Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

Ist es aber nicht, da es für den Vermieter zum Zeitpunkt der Wohnraumerstellung nicht vorhersehbar war und jetzt einen Nachteil darstellt. Gleiches gilt für die Änderung von Paragraf 5, bei dem Sie versuchen, der vorzeitigen Beendigung des Status „öffentlich gefördert“ den Bestandsschutz zu nehmen. Im einzufügenden Paragrafen 1b versuchen Sie, Bundesrecht nach § 4 Berechnungsverordnung auszuhebeln. So geht es munter weiter mit der Rechtsbeugung.

[Iris Spranger (SPD): Rechtsbeugung?]

In Paragraf 2 definieren Sie schlicht und ergreifend Netto zu Brutto. Was soll das auch alles mit diesen präzisen Definitionen? Dass Paragraf 2 unterrubriziert ist und deshalb Energieeffizienzklassen enthält, weil sich einmal jemand Gedanken darüber gemacht hat, dass Nebenkosten und damit Bruttomieten bei schlechterer Energieeffizienz unterschiedlich ausfallen, ist offenbar Klein-Klein und vernachlässigbar nach dem Motto: Wir sind heute generös. Man kann kaum glauben, dass aus der gleichen politischen Richtung über Feinstaub und CO2 geklagt wird und hier der Mieter zum leichtfertigen Energieverschwender erzogen werden soll, denn das wird das Ergebnis sein, wenn sich das Ganze künftig an Bruttomieten ausrichtet.

Weiter in Ihrem Antrag schreiben Sie:

Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die finanzielle Tragbarkeit der Wohnkosten für die Antragsberechtigten von den Gesamtkosten, mithin der Bruttowarmmiete abhängt.

Ich will Ihnen etwas verraten: Dass war auch vorher schon so und wurde in Energieeffizienzklassen berücksichtigt. Weiter geht es in Ihrem Entwurf:

Bei den Haushalten, die bereits jetzt Mietzuschuss erhalten, kann sich im Einzelfall die Höhe des Zuschusses verdreifachen, da die vollständigen Nebenkosten vom Mietzuschuss abgedeckt werden. Zudem wird das Potenzial der Antragsberechtigten stärker ausgeschöpft, da es für mehr Haushalte attraktiv wird, einen Mietzuschussantrag zu stellen.

R2G will das Geldausgeben attraktiver machen. Das finde ich höchst interessant, und es ist auch besonders interessant für die, die in den Sack einzahlen, aus dem Sie großzügig verteilen. Wenn Sie glauben, Mieter fördern zu müssen, dann regeln Sie das doch schlicht über die Höhe des Zuschusses und betreiben nicht Gesetzesakrobatik bis zur Entstellung jeder Rechtsnorm. Was Sie vorhaben, ist ein No-Go. Jeder muss in diesem Land die Rechtssicherheit haben, dass die Gründe seines Handelns nicht gesetzgeberischer Willkür unterworfen werden.

[Beifall bei der AfD]

Sie verfahren frei nach dem Motto: legal, illegal … – Den Rest kennen Sie besser als ich.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Wenn es nicht legal wäre, würden wir es gar nicht machen!]

Sie werden das durchziehen. Davon bin ich überzeugt. Deshalb kann man nur hoffen, dass dieser Rechtsbruch vor Gericht geklärt wird.

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Abgeordnete Frau Schmidberger das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Laatsch! Ihnen ist schon klar, dass man, wenn man Gesetzgeber ist bzw. man sich im Parlament befindet, im verfassungsrechtlichen Rahmen bleiben muss. Das ist doch logisch. Ehrlich gesagt: Das, was Sie gerade von sich gegeben haben, ist Quatsch.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Aber wir können das noch einmal in Ruhe im Ausschuss diskutieren.

Heute ist ein guter Tag für die Sozialmieterinnen und Sozialmieter in dieser Stadt. Viele Jahre haben wir und vor allem die Mieterinitiativen auf diesen Tag hingearbeitet. Wir haben dafür gekämpft, dass die Ungerechtigkeiten und Absurditäten, die es nur im sozialen Woh

(Harald Laatsch)

nungsbau hier in Berlin gibt, endlich abgestellt werden, dass die bedürftigen Sozialmieter, die finanziell über ihrer Belastungsgrenze sind, nun endlich die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, damit sie in ihren Wohnungen bleiben können. Auch wenn das heute erst die erste Lesung ist, finde ich, dass heute ein mietenpolitischer Feiertag ist.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ein zentrales Ziel in dem Gesetz ist die Abschaffung von rückwirkenden Mieterhöhungen. Ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal, Herr Laatsch. Es ist so: Bis zu 27 Monate können Eigentümer von Sozialbauten rückwirkend Mieterhöhungen aussprechen. Wenn man sich das mal praktisch vorstellt, wäre das ungefähr so: Sie begleichen Ihre aktuelle Handyrechnung im Mai 2017 und im August 2019 bekommen Sie noch einmal eine Rechnung für den aktuellen Monat, weil die Tarife rückwirkend erhöht wurden. Ich finde, das ist nicht nur unlogisch, sondern auch total ungerecht. Es ist vor allem auch nicht zumutbar, dass Mieter in dieser Stadt mit diesem dauerhaften Damoklesschwert Mieterhöhungen leben müssen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Seit 2006 wäre es schon möglich gewesen, diesen Missstand zu beseitigen. Wir als rot-rot-grüne Koalition tun das jetzt und schließen damit endlich eine große Gerechtigkeitslücke.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Mit einer weiteren Änderung schaffen wir auch deutliche Verbesserungen gerade für die Mieterinnen und Mieter in unserer Stadt, die seit vielen Jahren durch überhöhte Kostenmieten gegängelt und verdrängt werden, denn bis zu 70 Prozent der Sozialwohnungen sind teurer als frei finanzierte Wohnungen. Dabei sollten doch gerade diese Wohnungen für Bedürftige, für Familien und Rentner erschwinglich sein. Ich finde, es ist daher höchste Zeit, dass wir die Mieterinnen und Mieter mit einem höheren Mietzuschuss entlasten.

Wir alle wissen, dass die kalten und warmen Betriebskosten, also die sog. zweite Miete, ganz schön teuer sein können. Ich erkläre Ihnen das gerne noch einmal, Herr Laatsch, weil Sie gerade so getan haben, als könnten Sozialmieter nicht mit Energie umgehen: Wir Mieter zahlen im Schnitt 3 Euro pro Quadratmeter für die Betriebskosten. Viele Sozialmieter müssen dagegen fast das Doppelte bezahlen, manche sogar noch mehr. Das liegt aber nicht an einem verschwenderischen Verbrauch, sondern an fragwürdigen Vertragskonstruktionen der Eigentümer, die die Heizkosten künstlich in die Höhe treiben. Diese Kosten werden dann über die Betriebskosten umgelegt. Viele Mieter versuchen, das zivilrechtlich anzugreifen, aber sie müssen erst einmal zahlen. Wenn

sie das nämlich nicht zahlen, riskieren sie eine Kündigung. – Deswegen, liebe AfD: Anders als Sie wollen wir die Betroffenen wirklich entlasten. Wir wollen ihnen helfen und sie schützen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Jetzt komme ich zur dritten Maßnahme, die übrigens fast schon zu spät kommt, nämlich zur Abschaffung der Ausstiegsklausel für die Eigentümer von Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung. Diese Ausstiegsklausel hat zur Folge, dass seit 2011 rund 10 000 Sozialwohnungen verlorengegangen sind. Viele dieser Wohnungen hatten Bindungszeiten bis 2045 und noch länger. Schon damals, im Mai 2011, als dieses Schlupfloch beschlossen wurde, haben Mieterverbände, aber auch wir Grünen auf die Konsequenzen aufmerksam gemacht. 10 000 Sozialbindungen sind leistungslos quasi verschenkt worden, und das, obwohl schon lange bekannt ist, dass preiswerte Wohnungen fehlen. Wir müssen jetzt versuchen, den hohen Mangel durch Ankauf und Neubau teuer wieder aufzuholen. Deswegen bin ich froh, dass wir damit Schluss machen, indem wir retten, was noch zu retten ist.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Auch wenn ich das Gesetz heute gerne feiere, so muss ich doch leider auch einen zentralen Kritikpunkt äußern, und der bezieht sich auf die vierte Änderung im Gesetz. Es geht um die anrechenbaren Kosten für Mieter nach einem Eigentümerwechsel. Bei bereits verkauften Objekten soll es weiter möglich sein, dass Vermieter fiktive Kosten geltend machen. Jetzt fragt jeder da draußen: Was sind denn fiktive Kosten? – Ich versuche, es plastisch zu erklären: Ich sitze in einem Restaurant und bestelle ein Bier. Nachdem ich das getrunken habe und bezahlen will, bekomme ich eine Rechnung von 30 Euro, und das, obwohl das Bier nur 4 Euro gekostet hat. Ich muss die Rechnung aber trotzdem zahlen. So ist das auch mit den Sozialbauten. Die Sozialmieter sollen nach einem Eigentümerwechsel für ihre Wohnung mehr bezahlen, als der neue Eigentümer für das Haus bezahlt hat. Das halte ich für nicht gerecht. Deswegen ist es auch gut, dass der Senat das für zukünftige Verkaufsfälle abschaffen will. Jedoch sollen nach dem jetzigen Gesetzentwurf Eigentümer von bereits verkauften Häusern keinen Schutz für diese fiktiven Kosten bekommen. Ich gebe zu: Das ist rechtlich alles schwer und komplex. Deswegen müssen wir uns das auch noch einmal ordentlich angucken, aber meine Rechtsauffassung ist: Eine solche Regelung widerspricht dem Grundprinzip der Kostenmiete des sozialen Wohnungsbaus. Wir dürfen solche Geschäftsmodelle nicht gesetzlich zementieren. Es gibt kein Recht auf unendliche Renditen im sozialen Wohnungsbau.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede!

Ja! – Selbst wenn man der Auffassung ist, das sei rechtlich nicht möglich, sollte man wenigstens in dem Gesetz diese Entscheidung nicht vorwegnehmen, sondern es die Mieter selbst vor Gericht klären lassen. Andrej Holm hat doch recht,

[Zurufe von der AfD]

wenn er sagt, dass es absurd wäre, wenn man mit der Reform Zusatzgewinne für neue Eigentümer gesetzlich legitimieren würde. Deshalb würde ich gerne einen anderen Weg gehen – Heute ist ein guter Tag für die Sozialmieter, aber es könnte und muss noch besser werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Seerig das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch dieser Antrag geht aus unserer Sicht wieder in eine falsche Richtung, nämlich statt Probleme zu lösen und endlich mal Wohnraum zu schaffen, beschäftigt sich die Senatsverwaltung eher mit der Perfektionierung der Mangelverwaltung. Dass nennt man dann auch noch Sozialpolitik. Es geht hier, wie Frau Senatorin richtig sagte, nur um ein kleines Segment, nämlich um 100 000 Sozialwohnungen. Der Rest wird ein wenig ausgeblendet. Dass in Zukunft bei den Mietzuschüssen die Nebenkosten mitbetrachtet werden sollen, finden wir einen sinnvollen Ansatz. Wir hielten es aber für deutlich zielführender, wenn sich das Land Berlin und seine Eigenbetriebe nicht ständig als Kostentreiber in diesem Bereich betätigen würden. Vor allem fragen wir uns: Was ist eigentlich mit den Mietern außerhalb der Sozialwohnungen? – Wir denken – das ist die eigentliche Kernkritik an dem vorgelegten Gesetz –, der Weg eines sozialen Wohnungsbaus ist ein Irrweg. Wir präferieren ganz klar eine gerechtere Subjektförderung, statt eine selektive Klientelpolitik zu schaffen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Dass rückwirkende Mieterhöhungen abgeschafft werden, finden wir gut und richtig. Es stellt die Mieter von Sozialwohnungen den Mietern frei finanzierter Wohnungen gleich, was aus unserer Sicht wieder einmal zeigt, welch Irrsinn und Irrweg diese Sozialwohnungen sind. Daher lehnen wir auch eine längere Bindungsdauer in diesem

Bereich ganz klar ab. Hier gab es eine sinnvolle Entscheidung, die man jetzt leider wieder rückgängig macht. Die Idee, dass nur reale Kosten statt früherer Baukosten fiktive Basis der Kalkulationen sein sollen, finden wir sinnvoll, es wirft aber wieder ein Schlaglicht auf den Irrsinn des sozialen Wohnungsbaus. Aus unserer Sicht ist der beste, direkteste und einzig wirklich effektive Weg zu sinkenden Mieten der Neubau von Wohnungen, gerade auch durch private Bauherren. Dazu ist notwendig, dass man endlich mit der Gängelung durch Vorgaben aufhört und vor allem – das gilt gerade für diesen Senat – mit der Verteufelung von Bauherren und Vermietern aufhört.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Der sinnvollste Weg ist Bauen, und zwar durch die, die es können und wollen. Letztes Jahr hat Berlin 13 000 neue Wohnungen gehabt. Das sind noch nicht einmal zwei Drittel des notwendigen Bedarfs, aber nun haben wir eine neue Regierung, Ergebnis: 8 Prozent Rückgang im ersten Quartal. Das heißt, die Tendenz geht eindeutig in die falsche Richtung. Wir finden es gut, wenn Frau Senatorin sagt, für die grundlegenden Dinge soll ein Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen eingerichtet werden. Ich denke, das ist ein reines Büroversehen, dass unser wohnungsbaupolitischer Sprecher, Herr Förster, noch nicht in diesen Dialog eingebunden wurde.

Schließen möchte ich damit, dass ich dem Kollegen Dr. Nelken von den Linken zustimme, der mit den Worten schloss: „Lasst uns ein gutes Gesetz machen!“ – Dem kann man zustimmen, denn das, was hier vorgelegt wird, ist das gute Gesetz noch nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor zu diesem Tagesordnungspunkt. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.2: