Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

[Anhaltender Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Insofern – ich weiß nicht, ob sich Kollege Dregger zu diesem Thema auch noch gemeldet hat – würden wir jedenfalls diese Unterscheidung nicht vornehmen und es in keiner Weise relativieren.

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Im Gegenteil, es ist dringend erforderlich, dass wir dafür sorgen, dass das Recht an allen Stellen gleichermaßen in dieser Stadt durchgesetzt wird. Da kann es nicht sein, dass wir munter vier Millionen Ordnungswidrigkeiten eifrigst verfolgen und intensiv vollstrecken, der Oma hinterherlaufen, die gerade ihren Dackel nicht angeleint hat, aber nicht in der Lage sind, den Linksextremismus in der Stadt in den Griff zu kriegen.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Bravo! von der AfD – Zuruf von der SPD: Es gibt keine Leinenpflicht für Dackel!]

Vielen Dank! – Zur Erwiderung hat der Kollege Lux das Wort.

Frau Präsidentin! Lieber Kollege Luthe! So eine Debatte ist doch spannend. Erstens: Ich habe nicht davon gesprochen, dass die Zustände am 1. Mai paradiesisch waren, sondern sich massiv verändert haben. Ich kenne Ihre Biografie so ein bisschen, aber ich wünschte mir, dass Sie sich auch mal Berlin in dieser Zeit angeguckt hätten und nicht irgendwo in Düsseldorf an der Königsallee irgendwelche ganz besonders paradiesischen Zustände erlebt hätten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Heiterkeit bei der SPD]

Dann würden Sie hier anders über jedermann reden, der das Recht hat, seine Fensterscheiben zu vernageln, unter welchen Umständen auch immer.

Zweitens: Jemand, der ein Auto anzündet, ist ein Brandstifter. Jemand, der einen Stein oder irgendwas Gefährliches auf einen Polizisten wirft, kann vielleicht einen versuchten Totschlag oder Mord begehen. Aber Terror, Herr Kollege, und das meine ich mit der Gewaltenteilung im Rechtsstaat,

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

haben die Gerichte in jüngster Zeit nicht bei diesen Vorkommnissen unterstellt, von denen Sie hier reden und die Sie vielleicht politisch in die Kategorie des Terrorismus einsortieren. Kein einziges Gericht hat dieser linksextremen Szene ein Verhältnis zum Terrorismus vergleichbar der rechtsextremen Terrorserie des NSU oder gar dem islamistischen Terrorismus unterstellt. Dabei sollten wir auch bleiben. Haltung heißt auch, seinen Gegner nicht zu überschätzen, natürlich auch nicht zu unterschätzen, aber Sie blasen etwas auf, damit können Sie nach Hause gehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dann hat der Kollege Luthe das Wort zu einer persönlichen Erklärung.

[Oh! von links – Zurufe von der SPD und der LINKEN]

Lieber Herr Kollege Lux! Ich freue mich, dass Sie mir die Gelegenheit geben, an dieser Stellen etwas richtigzustellen, und zwar gleich zwei Aspekte: Zum einen hatten Sie in Ihrem ersten Beitrag davon gesprochen, wo wir vor 30 Jahren waren. Sie waren vor 30 Jahren im Kindergarten, ich war in der Grundschule. Ich war nicht in der Grundschule in Düsseldorf, sondern im schönen Ruhrgebiet, das hier im Hause, um auch das deutlich zu machen, noch viel stärker vertreten sein sollte.

[Heiterkeit bei der AfD]

Noch viel stärker! Ich freue mich über jeden, der mitmacht.

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Was hingegen die Relativierung angeht, muss ich auch eines sagen: Es ist unzutreffend, dass gerade die oberen Gerichte sich nicht mit linksextremistischem Terrorismus beschäftigt hätten. Allein der Kurzzeitstaatssekretär Holm kann ja Entscheidungen aus seiner Vita vorweisen, in denen es genau um Brandstiftungen als terroristischen Akt in Berlin geht.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Insofern ist diese Bemerkung falsch gewesen.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Bravo! von der AfD]

Ich darf für die Zukunft darauf hinweisen, dass persönliche Erklärungen persönliche Angriffe zurückweisen und möglicherweise die Berichtigung einer Biografie kein persönlicher Angriff ist, nur eine falsche sachliche Darstellung.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag hat die antragstellende Fraktion die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG. Gemäß § 68 der Geschäftsordnung lasse ich zuerst über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer der Ausschussüberweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der CDU-Fraktion, der FDPFraktion, der AfD-Fraktion und des fraktionslosen Abgeordneten ist eine Mehrheit für die Überweisung gegeben, und der Antrag wird in den entsprechenden Ausschuss überwiesen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.2:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 35

Beratung und Schutz für Mieterinnen und Mieter in Berlin verbessern

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0305

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke und dort die Kollegin Gennburg. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Abgeordnete! Ich erinnere heute daran, dass zuletzt immer wieder große Einigkeit darüber bestand, so dürfe es mit dem Umgang von Wohnungskonzernen und Vermieterinnen und Vermietern, die Mieterinnen und Mieter quälen, beispielsweise die Deutsche Wohnen, nicht weitergehen. Ja, es reicht mit Schimmelwohnungen wie in der Trettachzeile in Reinickendorf, 100- bis 200-prozentigen Mieterhöhungen wie in der Eisenbahnersiedlung in Baumschulenweg, Aufwertung

(Benedikt Lux)

und Verdrängung und dem groß angelegten Kampf gegen die Mieterinnen und Mieter in Berlin. Es scheint, als gäbe es keine Schmerzgrenzen beim Quälen der Mieterinnen und Mieter mehr. Jede und jeder zweite in Berlin hat Angst, seine Wohnung zu verlieren. Diese Angst zerfrisst das soziale Gefüge unserer Stadt, und damit muss endlich Schluss sein.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Immer wieder überziehen große private Wohnungsunternehmen ihre Mieterinnen und Mieter mit überzogenen, energetisch unsinnigen Modernisierungen. Sie setzen Mieterinnen und Mieter unter Druck, Modernisierungsvereinbarungen zu unterschreiben, und drohen den Rechtsweg an. Mieterinnen und Mieter lassen sich auf diese Weise entweder einschüchtern oder bilden eine Mieterinitiative. Die Mieterinitiativen haben schon viele Schweinereien verhindern können. Dafür gebührt ihnen Anerkennung.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Gläser?

Nein! – Ein Drittel derjenigen, die mich in meinen Sprechstunden aufsuchen, sind Mieterinnen und Mieter in Not. So viel Elend und so viele Sorgen! Jetzt kann das Land Berlin sinnvoll helfen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Rechte der Mieterinnen und Mieter stärken beginnt beim Mietrechtsschutz, denn wer den nicht hat, ist ausgeliefert an diejenigen, die mit den Mietshäusern in Berlin reich werden. Namentlich die Deutsche Wohnen geht massiv gegen den anerkannten Berliner Mietspiegel vor. Immer wieder wird der Mietspiegel beklagt und zur Begründung drei Wohnungsmieten aus dem eigenen Bestand zum Vergleich gestellt. So erhöht die Deutsche Wohnen AG systematisch die Mieten immer weiter auf das von ihr als größtem privaten Wohnungsanbieter festgelegte Niveau, immer höher und höher, und will den Mietspiegel zu Fall bringen. Die Mieterinnen und Mieter sollen dieses Vorgehen schlucken, ansonsten wird die Deutsche Wohnen gegen sie klagen.

Gewissermaßen sind schon heute diejenigen Mieterinnen und Mieter, die gegen solche Mieterhöhungspraxis klagen, ein Bollwerk zur Sicherung bezahlbarer Mieten. Damit wir uns richtig verstehen: Hier machen Mieterinnen und Mieter das, was eigentlich Aufgabe des Sozialstaates ist und seit der Mietrechtsreform von FDP und CDU auf Bundesebene nicht mehr gilt. Der Schutz der Mieterinnen und Mieter wurde von Schwarz-Gelb abgeschafft, werte Opposition!

Trotz des mieterfeindlichen Bundesmietrechts schafft Rot-Rot-Grün nun Hilfe zur Selbsthilfe, damit Mieterinnen und Mieter sich wenigstens wehren können, auch wenn sie wenig Geld haben, denn bei Modernisierungsankündigungen und Mieterhöhungen ohne Einhaltung des Berliner Mietspiegels haben die Mieterinnen und Mieter gute bis sehr gute Chancen, einen Rechtsstreit zu gewinnen, aber sie brauchen dafür einen Rechtsschutz. Diesen bieten Mietervereine. Häufig können sich die Mieterinnen und Mieter eine solche Mitgliedschaft oder eine private Rechtsschutzversicherung jedoch nicht leisten.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Oh! 50 Euro!]

Auf diesen Missstand, die sozial prekäre Lage großer Teile der Berliner Mieterschaft und das vehemente, rechtlich zweifelhafte Geschäftsgebaren von Deutsche Wohnen & Co. zielt unser Antrag ab. Die privaten Wohnungsunternehmen sind in Berlin nicht in einem rechtsfreien Raum. Sie haben sich an das Mietrecht zu halten, und wir wollen, dass die Mieterinnen und Mieter deren aufgeblasenen Rechtsabteilungen die Stirn bieten können.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Denn der Zugang zum Rechtsstaat darf eben nicht vom Geldbeutel abhängen. Nur dann kann er eine so wichtige Schutzwirkung für die Schwachen gegenüber den Starken entfalten. Darum geht es. Wenn Investoren meinen, hier in Berlin das Mietrecht mit Füßen treten zu können, nur damit sie am Ende mehr Profit machen, dann müssen wir eben die Berlinerinnen und Berliner in die Lage versetzen, ihre Mieterrechte entsprechend einzuklagen und so dafür zu sorgen, dass von deutschen Gerichten Einhalt geboten wird, nicht mehr und auch nicht weniger.

Das entbindet niemand von der Aufgabe, endlich Gesetze zu machen, die die Mieterinnen und Mieter wirklich umfassend schützen, zum Beispiel mit einer Mietpreisbremse, die ihren Namen auch verdient. Wir haben also noch einiges vor, und genügend gesetzgeberische Hausaufgaben liegen vor uns.

Über den Antrag hinaus verfolgen wir auch das Ziel, einen Klagerisikofonds aufzulegen. Dieses Thema werden wir uns für die Haushaltsberatungen vornehmen. Die Parole der neuen rot-rot-grünen Koalition lautet deshalb: Keine Angst für niemand! Und sobald das Mieterinnen- und Mieterschutzprogramm verabschiedet ist, gilt es auszurufen: Mieterinnen und Mieter aller Bezirke, versichert euch! – Danke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Gräff jetzt das Wort.