zur Regelschule zu machen. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir diesen Weg konsequent zu Ende gehen. Ich bin mir sicher, dass es über kurz und nicht über lang eine Mehrheit in diesem Haus dafür geben wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Zunächst hat das Wort zu einer Zwischenbemerkung die Kollegin Kittler. Dann darf der Kollege Oberg darauf antworten. Als Nächster hat Herr Delius das Recht, dann dürfen Sie wieder antworten. Aber das Wort „Kurzintervention“ ist auf „kurz“ betont. – Bitte schön!

Wenn ich schon so direkt herausgefordert werde! Ich bin ja gespannt, was der Kollege dazu noch sagt. Wer es noch nicht gesehen hat, wir haben hier heute im Nachrichtenspiegel einen Artikel unter der Überschrift „Gut gehütete Tabus. Eine Studie soll auf zweifelhafte Weise den Erfolg der Berliner Gemeinschaftsschule beweisen“. – Das sehe ich natürlich genauso. Die Überschrift sagt ja schon alles – also, ganz böse, böse – und passt ja offensichtlich in das Konzept der CDU. Aber vielleicht erleben wir ja heute noch etwas ganz Neues.

Hier nimmt ein Gymnasiallehrer Stellung zur Gemeinschaftsschule und sagt, dass die wissenschaftliche Begleitung eben nicht wissenschaftlich war – was anderes sagt er nicht. Er begründet das damit, dass man die Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule mit Schülerinnen und Schülern in Berlin, mit Schülerinnen und Schülern in Hamburg vergleicht, die ein gegliedertes Schulsystem haben, und das ginge ja gar nicht. Übrigens weiter hinten in seinem Artikel sagt er: Richtig wichtig sind Vergleiche zu VERA bundesweit, wo er dann aber plötzlich keine Probleme mehr hat, dass hier Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Bundesländern mit unterschiedlichen Schulsystemen miteinander verglichen werden.

Dann sagt er unter anderem, dass eine Studie aus dem Jahr 2008 belegen würde, dass Grundschülerinnen und Grundschüler aus Gymnasien, die ein grundständiges Gymnasium besuchen, viel besser sind als vergleichbare Schülerinnen und Schüler in den jetzigen und damaligen Gesamtschulen oder anderen Schulen, die eben keine Gymnasien sind. Das ist ja ganz überraschend! – Wir lesen mal schön aus: Die Schlauesten der Schlauen an die grundständigen Gymnasien, und überraschenderweise sind die viel besser als die anderen. Dazu hätte ich wirklich keine Studie gebraucht!

Dann gibt es hier noch die schöne Schlussfolgerung: Die haben überhaupt nicht veröffentlicht, wie eigentlich die Abschlüsse in der 10. Klasse sind! – Mal unabhängig davon, dass die Studie letztes Jahr endete und der zweite Jahrgang nicht mehr untersucht werden konnte, der davor wird jetzt diskriminiert und man sagt: Ja, die schaffen das ja viel schlechter als die an den Gymnasien – die Debatte wie vorhin. Außerdem muss ich mal sagen: Da sollen sie sich mal in Schulen begeben, die auch wirklich schon lange von Klasse 1 bis 13 arbeiten.

Sie müssen jetzt zum Ende kommen, Frau Kollegin!

Ich bin gleich fertig! – Die Fritz-Karsen-Schule oder die Grünauer Schule, an beiden Schulen haben alle einen Abschluss erreicht. Das können Sie sich gerne einmal anschauen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Kollege Oberg! Sie haben jetzt die Gelegenheit zu replizieren. – Bitte schön!

[Uwe Doering (LINKE): Ich stimme der Einschätzung zu!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kittler! Der Herr Kollege Doering möchte hören, dass ich der Einschätzung zustimme, und das ist in Teilen richtig. Was ich jedoch vorwegschicken möchte: Es ist in einer bildungspolitischen Debatte etwas schwierig, wenn man so tut, als ob die eine oder andere Entscheidung die Rettung oder aber der Untergang der Bildungslandschaft, der Schule, der Schülerinnen und Schüler wäre. Besonders lustig wird es allerdings dann, wenn jemand, der eigentlich den Untergang dereinst prophezeit hat, die Wirklichkeit nun an dem misst, was diejenigen mal versprochen haben, die in dem Gegenstand das allergrößte Heilsversprechen gesehen. Das heißt, man kommt von ganz oben,

misst es ganz unten und sagt dann: Na ja, alles, was an allergrößten Erwartungen formuliert wurde, ist nicht erfüllt worden.

Ich glaube, niemand von uns kann behaupten, dass jemals alle positiven Erwartungen in Erfüllung gegangen sind. Es kann aber auch niemand behaupten, dass es alleine eine wissenschaftliche Studie ist bzw. die Diskussion über diese wissenschaftliche Studie, die den Erfolg einer Schulform bemisst. Letztendlich entscheiden das die Eltern, die Schülerinnen und Schüler und die Lehrerinnen und Lehrer, ob eine Schulform erfolgreich ist. Denn nichts ist ein besserer Maßstab als das Vertrauen, das man einer Schule ausspricht, indem man sie wählt, indem man dort arbeitet oder indem man ihr seine Kinder anvertraut.

Wenn wir diesen Maßstab nehmen, dann dürfen wir feststellen: Die Gemeinschaftsschulen in Berlin sind außerordentlich erfolgreich, weil sie von den Eltern, den Schülerinnen und Schülern und auch den Lehrerinnen und Lehrern, die dort Tag für Tag sind, gewollt werden. Diejenigen, die es nicht wollen und die dann in den Bezirksämtern versuchen, Eltern, Lehrern und Schülern Steine in den Weg zu legen, sollen sich bitte nicht darüber beklagen, wenn Eltern, Lehrer und Schüler die hingelegten Steine am Ende als Hindernis empfinden. Das wäre reichlich verlogen.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass die wissenschaftliche Untersuchung keine Geheimwissenschaft ist, auch nichts Verstecktes, sondern etwas sehr Öffentliches und aus unserer Sicht auch noch nichts Abgeschlossenes. Denn ich glaube, die Berliner Gemeinschaftsschule muss sich nicht vor der Wirklichkeit verstecken und auch nicht vor einer weiteren wissenschaftlichen Untersuchung. Deshalb kann man selbstverständlich in einem weiteren Schritt, wenn der Durchlauf einmal durch ist, sich das noch einmal anschauen. Dagegen spricht überhaupt nichts. Nur diejenigen, die vor den Ergebnissen Angst haben, würden sich dagegen wehren. Warum sie dann davor Angst haben, das kann man meist an ihren Reden ganz gut sehen. – Vielen Dank!

Danke schön! – Jetzt hat Kollege Delius das Wort.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und auch für Sie gilt, sich bitte auf den Vorredner Oberg zu beziehen.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Geschätzter Herr Kollege Oberg! Sie haben das Wort „Schulfrieden“ noch einmal erwähnt. Darauf wollte ich noch einmal eingehen und mir den Hinweis gestatten: Es war das Wort „Schulfrieden“, das Sie mit Ihrer Koalition und auch Sie persönlich ver

treten haben, das uns ungefähr die Hälfte der Legislaturperiode bildungspolitisch gekostet hat. Sie sind darüber jetzt hinweggegangen, und ich habe in Ihrer Rede noch nicht vernommen, warum es mal sinnvoll war, dieses Wort vonseiten dieser Koalition überhaupt als Maßgabe in der Berliner Schulpolitik einzuführen. Vielleicht können Sie das eben noch einmal erklären. Es hat aber den Reformwillen in der Schule, bei den Elternschaften, in diesem Parlament gebremst, weil es jeder und jede einzelne, die irgendetwas an der Situation und auch an der fertig abgeschlossenen Schulstrukturreform in Einzelfällen verbessern wollte, hingeklatscht bekommen hat: Man würde den Schulfrieden stören.

Ich will mich noch einmal dafür starkmachen, dass, egal, was für ein Ergebnis am 18. September bei den Wahlen herauskommt und welche Koalition in den nächsten Jahren regieren wird, so eine Wortwahl nicht wieder gewählt wird. Das ist nicht nur fortschrittsfeindlich, das ist gegenüber all denjenigen, die etwas an der Situation der Berliner Schule verbessern wollen, unfair und gehört sich nicht. Insofern gestatten Sie mir hier nochmal den Hinweis. Vielleicht können Sie mir noch erklären, warum das eine gute Idee gewesen sein soll.

[Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Vielen Dank! – Kollege Oberg! – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Delius! Es gibt eigentlich eine ganz gute Begründung dafür, dass Schulfrieden eine gute Idee ist, ein vernünftiges Signal, und zwar dann, wenn diejenigen, die im System Schule arbeiten müssen, oder diejenigen, die dort zur Schule gehen, oder als Eltern irgendwo dazwischen stehen, erlebt haben, dass es in den Jahren davor sehr viele Veränderungen gab.

Keiner wird bezweifeln können, das Rot-Rot sehr viele Veränderungen, sehr viele richtige und sehr viele gute Veränderungen in der Berliner Schule durchgesetzt hat. Das fängt an bei der Grundschulreform, das geht über die Schulstrukturreform und berührt natürlich auch die Gemeinschaftsschule, über die wir jetzt gerade sprechen. Alle diese Reformen waren richtig. Klar ist aber auch, dass es mit diesem ambitionierten Tempo nicht ewig weitergehen konnte, dass so etwas auch wirken muss und dass sich so etwas auch setzen muss. Selbstverständlich ist dann das Signal an alle, die dort arbeiten, die dort damit zu tun haben, richtig, zu sagen: Wir haben verstanden, dass das, was wir getan haben, jetzt auch mal ein bisschen Ruhe braucht. So gesehen ist Schulfrieden eine gute Idee.

Schulfrieden als Begriff ist natürlich auch ein bisschen Quatsch, denn das Gegenteil von Frieden ist Krieg, und einen Schulkrieg, den gab es hier nie. Es gab einzelne Fraktionen, die ihn gewünscht haben und die ihn herbeigeredet haben, weil sie die progressive Schulpolitik von Rot-Rot abgelehnt haben. Die Behauptung des Schulkrieges ist natürlich Quatsch. Jeder, der sagt, es hätte einen gegeben, der fängt an, ihn zu führen. Niemand anders hat das je getan.

Schulfrieden ist auch dann falsch verstanden, wenn er als Handlungsbremse eingeworfen wird. Ich gebe zu – und ich glaube, außer meiner Fraktion versteht es niemand so richtig, wenn ich das jetzt hier sage –: Ich finde es auch schon relativ schwierig, mit dem Argument des Schulfriedens ein Schulfach Politik abzulehnen.

[Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Das ist mir in meiner Fraktion in dieser Legislaturperiode widerfahren und zeigt mir, dass der Begriff Schulfrieden vielleicht dann doch etwas irrtümlich ist. Und es ist richtig, dass man darüber nachdenken muss, ob man das wieder verwendet.

[Beifall von Regina Kittler (LINKE) und Martin Delius (PIRATEN)]

Wenn aber die Eltern, die am 18. September zur Wahl gehen, und wenn die Lehrerinnen und Lehrer, die am 18. September zur Wahl gehen, sich fragen, wofür die Sozialdemokratie in der Bildungspolitik eigentlich steht, dann sagen wir zweierlei. Erstens: Wir stehen zu dem, was wir getan haben, und wir sind bereit, die Zeit, die es braucht, damit es dann funktioniert, auch zu investieren. Aber zweitens stehen wir auch dafür, dort einzugreifen, wo es Verbesserungen bedarf, wo wir Dinge besser machen müssen, wo wir dafür sorgen müssen, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern, dass sich die Qualität verbessert, damit unsere Kinder mehr Chancen haben. Das haben wir in dieser Legislaturperiode übrigens auch getan, zum Beispiel mit dem Lehrkräftebildungsgesetz. Es ist ja nicht so, dass hier nichts getan wurde, sondern immer nur dann, wenn man nichts mehr an Argumenten hatte und etwas trotzdem nicht wollte, dann hat man „Schulfrieden“ gesagt. Das war rhetorisch ein bisschen billig, aber es ist trotzdem genug passiert. Und genau das sollte der Weg sein, der in den nächsten fünf Jahren auch weitergegangen werden könnte. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Remlinger.

[Zuruf: Schon wieder?]

Sie ist auch schon unterwegs zum Podium. – Ich erteile Ihnen das Wort!

Lieber Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig, ich habe heute schon mal geredet. Allerdings ging es da um Personalpolitik im Land Berlin, und jetzt geht es um die Gemeinschaftsschule.

Sie haben es geschafft, mich am Ende der Wahlperiode noch mal vollkommen zu verunsichern. Aber man lernt ja immer weiter dazu, hoffe ich. Wir stehen als Grüne für lebenslanges Lernen.

[Zurufe von der CDU]

Dass die Kurzintervention so ausgelebt werden kann, wie Sie es gerade getan haben, ist überraschend. Das nehme ich in mein Repertoire auf.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Lieber Herr Delius! Ich bin komplett überrascht, welch ein negatives Bild Sie vom Schulfrieden haben. Ich darf Ihnen sagen, wie wir ihn verstehen.

Darf ich Sie einen kleinen Moment unterbrechen? – Ich sehe gerade, dass dort oben gefilmt wird, und zwar Unterlagen der Abgeordneten – die Kamera erweckt zumindest den Anschein. Das ist nicht gestattet. Ich bitte Sie, aufzuhören. – Danke schön!

[Zurufe von den PIRATEN]

So, Frau Remlinger, bitte sehr!

Danke! – Lieber Herr Delius! Ich bin nämlich der Ansicht, dass der Schulfrieden oder der Schulkonsens, wie wir ihn genannt haben, nach der Schulstrukturreform gerade das Gegenteil von dem bewirkt hat, was Sie beklagen. Es hat genau das Richtige bewirkt, nämlich dass wir, statt über Strukturen und Inputfaktoren zu sprechen, statt darüber zu sprechen, was die richtigen und was die falschen Kinder sind, die in eine bestimmte Schule gehen dürfen, jetzt eine empirisch-wissenschaftlich untersetzte Bildungspolitik machen können, die eindeutig das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt stellt, die qualitativen Fragen diskutiert und – – Lieber Herr Delius, jetzt tut es mir leid, dass ich mich auf Sie bezogen habe, wenn Sie meinen, dass Sie dazu intervenieren müssen! Eigentlich wollte ich mit der CDU sprechen; denn mit der Linken und dem Gesetzentwurf und auch mit der SPD, wie ich es verstanden habe, werden wir uns einig; denn selbstverständlich haben die Gemeinschaftsschulen nach acht Jahren Pilotprojekt alle Rechte, und es ist höchste Zeit, dass wir es im Schulgesetz verankern. Details, über welchen Paragrafen wir gehen oder nicht gehen, können wir dann noch diskutieren.

Ich finde es sehr schade, dass die CDU und auch Herr Graf heute wieder und damit im Wahlkampf