Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Da es von den weiteren Oppositionsparteien eine Ergänzung gibt, will ich sie auch gern vortragen, da ich sie inhaltlich unterstütze. Es handelt sich um die Forderung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sicherstellt, dass syrische Asylsuchende nicht im Rahmen der Dublin-IIVerordnung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union überstellt werden, in denen sie nicht dieses sichere Asylverfahren bekommen, das sie bei uns eher bekommen könnten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Herr Innensenator! Die Dinge auszusetzen, sich nicht für zuständig zu erklären – so, wie Sie es heute in Bezug auf die Moscheegemeinde gesagt haben: Sie hoffen, dass da Besserung eintritt –, das ist nicht Ihre Aufgabe. Dafür sind Sie nicht gewählt worden. Und offen gesagt, haben Sie sogar die Position, die Sie jetzt innehaben, dem Angstreflex des Herrn auf Ihrer linken Seite zu verdanken, des Herrn Wowereit, der seine Stimmen sichern wollte, und jetzt sind Sie in der Verantwortung, da Sie nun einmal der Innensenator sind, tatsächlich dafür zu sorgen, dass Sie in dieser Position handeln. Und Handeln heißt in dieser Position, den Menschen das Bleiberecht zu sichern, was ihnen nach § 60a Aufenthaltsgesetz zusteht. Genau für solche Fälle ist dieses Gesetz konzipiert, und wenn Sie jetzt, wo der Fall eintritt, das nicht anwenden, dann führt das dazu, dass Sie eine Art Arbeitsverweigerung an den Tag legen. Das hat aber Berlin nicht verdient, das haben die Menschen, die bei uns Schutz suchen, nicht verdient, und die Opposition hat es auch nicht verdient. An die Arbeit, Herr Henkel!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Für die Fraktion der SPD hat nun der Abgeordnete Kleineidam das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas verwundert über diesen dringlichen Antrag. Seit fast einem Jahr wird aus Deutschland niemand mehr nach Syrien abgeschoben. Kein vernünftiger Mensch kommt auf die Idee, jemand nach Syrien abzuschieben, bis auf die Grünen, die fordern, sofort damit aufzuhören.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wenn Sie das dann auch noch als Dringlichkeit einbringen, müssen wir uns wohl künftig mal überlegen, wie wir mit solchen dringlichen Anträgen umgehen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich glaube, es ist völlig unstrittig hier im Haus, dass bei der gegenwärtigen Lage in Syrien niemand dorthin abgeschoben werden kann.

[Andreas Baum (PIRATEN) und Ramona Pop (GRÜNE): Dann stimmen Sie zu!]

Ich kenne auch niemanden, der irgendetwas Gegenteiliges fordert.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Die weiteren Punkte, die Sie angesprochen haben – –

[Benedikt Lux (GRÜNE): Es geht um eine dauerhafte Perspektive, Herr Kleineidam! – Torsten Schneider (SPD): Populismus!]

Herr Lux! Wenn Sie mal irgendwo gelernt hätten zuzuhören!

[Zurufe]

Lassen Sie mich doch noch zu dem Punkt kommen! Ich wollte gerade sagen: Die Punkte in Ihrem Antrag, die aus meiner Sicht diskussionswürdig sind, beziehen sich auf die Lage der Betroffenen.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich kann sehr gut nachempfinden, dass jemand, der jetzt nicht abgeschoben wird, eine gewisse Sicherheit haben will und nicht in dem Bewusstsein leben will, dass unter Umständen in der nächsten Woche oder in vier Wochen die Lage anders ist und er dann abgeschoben wird. Deshalb werden wir gern mit Ihnen im Innenausschuss darüber diskutieren, was man da im Einzelnen machen kann.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Aha!]

Aber noch einmal: Wenn Sie behaupten, wir hätten ein Problem mit Abschiebungen nach Syrien, dann liegen Sie daneben.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Die Situation der Betroffenen ist ein Problem, und das werden wir diskutieren. Aber was Sie an weiteren Punkten in Ihrem Antrag aufführen: Wenn Sie beispielsweise die Kündigung des Rückübernahmeabkommens mit der Republik Syrien fordern, ist doch zu fragen: Für alle Zeiten? – Ich hoffe, dass die Syrerinnen und Syrer irgendwann in absehbarer Zeit eine demokratische Regierung bekommen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und ich wüsste nicht, warum wir dann heute ein Abkommen kündigen sollen, auf dass wir uns im Augenblick gar nicht berufen.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich hoffe, dass dort in absehbarer Zeit andere Zustände sind. Aber, wie gesagt, das werden wir im Innenausschuss gern mit Ihnen im Detail diskutieren. Die Panikmache, die Sie hier mit diesem Antrag betreiben, ist völlig daneben.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Taş das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen einen formellen Abschiebestopp für Syrien, und zwar sofort.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die Fraktion Die Linke im Bundestag fordert dies schon seit 2009. Leider wurden entsprechende Anträge dort abgelehnt. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass in ein Land, in dem Misshandlungen und Folter stattfinden, nicht abgeschoben werden darf.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Herr Kleineidam! Ich weiß auch, dass zurzeit aus Berlin nicht nach Syrien abgeschoben wird, weil wir der Empfehlung des Bundesinnenministeriums folgen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Oliver Friederici (CDU): Aha!]

Ich will Ihnen aber erklären, warum dies nicht ausreicht. Erstens gibt ein formeller Abschiebestopp nach § 60a Aufenthaltsgesetz, den Sie erlassen können, Herr Henkel, den Menschen Rechtssicherheit, und das brauchen sie heute mehr denn je.

Zweitens ist nicht abzusehen, dass sich an der Lage in Syrien in absehbarer Zeit etwas ändert. Deshalb fordern wir für die Betroffenen eine ordentliche Aufenthaltserlaubnis, die es ihnen ermöglicht, hier ein eigenständiges Leben zu führen.

[Beifall bei der LINKEN]

Drittens hat die Bundesregierung, die heute so tut, als hätte sie nie etwas mit dem syrischen Regime zu tun gehabt, im Jahr 2009 ein Rückübernahmeabkommen mit Syrien abgeschlossen. Man könnte dazu auch Abschiebeabkommen sagen. Dieses Abkommen macht Abschiebungen nach Syrien überhaupt erst möglich. Es ist bis heute nicht gekündigt worden. Deshalb fordern wir: Es muss nicht nur einen Abschiebestopp geben, sondern auch eine Kündigung des Abkommens. Das wäre echte Solidarität mit den Opfern des Assad-Regimes und ein klares Signal in Richtung Syrien.

Wir werden den vorliegenden Antrag selbstverständlich unterstützen. Eigentlich waren wir mit den Grünen und den Piraten mitten in Gesprächen über einen gemeinsamen Antrag. Es ist schade, dass die Grünen nun den Alleingang vorziehen.

[Zurufe von der SPD und der CDU: Aha! – Daniel Buchholz (SPD): So sind sie!]

Wir von der Linken und von den Piraten sind nämlich der Ansicht, dass in dem Antrag noch ein Aspekt fehlt. Es muss sichergestellt sein, dass keine Asylsuchenden aus Syrien im Rahmen des Dublin-II-Abkommens in Länder abgeschoben werden, die keinen ausreichenden Schutz bieten oder sogar nach Syrien abschieben. Aus Ungarn wurden beispielsweise noch bis vor wenigen Tagen Menschen nach Syrien zurückgeschickt. Deshalb darf auch in solche vermeintlich sicheren Drittstaaten nicht abgeschoben werden. Das muss ausgeschlossen sein.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Dies hätten wir gern gemeinsam mit den Grünen eingebracht. Nun wird es ein Änderungsantrag, und wir bitten um Ihre Zustimmung. Ich freue mich, dass die Grünen unserem Änderungsantrag zustimmen. Geben wir den Schutzsuchenden aus Syrien Sicherheit und eine Bleibeperspektive! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Juhnke das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über das Regime in Syrien, so glaube ich, gibt es in diesem Haus keinen Dissens. Wer die Menschenrechte mit Füßen tritt und sich an die Macht klammert – unter dem Verlust von Menschen und in einem Krieg gegen die Zivilbevölkerung –, der kann natürlich niemand sein, zu dem die Bundesrepublik Menschen zurückschiebt. Das ist vollkommen klar. Deshalb gibt es seit dem April 2011 eine entsprechende Anweisung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Das wissen Sie ganz genau. Insofern hätten Sie sich seit einem Jahr hier mit tränenerstickter Stimme hinstellen und diesen Antrag stellen können. Er ist vollkommen überflüssig. Das Land Berlin führt diese Praxis nicht durch. Insofern bedarf es auch gar nicht einer solchen Regelung, und insofern gibt es auch gar keinen Handlungsdruck an dieser Stelle, um heute einen dringlichen Antrag zu diskutieren oder gar zu beschließen. Von daher schließe ich mich der Meinung meines Kollegen Kleineidam selbstverständlich an und meine, dass wir das in aller Ruhe und in allen Facetten, die sich aus den Anträgen ergeben, im Ausschuss diskutieren können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Für die Piratenfraktion hat der Abgeordnete Reinhardt das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Wir hatten heute einige schöne Zitate im Haus. Ich zitiere jetzt den Kollegen Kohlmeier: