Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Wir werden die konsequente Umsetzung der Hochschulverträge fortsetzen. Das kostet uns 982 Millionen Euro im Jahr. Und wir werden die Umsetzung des CharitéVertrages ebenso mit 218 Millionen Euro machen.

Die Privilegierung der Forschung ist für uns selbstverständlich. Wir werden die Mittel im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation um 5 Prozent bis auf 167 Millionen Euro im Jahr 2013 aufstocken. Wir werden auch die Ausbildungsprogramme fördern – beispielsweise 1 Millionen Euro für Mentoring-programme, um die Abbrecherquote gerade bei Jugendlichen herunterzubringen und auch Jugendliche zu unterstützen –, und wir werden auch das Programm „Ausbildung in Sicht“ mit 2 Millionen Euro im Jahr dotieren.

Der Berliner Weg steht aber nicht nur für das Thema Bildung, Innovation und Forschung, Wissenschaft, sondern er steht auch für Investitionen in die Zukunftsstandorte wie etwa Tegel oder das Tempelhofer Feld. Hier wollen wir den Grundstein für moderne Industrie- und Wissenschaftsstandorte legen, und wir werden auch nachhaltig wiederinvestieren. Wenn ich die Mittel, die indirekt aus dem Haushalt in die Investitionen fließen, hinzuzähle, sind wir bei ca. 3 Milliarden Euro an in

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

vestiven Mitteln hier in Berlin, die öffentlich induziert sind. Wir fördern und festigen damit aus dem Haushalt heraus den Standort Berlin sowohl als Bildungs- und Wissenschaftsstandort, aber auch als Kulturstandort und als Ort der sozialen Integration.

Wir haben zuletzt in der Debatte um den Länderfinanzausgleich gerade aus dem Süden und Südwesten der Republik gehört, dass die Berliner arm bleiben wollen. Sexy sind wir sowieso, aber wir wollten auch arm bleiben, wird uns vorgeworfen. Und uns wird vorgeworfen, wir wollten weiter subventioniert werden. Ich kann nur sagen: Das ist blanker Unsinn. Es ist deshalb blanker Unsinn, weil die objektiven Zahlen diese These nicht stützen und die Fakten sie widerlegen. Keine andere Region in Deutschland hat die Wirtschaftskrise so gut überstanden wie Berlin. Ich merke das nicht nur an den Gewerbesteuereinnahmen, sondern man kann es auch an der Wirtschaftsleistung des Landes ablesen. Die Wirtschaftsleistung lag im Jahr 2010 um 6 Prozent über dem, was in Deutschland sich abspielte, und das ist eine erfreuliche Nachricht. Begleitet wird das Ganze von der Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. 120 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze seit 2006!

Darüber hinaus bieten wir eine hervorragende Infrastruktur für die Wissenschaft. 150 000 junge Leute studieren an exzellenten Berliner Universitäten. Mehr als 30 000 Studienanfänger 2011! Das ist Rekord, und das zeigt auch, dass die Bundesländer im Südwesten gerade in der Frage der universitären Ausbildung sparen und wir einen Teil der Ausbildung für sie mit machen. Auch deswegen ist es gerecht, im Länderfinanzausgleich hierfür einen Ausgleich zu erhalten.

Das wichtigste Infrastrukturprojekt der Region, der Flughafen, tut uns gut. 24 Millionen Fluggäste in 2012, 40 000 neue Arbeitsplätze – das sind Zahlen, die bekannt sind. Auch die Übernachtungen steigen in Berlin. Bis 2020 rechnen wir mit 30 Millionen Übernachtungen. Die Tourismuswirtschaft bringt ungefähr 9 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2012.

Dieser Erfolg wird getragen von Menschen, die dahinterstehen. Er wird vor allem von gut ausgebildeten und hervorragenden Fachkräften getragen. Deswegen ist einer der großen Standortvorteile Berlins das Potenzial an jungen Menschen und an gut ausgebildeten Menschen. Es ist deshalb wichtig, dass es uns gelingt, immer mehr Fachkräfte aus qualifizierten, kreativen und internationalen Bereichen für unsere Unternehmen, aber auch für die Unternehmen der Privatwirtschaft zu bekommen. Die Unternehmen merken, dass das in der Tat einzigartig in Berlin ist und dass wir hiermit einen großen Vorteil haben. Deswegen – und deswegen sage ich es hier auch nochmals – investieren wir auch zu Recht aus dem Haushalt gerade in diesen Bereich Ausbildung und Bildung. Das ist ein Standortfaktor. Deswegen werden wir auch

mit diesem Haushalt Wohlstand und Wachstum in Berlin weiter stärken.

Ich sage aber als Finanzsenator auch, dass natürlich Wirtschaftswachstum allein nicht reicht, sondern wir müssen an anderer Stelle sagen, was wir nicht wollen. Ich sage hier deutlich: Wir können uns beispielsweise eine Luxussanierung des ICC für 400 Millionen Euro plus nicht erlauben.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Gerade vor dem schwierigen Berliner Hintergrund, was unsere Finanzen anbelangt, ist das nicht möglich. Ich sage auch, dass der Personalabbau weitergehen muss. Deshalb haben wir uns dazu bekannt und verpflichtet, weiter auf 100 000 Vollzeitäquivalente abzubauen. Aber auch der Personalabbau muss – das ist klar – intelligenter gehen. Deswegen sind wir dabei, auch Personalentwicklungskonzepte zu machen.

Wir haben mit der Sanierungsvereinbarung, die wir mit dem Bund und den anderen Ländern als Gegenleistung für die Konsolidierungsbeihilfen getroffen haben, und mit der Schuldenbremse, die wir bis spätestens 2020 einhalten müssen, ein enges Finanzkorsett. Das ist so, aber ich sage auch, dass wir dieses enge Finanzkorsett einhalten.

Ich sage das auch noch einmal an die Adresse der sogenannten Geberländer: Wenn beispielsweise die Bayern manchmal wissen, wie wir mit unserem Geld umgehen – d. h. sie wissen es besser –, dann kann ich nur sagen, dass Berlin in den letzten zehn Jahren seine Ausgaben gerade mal um 2,3 Prozent im Jahr gesteigert hat. Die anderen Länder haben sich im vergleichbaren Zeitraum der letzten zehn Jahre 15,5 Prozent mehr Ausgaben geleistet. Gerade die Bayern, die uns jetzt wieder angreifen, haben sich ein Ausgabenwachstum von 20 Prozent und die Hessen von 26 Prozent erlaubt. Wenn man einmal nach vorn und nicht nur in die Vergangenheit schaut, wird jetzt schon aus den Haushalten und Finanzplanungen der anderen Länder deutlich, dass die anderen Länderhaushalte bis 2015 voraussichtlich immer noch um 1,5 Prozent im Jahr wachsen werden. Berlin wird eine Ausgabenlinie von durchschnittlich etwa 0,3 Prozent einhalten. Das zeigt, dass wir an der Stelle auch bei den Ausgaben Diät halten. Deswegen ist jeder Vorwurf, wir erlaubten uns hier etwas, was sich andere Länder nicht erlauben, fehl am Platz.

Unterstützt und bestätigt wird das Ganze auch dadurch, dass Berlin schon im Jahr 2010 den besten Primärsaldo hatte. Der Primärsaldo ist der Teil des Überschusses, der nicht vom Zinsaufwand belastet wird. Ohne die hohen Zinszahlungen für die Schulden der Vergangenheit wird in Berlin schon ein deutlich höherer Überschuss erzielt – mit dem Primärüberschuss stehen wir in der Bundesrepublik ganz oben. Auch das ist ein Erfolg und zeigt, dass die Sanierung des Haushaltes mit Ausnahme des hohen Zins

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

aufwandes aus den übermäßigen Schuldenbelastungen eine erfolgreiche ist.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Das konnte auch nur deshalb gelingen, weil wir Mehreinnahmen bei den Steuern konsequent für die Konsolidierung genutzt haben. Wir haben Mehreinnahmen bei den Steuern nicht genutzt, um mehr Ausgaben zu leisten. Deshalb setzen wir auch an dieser Stelle darauf, auch die Einnahmebasis des Landes weiterhin zu stärken, auch wenn es dem einen oder anderen natürlich nicht gefällt. Es ist aber notwendig. Um das Land zu konsolidieren, werden wir die Grunderwerbsteuer um 0,5 Prozent auf 5 Prozent anheben. Wir liegen damit im Mittelfeld anderer bundesdeutscher Flächenländer. Wer werden auch, soweit das rechtsicher möglich ist – ich erwarte ein erstes Urteil, das in dieser Frage Klarheit bringt, im Sommer dieses Jahres –, ab 1. Januar 2013 eine sogenannte Citytax einführen.

Ich bin der festen Auffassung – das ist auch die Botschaft dieses Haushalt und der sich daran anschließenden Finanzplanung –, dass wir es bis spätestens 2016 schaffen, keine neuen Schulden aufzunehmen, wenn wir diesen Haushaltskurs konsequent weiterführen. Wir können es schaffen, mit dem Primärüberschuss 2,4 Milliarden Euro Zinsaufwand mitzutilgen. Eine bessere Zukunftspolitik können wir für Berlin nicht tun. Wir haben die Inhalte aufgezeigt. Eine gute Konsolidierung zur Haushaltspolitik dient dazu, den Standort Berlin weiter nach vorn zu bringen, und ist kein Selbstzweck. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 15 Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat nun der Abgeordnete Esser.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Nußbaum! Es gab in diesem Land fünf Jahre Haushaltskonsolidierung seit 2006. Dennoch, weil der Bremsweg lang ist, hat Berlin ungefähr 63 Milliarden Euro Schulden. Zur Veranschaulichung habe ich mir einmal diesen 500-EuroSchein besorgt, den größten Geldschein, den wir haben.

[Senator Dr. Ulrich Nußbaum: Abliefern!]

Ich hatte solch einen auch noch nie in der Hand. 63 Milliarden Euro sind 126 Millionen solcher 500-EuroScheine. Ein solcher Schein ist einen Zehntelmillimeter dick. Wenn Sie diese aufeinanderstapelten, ergäbe das einen Schuldenberg von 12 600 Metern. Ich habe mich selbst gewundert. Das ist höher als der Mount Everest.

Darauf können Sie dann noch Deutschlands höchsten Berg, die Zugspitze, draufpacken und wären immer noch nicht auf dem Berliner Schuldengipfel. Mit der EigerNordwand kämen Sie dann vielleicht hin.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Sie sind sportlich, Herr Schneider. Klettern Sie hoch! – Da oben bei 12 600 Metern ist die Luft allerdings sehr dünn.

[Beifall von Dr. Turgut Altug (GRÜNE)]

Da ist politisch kaum Luft zum Atmen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Der Haushalt, wie er hier auf dem Tisch liegt, erstickt an den Sünden der Vergangenheit.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Da haben Sie 4,5 Milliarden Euro Zinsen, die Sie in den zwei Jahren des Doppelhaushalts für diesen Schuldenberg aufbringen müssen. 2,7 Milliarden Euro Pensionszahlungen sind zu finanzieren, weil dafür in der Vergangenheit keine Vorsorge getroffen wurde. Noch immer verschlingt das verrückte System der Berliner Wohnungsbauförderung, das die SPD 1972 erfunden hat, rund 750 Millionen Euro. Diese 750 Millionen Euro tragen – wie wir alle wissen – zu einer sozialen Mietpolitik nicht bei. Die kosten einfach nur Geld und sind verschleudertes Geld.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Als vergiftetes Sahnehäubchen obendrauf wollen Sie dann in den nächsten zwei Jahren 750 Millionen Euro für die Folgen des Bankenskandals ausgeben, den Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, gemeinsam politisch zu verantworten haben.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Herr Schneider und vor allem Herr Saleh! Nein, aus den Kosten für den Bankrott der Bankgesellschaft vor zehn Jahren mit bis heute mehr als 7 Milliarden Euro, inklusive Kapitalzuführung, Einnahmeverzichte, wird auch dann keine sozialpolitische Wohltat, wenn Sie jetzt noch einmal 750 Millionen Euro dazugeben. Sie können Reklameheftchen verteilen, wie Sie wollen, das wäscht den Dreck auch nicht weg.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

In diesem Doppelhaushalt haben wir summa summarum rund 9 Milliarden Euro, etwa ein Fünftel des Haushalts, die für aktive Politik und Investitionen in die Zukunft unserer Stadt nicht zur Verfügung stehen. Dass das so ist, dafür ist niemand anders verantwortlich als die Parteien, die jetzt wieder an der Regierung sind.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Rot-Schwarz 2012 ist die Wiedervereinigung der Bankrotteure der 90er-Jahre.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Berlin hätte wahrlich Besseres verdient.

Wir erleben die Ironie der Geschichte. Sie haben jetzt die Chance, den Schaden wiedergutzumachen. Deshalb beobachte ich mit Interesse, wie Sie mit einem Haushalt umgehen, der von Ihren eigenen Hinterlassenschaften derart erdrückt wird, dass er nur wenig Möglichkeiten hat – der Finanzsenator hat es geschildert –, auf die wechselnden und wachsenden Bedürfnisse der Stadt zu reagieren.

Auch wenn Sie das jetzt nicht gern hören: Was ich da sehe, ist ziemlich traurig. Das ist jetzt meine Art der Wiedergabe der Rede von Herrn Nußbaum soeben. Sie nehmen den Einnahmezuwachs, bezahlen davon die unvermeidlich steigenden Kosten, Zinsen, Risikoabschirmung, Pensionen, Gehälter, Tarife, Sozialausgaben und eben Kitaplätze für jetzt stärker werdende Generationen, buchen dann die zehn Jahre alten Sparbeschlüsse dagegen, senken nach Vorschrift – von außen – die Neuverschuldung ab. Den kleinen Restzuwachs, der danach noch übrig bleibt, verteilen Sie mit der Gießkanne über die Ressorts. Das ist alles, was Sie tun.

Wo es aber an das Umschichten innerhalb des Haushalts gehen müsste, sind Sie mit Ihrem Latein am Ende. Das Schauspiel, dass Sie bei den zusätzlichen 50 Millionen Euro für die Bezirke bieten, spricht doch Bände.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Da schieben sich – das muss man sich einmal vorstellen – die Herren Nußbaum, Schneider und Graf in der Zeitung gegenseitig die Verantwortung für die Gegenfinanzierung zu, anstatt dies untereinander zu klären und uns einen vernünftigen Vorschlag zu unterbreiten. Politikfähigkeit sieht wirklich anders aus.