Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Die Ereignisse in Fukushima – vor allem die Tatsache, dass eine solche eigentlich vermeidbare Katastrophe in einem Hochtechnologieland wie Japan nicht vermieden werden konnte – haben die gesellschaftliche Akzeptanz der Kernenergie in Deutschland dramatisch verringert. Dem hat die CDU-geführte Bundesregierung mit der Energiewende Rechnung getragen. Diese Energiewende ist ein Mammutprojekt, genauer gesagt, eine Vielzahl von Großprojekten. Wir arbeiten in Deutschland mit Hochdruck an diesen Projekten, aber niemand gibt uns die Garantie, dass das funktioniert. Wir sind z. B. darauf angewiesen, dass auch diejenigen Parteien, die in der Vergangenheit ihre Existenzberechtigung aus dem Protest gegen Großprojekte aller Art abgeleitet haben, die Energiewende unterstützen. Hochspannungsleitungen, Erdkabel, Pumpspeicherkraftwerke usw. – man kann nicht gegen alles sein. Wer aussteigt, muss woanders auch wieder einsteigen.

Unter anderem ist der Energiemix entscheidend, denn solange Strom aus erneuerbaren Energien – aus Wind und Sonne – nicht im großen Umfang gespeichert werden kann, brauchen wir einen kompletten – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von Herrn Schäfer!

Gerne! – Bitte, Herr Kollege!

Herr Dr. Garmer! Sie werfen uns vor, wir würden nicht einsteigen wollen. Ich habe den Eindruck, dass Ihr Senat nicht in erneuerbare Energien einsteigen will. Oder können Sie mir sagen, welche Programme Ihres Senats Ihnen vorliegen, um in die erneuerbaren Energien einzusteigen? 2 Prozent erneuerbare Energien mit Müllverbrennung dürften Ihnen ja wahrscheinlich auch nicht genug sein.

Vielen Dank, Herr Schäfer, für die Frage! Ich habe nicht Sie persönlich angesprochen, jedenfalls nicht hier in Berlin. Neue Hochspannungsleitungen für den Transport des Windstroms in den Süden werden kaum über Berliner Stadtgebiet laufen. Und die Pumpspeicherkraftwerke, gegen die sich jetzt Protest von Bürgerinitiativen richtet, werden auch woanders gebaut. Aber da Sie sich getroffen fühlten, möchte ich schon sagen, dass die Grünen die Bürgerinitiativen an der einen oder anderen Stelle mal dazu motivieren sollten, ein Projekt nicht abzulehnen.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Die konventionellen Reserven benötigen auch andere Staaten. Wir sollten also nicht übermütig werden. Wir sollten nicht anderen Staaten unser Konzept vorschreiben, nach dem Motto: am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Wir als CDU-Fraktion sind im Gegenteil der Meinung, dass wir andere Staaten einladen sollten, unserem Weg zu folgen, dass wir für unseren Weg also werben sollten, anstatt politische Fragen auf dem Klageweg lösen zu wollen. Das ist unserer Meinung nach nicht der richtige Weg. Die CDU-Fraktion hat deshalb erfolgreich darauf gedrungen, mit den anderen Fraktionen zusammen die vorliegende diplomatische Formulierung zu finden. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich meinen Dank an die energiepolitischen Sprecher auch der Op

positionsfraktionen richten, dass sie dort konstruktiv mitgearbeitet haben.

Es kommt jetzt darauf an, die Energiewende zügig erfolgreich umzusetzen, sodass sie zu einem weiteren wirtschaftlichen Exportschlager unseres Landes wird, einschließlich der Produkte und Konzepte – daran kann man auch mal erinnern –, die unsere Nachbarn dann gern bei uns kaufen werden. Mit dieser Umsetzung werden wir in den nächsten Jahren erst einmal genug zu tun haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Magalski das Wort. – Bitte sehr!

Wertes Präsidium! Liebe Kollegen! Ich freue mich, dass ich heute an dieser Stelle und zu diesem existenziell wichtigen Thema Geschlossenheit spüren kann. Diese Geschlossenheit beweisen wir hier parteiübergreifend und senden ein Signal an die Republik Polen, aber auch hinaus in die Welt, um zu zeigen, dass Berlin gewillt ist, unseren Weg in eine atomenergiefreie Zukunft auch unseren Nachbarn nahezulegen. Ich bin davon überzeugt, dass wir als angesehene Metropole in Zentraleuropa eine Stimme haben, die, wenn sie außerdem einstimmig erklingt, bei unseren Nachbarn mit besonderer Nachhaltigkeit gehört wird.

Über die Risiken der Atomenergie will ich gar keine großen Worte mehr verlieren. Das haben wir alle bereits zur Genüge an diesem Ort getan. Ich finde es ausgesprochen konstruktiv, wie wir in dieser Sache fraktionsübergreifend zusammengearbeitet haben und zu einem für uns alle nicht nur akzeptablen, sondern auch aus unserer Sicht wirklich guten Antrag gekommen sind.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Ich wünsche mir, dass dieses Beispiel auch in anderen Politik- und Problemfeldern Schule macht, damit wir gemeinsam die besten Lösungen für unsere Stadt und für unser Land Berlin erreichen. Die Piratenfraktion wird für eine solche konstruktive Zusammenarbeit stets offen sein.

[Zuruf von der CDU: Seit wann? – Zuruf von den PIRATEN: Schon immer!]

Wohl aber werden wir weiterhin sinnlose Gesetze und Handlungen und insbesondere deren intransparentes Zustandekommen mit allen demokratischen Mitteln entgegentreten.

Wir wünschen Donald Tusk und der Regierung der Republik Polen Besonnenheit und Weitsichtigkeit, so, wie

sie sie jüngst auch bei der Außerkraftsetzung der ACTARatifizierung bewiesen hat. Hieran hatte nicht zuletzt die polnische Bevölkerung einen maßgeblichen Anteil, indem sie mit aussagekräftigen Protesten und Demonstrationen auf die Gefahren des undemokratischen und gefährlichen Handelsabkommens aufmerksam machte.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Es wäre begrüßenswert, wenn es in der Zukunft ähnliche Bewegungen zum Thema Kernenergie in Polen gäbe. Erst in der vergangenen Woche lehnten 94 Prozent der Bevölkerung der Stadt Mielno den Bau eines Atommeilers ab. Inwieweit diese Ablehnung auf die Gesamtrepublik Polen ausstrahlt, bleibt abzuwarten. Zu welch nachhaltigem Erfolg eine solche Bewegung allerdings beitragen kann, hat das Frühjahr 2011 in Berlin und in ganz Deutschland gezeigt.

In diesem Sinn wünsche ich der polnischen Bevölkerung weiterhin ihren traditionell stets kritischen Blick und eine gesunde Portion engagierten Aktivismus. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Es wurde die sofortige Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag Drucksache 17/0166 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Enthaltungen? – Dann war das in der Tat einstimmig. – Vielen Dank!

[Beifall]

Ich komme zu

lfd. Nr. 22:

Geheimniskrämerei um das ICC beenden – alle Gutachten offenlegen

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0168

Eine Beratung wird jetzt nicht mehr gewünscht.

Zu dem Antrag wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr empfohlen. Ich höre hierzu keinen Widerspruch – dann verfahren wir so.

Die lfd. Nr. 23 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter dem Tagesordnungspunkt 4.2.

Wir kommen damit zu

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

lfd. Nr. 23 A:

Abschiebung nach Syrien sofort stoppen

Dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0180

Ich weise darauf hin, dass Ihnen zu diesem Antrag ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion als Tischvorlage vorliegt. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Für die Beratung steht den Faktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Abgeordnete Bayram. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Das Auswärtige Amt hat für Syrien eine Reisewarnung durchgegeben, aber es ist schon aus den Fernsehrbildern deutlich, dass zurzeit in Syrien ein Unrechtsstaat regiert, dass dort Menschen ermordet und in ihren Rechten eingeschränkt werden, wie es für uns nur noch schwer vorstellbar ist. Deshalb ist es ganz selbstverständlich, dass Menschen in so eine Situation auf keinen Fall abgeschoben werden dürfen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Marion Platta (LINKE)]

Aber man fragt sich bei aller Solidaritätsbekundung, die von deutscher Seite ausgesprochen wird, was der Senat tut, um diesen Menschen, die zu uns kommen und die bei uns Schutz suchen, tatsächliche Unterstützung zu geben. Das kann ich schnell aufklären: Er tut nichts. Herr Henkel als Innensenator müsste jetzt das machen, was nach dem Gesetz vorgesehen ist, er müsste in einer solchen Situation einen offiziellen Abschiebestopp verfügen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Katrin Möller (LINKE)]

Herr Henkel! Da muss ich wirklich ganz klar sagen: Fast eine Million Berlinerinnen und Berliner haben Parteien gewählt, die sich für Flüchtlingsschutz einsetzen. Da ist es von Ihrer Seite nicht möglich, nur das eine Viertel der Bevölkerung zu repräsentieren, das die CDU gewählt hat. Sie haben hier eine besondere Verantwortung.

Damit Sie auch nicht sagen können, dass Sie nicht wüssten, was Sie genau tun sollen, lese ich Ihnen die Punkte vor, zu denen wir Sie auffordern: ersten, einen Abschiebestopp nach § 60a Aufenthaltsgesetz für Syrerinnen und Syrer zu erlassen, zweitens, den Betroffenen nach Ablauf der sechs Monate eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Aufenthaltsgesetz zu erteilen. Weiter müssen Sie sich in der Innenministerkonferenz für einen Abschiebestopp der Menschen in allen Bundesländern einsetzen. Wir erwar

ten von Ihnen, dass Sie sich für die Kündigung des Rücknahmeabkommens mit der Republik Syrien einsetzen.

Da es von den weiteren Oppositionsparteien eine Ergänzung gibt, will ich sie auch gern vortragen, da ich sie inhaltlich unterstütze. Es handelt sich um die Forderung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sicherstellt, dass syrische Asylsuchende nicht im Rahmen der Dublin-IIVerordnung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union überstellt werden, in denen sie nicht dieses sichere Asylverfahren bekommen, das sie bei uns eher bekommen könnten.