denn die BVG und die S-Bahn sind Lebensadern dieser Stadt, Lebensadern für die Mobilität. Die BVG liefert jährlich mehr als 250 Millionen Kilometer, mehr als 900 Millionen Fahrgäste werden jährlich transportiert. Mit knapp 11 000 Beschäftigten ist die BVG das größte kommunale Unternehmen des Landes.
Die BVG bildet in 412 Berufen aus und ist damit nicht nur größter Arbeitgeber in dieser Region, sondern sichert die Mobilität in dieser Stadt. Die BVG hat mit U-Bahn, Bus und Bahn ein Gesamtnetz von über 2 000 Kilometern und ist mit zehn U-Bahnlinien, 22 Tramlinien und 149 Omnibuslinien mit der Farbe Gelb deutlich in der Stadt unterwegs.
Die öffentlichen Zuschüsse zum Betrieb und die Finanzierung der Infrastruktur von U- und Straßenbahn sind von größter Wichtigkeit. Das teilweise alte Tunnelnetz, baureife Bahnhöfe, die neuen Anforderungen zum Brand
schutz, das Schaffen von Barrierefreiheit – all das sind notwendige und wichtige Investitionen in die Zukunft. Warum sage ich Ihnen das? – Weil ich Sie bei den Haushaltsberatungen daran erinnern werde und auch daran erinnern möchte, wie wichtig und unverzichtbar die BVG für unsere Stadt ist.
Nun zur Frage der Tarifentwicklung der Fahrpreise. Beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg stehen Anträge zur Fahrpreiserhöhung im Raum. Tariferhöhungen der Fahrpreise dürfen nur moderat erfolgen, sie müssen mit dauerhaft gestiegenen Kosten begründet sein. Grundlose Tariferhöhungen lehnen wir ab. Die Begründung für Tariferhöhungen der Fahrpreise muss von Seiten der Verkehrsunternehmen transparent mit Zahlen unterlegt werden. Berlin hat – im Vergleich zu Hamburg und München – einen günstigen ÖPNV, das ist richtig. Es ist aber auch richtig, dass die Berlinerinnen und Berliner eine andere Einkommensstruktur haben und wir mit dem Thema Fahrpreiserhöhung sensibel umgehen müssen. Wenn wir Kunden mit zu hohen Fahrpreisen verschrecken, haben wir nichts gewonnen und den Verkehr wieder auf die Straße gebracht. Deshalb werbe ich auch hier für Mäßigung und Besonnenheit. Insbesondere Schüler, Auszubildende, Rentner sowie Kunden mit Dauerabonnements sollten nicht hart getroffen werden. Auch hier wird der Senat, da bin ich mir sicher, mit besonnenem Auge gründlich prüfen. Mit dieser Aussicht auf die Zukunft schließe ich meine Ausführungen – vielen Dank!
Herzlichen Dank, Herr Kollege Kreins! – Für die Fraktion der Grünen hat nun der Kollege Gelbhaar das Wort. – Bitte schön!
[Uwe Doering (LINKE): Sag ihm doch mal, dass wir das alles schon gewusst haben, was er da erzählt hat!]
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gerade erlebt, wie die große Koalition ihr Thema mit Verve angemeldet hat, und dann erlebt, wie austauschbar anscheinend CDU und SPD ihre Redner und ihre Positionen darstellen meinen zu können – so habe ich das jedenfalls wahrgenommen.
Die Koalition hat für die Aktuelle Stunde das Thema „Die BVG muss ihrer Verantwortung gerecht werden: Berlin braucht einen funktionierenden ÖPNV“ beschlossen.
Ich glaube, dass die SPD-geführte Koalition da etwas falsch verstanden hat. Was wollen Sie uns mit dem Titel dieser Aktuellen Stunde mitteilen, was wollen Sie uns eigentlich sagen? – Sie wollen sich wegducken und mit dem Finger auf jemand anderes zeigen. Oder wollen Sie mit dem Titel wirklich ausdrücken, dass die BVG ihrer Verantwortung gerecht werden soll, dass sie es derzeit also nicht tut?
Nein, da muss man gar nicht applaudieren. – Was haben wir von Herrn Kreins nun gehört? – Wir haben ganz viele Zahlen gehört, die wir auch bei Wikipedia gerne noch einmal nachlesen können, und wir haben sehr viele Ausführungen gehört, die mir zumindest die Aktualität dieses Themas nicht erklärt haben.
Danke für diesen Einwurf! – Wir Bündnisgrüne haben seit jeher hohe Erwartungen an die BVG, der ÖPNV ist schließlich eines der Urthemen der Berliner Bündnisgrünen. Natürlich äußern auch wir Kritik an einzelnen Handlungen der BVG, dazu komme ich noch. Der Titel dieser Aktuellen Stunde erscheint mir aber doch sehr irreführend.
Zunächst zum aktuellen Thema, zum Tarifstreit. Im Rahmen der aktuellen Tarifverhandlungen reichen Stoßgebete und vergiftete Appelle der Regierungsparteien an Verdi nicht aus. Es ist das legitime Recht der Beschäftigten, für gute Arbeitsbedingungen auf die Straße zu gehen. Der einseitige Appell der CDU ist daher eine schwerlich hinnehmbare Beeinflussung des Tarifstreits.
Setzen Sie sich als Senat besser dafür ein, dass insbesondere die neuen Beschäftigten besser gestellt werden! Das haben Sie landauf, landab verkündet. Tatsächlich existiert die Schere zwischen den älteren und den neuen Beschäftigten weiterhin. Die Verantwortung in Sachen Personalpolitik scheint mir hier immer noch nicht geklärt. Die BVG, das wissen wir alle, fährt Jahr für Jahr 60 bis 70 Millionen Euro Verlust ein.
Das liegt auch an der einzigartigen Gehaltsstruktur in der BVG. Daran kann die BVG nichts ändern. Den letzten Gehaltsvertrag hat der Regierende Bürgermeister Wowereit ganz persönlich ausgehandelt, und deswegen sage ich: Übernehmen Sie die Verantwortung für die politisch initiierte Überschuldung der BVG, positionieren Sie sich! Ansonsten sagen Sie klar, was Sie aus dem Senat heraus alternativ vorschlagen! Ist es Ihre Absicht, Herr Wowereit, dass die Fahrgäste 10 bis 15 Prozent höhere Fahrpreise bezahlen sollen, um diese Deckungslücke zu schließen?
Wenn Berlin die Beschleunigungspotenziale bei Bus und Bahn nutzen würde, wären auch Tarifverhandlungen für die Beschäftigten möglich, ohne dass wir jedes Mal eine Fahrpreisdiskussion beginnen müssten. Das sehen Sie aber nicht, da klinken Sie sich nicht oder allenfalls halbherzig ein. Wir erwarten vom Senat, dass er seine Möglichkeiten als Eigentümer der BVG wahrnimmt. Die Regierung hat die Möglichkeit, über die Gremien der BVG ganz konkret Einfluss zu nehmen. Stattdessen schlingert der Senat in Sachen ÖPNV seit Jahren.
Das Stichwort S-Bahn wurde bereits genannt. ÖPNV ist gerade auch die S-Bahn. Weil Sie seit zwei Jahren prüfen und sich noch nicht einmal innerhalb der SPD verständigen können, wie es weitergeht, reden wir im Plenum immer und immer wieder über dieses Thema.
Meine Damen und Herren von der Koalition! Sie müssen nun entscheiden, dafür haben Sie hier die Mehrheit. Zum Thema S-Bahn ist vieles schon gesagt. Der grottige Vertrag ist schuld am Ausbluten der S-Bahn bei Technik und Personal, die Folgen spüren die Berlinerinnen und Berliner täglich.
In Sachen Trambeschleunigung tanzt dem Senat noch jemand ganz anderes auf der Nase herum – die sogenannte Verkehrslenkung Berlin. Da wird viel Geld ausgegeben, und die Straßenbahn wird sogar noch langsamer. Die Verkehrslenkung Berlin boykottiert die Bus- und Trambeschleunigung. Allein auf den 5 Kilometern Greifswalder Straße entstanden der BVG Mehrkosten von 300 000 Euro, weil die Vorrangschaltung – nachdem sie eingeführt worden war – abgeschaltet wurde.
Der Senat verweigert mehr Busspuren, er verweigert der Straßenbahn eigene Trassen, Stichwort: Invalidenstraße. Dort wird die Straßenbahn im Schneckentempo zum Hauptbahnhof fahren, und die Mehrkosten bleiben bei der BVG hängen. Das sind nur einige Beispiele, die aber aufzeigen: Der Senat erkennt seine Handlungsmöglichkeiten nicht, er nimmt sie nicht ausreichend wahr, er lässt sich das Heft des Handelns aus der Hand nehmen.
Und dann – und das ist das Beschämende an der ganzen Geschichte – tut er bei Kritik so, als wäre die BVG schuld. Fragen wir mal nach! Mit meiner Kollegin Jasenka Villbrandt habe ich in einer Kleinen Anfrage den Senat gefragt, wieso eigentlich stückchenweise die automatische Einstiegshilfe bei Bussen, das sogenannte Kneeling, abgeschafft wird und ob der Senat darüber Kenntnis hatte. Und siehe da, ja, der Senat wurde informiert und
tolerierte den Vorgang sogar noch. Worüber beschweren Sie sich eigentlich noch? Dass die BVG tut, was Sie ihr durchgehen lassen? Herr Kreins hat das Stichwort Barrierefreiheit selbst gebracht. Da wäre ein Fall, bei dem man etwas machen könnte. Aber ich sehe nichts!
Genau das wäre das Stichwort: funktionierender ÖPNV. Eltern kommen mit Kinderwagen schwerer in Busse, weil das automatische Einknicken eingespart wird. Mobilitätseingeschränkte Menschen werden zu Bittstellern am Bus degradiert. Das ist für diese Menschen kein funktionierender ÖPNV.
Wenn Sie mir nun entgegenhalten wollen, dass das alles eine Geldfrage sei, dann muss ich Sie fragen, woher Sie eigentlich das Geld haben, Kleingärten wegen der A 100 sogar in Zeiten der vorläufigen Haushaltswirtschaft zu beräumen.
Wie kommen Sie als Erstes immer auf den Gedanken, neue Straßenbaumaßnahmen zu planen, treten aber Fahrpreisspekulationen nicht entschieden entgegen? – Das ist Schwerpunktsetzung, und die treffen Sie ganz klar gegen die, die Hilfe brauchen und gegen die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner!
Der Senat verspielt in Sachen ÖPNV seit Jahren das Primat der Politik. Was nutzt Ihnen Ihre Mehrheit im Hause, wenn der Senat seine Handlungsspielräume nicht erkennt oder nicht nutzen will? Die Kritik, meine Damen und Herren im Senat und in der Koalition, die dann immer folgt, die ist wohlfeil. Sie sitzen in den Aufsichtsgremien, Herr Senator Müller, Frau Senatorin von Obernitz, Herr Senator Nußbaum führt das Gremium sogar. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen! Nehmen Sie Ihre Möglichkeiten wahr, nutzen Sie Ihre Stimmen hier im Parlament, um sich endlich gegenüber der Exekutive zu positionieren! Laufen Sie nicht nur dem Senat und der Opposition beim Setzen der Themen hinterher, das ist zu wenig! Deswegen würde ich Ihnen gerne einen Änderungsantrag zur Ihrer Aktuellen Stunde vorschlagen; mir wurde aber gesagt, das sei formal nicht möglich. Heißen hätte es müssen: Der Senat muss seiner Verantwortung gerecht werden: Berlin braucht einen funktionierenden ÖPNV.
Natürlich hat auch Bündnis 90/Die Grünen in einzelnen Punkten Kritik an der BVG, wenn da zum Beispiel Vorstöße zum Thema Fahrpreise kommen. Das war ein Vorstoß zur Unzeit. Denn wer hatte nicht das Gefühl, dass damit der Warnstreik der Mitarbeiterinnen und Mitar
beiter diskreditiert werden sollte? Und das, bevor überhaupt eine finanzielle Belastung durch eine Einigung in den Tarifverhandlungen klar war. Erst mit diesen Informationen hätte Transparenz darüber hergestellt werden können, welche finanzielle Gegebenheiten neu vorliegen. Erst dann könnte man überhaupt über Fahrpreise reden. Wobei eines klarzustellen ist: Die Preise für umweltfreundliches Fahren haben sich dramatisch gesteigert. 1995 konnte man noch für 3,70 D-Mark, also 1,89 Euro, zwei Stunden hin und her fahren. 2011 kostet das Ticket 2,30 Euro, und es gilt nur noch für eine Richtung.
Das heißt, umweltfreundliches Fahren ist in Berlin vieles, aber nicht zu billig. Die guten Reserven liegen in einem effektiven Betrieb, nicht in einer Fahrpreiserhöhung.
Wir haben uns weiter über den Vorstoß zum Thema Schwarzfahren gewundert. Ich finde, dass wir alle hier im Haus diesbezüglich sehr gut reagiert haben. Auch Herrn Senator Müller möchte ich dafür Danke sagen. Die Erhöhung des erhöhten Beförderungsentgeltes war ein falscher Ansatz der BVG. 40 Euro sind wirklich genug. Aber, wo ist die Bundesratsinitiative des Senats, die eine Gleichbehandlung von Schwarzfahrern und Schwarzparkern herbeiführt? Eine solche Regelung wäre ein besserer Zustand als der jetzige.
Insgesamt: Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, anstatt mit dem Finger auf die BVG, Verdi oder sonst wen zu zeigen! Es ist Ihre Verantwortung, Sie sind in der Regierung.