Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das Debattenklima und der gesellschaftliche Diskurs im Netz und speziell in den sozialen Netzwerken haben sich in den letzten Jahren erheblich verändert.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Leider müssen wir feststellen, dass diese Debattenkultur, sofern dieser Begriff überhaupt noch zutrifft, der letzte Beitrag hat das ja gezeigt, öfter beleidigend, verletzend und rassistisch gefärbt ist. Immer häufiger werden Menschen zum Ziel von Hassreden und rassistischer Hetze, nur weil sie andere Meinungen vertreten, eine andere Hautfarbe, Herkunft oder sexuelle Orientierung haben oder an einen anderen Gott glauben.

Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Buchholz zu?

Nein! – Vor ein paar Jahren waren Begriffe wie FakeNews, Fake-Accounts, Hassrede oder Social Bots unbe

kannt und absolut unüblich. Heute sind sie leider allgegenwärtig.

Es muss bei der jetzt geführten Debatte um einen neuen Regulierungsrahmen für soziale Netzwerke im Kern darum gehen, wie wir mit rechtswidrigen Inhalten wie etwa Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung künftig umgehen und wie wir dieses Recht wirksam durchsetzen können.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Es ist nicht so, dass der uns vorliegende Gesetzesentwurf aus heiterem Himmel kam. Nein! Aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Hasskriminalität, vor allem bei Facebook, Youtube und Twitter hatte der Bundesjustizminister bereits vor zwei Jahren eine Taskforce mit Betreibern und Vertretern der Zivilgesellschaft ins Leben gerufen. Die Unternehmen hatten zugesagt, Hinweisen auf Hasskriminalität konsequenter als bisher nachzugehen. Zudem sollten anwenderfreundliche Mechanismen zur Meldung kritischer Beiträge eingerichtet und diese, sofern sie rechtswidrig waren, binnen 24 Stunden nicht nur geprüft, sondern auch gelöscht werden.

Entschuldigung! Es gibt eine erneute Zwischenfrage des Herrn Buchholz.

Ich lasse keine zu. – Maßstab der Prüfung war und ist das geltende Recht. Sicher, die Selbstverpflichtung der Unternehmen führte zu ersten Verbesserungen, aber diese reichen bei weitem nicht aus. – Das Ergebnis ist: Bei Youtube werden zwar mittlerweile 90 Prozent der von Nutzern gemeldeten strafbaren Inhalte gelöscht, aber bei Facebook liegt diese Quote gerade einmal bei 39 Prozent, also weit darunter. Ganz zu schweigen von Twitter. Dort führt nur eine von hundert Nutzermeldungen zur Löschung. Ich frage mich, warum sich die gerade erwähnten sozialen Netzwerke, hinter denen milliardenschwere Unternehmen stecken, so schwertun, Hasskriminalität in ihren Netzen zu beseitigen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

An den technischen Möglichkeiten liegt es jedenfalls nicht. Ein Blick in Richtung USA genügt. Dort werden aufgrund der geltenden Rechtslage beispielsweise anzügliche Bilder sofort gesperrt. Also muss ich einzelnen sozialen Netzwerken zumindest Gleichgültigkeit in diesen Fragen unterstellen. Aber da wir die wachsende Hasskriminalität sicherlich nicht dadurch eindämmen werden, indem wir dieses bösartige Phänomen schulterzuckend und gleichgültig behandeln, gibt es nur eine Möglichkeit: Wir müssen handeln.

Eines der Hauptprobleme bei der Durchsetzung des geltenden Rechts ist das Fehlen von verantwortlichen

(Ronald Gläser)

Ansprechpartnern bei den Betreibern dieser Netzwerke für Justiz, Strafverfolgungsbehörden und auch für die Betroffenen. Oft gibt es nicht einmal eine zustellungsfähige Adresse des Plattformbetreibers in Deutschland. Auch das muss sich ändern. Dienstanbieter sollen künftig mit einer Kontaktstelle vertreten sein, die 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Verstöße gegen diese Pflicht zur Vorhaltung einer rechtlich verbindlichen Kontaktstelle werden mit einer hohen Geldbuße geahndet. Wir halten das für den richtigen Weg.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Aah!]

Auch die jährlich vorgesehene Berichtspflicht begrüßen wir. Besonders wichtig ist uns das unverzügliche Tätigwerden. Nach geltendem Recht haften Provider bereits heute für die Rechtsverletzung der Nutzer, sobald sie Kenntnis von diesen haben und nicht tätig geworden sind. Im Telemediengesetz werden Dienstanbieter verpflichtet, Beschwerden und Hinweise unverzüglich zu bearbeiten. Das ist gut und richtig, aber es reicht offensichtlich nicht.

Ich möchte einen Punkt an dieser Stelle klarstellen, der die Diskussion mitunter in eine falsche Richtung lenkt. Die Pflichten des Gesetzesentwurfs sollen nur sozialen Netzwerken auferlegt werden, längst nicht allen im Telemediengesetz aufgeführten Dienstanbietern. Der Gesetzentwurf erfasst nur soziale Netzwerke, die in Deutschland mindestens zwei Millionen registrierte Nutzer haben, und diese müssen erst dann rechtswidrige Inhalte löschen oder sperren, wenn sie eine konkrete Beschwerde erhalten haben. Eine Verpflichtung zum aktiven Suchen sieht der Gesetzesentwurf überhaupt nicht vor. Es soll auch keine verpflichtenden Upload-Filter und keine Vorkontrolle durch die Anbieter sozialer Netzwerke geben.

Kommen wir kurz zum Thema Meinungsfreiheit: Dem vorliegenden Antrag entnehme ich, dass die AfD eine Einschränkung der Meinungsfreiheit befürchtet, wenn das Gesetz in Kraft tritt.

[Zuruf von der AfD: Allerdings!]

Die Aufregung kommt wahrlich aus berufenem Munde. Vermutlich wollen Sie die Inhalte des Gesetzentwurfs bewusst falsch verstehen, und ich habe gemerkt, Sie haben es nicht richtig gelesen oder wahrscheinlich gar nicht.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Die Stelle ist schon längst gefunden mit den 50 Millionen!]

Eine andere Interpretation verkneife ich mir aus Respekt vor dem Hohen Haus. Der Schutz der Meinungsfreiheit ist für meine Partei und meine Fraktion ein hohes Gut und hat höchste Priorität.

[Zuruf von der AfD: Nein!]

Damit es für alle verständlich ist: Die Löschung oder Sperrung strafbarer Inhalte ist keine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Um was geht es denn konkret? – Allein um Delikte, die den Tatbestand des Strafgesetzbuches

erfüllen. Ich wiederhole mich hier ganz bewusst: Strafbare Inhalte unterliegen nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit.

Lassen Sie mich abschließend festhalten: Der vorliegende Gesetzesentwurf kann nur eine von vielen Maßnahmen gegen die Verbreitung von Hasskriminalität und strafbaren Fake-News sein. Wer strafbare Inhalte im Netz verbreitet, muss von der Justiz konsequent verfolgt und zur Rechenschaft gezogen werden. Auch die Zivilgesellschaft ist gefordert, nicht tatenlos zuzuschauen, wenn Menschen bedroht und verunglimpft werden. Wir brauchen wieder eine Debattenkultur, die die Bezeichnung „Kultur“ auch verdient. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Die Fraktion der AfD hat eine Kurzintervention angemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter!

Geschätzte Frau Kollegin Halsch und lieber Herr Kollege Gelbhaar! Auf der Seite 10 des Gesetzesentwurfs, den Sie mir freundlicherweise ausgehändigt haben, unter wesentliche Inhalte des Entwurfs – –

Herr Abgeordneter Gläser! Sie müssten sich ausschließlich auf Ihre Vorrednerin Frau Halsch beziehen.

Frau Halsch hat eben behauptet, ich könne nicht lesen, und jetzt lese ich einmal kurz vor, was in dem Gesetzesentwurf steht:

[Zurufe von den GRÜNEN]

Nach Maßgabe des § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz kann auch gegen juristische Personen und Personenvereinigungen eine Geldbuße festgesetzt werden. Das Höchstmaß der Geldbuße nach diesem Entwurf erhöht sich in diesem Fall auf 50 Millionen Euro. – § 30 Abs. 2 Satz 3 Ordnungswidrigkeitengesetz.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Quod erat demonstrandum. – Danke schön!

[Steffen Zillich (LINKE): Es geht doch gar nicht um Ordnungswidrigkeiten! – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Ich erzähle Ihnen das gleich!]

(Karin Halsch)

Frau Abgeordnete Halsch möchte nicht erwidern. Okay! – Jetzt hat der Abgeordnete Goiny für die Fraktion der CDU das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ja wirklich fast karnevalesk, was Sie heute geboten haben. Auch Ihre Intervention hat es noch einmal deutlich gemacht, dass Sie uns stolz erklärt haben, dass Sie lesen können,

[Beifall bei der LINKEN]

und zwar das Exemplar, das der Kollege Gelbhaar Ihnen gegeben hat. Man wird ja bescheiden in seinen Erwartungshaltungen. Eigentlich hätten wir gedacht, dass Sie so etwas gelesen haben, bevor Sie es zur Priorität Ihrer Fraktion machen. Das war aber offensichtlich zu viel von Ihnen erwartet.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Dann hält uns der Pressesprecher der Landespartei der AfD einen solchen Vortrag. Ihre Öffentlichkeitsarbeit ist schon bemerkenswert an der Stelle.

[Georg Pazderski (AfD): Dann zeigen Sie uns, wie Sie es machen!]

Das leitet dann vielleicht auch zu der Motivation über, die Sie veranlasst hat, dieses hier zur Priorität zu machen, denn offensichtlich passt es Ihnen nicht, was das Gesetz intendiert. Das Gesetz intendiert, dass Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die eine Relevanz haben, jetzt auch geahndet werden können. Die sozialen Netzwerke haben heute eine Bedeutung erlangt, die von großer Wichtigkeit ist. Und warum die Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten und die Verteidigung von Ansprüchen, die man als Person hat, nicht auch auf solche Bereiche ausgeweitet werden sollen, da sind Sie doch in der Begründungspflicht, warum Sie das nicht wollen.

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Buchholz?