Ja, man kann auch eine politische Haltung ändern. Das tut ein verantwortungsbewusster Politiker, aber nicht nach Wetterlage oder Wind,
sondern erst dann, wenn sich die Faktenlage ändert – was im Fall von Tegel aber nicht geschehen ist. Ich appelliere deshalb an Sie, werte Herren: Stehen Sie zu Ihrem Wahlversprechen, und erheben Sie auch heute Ihre Stimme für die Schließung von Tegel!
Herr Czaja! Sie haben gesagt, die Koalition dürfe nicht festlegen, was der Wille des Volkes ist. Glauben Sie mir: Diese Koalition nimmt die Meinung der Berlinerinnen und Berliner sehr ernst,
[Holger Krestel (FDP): Jetzt kommt der lustige Teil! – Frank-Christian Hansel (AfD): Der zweite lustige!]
Denn wenn die Mehrheit der Berliner für den Wunsch ausspricht, den Flughafen Tegel offen zu halten, dann werden wir uns selbstverständlich mit aller Ernsthaftigkeit damit befassen.
Aber jemanden ernst zu nehmen, bedeutet auch, ehrlich zu sein, etwas, was Sie vielleicht noch lernen müssen; denn die Fakten sprechen auch heute eine klare Sprache, nämlich gegen den Weiterbetrieb Tegels.
Fakt ist: Berlin braucht dringend Wohnraum. In Tegel wollen wir rund 9 000 neue Wohnungen, sechs Kitas und eine Grundschule schaffen. Das entspannt den Wohnungsmarkt in der ganzen Stadt. Fakt ist: Berlin braucht neue Jobs. Wir schaffen in Tegel bis zu 20 000 neue Arbeitsplätze in bis zu 1 000 neuen Unternehmen,
die dann wiederum viel Geld in die Staatskasse spülen. Fakt ist: Berlin hat eine Unterversorgung an Grünflächen. Mit 250 Hektar könnte Tegel der zweitgrößte Park Berlins werden.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Ach, Gott!]
Und Fakt ist: Fluglärm macht krank – Stress, Herzinfarktrisiko, Depressionen. Schließen wir Tegel, sinkt die Lärmbelastung auf einen Schlag in der ganzen Stadt um 30 Prozent. Ich höre das erleichterte Aufatmen vieler Hunderttausender Berliner jetzt schon, und ich höre auch, genau wie Sie, lieber das glückliche Schnarchen meiner Nachbarn als die Turbinen von Ryanair.
Selbst, wenn man den TXL neben dem BER weiterbetreiben könnte – es wäre immer noch keine gute Idee, denn Sie wissen selbst, dass nach und nach alle Fluggesellschaften von Tegel nach Schönefeld umziehen würden, weil Tegel heute nicht mehr modern genug ist und auch nicht wirtschaftlich. Das heißt: Halten wir Tegel offen, wird es über kurz oder lang ein Flughafen für die Reichen, die Schöngemachten und die Militärs.
Die können dann bequem von Tegel fliegen. Der Rest der Stadt erträgt den Lärm und zahlt die Kosten. Berlin braucht aber keinen Bonzenflughafen, Berlin braucht Platz fürs Arbeiten, Leben und Wohnen.
Klar nervt es uns alle, dass der BER noch nicht fertig ist, aber wer Tegel offen halten will, stellt den BER gänzlich in Frage, und das können selbst Sie nicht ernst meinen. Ich sage Ihnen eines: Solange wie nicht eine Entscheidung gemeinsam mit dem Bund und Brandenburg treffen, wird daraus sowieso nichts.
Ich habe Ihnen heute zwei Entwürfe vorgestellt. Der eine hält verbissen an der Vergangenheit fest, schadet vielen, nützt wenigen, wird nicht gebraucht, kostet viel Geld, verstößt gegen geltendes Recht und ist sicherheits- und gesundheitsgefährdend. Der andere Entwurf bringt Berlin weiter, nützt allen, entspannt die Wohnungsnot, schafft Freiflächen, Arbeitsplätze, spült Geld in die Kassen und macht Spaß. Ich sage Ihnen eines: Die Zeit des Flughafens Tegel ist abgelaufen. Gönnen wir ihm doch seine wohlverdiente Rente!
So, wie ich mir einst nicht vorstellen konnte, dass der Hauptbahnhof den Bahnhof Zoo ablöst, so können Sie sich vielleicht heute nicht vorstellen, sich vom Flughafen TXL zu trennen. Aber haben Sie Vertrauen, denn Zukunft wird aus Mut gemacht.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kapek! Eine große deutsche Tageszeitung überschrieb neulich ihre Berichterstattung zum Deutschlandtrend mit den Worten: Die Deutschen zweifeln an der Daseinsberechtigung der Grünen. – Ich glaube, nach Ihrer heutigen Rede weiß auch der Letzte, warum das so ist.
gegen praktizierte Basisbeteiligung, und das von einer grünen Fraktionsvorsitzenden – ich glaube, so viel Verrat
an eigenen Idealen haben wir bisher, selbst in sechs Monaten Rot-Rot-Grün, von Ihrer Seite noch nicht erlebt.
Zu dem von Ihrer Seite zitierten Gutachten: Ja, wir haben alle Beteiligten eingeladen, und wir haben an alle Beteiligte die gleichen Fragen gestellt, gleich, welche Haltung sie zur Offenhaltung von Tegel haben. Wir haben Expertengespräche durchgeführt. Dort war neben vielen anderen auch Ryanair vertreten. Die Flughafengesellschaft ist der Einladung übrigens nicht gefolgt. Ich freue mich aber über jeden, der unsere Fragen beantwortet, und darüber, dass Ryanair das in so ausführlicher Art und Weise getan hat. Verlassen Sie sich darauf, das legt unsere Positionierung nicht fest,
aber ich finde es gut, dass man Antworten auf Fragen liefert, die nicht nur uns, sondern alle Berlinerinnen und Berliner bewegen; denn es ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, uns damit ernsthaft auseinanderzusetzen.
Ich sage Ihnen eines, das rufe ich Ihnen gern in Erinnerung: Ich habe im letzten Jahr Michael Müller die gleichen Fragen gestellt wie Ryanair. Ich habe Michael Müller gefragt, welche Änderungen bezüglich der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung für den Betrieb des Flughafens Tegel erforderlich wären, um einen unbefristeten Weiterbetrieb des Flughafens Tegel zu ermöglichen. Das interessiert mich, weil immer gesagt wurde: Es geht nicht. – Ich habe gefragt, ob der Senat es für möglich hält, und, wenn nein, warum nicht, die Genehmigung für einen unbefristeten Betrieb von Tegel neu zu erteilen. Ich habe gefragt, welche Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses denn erforderlich sein sollen. Es wird ja immer wieder vom Senat behauptet, dass es solcher Änderungen bedürfe. Ich habe nachgefragt, welche tatsächlichen rechtlichen Auswirkungen auf den Bau und Betrieb des BER denn eine Offenhaltung von Tegel hätte. Ich habe nachgefragt, wie es aus der Sicht des Senats um die Wirtschaftlichkeit von zwei Flughafenstandorten bestellt wäre, wenn BER und Tegel gleichzeitig in Betrieb wären.
Können wir gleich machen. – Natürlich hat der Regierende Bürgermeister nicht selbst auf meine Fragen geantwortet. Das erwarte ich inzwischen gar nicht mehr. Bei wichtigen Fragen schlägt er sich ja regelmäßig in die Büsche.