Nein! Ich würde gerne meinen Vortrag in Gänze halten, Frau Präsidentin, und dann kann sich gegebenenfalls danach der Kollege zu Wort melden. – Es geht doch ganz einfach darum, die Relevanz dessen, was heute soziale Medien abbilden, auch rechtsüberprüfbar zu machen. Und die Möglichkeit ist eben leider durch diese internationalen Strukturen bisher nicht gegeben. Wir haben das als Union schon lange gefordert. Das hat mit Einschrän
kung von Meinungsfreiheit nichts zu tun. Aber die gleiche Persönlichkeitsrechtsverletzung, die Sie im normalen nichtvirtuellen Alltag haben, die Sie gegenüber Printmedien und anderen haben, die müssen Sie doch selbstverständlich auch im Internet durchsetzen können.
Wissen Sie, ich würde mich ja gerne mit Ihnen intellektuell duellieren, aber ich merke, Sie sind unbewaffnet.
Deswegen gilt für uns, dass diese Persönlichkeitsrechtsverletzungen natürlich auch in den sozialen Netzwerken geahndet werden müssen. Im Grunde genommen haben wir das schon mit der Koalitionsvereinbarung zum Beginn der Wahlperiode verabredet. Da muss man leider Kritik am Bundesjustizminister üben, der hat das ja erst fast auf der Zielgerade dieser Wahlperiode auf die Reihe gekriegt.
Wir rügen als CDU-Fraktion ausdrücklich, dass die Ausweitung auf die Beleidigungsstraftatbestände hier leider nicht erfolgt ist. Auch das wäre nach unserem Dafürhalten notwendig gewesen. Und die Persönlichkeitsrechtsverletzung und die Urheberrechtsverletzung, die ja auch in den sozialen Netzwerken stattfinden, die müssen wie auch sonst in diesem Staat geahndet werden können. Wir sind ein Rechtsstaat, und Rechtsverletzungen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen müssen an jeder Stelle geahndet werden, auch im Netz. Dass Ihnen das politisch nicht passt und dass Sie aus diffusen Stimmungen und Kommentaren, die teilweise in sozialen Medien auch von Ihnen erzeugt werden, politisches Profil ziehen, das hat ja Ihr Pressesprecher hier versucht deutlich zu machen. Dass dabei die Lektüre von Gesetzen nur stört, das passt wahrscheinlich zu Ihrem Politikstil. Und deswegen sind wir der Meinung, dass dieses Gesetz sehr wohl sinnvoll ist. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Ich denke, wir sind uns hier alle einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Gewalt im Netz ist erschreckend alltäglich, und sie ist reale Gewalt, teilweise mit erheblichen Folgen für die Gesundheit und für das Sozialleben. Opfer von Belästigungen, Bedrohungen oder sexueller Belästigung erfahren oft mangelhaft oder gar keine juristische Unterstützung. Und das ist gar kein neues Problem. Lange wurde ihnen geraten, sie sollten sich doch einfach aus dem Netz zurückziehen. Den großen sozialen Netzwerken kommt an dieser Stelle eine besondere Verantwortung zu. Für viele sind sie inzwischen unverzichtbare Infrastruktur geworden. Sie nutzen sie nicht nur als Kommunikationskanal, sondern auch als Nachrichtenquelle, für berufliche Netzwerke oder zur Meinungsbildung. Trotz dieser herausragenden Rolle lässt die Kooperation der großen Netzwerke mit den Ermittlungsbehörden sehr zu wünschen übrig. Es ist die Frage: Schafft der vorliegende Gesetzentwurf bei dieser Problemlage nun Abhilfe?
Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Medien oder kürzer das Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder noch kürzer, auf Hashtag-Länge, das NetzDG, ist leider genauso unbeholfen, wie sein Name vermuten lässt. Zum einen soll hier völlig unterschiedlichen Phänomenbereichen mit einem Rundumschlag begegnet werden. Mit der Konzentration auf Hate-Speech und Fake-News wird hier auf aktuelle Debatten reagiert, um Tätigkeit zu demonstrieren. Dabei muss diesen Phänomenen völlig unterschiedlich und in Zusammenarbeit diverser gesellschaftlicher Institutionen begegnet werden. Zum andern wirkt die Liste der Delikte, die von dem Gesetz betroffen sein sollen, relativ willkürlich. Auch die Unterscheidung in offensichtlich rechtswidrige und nicht ganz so offensichtlich rechtswidrige Inhalte wirkt willkürlich. Meine juristischen Fachkolleginnen und Fachkollegen kennen eine solche Unterscheidung bisher jedenfalls nicht.
Das Hauptproblem des Gesetzentwurfs bleibt aber, dass auf sehr nachlässige Art und Weise die Rechtsdurchsetzung für eine Auswahl an Delikten privatisiert werden soll. Gerade einige Tatbestände, die offenbar in die Liste aufgenommen worden sind, um dem Problem von FakeNews zu begegnen, betreffen äußerst komplexe juristische Abwägungen, dazu gehören beispielsweise die Verunglimpfung des Staates und seiner Institutionen oder die Verunglimpfung des Bundespräsidenten. Es erschließt sich mir beim besten Willen nicht, warum diese Delikte eine so herausragende Dringlichkeit in ihrer Umsetzung haben sollten, dass man die Unterscheidung zwischen Satire und Verunglimpfung einem Konzern auferlegt. Wenn ich Sie in diesem Fall an den Fall Böhmermann und die sehr erheblichen gesellschaftlichen Folgen, die
dieser Fall hatte, erinnere, dann können Sie vielleicht verstehen, warum mir das Bauchschmerzen bereitet. Zudem ist für die Betroffenen keinerlei Rechtsbelehrung vorgesehen und Speicherfristen für die verpflichtende Sicherung mutmaßlich rechtswidriger Äußerungen sucht man auch vergeblich.
Aber, na gut, ich will mal nicht nur meckern; einiges kann man in diesem Bereich ja tatsächlich bewegen. Die geplante Berichtspflicht zum Beispiel für die Netzwerke zu ihrer Sperrpolitik halte ich eigentlich für den richtigen Weg, und auch ein paar Beispiele für die bessere Kooperation hat Frau Kollegin Halsch hier schon genannt. Ich kann ja auch das Bedürfnis nachvollziehen, dass man die großen Netzwerke nicht aus der Verantwortung entlassen möchte, aber es kann doch nicht die Antwort sein, dass wir ihnen jetzt auch noch dafür hoheitliche Aufgaben übertragen!
Eine Stellschraube an dieser Stelle wäre z. B., die Filtersouveränität der Nutzerinnen und Nutzer zu stärken. Aber dafür müsste man eben an das Heiligste der Netzwerke heran, nämlich an die intransparenten Algorithmen. Eine große Unterstützung, um den juristischen Herausforderungen gerecht zu werden, wäre es ja schon, wenn man Facebook und Co. dazu bringen würde, überhaupt Steuern zu zahlen.
Aber abgesehen davon, dass das alles keine Landesthemen sind, gibt es auch einiges, was wir als R2G in Berlin machen können, und da ducken wir uns auch nicht weg. Wir müssen die Staatsanwaltschaft spezialisieren und entsprechend ausstatten. Wir werden umfassende Konzepte zur Verbesserung der Medienkompetenz erarbeiten. Und wir werden das Beratungs- und Hilfsangebot für Opfer von Gewalt im Netz ausbauen. Unser Antrag dazu steht schon auf der Tagesordnung im nächsten Gesundheitsausschuss.
Hilft uns nun in dieser Problematik der vorliegende Antrag der AfD irgendwie weiter? Ich sage mal so: Schön, dass wir mal drüber geredet haben. Aber ich empfehle den Kolleginnen und Kollegen von der AfD, sich vielleicht noch mal die Gesetzgebungsverfahren innerhalb von Deutschland anzuschauen. Für das vorliegende Gesetz gibt es nämlich gar kein Zustimmungsverfahren im Bundesrat, insofern brauchen wir dem als Berlin weder zuzustimmen noch es abzulehnen. Der Antrag ist schlichtweg falsch.
Und auch dass Sie in Ihrer Begründung schreiben, dass Sie hier eine große Verschwörung gegen sich und Ihr einziges Wahlkampfthema wittern, geht Lichtjahre an der eigentlichen Thematik vorbei. Sie haben es ja geschrieben, das soll eine Zensurinfrastruktur sein, um jetzt noch
ganz schnell für den Bundestagswahlkampf Äußerungen zu einem bestimmten Thema, nämlich Ihrem eigenen Thema, zu unterbinden. Und das ist, gelinde gesagt, Quatsch. Das ist eine Verschwörungsideologie, das sind Fake-News.
Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass Sie mit Ihrer Einschätzung richtig liegen, dass Ihre Anhängerschaft von diesem Gesetz vermehrt betroffen ist, besonders bei Delikten wie Beleidigung oder Volksverhetzung. Aber das wäre auch wohl bei einem besser formulierten Gesetz so. Das kann nicht Grundlage dieser Debatte sein. Aber es erklärt, warum Sie sich an dieser Stelle wehren, wo Sie doch sonst immer so für Law and Order plädieren und Ihnen die Bürgerrechte an diesen Stellen meistens nur im Weg stehen.
Wir werden diesen Antrag im Ausschuss beraten, und vielleicht gehen dann von dieser Ausschussberatung noch ein paar fachliche Impulse an den Rechtsausschuss im Bundesrat aus. Ansonsten bedanke ich mich für diese Debatte, die zwar an dieser Stelle etwas deplatziert ist, aber ich finde es trotzdem sehr angenehm, dass wir darüber gesprochen haben.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten lehnt den Entwurf eines Netzwerkdurchsetzungsgesetzes klar ab.
Doch auch der hier zur Diskussion stehende Antrag der AfD ist zu oberflächlich formuliert, mündlich schlecht vorgetragen, greift zu kurz und ist in dieser Form nicht zustimmungsfähig. Die Fraktion der Freien Demokraten hat im Gegensatz zur AfD kein Interesse an der weitgehend ungehinderten Verbreitung von falschen Nachrichten, Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Diskriminierung, Hasskriminalität im Internet.
Präventionsstrategien zur Ursachenbekämpfung vorgenannter Straftaten sind sicherlich nicht einfach zu formulieren. Alle zivilgesellschaftlichen Kräfte, Staat, Verwaltung und Behörden sind gefordert, Lösungen zu erarbei
ten. Das Phänomen der Hasssprache hat dabei sicherlich auch seinen Ursprung in mangelnder Kulturtechnik bei uns selbst. Unbeherrschte Äußerungen in der Politik, Verrohung der politischen Debattenkultur von allen Seiten; Hasssprache ist auch durch das Aufkommen von Rechtspopulismus begründet. Ich würde mir daher sehr wünschen, dass Sie es mit Ihrer heutigen Initiative ernst nehmen, dass Sie öffentlich Initiative zeigen und aktives Engagement beweisen, sogenannten Fake-News und Hate-Speech entschieden entgegenzutreten.
Der Gesetzentwurf des Bundesjustizministers ist nicht gelungen, das Anliegen jedoch, dem ungehemmten Verbreiten von Hass etwas entgegenzusetzen, ist richtig und wichtig. Aus bürgerrechtsliberaler Perspektive erfordert ein solches Eintreten einen sehr sorgsamen und abwägenden Umgang mit Freiheitsrechten im Internet, insbesondere mit dem Informationsrecht. Gleichzeitig müssen wir aber den schutzwürdigen Belangen einzelner, durch Hasskriminalität Betroffener Rechnung tragen.
In Ihrer Begründung zum Antrag formulieren Sie den sehr seltsamen Anspruch, jede auch noch so grenzwertige und vielleicht gerade noch erlaubte Äußerung über soziale Medien veröffentlichen zu wollen. Diese Perspektive teilen wir nicht. Mit diesem Anliegen sind Sie im Übrigen bei den großen sozialen Netzwerken auch völlig falsch, denn alle behalten sich selbstverständlich vor, jegliche Beiträge der Nutzer jederzeit zu löschen.
Sie betonen weiter, dass Einschränkungen des Grundrechts auf Meinungsfreiheit infolge einer überzogenen Löschpraxis drohen würden. Hier gefährdet der Gesetzentwurf in der Tat Bürger- und Grundrechte. Aber: Aus dem Nichtzustandekommen des Gesetzes folgt nicht, dass alle Äußerungen durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind und ein Recht darauf haben, in sozialen Medien bestehen zu bleiben.
In der letzten Woche waren Vertreter des Vereins für liberale Netzpolitik LOAD e. V. – ein Verein, dessen Mitglied ich bin, der sich für die Gewährleistung von Freiheit im Internet einsetzt – gemeinsam mit den Initiatoren der Allianz für Meinungsfreiheit zu Gast im Bundesjustizministerium. Wir haben klargemacht, dass es für die Lösung der Probleme keiner neuen Gesetze bedarf. Was wir benötigen, ist die Gewährleistung, dass ein öffentliches Interesse daran besteht, Hasskriminalität zu ahnden. Dazu gehören mehr Personalressourcen für Justiz und Staatsanwaltschaften sowie Investitionen in die Fort-, Aus- und Weiterbildung, beispielsweise von Staatsanwaltschaften. Wir benötigen Initiativen für die Sensibilisierung des Themas, vielleicht Runde Tische mit Usern, Politik und Unternehmen. Menschenfeindlichkeit im Netz
ist dann gut zu bekämpfen, wenn Menschen merken, dass ihre verachtenden Äußerungen Konsequenzen zeigen.
Was wir brauchen, etwa durch Ergänzungen bestehender Regeln in der Zivilprozessordnung oder durch andere Maßnahmen, ist – nur beispielhaft aufgeführt – das Einsetzen von Zustellungsbevollmächtigten bei Betreibern sozialer Netzwerke, die in Deutschland aktiv sind. Diese haben nicht nur darüber Bericht zu erstatten, wie die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften bei der Bekämpfung von Hasskriminalität funktioniert, sondern sie sind zu verpflichten, mit personalstarken Staatsanwaltschaften aktiv zu kooperieren. Nur wenn diese Zusammenarbeit gut organisiert ist, kann effizient, effektiv ermittelt und Hasskriminalität wirksam bekämpft werden. Generell gilt: Ein guter Ansatzpunkt des Handelns ist die Stärkung des Justizwesens, sind nicht immerfort neue Gesetze.