[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]
Jenseits der verteilbaren Einnahmezuwächse ist Ihre politische Kunst am Ende. Da beginnt das große Verdrängen. Da nehmen Sie die Position der drei Affen ein: nichts sehen, nichts hören und möglichst nichts sagen. Aber was ist mit den Verlusten bei der BVG? Wir sprachen heute darüber. Oder was ist mit der Bewältigung des S-Bahnchaos? Darüber sprechen wir andauernd. Was ist mit den Verlusten beim Tierpark, bei den BäderBetrieben und so weiter? Nicht der kleinste Lösungsansatz steht in Ihrem Haushalt. Das fällt alles der Verdrängung anheim.
Was vom Etikettenschwindel einer selbst ernannten Infrastrukturkoalition übrig bleibt – wenn einmal jemand genau hinschaut –, ist heute in der „Berliner Zeitung“
detailliert und – wie ich finde – kenntnisreich auseinandergenommen worden. Deswegen muss ich mich darüber nicht mehr auslassen. Ich möchte das nur an drei strategisch wichtigen Punkten etwas vertiefen. Punkt 1 ICC: In den Richtlinien der Regierungspolitik durften wir lesen – ich zitiere –:
Die Sanierung des ICC als Kern der Weiterentwicklung des Messe- und Kongressstandortes ist zügig weiter zu verfolgen.
Das ist Originalton CDU. Guckt man aber in den Haushaltsplan und in die Rede von Herrn Nußbaum eben – das ist Originalton SPD –, dann steht die Sanierung des ICC unverändert auf der Kippe, obwohl das Berlin als weltweit erfolgreichen Ort für Großkongresse schädigt. Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Ihre Forderungen, der endlosen Streiterei und dem Eigensinn der Messe Berlin GmbH in Sachen ICC ein Ende zu setzen, sind Legion. Und nun? Kommt das Ende jetzt? Werden Sie den Haushaltsentwurf verändern? Oder ist die Berliner CDU in der Regierung genauso bedeutungslos wie früher in der Opposition? – Bis zum Beweis des Gegenteils scheint Letzteres der Fall zu sein.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]
Punkt 2 – Charité: In der Regierungserklärung hat Herr Wowereit gesagt, Rot-Schwarz wolle die Region zum innovativsten und leistungsstärksten Zentrum der Gesundheitswirtschaft in Deutschland machen. So steht es in den Regierungsrichtlinien. Guckt man aber in den Haushaltsplan, wird deutlich, dass das Klinikum Steglitz den hehren Worten zum Trotz dem Verfall preisgegeben wird. Das ist dann der wahre Herr Wowereit. Ich frage Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU: Können Sie sich noch daran erinnern, dass wir gemeinsam die von Rot-Rot geplante Schließung des Klinikums Benjamin Franklin verhindert haben? Jetzt kommt die Schließung durch die kalte Küche des Gebäudeverfalls. Und was machen Sie? – Sie lösen lieber eine Eintrittskarte für Herrn Wowereits Zentralbibliothek auf dem Tempelhofer Feld. Und was bekommen Sie dafür? – Einen warmen Händedruck und ein Versprechen auf 3 Kilometer bedeutungs- und sinnlose Autobahn – die der Bundestag Ihnen bezahlen soll, aber bislang zu Recht nicht bezahlen will, Herr Wowereit!
Jetzt komme ich zum Punkt Klimaschutz, auch eine Investitionsfrage. In der Regierungserklärung hat sich Herr Wowereit zu einer nachhaltigen Regierungspolitik bekannt. In den Richtlinien der Regierungspolitik wird über den Aufbau einer landeseigenen Einrichtung Berlin Energie zur Bündelung der dezentralen Energieressourcen philosophiert. Schaut man in den Haushalt, steht da absolut nichts von Berlin Energie, nichts zur Energie
einsparung im Gebäudebestand und nichts zum Ausbau dezentraler Energieerzeugung. Wir haben Ihnen mit den Klimastadtwerken einen Vorschlag unterbreitet, wie man diese Aufgabe bewältigen könnte. Aber da muss – und ich sehe es kommen – offensichtlich erst ein Volksbegehren her, um Sie aus dieser Bequemlichkeit zu pusten. Nun denn, wir werden sehen!
Ob das Ding dann am Ende Berlin Energie wie bei der SPD oder Klimastadtwerk wie bei den Grünen heißt, ist uns egal. Nicht egal ist uns aber, dass der Haushaltsplan keine Silbe und keinen Euro dazu enthält, dass man den Sanierungsstau von 1,7 Milliarden Euro im landeseigenen Gebäudebestand mit einer angemessenen Rate von 3 Prozent pro Jahr angehen muss.
Schließlich das Thema Löhne und Gehälter, Ihre größte Verdrängungsleistung! Für die Angestellten ist richtigerweise eine Lohnangleichung an das Bundesniveau bis 2017 tarifvertraglich vereinbart. Den Beamten und den Beschäftigten, die bei freien Trägern und Zuschussempfängern für das Land Berlin arbeiten, bieten Sie eine solche Perspektive jedoch nicht. Haben Sie ernsthaft vor, die Beamten schlechter zu behandeln als die Angestellten des Landes, Herr Henkel? Und wollen Sie, Herr Nußbaum, das Personal unserer sozialen Dienstleister dauerhaft auf ihrem zurückgebliebenen Gehaltsniveau versauern lassen? Wenn nicht, dann haben Sie, meine Herren, ein gemeinsames Problem von rund 400 Millionen Euro auf die Legislaturperiode gerechnet, das nicht in der Finanzplanung des Senats steht. Dieses Problem anzugehen, ist eine Gerechtigkeitsfrage, die nicht davon weggeht, dass Sie Ihren Kopf zusammen mit Herrn Wowereit in den Sand stecken.
Angesichts dieser Probleme sieht man ganz gut, dass es keine Lösung ist, den gesamten politisch steuerbaren Teil des Haushalts bis 2016 im Status quo einzufrieren, wie Sie es tun. Da könnte sich der neue Senat samt allen zusätzlichen Staatssekretären genauso gut auf eine Wiese stellen und den Grashalmen zurufen: Hört auf zu wachsen!
Das nützt nichts. Das Gras wächst trotzdem. Sie können unserer Stadt keinen Stillstand verordnen. Berlin wächst und verändert sich. Diese Veränderung bringt neue Bedürfnisse hervor und macht alte Gewohnheiten obsolet, und auf diese Veränderungen muss die Haushaltspolitik reagieren. Deshalb können wir uns die Bewegungslosigkeit nicht leisten, die Sie in der Haushaltspolitik an den Tag legen.
Wenn wir trotz der Haushaltsnotlage die ökologische Herausforderung bestehen, der sozialen Spaltung in der Stadt entgegentreten und die wirtschaftliche Schwäche Berlins überwinden wollen, dann müssen wir beim Einsatz der Mittel effizienter sein als jedes andere Bundesland und jede andere Stadt in Deutschland.
Effizienter als jede andere Stadt in Deutschland – ich weiß, dieser Anspruch ist hoch, sehr hoch. Ich bin auch gar nicht mal sicher, dass wir Grüne ihn komplett einlösen könnten.
Aber die Aufgabe zu erkennen, Herr Schneider, statt zu lachen, richtig zu benennen und gemeinsam zu versuchen, sie zu bewältigen, das wäre diesem Haus angemessen.
Dabei ist klar: Eine aktive Haushaltspolitik ist und bleibt in Berlin der Schlüssel, weil die politisch einsetzbaren Mittel knapper als anderswo sind. Und nachdem die großen Schnitte gemacht sind, kommt es in erster Linie auf Reformen der praktischen Verwaltungstätigkeit an – in der Personalwirtschaft, bei den IT-Kosten, beim Umgang mit Flächen, Gebäuden und Energiekosten, bei Verträgen mit Dritten, beim effektiven Umgang mit vorhandenen liquiden Mitteln und mit offenen Forderungen. Das hat Herr Nußbaum in seinen Interviews durchaus alles mal erwähnt. Was hat er nicht alles an Reformthemen genannt! Er hat über modernes Dienstrecht und Personalentwicklungskonzepte geredet. Er hat über die Senkung des Krankenstands und über Shared Services bei der Personalverwaltung und im Bestellwesen geredet. Er hat über geringere IT- und Energiekosten, über die Ausweitung des Facility-Managements und über die bessere Planung von Baumaßnahmen geredet. Er hat über CashPooling und effektives Forderungsmanagement geredet. Er hat über neu auszuhandelnde Verträge mit den sozialen Dienstleistern und veränderte Zuwendungsverträge geredet. Stichworte hat Herr Nußbaum also jede Menge fallen gelassen, seit er hier ist, aber getan hat er überwiegend nichts. Und wo er etwas getan hat, sieht man keine Ergebnisse.
Wir Grüne werden deshalb darauf drängen, dass in der Berliner Haushaltspolitik wieder eine aktive Sanierungsstrategie erkennbar wird, die uns Luft für Politik verschafft.
Ich bin gespannt, ob wir da miteinander in die Diskussion kommen. Bis jetzt ist das nicht der Fall. Bis jetzt – ich bin ziemlich entsetzt – erlebe ich in den Ausschüssen – ich sage das im Plural – einen ungekannt aggressiven Strukturkonservatismus von dieser Regierung.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]
Zu keinem einzigen Reform- oder Umschichtungsvorschlag würden Sie etwas anderes sagen als: Oh, davon hat jetzt aber irgend einer einen Nachteil! Oh, das dürfen Sie nicht machen! Oh, da werden wir Sie anprangern! – Sie haben überhaupt keinen Willen, auch nur einen Euro von A nach B zu verschieben, obwohl Sie in Größenordnungen von weit über einer halben Milliarde verdrängte Aufgaben haben, die man angehen muss. Und das klagen wir bei Ihnen ein: dass eine konstruktive Situation entsteht.
Um zum Schluss zu kommen – wir haben unsere Kernforderungen an den Haushalt vor der Wahl so zusammengefasst: Lehrerneueinstellungen, Schulsanierungen, Begrenzung von Mietsteigerungen, S-Bahnchaos beenden, Investitionen in den Klimaschutz, Schluss mit dem Schuldenmachen. Und: Geld für eine Verlängerung der A 100 wird es mit uns nicht geben. Ich kann allen versichern: Zu diesen Wahlversprechen stehen wir, auch in der Haushaltsberatung.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Lieber Herr Esser! Das war der typische Esser, nur: Wo Ihre konstruktiven Vorschläge gewesen sind, habe ich nicht vernommen.
Und im Übrigen haben Sie hier eine Debatte angemahnt, die wir von Ihnen erwarten. Sie werden zeigen müssen, und wir werden Sie da auch stellen, ob Sie auch Verantwortung kennen oder nur weiteres Meckern, sehr geehrter Herr Esser.
[Beifall bei der SPD – Benedikt Lux (GRÜNE): Stellen Sie mal die Opposition, Sie komischer Typ! – Zuruf von Ramona Pop (GRÜNE)]
In unserem Haus ist es geübte Praxis, von der Geschäftsordnung in Fällen fraktionsübergreifenden Konsenses, also in Fällen von Einvernehmen, abzuweichen. Die SPD-Fraktion bedauert daher, dass wir, dass die Bezirke, dass alle Zuweisungsempfänger zwei Wochen verloren haben, weil ein solches Einvernehmen beim Haushalt mit dieser Opposition nicht herzustellen gewesen ist.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Macht eure Hausaufgaben! – Ramona Pop (GRÜNE): Armer Herr Schneider, hat keinen Einfluss, auf nichts! – Benedikt Lux (GRÜNE): Der Oppositionsführer der Opposition der Opposition!]