Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

errichten lassen möchte. Auch darüber wird zu reden sein, wenn man das alles einmal zusammenführt.

Ich begrüße die Piraten auf der Seite derjenigen, die diesen Spreepark retten, wieder in die Verfügung der öffentlichen Hand bekommen wollen und daraus einen kleinen, familienorientierten Freizeitpark machen möchten. Aber vielleicht erweist sich – ich bin ein bisschen vorsichtig geworden in den langen Jahren hier im Parlament – die ungeklärte und absolut skandalöse Situation dieses Erbpachtvertrages noch als Glücksfall für Berlin. Dann zahlt zwar das Land weiter für die Straßenreinigung und verzichtet auf die Einnahmen aus der Erbpacht, aber es kann wenigstens ausgeschlossen werden, dass die lupenreine Wiederauflage der damals agierenden Koalition, die diesen Erbpachtvertrag zu verantworten hat, wieder in die Verfügungsrechte dieses Geländes gelangt und nunmehr bei Wiedererlangung der Nutzungsverfügung über das Gelänge das macht, was alle befürchten, die den Spreepark retten wollen, nämlich dort Hotels baut, dort Wohnungen im hochpreisigen Segment baut, den Landschaftsschutz noch weiter runterschleift und eben schöne Straßen durch den Wald baut. Also, liebe Freunde von den Piraten, die maximale Verwertung dieses Geländes ist nach wir vor auf der Agenda der großen Koalition von SPD und CDU. Das, was Herr Arndt und Frau Vogel hier erklärt haben, lässt mich Schlimmes befürchten.

Insofern: Die Veröffentlichung des Vertrages – gern. Die politische Aufarbeitung dieses Skandals steht nach wie vor aus. Ich traue allerdings dieser regierenden Koalition nicht zu, das Problem Spreepark im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu lösen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Matuschek! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zu dem Antrag wird die Überweisung in den Hauptausschuss empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 17 war die Priorität der Piratenfraktion unter Nr. 4.4. Der Tagesordnungspunkt 18 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 19:

Diskriminierung abbauen – gleichberechtigten Zugang zum Wohnungsmarkt gewährleisten

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0160

Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. – Zu dem Antrag wird die Überweisung federführend an den Ausschuss Bauen, Wohnen und Verkehr und mitberatend an

(Vizepräsident Andreas Gram)

den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 20 wurde in Verbindung mit der Priorität der Piratenfraktion unter Nr. 4.4 behandelt.

Ich rufe nunmehr auf

lfd. Nr. 21:

Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft – polnisches Atomenergieprogramm überdenken

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion Drucksache 17/0166

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Da ist es der Kollege Schäfer. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft – polnisches Atomenergieprogramm überdenken“. Diesen Antrag aller fünf Fraktionen wollen wir heute beschließen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie, deren Zeit abgelaufen ist. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen, weil wir Risiken nicht länger tragen wollen. Risiken durch Betrieb, Risiken durch Super-GAUs, Risiken durch die ungeklärte Entsorgung jahrtausendelang strahlenden Mülls und Risiken der Wiederaufarbeitung und der Verbreitung von Atomwaffen. Diese Risiken machen nicht an Landesgrenzen halt. Deshalb sehen wir alle in diesem Haus die Pläne für neue Atomkraftwerke in Polen mit Sorge. Das gilt auch für Atomkraftpläne in Kaliningrad und im litauischen Ignalina.

Als Parlament respektieren wir das Recht des polnischen Volkes, des Sejm und der polnischen Regierung ihren Energiemix im Rahmen des EU-Rechts selbst zu bestimmen. Als Parlament schützen wir gleichzeitig die Rechte der Berlinerinnen und Berliner. Die sind durch dieses Atomprogramm beeinträchtigt. Wir haben ein Recht auf eine strategische Umweltprüfung, die Alternativen ernsthaft prüft – das ist nicht geschehen –, die neueste wissenschaftliche Erkenntnisse respektiert – das ist auch nicht geschehen. In diesem Atomprogramm wird gesagt, im Falle eine Super-GAUs könne man Jodtabletten verteilen. Das kennen wir aus den 1980er-Jahren, das ist aber nicht die neueste wissenschaftliche Erkenntnis. Das Atomprogramm verstößt auch gegen die EU-Elektrizitätsbinnenmarktregelungen, die unseren Unternehmen einen diskriminierungsfreien Zugang zum polnischen Markt erlau

ben. Auch das wird durch das polnische Atomkraftprogramm nicht beachtet, weil damit den Atomkonzernen Wettbewerbsvorteile eingeräumt werden sollen.

Mit dem Antrag heute beauftragen wir alle den Senat, diese rechtlichen Bedenken zu prüfen und in geeigneter Weise zu Gehör zu bringen. Wir erwarten vom Senat, dass diese Prüfung erfolgt, bevor das Beteiligungsverfahren, das verlängert worden ist, beendet ist.

Der heutige Beschluss ist ein wichtiges Signal an die Menschen in Polen, die sich gegen AKWs einsetzen, und wird von denen auch so gesehen. Aber mit diesem Beschluss ist das Thema nicht erledigt, sondern die Arbeit fängt erst an. Erstens: Wir möchten, dass wir über diesen Beschluss hinaus alternative Energien in Polen auch praktisch unterstützen. Das könnten wir zum Beispiel durch eine richtige Ökostromausschreibung des Landes, die nach dem Modell von Bremen dazu führen würde, dass alternative Energien auch in Nachbarländern ausgebaut würden. Dafür setzen wir uns ein: statt dem GreenWashing, das wir bisher bei der Stromausschreibung betreiben, eine echte Ökostromausschreibung nach dem Modell von Bremen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Simon Kowalewski (PIRATEN)]

Wenn wir uns gegen Atomkraftwerke anderswo glaubwürdig aussprechen wollen, gehört es auch dazu, dass wir in Berlin nicht weiter Atomstrom nutzen. Dass die BVG noch immer Atomstrom nutzt, muss mit der nächsten Stromausschreibung dieses landeseigenen Unternehmens beendet werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Mit unserem heutigen Beschluss legen wir unseren polnischen Nachbarn auch den Umstieg auf erneuerbare Energien nahe. Ich sage aber auch: Wer wie wir hier in Berlin 98 Prozent seiner Stromerzeugung auf Basis fossiler Energien betreibt, der ist nicht besonders glaubwürdig. Bei uns in Berlin haben die erneuerbaren Energien einen Anteil von 2 Prozent an der Stromerzeugung, aber auch nur dann, wenn man die Müllverbrennung als erneuerbare Energie betrachtet. Deshalb sage ich ganz vorsichtig: Es wird leichter, andere zum Umstieg auf erneuerbare Energien zu überzeugen, wenn wir selber damit einmal anfangen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Da hat dieser Senat noch sehr viel zu tun. 2 Prozent erneuerbare Energien beim Strom sind zu wenig. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie das, was Sie im Wahlkampf versprochen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, die Gründung eines Stadtwerks, das auch erneuerbare Energien erzeugt, umsetzen. Wir haben in den Haushaltsberatungen erfahren, dass sich noch nicht mal der im Koalitionsvertrag vereinbarte Prüfauftrag für ein Stadtwerk in diesem Haushalt wiederfindet. Da müssen Sie nachsteuern, und zwar schnell.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Dies alles mal beiseite gelassen, möchte ich sagen, wenn sich die Piratenfraktion heute entscheidet, heute eine gemeinsame Position bei der Abstimmung zu vertreten, dann wäre das das erste Mal, dass das Abgeordnetenhaus einstimmig sagt: Atomkraft, nein danke! – Und das ist ein schöner Tag. Darüber freuen wir uns.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Danke schön, Kollege Schäfer! – Für die SPD hat der Kollege Buchholz das Wort. – Bitte sehr!

Herr Kollege Schäfer! Dies ist ein schöner Tag, wenn wir einen Allparteienantrag beschließen können. Ich finde nicht, ein Allparteienantrag muss von fünf Parteien begründet werden. Deswegen schließe ich mich Ihrer Argumentation bezüglich des Antrags vollumfänglich an und hoffe, dass wir ihn einstimmig beschließen können. – Vielen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Donnerwetter! Das war kurz. Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Platta das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ganz so kurz möchte ich es doch nicht halten, denn als wir im Dezember in diesem Haus dieses ernste Thema „Berliner Stellungnahme zur polnischen Atomkraft“ diskutiert haben, war noch nicht klar, dass wir zu einem fraktionsübergreifenden Antrag mit dem salomonischen Titel „Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft – polnisches Atomenergieprogramm überdenken“ kommen können. Klar war ebenso wenig, dass der Senat die Hinweise aus der Diskussion zum Beteiligungsgebot Berlins im europäischen Abstimmungsprozess auch beachten wollte. Als wir die überwiesenen Drucksachen im Ausschuss im Januar dann behandelten, war die Frist zur Stellungnahme und damit zur Beteiligung Berlins an dem Verfahren zur strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung über das polnische Kernenergieprogramm abgelaufen. Und obwohl die rot-schwarze Koalition im Dezember nicht bereit war, dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit unseren ergänzenden Änderungen zuzustimmen, haben wir als Opposition letztendlich dafür Sorge getragen, dass auch Berlin seine europäische Ver

antwortung durch seine Beteiligung in dem Verfahren zumindest mit einem kurzen Schreiben des Senators an die verantwortlichen Stellen der Republik Polen wahrnimmt.

Wir haben hier schon im Dezember neben der Kritik an dem polnischen atomaren Plänen gleichzeitig auch zur Verbesserung der Zusammenarbeit beider Länder auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien und somit auch für eine echte nachhaltige Energieentwicklung gesprochen. Nach dem nun vorliegenden Antrag aller Fraktionen zeigt sich, dass sich auch die rot-schwarze Koalition nicht um dieses Thema herummogeln kann, wenn sie die Abwendung von der Atomenergie, wie sie schon seit Jahren im Land Berlin diskutiert wird, auch wirklich betreiben will und die Glaubwürdigkeit nicht verlieren will. Zwar trägt der Antrag deutlich die Handschrift der üblichen Diplomatie, dennoch: Mit der Umsetzung des Antrags wird es nun gelingen, die klare Position aller Fraktionen zum raschen Umstieg auf die Nutzung und Förderung von erneuerbaren Energien sowie zur Steigerung der Energieeffizienz über die Bundesgrenzen hinaus zu tragen.

Für uns Linke ist das selbstverständlich ebenso ein wichtiger Schritt für eine konsequente Umstellung auf eine demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung in Berlin. Deshalb verbinden wir die Debatte heute gern mit der Forderung nach transparenten Aktivitäten des Senats und der Koalition bei der Abarbeitung ihres Koalitionsvertrags beim Thema Berlin-Energie und fairen Bedingungen für das Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung. Hier hat die Wirtschaftsverwaltung offenkundig schon am Anfang Probleme mit der Offenlegung der möglichen Kostenberechnung, die eine wichtige Voraussetzung für die Unterschriftensammlung in der ersten Phase ist.

Auch über die Stilllegung weiterer bestehender Kernkraftwerke wird in Landesparlamenten beraten. Dass es dabei zu gemeinsamen Beschlüssen aller Fraktionen kommen kann, zeigt auch das Saarland. Hier hat die Resolution über die Stilllegung eines französischen AKW zur Einigung der sich für eine nachhaltige Zukunft verantwortlich fühlenden Abgeordneten geführt. Das macht auch Hoffnung auf eine verantwortungsbewusste Nachhaltigkeitsdebatte, die zum weltweiten Verzicht auf Kernenergie mit all den schon bekannten Risikofaktoren von der Gewinnung der radioaktiven Rohstoffe bis zu deren sogenannter Endlagerung führen wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Garmer das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Ziel einer sicheren Energieversorgung zu angemessenen Preisen unter Wahrung der Umweltbelange ist schnell formuliert. Für die Umsetzung braucht es sehr viel Zeit, Geld und Erfahrung von Ingenieuren und Facharbeitern. Wir hatten in den vergangenen Jahren in Deutschland eine sehr sichere Energieversorgung, und das war die Basis für unseren Wohlstand. Man vergisst das oft, aber es ist nicht selbstverständlich, denn die dramatische Zunahme von kritischen Netzsituationen im vergangenen Jahr, also bei Situationen, wo die Netzbetreiber aktiv stabilisierend eingreifen mussten, zeigt uns, dass wir uns auf dünnem Eis bewegen. Ein großflächiger Stromausfall hat eben nichts mit Kerzenscheinromantik und Förderung der Geburtenrate zu tun, sondern hier geht es um unsere Industrieproduktion, es geht um Wohlstand, und es geht um Arbeitsplätze.

[Zuruf von Dr. Turgut Altug (GRÜNE)]

Ganz abgesehen davon, dass es auch zu Unfällen kommen kann, bei denen Menschen ganz unmittelbar zu Schaden kommen können. Ein bisheriger Bestandteil dieser sicheren Energieversorgung in Deutschland war die Kernenergie.

Die friedliche Nutzung der Kernenergie – man darf gerne einmal daran erinnern – ist in den Sechzigerjahren in einem breiten gesellschaftlichen Konsens in Deutschland gestartet. In über 40 Jahren hat sich gezeigt, dass Kernkraftwerke in Deutschland sicher betrieben werden können, in den nächsten zehn Jahren sogar mit Zustimmung der Grünen, Herr Schäfer!

Die Ereignisse in Fukushima – vor allem die Tatsache, dass eine solche eigentlich vermeidbare Katastrophe in einem Hochtechnologieland wie Japan nicht vermieden werden konnte – haben die gesellschaftliche Akzeptanz der Kernenergie in Deutschland dramatisch verringert. Dem hat die CDU-geführte Bundesregierung mit der Energiewende Rechnung getragen. Diese Energiewende ist ein Mammutprojekt, genauer gesagt, eine Vielzahl von Großprojekten. Wir arbeiten in Deutschland mit Hochdruck an diesen Projekten, aber niemand gibt uns die Garantie, dass das funktioniert. Wir sind z. B. darauf angewiesen, dass auch diejenigen Parteien, die in der Vergangenheit ihre Existenzberechtigung aus dem Protest gegen Großprojekte aller Art abgeleitet haben, die Energiewende unterstützen. Hochspannungsleitungen, Erdkabel, Pumpspeicherkraftwerke usw. – man kann nicht gegen alles sein. Wer aussteigt, muss woanders auch wieder einsteigen.