deutlich hinter das zurückfallen, was wir alle miteinander diskutiert haben, dass Sie behaupten, Geschichte würde man abschaffen, die Wahlfreiheit wolle man abschaffen und die Leute zur Inklusion zwingen, dass Sie sagen, die Gymnasien seien bedroht, als wären es bedrohte Tierarten oder kleine, schwache Pflänzchen. Das alles finde ich nicht nur sachlich falsch, ich finde es unverantwortlich. Ich finde es außerdem irgendwo zwischen unredlich und bewusst wahltaktisch gelogen.
Und wie Herr Graf heute, ohne zu erröten, behaupten kann, das sei unideologische Schulpolitik – was übrigens ein Zitat meines Ansatzes ist –, ist mir ein Rätsel.
Insofern, liebe Frau Bentele, bin ich darauf gespannt, was Sie jetzt gleich sagen. Ich dachte, wir wären uns einig, dass eine Orientierung an der Nachfrage, eine Entscheidung der Familien entlang der Wahlfreiheit, welche Schule sie für richtig halten, konsensfähig unter uns allen ist, dass unter uns allen konsensfähig ist, dass das Kindeswohl jedes einzelnen Kindes in den Mittelpunkt gestellt wird. Ich hatte mich sehr gefreut, als Sie beim VBE gesagt haben, man müsse sich doch mal anschauen und offen und ehrlich darüber diskutieren, warum es die Gemeinschaftsschulen und wie es die Gemeinschaftsschulen schaffen, diesen erfreulichen Lernerfolg bei den Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft herzustellen, und dass dieser Lernerfolg der einen Kinder nicht den Lernerfolg der anderen Kinder behindern und bremsen muss. Wenn das nicht konsensfähig ist, dann hat Herr Delius recht, dann ist der Schulkonsens wirklich zu nichts nütze, wenn wir uns nicht gemeinsam der Frage stellen, wie man am besten lernt und diese Faktoren stärkt.
Wir sehen diese Faktoren – das haben die wissenschaftlichen Studien auch gezeigt – zum Beispiel in der Teamarbeit. Deshalb wollen wir alles tun, um den Kolleginnen und Kollegen mehr Zeit für Teamarbeit, für Absprachen untereinander zur Verfügung zu stellen. Es hat sich gezeigt, dass der Schlüssel zu individueller Begabungsförderung – wie Frau Kittler gesagt hat –, sei es für Kinder, die sonderpädagogischen Förderbedarf haben, oder sei es für Hochbegabte, von denen ich auch immer sage, dass es eine besondere Form der Behinderung ist – dass wir sie alle optimal fördern können. Also müssen wir diese Methoden der Binnendifferenzierung, die diese individuelle Förderung ermöglichen, stärken und die Kolleginnen und Kollegen darin unterstützen, das zu können.
Uns wurde gezeigt, dass die wissenschaftliche Begleitung, die ständige Evaluationskultur und ständige Feedbackkultur Faktoren sind, die alle Schulen besser machen können.
Nicht zuletzt sage ich auch: Wir brauchen vielleicht die entsprechenden Schulbauten, um 10 oder auch 13 Jahre zusammen in einem Campus verbringen zu können. – In diese Richtung wollen wir arbeiten. Wir hätten gehofft,
dass das konsensfähig ist, dass Sie mit uns zusammen die Entscheidung den Familien überlassen, in welche Art von Schule sie gehen wollen.
Und ceterum censeo: Liebe CDU! Der Zugang zum Gymnasium ist nicht zu breit, er ist zu eng. Es gibt Dutzende von Studien, die zeigen, dass zum Beispiel Kinder mit Migrationshintergrund bei gleicher Leistung mit Abstand schlechtere Chancen haben, für das Gymnasium empfohlen und dort angenommen zu werden. Wenn Sie in dieser Stadt dazu stehen, dann verstehe ich überhaupt nichts mehr, und dann sind Sie – zu Recht – auch weit davon entfernt, Volkspartei zu sein. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Es passiert mir sehr selten, dass ich die „FAZ“ nicht lese. Das ist jetzt dem Wahlkampf geschuldet.
Wir beraten heute darüber, ob der seit acht Jahren laufende Schulversuch Gemeinschaftsschule in eine Regelschulform überführt werden soll. Ich möchte Ihnen darlegen, weshalb wir dies für den jetzigen Zeitpunkt für verfrüht halten bzw. weshalb wir noch nicht ganz davon überzeugt sind, dass die Gemeinschaftsschule als eigene Schulform im Schulgesetz aufgeführt werden sollte.
Die Diskussion, die wir heute führen, ist nicht neu. Sie wird schon eine ganze Zeit lang von einem bewundernswert aktiven Elternnetzwerk geführt, und natürlich im Zusammenhang mit der Vorlage des sogenannten Abschlussberichts der wissenschaftlichen Begleitung der Pilotphase im März dieses Jahres. Dieser Bericht wird von Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, als die entscheidende Grundlage bezeichnet, aus der sich ein durchschlagender Erfolg der Gemeinschaftsschule ablesen lasse. Für uns jedoch hat dieser Bericht wichtige Fragen nicht beantwortet, bzw. es sind insgesamt zum Pilotprojekt Berliner Gemeinschaftsschule noch zu viele Fragen offen. Ich will mal drei Punkte nennen.
Im Rahmen der Studie wurden zwei Lernerhebungen – am Ende der Jahrgangsstufe 7 und am Ende der Jahrgangsstufe 9 – durchgeführt, interessanterweise aber nicht am Ende der Jahrgangsstufe 10, in der die MSAPrüfungen abgelegt werden. Selbst für die Klasse 9 hätte man Bezüge zur Berufsbildungsreife herstellen können, wenn man das gewollt hätte. Aber genau dieser Bezug zum Berliner Schulkoordinatensystem fehlt in diesem Bericht, genauso wie die harten Fakten; denn – ich zitiere den Bericht –:
Zweitens: Die Entscheidung darüber, ob sich eine Schulform, die für sich beansprucht, 10 oder 13 Jahre, eigentlich aber 13 Jahre, zu dauern, bewährt hat, nach acht Jahren Probephase zu fällen, ist nicht logisch. Abgesehen davon, dass viele Gemeinschaftsschulen erst wenige Jahre als solche arbeiten und sich sehr unterscheiden, sollten mindestens ein – wir fordern eigentlich drei – ganzjähriger dreizehnjähriger Durchlauf erfolgen und wissenschaftlich begleitet werden, um zu einer in Ansätzen validen Einschätzung dieses Konzepts zu kommen.
Ich würde gern erst mal zu Ende sprechen, dann können wir die Frage nehmen. – Der einzige Unterschied, den die Gemeinschaftsschule zum bisherigen System von Grund- und Oberschule macht, ist, dass es nach Klasse 6 nicht zu einem Schulwechsel kommt. Es gibt aber in der ganzen Studie keinen Hinweis darauf, dass ausgerechnet die Tatsache, dass die Schüler nach der 6. Klasse zusammenbleiben, ausschlaggebend für die Lernzuwächse ist. Ausschlaggebend ist die schülerbezogene Lern- und Förderplanung. Eine schülerbezogene Lern- und Förderplanung kann aber auch in den bestehenden Grundschulen, in den bestehenden integrierten Sekundarschulen, selbst an Gymnasien umgesetzt werden, beziehungsweise kann eine verbesserte Förderung von Inklusionsschülern an den zukünftigen Schwerpunktschulen durchgeführt werden. Dazu braucht es keine neue Schulform. Also – da möchte ich gern auf Frau Remlinger eingehen – Sie sehen uns offen für die Gemeinschaftsschule. Das habe ich auch in der Stadt so vertreten. Ich gebe auch Herrn Oberg recht, die Gemeinschaftsschule legitimiert sich aus der Nachfrage, und deshalb wollen wir ihr auch keine Steine in den Weg stellen. Aber es gibt genug offene Fragen. Deshalb ist es für uns verfrüht, sie aufzunehmen.
Also: Zu kurze Zeit für den Schulversuch, acht Jahre für eine Schulform, die 13 Jahre gehen soll. Die Studie ist nicht aussagekräftig genug angelegt. Es liegen nicht ausreichend harte Fakten vor.
Das ist jetzt ein bisschen unfair, denn Frau Kittler war vorher dran. Aber die kommt dann sicher danach noch dran. – Frau Kollegin! Sie haben jetzt ausführlich dargelegt, warum die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Vielleicht erklären Sie mir erstens mal, wann die Voraussetzungen denn erfüllt wären, um eine solche Pilotphase abzuschließen,
zweitens, wie es eigentlich sein kann, dass wir alle zur ISS stehen, obgleich die ohne Pilotphase einfach so eingeführt wurde, und drittens wäre die Frage: Was glauben sie eigentlich, welche Ihrer genannten Kriterien vom Gymnasium erfüllt würden und ob das Gymnasium dann in Berlin Bestand haben kann, wenn die von Ihnen angelegten Kriterienkataloge ernst genommen werden würden?
Zum Punkt 1 habe ich mich gerade geäußert. Ich habe gesagt, es macht keinen Sinn, einen Schulversuch einer Schulform, die zehn oder dreizehn Jahre dauert, nach einer Pilotphase nach acht Jahren abzubrechen. Viele Gemeinschaftsschulen arbeiten ja auch noch gar nicht acht Jahre, sondern drei bis vier. Ich finde, eine Schülergeneration sollte so ein Schulversuch schon mal durchlaufen, mindestens eine, warum nicht drei. Ich habe eine klare Angabe zur Zeit gemacht. Ich habe auch eine klare Angabe dazu gemacht, was wir uns von so einer wissenschaftlichen Begleitstudie erwarten. Von der erwarten wir uns harte Fakten, von der erwarten wir uns auch Prüfungsergebnisse. Von der erwarten wir, dass sie sich mit dem Berliner Schulkoordinatensystem, mit den anderen Schulformen messen lässt. Dazu haben wir keine Aussage in dieser Studie, und die erwarte ich. Die Studie muss also anders angelegt werden.
Der zweite Punkt war die ISS ohne Pilotphase. Wir reden ja erst wieder fünf Jahre mit. Die Reform war vor uns. Sie wissen, Sie kennen mich als diejenige, die auch sagt, dass die Erwartungen an die integrierte Sekundarschule nicht erfüllt worden sind. Wir haben immer noch 11 Prozent
Schulabgänger ohne Abschluss. Diese Erwartung an die integrierte Sekundarschule, dass die stärkeren mit den schwächeren Schülern zusammen lernen – wir haben es ja in dieser Schulform schon verwirklicht –, hat sich nicht erfüllt, sondern wir haben größere Klassen, eine schlechtere Förderung der schlechteren Schüler. Insofern sehen Sie mich da als Kritikerin. Ich glaube, wir müssen auch die ISS da noch mal durchleuchten, neu aufsetzen, und warum auch nicht wissenschaftlich begleiten?
Bei der letzten Frage – verstehe ich Sie richtig, Herr Oberg, dass Sie das Gymnasium jetzt in ein Pilotprojekt verwandeln wollen, in Berlin auf Probe setzen wollen? Das nehme ich jetzt mit. Das können sich die Wählerinnen und Wähler dann auch überlegen, dass die SPD das Gymnasium sozusagen noch mal durchleuchten möchte. Vielleicht auch noch mal: Wer kann alles aufs Gymnasium? – Es kann jeder aufs Gymnasium. Das Gymnasium ist die Schule für alle. Es ist schwieriger geworden, auf eine Sekundarschule zu kommen, als auf das Gymnasium. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass Schüler mit einer Empfehlung von 3,0 in Zukunft ein verpflichtendes Beratungsgespräch machen sollen, um sich selbst zu schützen.
Danke schön! – Wenn Sie sagen, es kann jeder aufs Gymnasium, bedeutet das ja, dass Sie das Probejahr abschaffen wollen. Das habe ich jetzt richtig verstanden. Das wäre die Frage.
Die zweite Frage wäre: Sagen Sie mal, wie lange wollen Sie eigentlich warten, bis Sie diese dringenden Probleme, die Sie gerade auch benannt haben, 11 Prozent ohne Abschluss, angehen, weil – ich habe vorhin Sie als CDUVertreterin auch gefragt –: Sind sie der Meinung, dass das Gymnasium dieses Problem lösen kann, oder müssen wir hier nicht genau diesen Weg über die Gemeinschaftsschule gehen? Und dann möchte ich Sie – –
Entschuldigung, meine Herrschaften! Jetzt hat Frau Bentele die Möglichkeit, auf die Zwischenfrage der Kollegin Kittler zu antworten.
Ich kann nur noch mal wiederholen: Es kann jeder aufs Gymnasium gehen. Und dann gibt es ein Probejahr, nach dem geschaut wird, ob die Klassenziele erreicht worden sind. Nach diesem Probejahr wird nicht abgeschult, sondern gibt es die Versetzung in die Klasse 8. Insofern geht der Bildungsweg weiter. Der Weg zum Abitur ist absolut offen.
Das sind die Regeln am Gymnasium. Jeder hat die Chance, aufs Gymnasium zu gehen, und hat Zeit, sich ein Jahr zu bewähren. Wir haben dafür gesorgt – das ist Ihnen vollkommen egal –, dass die Lehrerausstattung in der Klasse 7 an die der ISS angeglichen wird, dass da nämlich Gleichstand herrscht.